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Document 52017XC0119(01)
Communication from the Commission — EU law: Better results through better application
Mitteilung der Kommission — EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung
Mitteilung der Kommission — EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung
C/2016/8600
ABl. C 18 vom 19.1.2017, p. 10–20
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
19.1.2017 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 18/10 |
MITTEILUNG DER KOMMISSION
EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung
(2017/C 18/02)
1. Einführung
Die Europäische Union gründet auf dem Rechtsstaatsprinzip. Sie stützt sich auf Rechtsvorschriften, um sicherzustellen, dass ihre Politik und ihre Prioritäten in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden (1). Die Kommission ist nach Artikel 17 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union für die wirksame Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften zuständig. Dies ist eine wichtige politische Priorität der Kommission Juncker und Bestandteil der von der Kommission angestrebten besseren Rechtsetzung (2).
Die wirksame Durchsetzung der EU-Vorschriften — in Bereichen, die von den Grundfreiheiten über die Lebensmittel- und Produktsicherheit und die Luftqualität bis hin zum Schutz der gemeinsamen Währung reichen — ist für die Europäer wichtig und beeinflusst ihr tägliches Leben. Die Durchsetzung der Vorschriften liegt im allgemeinen Interesse. Wenn ein Thema in den Vordergrund rückt — wie Pkw-Abgaswerte bei Zulassungstests, Wasserverschmutzung, illegale Deponien und Verkehrssicherheit –, dann sind nicht fehlende EU-Vorschriften das Problem, sondern vielmehr die Tatsache, dass das EU-Recht nicht wirksam angewendet wird. Wir brauchen deshalb ein konsequentes, effizientes und wirksames Durchsetzungssystem, das gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten das EU-Recht in vollem Umfang anwenden, umsetzen und durchsetzen, und den Bürgern angemessener Rechtsschutz zur Verfügung steht.
Bürger, Unternehmen und die Zivilgesellschaft tragen wesentlich zur Kontrolle durch die Kommission bei, indem sie Mängel bei der Anwendung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten mitteilen. Die Kommission erkennt die wichtige Rolle von Beschwerden bei der Aufdeckung von Verstößen gegen das EU-Recht an.
Im Rahmen ihrer derzeitigen Durchsetzungspolitik kontrolliert die Kommission, wie das EU-Recht angewendet und umgesetzt wird, löst Probleme mit den Mitgliedstaaten, um etwaige Verstöße zu beenden, und leitet gegebenenfalls Vertragsverletzungsverfahren ein. Die Durchsetzungspolitik wurde über die vergangenen 15 Jahre hinweg schrittweise weiterentwickelt und gestärkt. Wichtige Mitteilungen aus den Jahren 2002 (3) und 2007 (4) gaben den Rahmen ab für eine bessere Kontrolle, stärkere Partnerschaften und wirksamere Problemlösungen, die bessere Durchführung von Vertragsverletzungsverfahren und mehr Transparenz.
Über ihre Strategie für die Beendigung von Verstößen hinaus hat die Kommission den „Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips“ (5) erarbeitet und in den Fällen angewendet, in denen die nationalen Vorkehrungen zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit nicht mehr ausreichend erschienen, um eine ihrem Wesen nach systemimmanente Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit effektiv abzustellen, die durch ein Vertragsverletzungsverfahren nicht behoben werden kann. Dies ist erforderlich, da die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit Voraussetzung dafür ist, dass alle Rechte und Pflichten, die sich aus den Verträgen ergeben, geachtet bzw. erfüllt werden.
Die Juncker-Kommission verfolgt in Politik und Rechtsetzung ein stärker zielgerichtetes Konzept. Ihr gestrafftes Arbeitsprogramm stützt sich in allen Phasen der Ausarbeitung politischer Maßnahmen auf qualitativ hochwertige Analysen und öffentliche Konsultationen der Interessenträger. Diese neue Arbeitsweise steht im Mittelpunkt der Agenda für bessere Rechtsetzung und soll sicherstellen, dass jede Maßnahme im Gesamtregelwerk der EU zweckmäßig und leicht anzuwenden ist und in der gesamten EU durchgesetzt wird. In ihrer Mitteilung „Bessere Rechtsetzung: Bessere Ergebnisse für eine stärkere Union“ verpflichtete sich die Kommission, eine wirksamere Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung des Unionsrechts zu fördern (6).
In der kürzlich unterzeichneten Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung (7) erkennen das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission ihre gemeinsame Verantwortung dafür an, dass Rechtsvorschriften der Union von hoher Qualität verabschiedet werden. In der Gemeinsamen Erklärung über die legislativen Prioritäten der EU für 2017 wird die Absicht bekräftigt, stärker für die ordnungsgemäße Umsetzung und Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften einzutreten (8).
Trotz dieser Bemühungen stellt die Anwendung und Durchsetzung des EU-Rechts nach wie vor eine Herausforderung dar, so dass im allgemeinen Interesse stärkeres Augenmerk auf die Durchsetzung gerichtet werden sollte. Mittels der Durchsetzung des EU-Rechts wird die Umsetzung politischer Prioritäten unterstützt und ergänzt. Die Kommission wird bei der Festlegung ihrer politischen Prioritäten darauf achten, nicht nur neue Rechtsvorschriften vorzulegen, sondern auch die Umsetzung im Blick zu haben. Die zur wirksamen Umsetzung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften geleistete Arbeit muss denselben Stellenwert haben wie die Arbeit zur Entwicklung neuer Rechtsvorschriften. Damit die Bürger die Vorteile des EU-Rechts in vollem Umfang ausschöpfen können, muss die Partnerschaft zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, die bei der Umsetzung eine zentrale Rolle spielen, gestärkt werden. Gleichzeitig sollten die Bürger, die Industrie- und Handelsverbände, die Sozialpartner, der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen sowie die Zivilgesellschaft die Kommission dabei unterstützen, Probleme durch ein strukturierteres Vorgehen zu ermitteln.
In der vorliegenden Mitteilung wird dargelegt, wie die Kommission im Hinblick auf eine „Europäische Union, die in großen Fragen Größe und Ehrgeiz zeigt und sich in kleinen Fragen durch Zurückhaltung und Bescheidenheit auszeichnet“, ihre Bemühungen im Bereich der Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung des EU-Rechts verstärken wird (9). Angestrebt wird ein strategischerer Ansatz für die Durchsetzung im Falle von Verstößen gegen das EU-Recht. Ferner gibt die Mitteilung einen Überblick über andere Maßnahmen, die die Kommission ergreifen wird, um Mitgliedstaaten und Bürger dabei zu unterstützen, für die wirksame Anwendung des EU-Rechts zu sorgen.
2. Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung des EU-Rechts
Die Mitgliedstaaten tragen die Hauptverantwortung für die ordnungsgemäße Umsetzung, Anwendung und Durchführung des EU-Rechts (10). Sie müssen ferner hinreichende Verfahren vorsehen, die in den vom EU-Recht erfassten Bereichen für wirksamen Rechtsschutz sorgen. Für den Fall, dass im EU-Recht verankerte Recht der Bürger auf nationaler Ebene beeinträchtigt werden, müssen die Bürger daher Zugang zu schnellen und wirksamen nationalen Rechtsbehelfsverfahren haben, die dem im Vertrag verankerten Grundsatz des wirksamen Rechtsschutzes entsprechen (11). Im Normalfall sind für die Wahrung des EU-Rechts die nationalen Gerichte zuständig, die wirksam zur Durchsetzung des EU-Rechts in konkreten Fällen beitragen. Sie haben die Kompetenz, den Klagen von Bürgern stattzugeben, die, wenn nationale Maßnahmen gegen das EU-Recht verstoßen, Rechtsschutz oder einen finanziellen Ausgleich für den dadurch erlittenen Schaden erhalten wollen.
Um die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen im Bereich der Umsetzung des EU-Rechts zu unterstützen und zu gewährleisten, dass sie ihrer Verantwortung für die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts gerecht werden, setzt die Kommission eine breite Palette von Instrumenten ein. Sie reichen von Präventivmaßnahmen und frühzeitiger Problemlösung bis hin zu proaktiver Überwachung und gezielter Durchsetzung. Im Folgenden wird dargelegt, wie die derzeitigen unterstützenden Maßnahmen ausgebaut werden sollen.
Dialog
Verstöße gegen das EU-Recht sind keine Routineangelegenheiten und sollten auf entsprechend hoher Ebene rechtzeitig thematisiert werden. Hochrangige bilaterale Treffen zwischen Kommission und Mitgliedstaaten zur proaktiven Erörterung von Fragen der Einhaltung von EU-Vorschriften sind wünschenswert und werden in allen Rechtsbereichen systematischer stattfinden. Wie in der Binnenmarktstrategie (12) vorgesehen, wird die Kommission beispielsweise Compliance-Dialoge mit den Mitgliedstaaten führen. Die Dialoge können Vertragsverletzungsverfahren oder auch allgemeinere Fragen der Rechtsdurchsetzung betreffen.
Zur Förderung und Bewertung der praktischen Umsetzung des EU-Rechts wird die Kommission auch weiterhin die verschiedenen Ausschüsse und Sachverständigengruppen einbinden und die wertvolle Unterstützung der Agenturen der Europäischen Union in Anspruch nehmen. Gespräche in diesen Foren haben sich als wirksam erwiesen um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften vorantreiben, und sind Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten. Darüber hinaus trägt der Dialog über die Durchsetzung bestimmter EU-Rechtsvorschriften, der auch eine Voraussetzung für den wirksamen Einsatz der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (13) ist, zur vollständigen, zeitnahen Umsetzung des EU-Rechts bei.
Auf Verstöße gegen das EU-Recht muss umgehend reagiert werden. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen mit den Ermittlungen schnell beginnen und sie zügig voranbringen. Der strukturierte Dialog zur Problemlösung zwischen Kommission und Mitgliedstaaten, „EU-Pilot“ genannt, wurde eingerichtet, um bei etwaigen Verstößen gegen das EU-Recht in geeigneten Fällen frühzeitig Lösungen zu finden. Er soll das Vertragsverletzungsverfahren, das an sich bereits ein Mittel darstellt, um mit einem Mitgliedstaat einen Dialog zur Problemlösung aufzunehmen, nicht um eine langwierige Phase verlängern. Die Kommission wird Vertragsverletzungsverfahren ohne Rückgriff auf „EU-Pilot“ einleiten, es sei denn der Einsatz von EU-Pilot wird in einem bestimmten Fall als sinnvoll erachtet (14).
Aufbau von Kapazitäten in den Mitgliedstaaten
Die Kommission wird die Mitgliedstaaten unterstützen und ihnen dabei helfen, ihre Kapazitäten zur Durchsetzung des EU-Rechts und zur Bereitstellung von Rechtsbehelfsverfahren auszubauen, damit Bürger und Unternehmen, denen das EU-Recht letztendlich nutzen soll, ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können (15). Netze und der Austausch bewährter Vorgehensweisen sind dafür von entscheidender Bedeutung. Die Kommission wird weiterhin über eine Reihe von Netzen mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten, damit die EU-Vorschriften wirksam und einheitlich angewendet werden. Im Bereich des Binnenmarkts für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste unterstützt und berät beispielsweise das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation die Kommission und die nationalen Regulierungsbehörden bei der Umsetzung des EU-Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation. Das Europäische Wettbewerbsnetz (ECN) trägt zur wirksamen und einheitlichen Anwendung der Wettbewerbsvorschriften bei, und das Netz der Europäischen Union für die Anwendung und Durchsetzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts (IMPEL) spielt eine wichtige Rolle, indem es insbesondere den Austausch bewährter Vorgehensweisen zur Durchsetzung des Besitzstands im Umweltbereich und der Mindestkontrollanforderungen unterstützt. Die Arbeit dieses Netzes wird in künftigen Initiativen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Einhaltung des EU-Umweltrechts thematisiert werden (16). Die Gruppe für den Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (sogenannte „Artikel 29-Datenschutzgruppe“) spielt bei der Anwendung der Datenschutzvorschriften eine wichtige Rolle. An ihre Stelle tritt mit dem Inkrafttreten des neuen EU-Datenschutzrahmens (17) der Europäischen Datenschutzausschuss.
Die im EU-Recht geforderten unabhängigen Verwaltungs- bzw. Aufsichtsbehörden (z. B. in den Bereichen Datenschutz, Gleichstellung, Energie, Verkehr oder Finanzdienstleistungen) spielen eine wichtige Rolle bei der Um- und Durchsetzung der Vorschriften. Die Kommission wird daher besonders darauf achten, dass diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben mit hinreichenden und geeigneten Mitteln ausgestattet sind. So ist die Kommission beispielsweise der Ansicht, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden in die Lage versetzt werden sollten, die Wettbewerbsvorschriften besser durchzusetzen. Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass ihre Unabhängigkeit sichergestellt wird und sie mit hinreichenden Instrumenten und Mitteln ausgestattet werden, um den Wettbewerb in Europa wirksamer durchzusetzen, den Wettbewerb auf den Märkten zu stärken und dafür zu sorgen, dass die Verbraucher eine größere Auswahl an Waren und Dienstleistungen zu niedrigeren Preisen und mit besserer Qualität erhalten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden für elektronische Kommunikationsdienste, den Energie- und den Eisenbahnsektor sowie der nationalen Finanzaufsichtsbehörden (18). Im Finanzsektor können die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden Untersuchungen durchführen und weitere Maßnahmen ergreifen, wenn eine zuständige nationale Behörde gegen ihre Verpflichtungen aus den geltenden Rechtsvorschriften verstößt (19). Die Kommission unterstützt die Modernisierung der Durchsetzungsbehörden im Rahmen des Europäischen Semesters, des jährlichen EU-Zyklus zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik sowie erforderlichenfalls durch spezifische Rechtsvorschriften. So hat die Kommission beispielsweise einen Vorschlag zur Überarbeitung der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (20) vorgelegt, durch den die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt werden sollen, Verstöße gegen das Verbraucherrecht, insbesondere im Online-Umfeld, besser zu ahnden.
Außerdem wird die Kommission die Mitgliedstaaten weiterhin dabei unterstützen, im Rahmen des Europäischen Semesters die Effizienz der nationalen Rechtssysteme zu verbessern, und wird Justizreformen sowie juristische Aus- und Fortbildung weiter mit EU-Mitteln fördern. In diesem Zusammenhang ist auch das EU-Justizbarometer (21) von Bedeutung, da es eine vergleichende Übersicht über die Qualität, Unabhängigkeit und Effizienz der nationalen Rechtssysteme bietet. Es erleichtert die Ermittlung etwaiger Mängel und bewährter Verfahren und zeigt die bereits erzielten Fortschritte auf. Die Kommission wird ihre Unterstützung für die Stärkung der nationalen Rechtssysteme ausbauen. Schulungsmaßnahmen für nationale Richter und sonstige Angehörige der Rechtsberufe werden weiterhin gefördert. Die Kommission und die nationalen Richter sorgen gemeinsam erfolgreich für die Einhaltung des Wettbewerbsrechts (22) und der Umweltvorschriften (23) und fördern die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen über das Europäische Justizielle Netz (24). Dies zeigt, dass es noch Spielraum zur Verbesserung des Erfahrungsaustauschs gibt. Um diese Bemühungen zu unterstützen, hat die Kommission eine erläuternde Mitteilung zum Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten erlassen (25).
Die Kommission wird ihre Zusammenarbeit mit dem Europäischen Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten ausbauen, das von der Europäischen Bürgerbeauftragten koordiniert wird und die nationalen und regionalen Bürgerbeauftragten zusammenbringt, um eine gute Verwaltungspraxis bei der Anwendung des EU-Rechts auf nationaler Ebene zu fördern.
Bessere Rechtsetzung erleichtert die Anwendung und Umsetzung
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben den gemeinsamen politischen Willen, die Qualität der Rechtsetzung zu verbessern sowie bestehende Gesetze zu überprüfen und erforderlichenfalls zu aktualisieren. In der interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung bekräftigen sie, dass sie die Qualität der Rechtsetzung und die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Bürger und der Unternehmen gewährleisten werden. Wenn Rechtstexte klar und verständlich formuliert sind, erhöht dies die Rechtssicherheit und führt zu einer besseren Anwendung. Klare und verständliche Rechtsvorschriften können wirksam umgesetzt werden, Bürger und Wirtschaftbeteiligte können ihre Rechte und Pflichten leichter verstehen und die Justiz kann sie einfacher durchsetzen.
Deshalb sollten bestimmte Aspekte der Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts unbedingt in der Politikgestaltungsphase berücksichtigt werden. Die Mitteilung der Kommission für bessere Rechtsetzung (26) bietet den Kommissionsdienststellen Hinweise für die Ausarbeitung von Umsetzungsplänen, um mögliche Schwierigkeiten der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Rechts zu ermitteln, und zeigt Möglichkeiten zur Minderung dieses Risikos auf. Die Kommission stimmt sich bei der Ausarbeitung von Richtlinienvorschlägen auch mit den Mitgliedstaaten ab, um zu ermitteln, ob erläuternde Dokumente über die den Zusammenhang zwischen der Richtlinie und den nationalen Umsetzungsmaßnahmen erforderlich sind (27).
Wenn es darum geht sicherzustellen, dass das EU-Recht ordnungsgemäß umgesetzt, angewandt und durchgeführt wird, ist Transparenz von entscheidender Bedeutung. In der interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Öffentlichkeit in ihrem Land über die Umsetzung von EU-Richtlinien zu unterrichten und im nationalen Umsetzungsrechtsakt (oder einem damit verbundenen Dokument) zu erläutern, an welchen Stellen Aspekte hinzugefügt wurden, die in keinerlei Zusammenhang mit den EU-Vorschriften stehen.
3. Ein strategischerer Ansatz für die Maßnahmen der Kommission zur Rechtsdurchsetzung
Prioritätensetzung
Die Kommission fördert die allgemeinen Interessen der Union und stellt die Anwendung der Verträge sicher. Als Hüterin die Verträge ist sie verpflichtet, unter der Kontrolle des Gerichtshofs der Europäischen Union die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung des EU-Rechts zu überwachen und zu gewährleisten, dass ihre Rechtsvorschriften und Verfahren mit diesem im Einklang stehen (28).
Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe verfügt die Kommission über einen Ermessensspielraum, wenn es darum geht zu entscheiden, ob und wann sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet oder in einer Sache den Gerichtshof anruft (29). Daher haben nach der Rechtsprechung Klagen, die Einzelne gegen die Kommission erheben, weil diese ein Vertragsverletzungsverfahren nicht durchführt, keine Aussicht auf Erfolg (30).
Der Grundsatz „in großen Fragen Größe und Ehrgeiz zeigen und in kleinen Fragen Zurückhaltung und Bescheidenheit üben“ sollte in einem strategischeren und effizienteren Ansatz für die Rechtsdurchsetzung im Falle von Verstößen münden. Bei der Umsetzung dieses Ansatzes misst die Kommission weiterhin individuellen Beschwerden große Bedeutung für die Feststellung weiter reichender Probleme bei der Durchsetzung des EU-Rechts zu, die die Interessen der Bürger und Unternehmen beeinträchtigen können.
Die Kommission sollte ihren Ermessensspielraum auf strategische Weise nutzen und in erster Linie die schwerwiegendsten Verstöße gegen das EU-Recht verfolgen, die die Interessen der Bürger und der Wirtschaft beeinträchtigen. Folglich wird sie entschlossen gegen Verstöße vorgehen, die der Verwirklichung wichtiger politischer Ziele der EU (31) entgegenstehen oder die vier Grundfreiheiten zu beeinträchtigen drohen.
Vorrangig wird die Kommission die Fälle untersuchen, in denen ein Mitgliedstaat: Umsetzungsmaßnahmen nicht mitgeteilt oder Richtlinien nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat; einem Urteil des Gerichtshofs nicht nachgekommen ist (vgl. Artikel 260 Absatz 2 AEUV) oder den finanziellen Interessen der EU schwer geschadet oder ausschließliche Zuständigkeiten der EU missachtet hat (vgl. Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 AEUV).
Die Verpflichtung, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um einem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, entfaltet die größte Wirkung, wenn durch die geforderten Maßnahmen systemische Schwächen in der Rechtsordnung des Mitgliedstaats angegangen werden. Deshalb wird die Kommission denjenigen Verstößen oberste Priorität einräumen, durch die systemische Schwächen zutage treten, die das Funktionieren des institutionellen Rahmens der EU beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere für Verstöße, die Auswirkungen auf die Fähigkeit der nationalen Rechtssysteme haben, zur wirksamen Durchsetzung des EU-Rechts beizutragen. Die Kommission wird daher allen Fällen strikt nachgehen, in denen nationale Rechtsvorschriften oder übliche Praktiken Vorabentscheidungsverfahren des Gerichtshofs behindern oder nationales Recht die nationalen Gerichte daran hindert, den Vorrang des EU-Rechts anzuerkennen. Sie wird auch eingreifen, wenn das nationale Recht bei Verstößen gegen EU-Recht keine wirksamen Rechtsbehelfe vorsieht oder auf andere Weise verhindern, dass nationale Rechtssysteme die wirksame Anwendung des EU-Rechts nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und des Artikels 47 der EU-Grundrechtecharta gewährleisten.
Ferner wird die Kommission gewährleisten, dass die nationalen Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht vereinbar sind, denn fehlerhafte nationale Rechtsvorschriften berauben Bürger systematisch der Möglichkeiten, ihre Rechte einschließlich der Grundrechte durchzusetzen und die Vorteile des EU-Rechts in vollem Umfang auszuschöpfen. Darüber hinaus wird die Kommission ein besonderes Augenmerk auf Fälle richten, in denen Mitgliedstaaten das EU-Recht fortdauernd nicht korrekt anwenden.
In Anbetracht des Ermessensspielraums, über den die Kommission bei der Entscheidung darüber verfügt, welchen Fällen sie nachgeht, wird sie untersuchen, welche Auswirkungen ein Verstoß — z. B. eine Verletzung der im Vertrag verankerten Grundfreiheiten, die Bürger oder Unternehmen, die in einen anderen Mitgliedstaat umziehen oder grenzübergreifende Geschäfte durchführen wollen, vor erhebliche Probleme stellt, oder wenn grenzübergreifende systemische Auswirkungen vorliegen — auf die Verwirklichung der wichtigsten politischen Ziele der EU hat. Außerdem wird die Kommission berücksichtigen, welcher Mehrwert bei einem Vertragsverletzungsverfahren erzielt werden kann, und den Vorgang schließen, wenn ihr dies aus politischer Sicht angebracht erscheint. Die Kommission wird ihren Ermessensspielraum insbesondere in Fällen nutzen, in denen Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 267 AEUV zu derselben Frage anhängig sind und ein Handeln der Kommission die Lösung des Rechtsstreits nicht erheblich beschleunigen würde und in denen die Verfolgung des Verstoßes zu dem in einem Legislativvorschlag des Kommissionskollegiums verfolgten Ansatz im Widerspruch stünde.
Bestimmte Kategorien von Fällen können oftmals durch andere, besser geeignete Mechanismen auf EU-Ebene oder nationaler Ebene zufriedenstellend geregelt werden. Dies gilt insbesondere für einzelne Fälle nicht ordnungsgemäßer Anwendung, die nicht zu grundsätzlichen Bedenken Anlass geben, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine allgemeine Praxis, ein Problem hinsichtlich der Übereinstimmung der nationalen Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht oder einen systematischen Verstoß gegen EU-Recht vorliegen. In solchen Fällen wird die Kommission Beschwerdeführer in der Regel an die nationalen Stellen verweisen, sofern wirksamer Rechtsschutz vorhanden ist.
Wirksamere Compliance-Prüfung
Dieser Ansatz erfordert eine strukturiertere, systematischere und wirksamere Prüfung der Umsetzung und Konformität der nationalen Maßnahmen zur Umsetzung des EU-Rechts. Für diese Prüfungen werden neue Techniken verwendet. So entwickelt die Kommission beispielsweise ein Datenanalyseinstrument, um die Überwachung der Binnenmarktvorschriften zu verbessern (32). Dieses Instrument soll die Prüfung der Übereinstimmung der nationalen Maßnahmen mit dem EU-Recht beschleunigen, Aufschluss über eine lückenhafte und nicht ordnungsgemäße Umsetzung geben und möglicherweise Überregulierung (wenn Maßnahmen über die Umsetzung der Richtlinien hinausgehen) aufzeigen. In manchen Fällen enthalten Beschwerden allgemeine Hinweise auf die unzulängliche Umsetzung einer Richtlinie, ohne dass besondere Aspekte vorgetragen würden, die den Beschwerdeführer selbst berühren. Auf derartige Beschwerden hin wird üblicherweise eine Compliance-Prüfung vorgenommen, bei der die Kommission ihr Hauptaugenmerk in der Regel auf die weiter gefasste Compliance-Prüfung legt, anstatt auf der konkreten Beschwerde nachzugehen.
Sanktionen bei Nichtmitteilung der Umsetzungsmaßnahmen
Die Kommission legt großen Wert auf die fristgerechte Umsetzung von Richtlinien. In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission das Ziel gesetzt, bei etwaigen Verstößen innerhalb von 12 Monaten den Gerichtshof anzurufen, wenn die Richtlinie dann immer noch nicht umgesetzt ist (33). Im Einklang mit der Priorität, für eine fristgerechte Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen zu sorgen, beabsichtigt die Kommission, von ihren Möglichkeiten nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV umfassend Gebrauch zu machen und in solchen Fällen systematisch Sanktionen zu verhängen.
Mit dem Vertrag von Lissabon hat die Kommission die Möglichkeit erhalten, finanzielle Sanktionen gegen Mitgliedstaaten zu verhängen, um sie dazu zu veranlassen, gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassene Richtlinien umgehend in nationales Recht umzusetzen (Artikel 260 Absatz 3 AEUV). Trotzdem verstoßen Mitgliedstaaten nach wie vor gegen Umsetzungsfristen. Ende 2015 waren 518 Vertragsverletzungsverfahren wegen verspäteter Umsetzung anhängig; das sind 19 % mehr als Ende 2014 (421 Verfahren) (34). In einigen Fällen werden Mitgliedstaaten erst zum Ende des von der Kommission gegen sie angestrengten Verfahrens tätig, um eine Richtlinie umzusetzen, und erhalten dadurch erheblich mehr Zeit für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen.
In ihrer Mitteilung von 2011 über die Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV (35) hat die Kommission angekündigt, dass sie in Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung einer Richtlinie beim Gerichtshof in der Regel nur die Verhängung eines Zwangsgelds beantragen wird. Gemäß der Mitteilung behält sie sich aber das Recht vor, in geeigneten Fällen dem Gerichtshof die zusätzliche Verhängung eines Pauschalbetrags vorzuschlagen. Außerdem kündigte die Kommission an, ihre Vorgehensweise des grundsätzlichen Verzichts auf die Verhängung von Pauschalbeträgen abhängig davon zu überprüfen, wie sich die Mitgliedstaaten bei der reinen Verhängung von Zwangsgeldern verhalten.
In Anbetracht der bisherigen Erfahrungen wird die Kommission nun ihre Vorgehensweise bei Fällen, in denen sie nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV den Gerichtshof anruft, ändern, wie sie dies bereits bei den nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV an den Gerichtshof verwiesenen Rechtssachen getan hat (36), indem sie fortan grundsätzlich beim Gerichtshof beantragt, neben dem Zwangsgeld auch einen Pauschalbetrag zu verhängen. Für die Festsetzung des Pauschalbetrags berücksichtigt die Kommission im Einklang mit ihrer Praxis (37) den Grad der Umsetzung bei der Bestimmung der Schwere der Nichtumsetzung.
Die logische Konsequenz dieser Vorgehensweise in Bezug auf Pauschalbeträge ist, dass die Kommission ihre Klage künftig nicht mehr allein deshalb zurückziehen wird, weil der Mitgliedstaat den Verstoß im Laufe des Gerichtsverfahrens durch Umsetzung der betreffenden Richtlinie abgestellt hat. In einem solchen Fall kann der Gerichtshof kein Zwangsgeld verhängen, da diese Sanktion gegenstandslos wäre. Der Gerichthof kann jedoch einen Pauschalbetrag verhängen, um die Dauer des Verstoßes bis zu dessen Abstellung zu sanktionieren, da dieser Aspekt nicht gegenstandslos geworden ist. Die Kommission wird den Gerichtshof nach Möglichkeit unabhängig vom Stand des jeweiligen Gerichtsverfahrens unverzüglich unterrichten, wenn ein Mitgliedstaat einen Verstoß abgestellt hat. Gleiches gilt, wenn ein Mitgliedstaat im Anschluss an ein Urteil nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV die nötigen Maßnahmen trifft und somit die Verpflichtung zur Zahlung eines Zwangsgelds endet.
Übergangsweise wird die Kommission die oben dargelegte geänderte Vorgehensweise auf alle Vertragsverletzungsverfahren anwenden, bei denen der Beschluss zum Versand des Aufforderungsschreibens nach Veröffentlichung der vorliegenden Mitteilung erlassen wird.
Außerdem wird die Kommission im Einklang mit ihrer Mitteilung von 2011 sorgfältig zwischen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung und (einer teilweisen) Nichtumsetzung unterscheiden.
4. Die Vorteile des EU-Rechts den Bürgern zugänglich machen: Informationen und Rechtsbehelf
Eine bessere Rechtsdurchsetzung kommt Bürgern und Unternehmen gleichermaßen zugute. Sie benötigen einfache, praktische Informationen darüber, welche Rechte sie nach den EU-Vorschriften haben und wie sie diese geltend machen können. Wenn ihre individuellen Rechte verletzt werden, müssen sie schnell und einfach in Erfahrung bringen können, welches die auf EU-Ebene bzw. auf nationaler Ebene am besten geeigneten Rechtsbehelfe sind und wie sie diese in Anspruch nehmen können.
Die Kommission wird die Bürgerinnen und Bürger unterstützen, indem sie diese auf ihre durch EU-Rechtsvorschriften begründeten Rechte aufmerksam macht und ihnen Informationen über die verschiedenen auf nationaler und EU-Ebene zur Verfügung stehenden Problemlösungsinstrumente bereitstellt. Die Kommission wird die Bürgerinnen und Bürger informieren und beraten und sie dabei unterstützen, die am besten geeigneten Problemlösungsmechanismen zu nutzen. In diesem Zusammenhang ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Bürgerinnen und Bürger Zweck und Ablauf von Vertragsverletzungsverfahren verstehen und ihre Erwartungen danach ausrichten. Viele Betroffene reichen Beschwerden in der Erwartung ein, dass sie finanzielle oder sonstige Entschädigungen für Verstöße gegen EU-Recht erhalten können. Später stellen sie enttäuscht fest, dass ein Vertragsverletzungsverfahren zwar der Förderung der allgemeinen Interessen der Union dient, es aber nicht unter allen Umständen das am besten geeignete Instrument für derartige Situationen darstellt. Hauptziel eines Vertragsverletzungsverfahrens ist es nicht, in konkreten Fällen einen Rechtsbehelf zu bieten, sondern sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten das EU-Recht im allgemeinen Interesse umsetzen. Für Klagen von Privatpersonen, die eine Aufhebung nationaler Maßnahmen oder eine finanzielle Entschädigung für den durch derartige Maßnahmen entstandenen Schaden anstreben, sind die nationalen Gerichte zuständig. Auch den nationalen Behörden kommt eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Rechte von Privatpersonen zu. Dies muss Beschwerdeführern, die in konkreten Fällen den Rechtsweg beschreiten wollen, klar mitgeteilt werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass Beschwerden ein wichtiges Instrument zur Aufdeckung von Verstößen gegen das EU-Recht darstellen, wird die Kommission ihre Anstrengungen für eine bessere Bearbeitung von Beschwerden verstärken. Um die Grundlage für die Beurteilung der Begründetheit einer Beschwerde zu verbessern und die Bearbeitung von Beschwerden und deren Beantwortung zu erleichtern, sollten Beschwerdeführer künftig das Standard-Beschwerdeformular verwenden. Außerdem wird die Kommission Beschwerdeführer über den Fortgang ihrer Beschwerde unterrichten. Dafür müssen die bestehenden administrativen Verfahren für die Beziehungen zu Beschwerdeführern überarbeitet werden (38) (siehe Anhang).
Das „zentrale digitale Zugangstor“ (39) wird Bürgern und Unternehmen den Zugriff auf alle den Binnenmarkt betreffenden Informationen, Unterstützungs-, Beratungs- und Problemlösungsdienste ermöglichen, die auf EU-Ebene und/oder nationaler Ebene angeboten werden. Ferner wird es Aufschluss über die für eine Tätigkeit in der EU erforderlichen nationalen und EU-weit geltenden Verfahren geben. Über dieses Zugangstor erfahren Bürger und Unternehmen, was die Kommission tun kann und was nicht, wie lange ein Verfahren voraussichtlich dauert und welche Ergebnisse möglich sind. Außerdem werden personalisierte Beratungs- und Problemlösungsdienste angeboten.
Dafür müssen die Kommission und die Mitgliedstaaten zusammen ein Verzeichnis der auf nationaler Ebene verfügbaren Rechtsbehelfsmechanismen entwickeln, damit sich die Bürgerinnen und Bürger über Rechtsbehelfe für konkrete Fälle informieren können. Dieses Verzeichnis wird sowohl bestehende EU-Mechanismen wie SOLVIT (ein Portal, das Bürgern Informationen und Unterstützung im Zusammenhang mit Problemen nicht ordnungsgemäßer Anwendung des EU-Rechts durch nationale Behörden in grenzübergreifenden Fällen bietet) als auch das Netz der europäischen Verbraucherzentren (über das Verbraucher Beratung und Unterstützung in Bezug auf ihre Rechte im Zusammenhang mit Käufen im Ausland oder im Internet sowie zur Beilegung von Streitigkeiten mit Unternehmen erhalten) umfassen.
Der SOLVIT-Aktionsplan, durch den SOLVIT größere Bedeutung für die Bearbeitung von Beschwerden bezüglich des EU-Rechts gewinnen soll, belegt das Engagement der Kommission für eine weitere Stärkung solcher Mechanismen. Die Kommission beabsichtigt, das SOLVIT-Netz auszubauen. Außerdem erwägt sie, ein Binnenmarkt-Informationsinstrument einzuführen, um quantitative und qualitative Informationen direkt von ausgewählten Marktteilnehmern zu erhalten und die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Durchsetzungsmaßnahmen zielgerichteter zu gestalten. Eine derartige administrative Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten (40) dürfte auch weiterhin zur Lösung konkreter Probleme und zum Austausch bewährter Praktiken beitragen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit sollen außerdem die nationalen Behörden aufgefordert werden, über alle bestehenden Plattformen wie etwa das Europäische Justizportal bessere Informationen bereitzustellen (41).
Die Kommission wird die uneingeschränkte Anwendung des EU-Rechts auf Schlichtungs- und alternative Streitbeilegungsverfahren gewährleisten. Durch alternative Streitbeilegungsverfahren können Verbraucher und Unternehmen ihre Streitigkeiten auf einfache, schnelle und kostengünstige Weise außergerichtlich regeln. Die Kommission hat im Februar 2016 eine Online-Streitbeilegungsplattform eingerichtet und damit Verbrauchern und Unternehmen in der EU ein Instrument zur Lösung von Vertragsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Online-Käufen mittels alternativer Streitbeilegungsverfahren bereitgestellt. Im Finanzsektor hat die Kommission das Netz für die Streitbeilegung im Bereich Finanzdienstleistungen eingerichtet, das die Beilegung entsprechender grenzübergreifender Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Finanzdienstleistern erleichtern soll. Andere EU-Rechtsvorschriften sehen einheitliche Standards für die Bearbeitung von Beschwerden und Streitbeilegungsverfahren in allen Mitgliedstaaten vor (z. B. Verordnungen zu Fahrgastrechten (42), dem öffentlichen Auftragswesen (43) und geringfügigen Forderungen (44)).
5. Schlussfolgerungen
Die einheitliche Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Europäischen Union. Deshalb legt die Kommission großen Wert darauf, die wirksame Anwendung des EU-Rechts zu gewährleisten. Die ordnungsgemäße Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union muss auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten gemeinsam bewältig werden. Um konkrete Ergebnisse zu erzielen, ist ein strategischerer Ansatz für die Durchsetzung erforderlich, der auf die Beseitigung von Problemen ausgerichtet ist, bei denen entsprechende Maßnahmen tatsächlich etwas bewirken können. Im Einklang mit der Bedeutung, die die Kommission der rechtzeitigen Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie beimisst, wird der strategische Ansatz für die Durchsetzung ergänzt durch eine Überprüfung des Ansatzes für Sanktionen nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV. Die Kommission wird den Mitgliedstaaten helfen, dafür zu sorgen, dass Bürger und Unternehmen ihre Rechte wahrnehmen können und ihnen auf nationaler Ebene Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. Wenn alle Beteiligten auf der Ebene der Union und der Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen, wird sich die Anwendung des EU-Rechts zum Wohle aller verbessern.
Der in dieser Mitteilung dargelegte Ansatz wird ab dem Datum ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt angewandt.
(1) Artikel 2 EUV: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
(2) „Politische Leitlinien für die nächste Europäische Kommission“ vom 15. Juli 2014 und Mandatsschreiben des Präsidenten vom 1. November 2014 an die Vizepräsidenten und Kommissionsmitglieder.
(3) „Mitteilung der Kommission zur besseren Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ (KOM(2002) 725 endg./4 vom 16.5.2003).
(4) Mitteilung der Kommission „Ein Europa der Ergebnisse — Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ (KOM(2007) 502 endg. vom 5.9.2007).
(5) Mitteilung „Ein neuer EU-Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips“ (COM(2014) 158 vom 11.3.2014).
(6) Mitteilung „Bessere Rechtsetzung: Bessere Ergebnisse für eine stärkere Union“ (COM(2016) 615 final vom 14.9.2016).
(7) Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung (ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1).
(8) Gemeinsame Erklärung über die legislativen Prioritäten der EU für 2017, am 13. Dezember unterzeichnet durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments, den Präsidenten des Rates und den Präsidenten der Kommission.
(9) „Politische Leitlinien für die nächste Europäische Kommission“ vom 15. Juli 2014 und Mandatsschreiben des Präsidenten vom 1. November 2014 an die Vizepräsidenten und Kommissionsmitglieder.
(10) Artikel 4 Absatz 3 EUV, Artikel 288 Absatz 3 und Artikel 291 Absatz 1 AEUV.
(11) Artikel 19 Absatz 1 zweiter Unterabsatz EUV und Artikel 47 der Charta der Grundrechte.
(12) Mitteilung „Den Binnenmarkt weiter ausbauen: mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen“ (COM(2015) 550 final vom 28.10.2015).
(13) Artikel 1 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates.
(14) Die Arbeitsvereinbarungen mit den Mitgliedstaaten zu „EU-Pilot“ werden entsprechend angepasst.
(15) Wie in der Mitteilung über den Ausbau des Binnenmarktes (COM(2015) 550 final) angekündigt, wird die Kommission ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, um nicht konforme Produkte durch eine bessere Marktüberwachung und Schaffung entsprechender Anreize für die Wirtschaftsteilnehmer vom EU-Markt fernzuhalten.
(16) Mitteilung der Kommission „Arbeitsprogramm der Kommission 2017 — Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt“, Priorität 10 (COM(2016) 710 final).
(17) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) und Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates.
(18) Siehe die Artikel 3 Absatz 3a der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG für elektronische Kommunikation, Artikel 55 der Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV), Artikel 27 ff der Richtlinie 2009/138/EG (Solvabilität II) sowie Erwägungsgrund 123 der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II).
(19) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 zur Errichtung der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zur Errichtung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde.
(20) Vorschlag zur Überarbeitung der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, COM(2016) 283 final vom 25.5.2016.
(21) Mitteilung „EU-Justizbarometer 2016“ (COM(2016) 199 final vom 11.4.2016).
(22) Mitteilung der Kommission — Änderung der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags (ABl. C 256 vom 5.8.2015, S. 5).
(23) http://ec.europa.eu/environment/legal/law/training_package.htm.
(24) Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28. Mai 2001 zur Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25).
(25) Arbeitsprogramm der Kommission 2017, Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt“ (COM(2016) 710 final), Priorität 10.
(26) Mitteilung „Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung — Eine Agenda der EU“ (COM(2015) 215 final vom 19.5.2015).
(27) Dieser Ansatz wird in 1) der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission (ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14) und 2) der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 27. Oktober 2011 des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 15) dargelegt.
(28) Artikel 17 Absatz 1 EUV.
(29) Siehe insbesondere: Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 1989, Kommission/Griechenland, C-329/88, Slg. 1989, I-4159; Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juni 1994, Kommission/Deutschland, C-317/92, Slg. 1994, I-2039; Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien, C-562/07, Slg. 2009, I-9553; Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 1995, Lefebvre u. a./Kommission, C-571/93, Slg. 1995, II-2379; Urteil vom 19. Mai 2009 in der Rechtssache C-531/06, Kommission/Italien, Slg. 1009, I-4103.
(30) Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 1995, Lefebvre u. a./Kommission, C-571/93, Slg. 1995, II-2379.
(31) Siehe insbesondere die Strategische Agenda des Europäischen Rates vom 27. Juni 2014 und die Politischen Leitlinien für die nächste Europäische Kommission vom 15. Juli 2014.
(32) Mitteilung über den Ausbau des Binnenmarktes (COM(2015) 550 final).
(33) Mitteilung der Kommission „Ein Europa der Ergebnisse — Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ (KOM(2007) 502 endg.).
(34) Siehe 33. Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts, S. 27.
(35) ABl. C 12 vom 15.1.2011, S. 1.
(36) Neufassung der Mitteilung zur Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag vom 9. Dezember 2005 (SEK(2005) 1658), Rn. 10 bis 12; dort wird auf die Rechtssache Kommission/Frankreich, C-304/02, Slg. 2005, I-6263, Rn. 80-86 und 89-95, verwiesen, wo der Gerichtshof bestätigt hat, dass für ein und denselben Verstoß sowohl ein Zwangsgeld als auch ein Pauschalbetrag verhängt werden kann.
(37) Die Höhe des Pauschalbetrags wird anhand der Methode nach den Randnummern 19 bis 24 der Neufassung der Mitteilung zur Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag (SEK(2005) 1658) berechnet.
(38) Aktualisierung der Mitteilung über die Beziehungen zu Beschwerdeführern in Fällen der Anwendung von Unionsrecht (COM(2012)154 final vom 2.4.2012).
(39) Angekündigt in der Mitteilung zum digitalen Binnenmarkt (COM(2015) 192 final, S. 17) und der Mitteilung über den Ausbau des Binnenmarktes (COM(2015) 550 final, S. 5 und 17).
(40) Nach Artikel 197 AEUV.
(41) Dieses Portal erleichtert es Privatpersonen, ihre Grundrechte durchzusetzen und die für die Wahrung der Menschenrechte zuständigen außergerichtlichen nationalen Stellen zu ermitteln. Das Portal wird 2017 um eine Rechtsdatenbank für europäische Verbraucher erweitert, die Informationen über die Anwendung des EU-Verbraucherrechts durch Gerichte und Behörden enthält.
(42) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1); Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 14); Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 1); Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 1).
(43) Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 33); Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76 vom 23.3.1992, S. 14).
(44) Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1).
ANHANG
Verwaltungsverfahren für die Beziehungen zu Beschwerdeführern in Fällen der Anwendung von Unionsrecht
1. Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich
Eine „Beschwerde“ ist eine schriftliche Eingabe an die Kommission, mit der auf Maßnahmen, Unterlassungen oder Praktiken eines Mitgliedstaates hingewiesen wird, die gegen Unionsrecht verstoßen.
Der „Beschwerdeführer“ ist eine Person oder eine Stelle, die eine Beschwerde bei der Kommission einreicht.
Das „Vertragsverletzungsverfahren“ ist die vorprozessuale Phase des Verfahrens, das die Kommission nach Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) oder nach Artikel 106a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag) wegen Nichteinhaltung des EU-Rechts einleitet.
Der hier beschriebene Ansatz gilt für die Beziehungen zwischen Beschwerdeführern und der Kommission im Zusammenhang mit Maßnahmen oder Praktiken, die unter Artikel 258 AEUV fallen könnten. Er findet nicht Anwendung auf Beschwerden, die unter andere Bestimmungen der Verträge fallen, insbesondere Beschwerden im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen, die unter die Artikel 107 und 108 AEUV sowie die Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates (1) fallen, und Beschwerden, die ausschließlich die Artikel 101 und 102 AEUV betreffen.
2. Allgemeine Grundsätze
Jeder kann bei der Kommission unentgeltlich Beschwerde gegen eine Maßnahme (Rechts- oder Verwaltungsvorschrift), eine Unterlassung oder eine Verwaltungspraxis in einem Mitgliedstaat einlegen, die seiner Auffassung nach gegen Unionsrecht verstößt.
Der Beschwerdeführer braucht weder nachzuweisen, dass Handlungsbedarf besteht, noch, dass er selbst von der beanstandeten Maßnahme, Unterlassung oder Praxis hauptsächlich und unmittelbar betroffen ist.
Unbeschadet der unter Punkt 3 aufgeführten Ausnahmen wird die Kommission die Beschwerde entsprechend den Angaben des Verfassers auf dem Beschwerdeformular registrieren.
Es liegt im Ermessen der Kommission, ob einer Beschwerde nachgegangen werden muss.
3. Registrierung der Beschwerde
Jede Beschwerde im Zusammenhang mit der Anwendung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat muss von der Kommission in einem besonderen Verzeichnis registriert werden.
Nicht geprüft und somit nicht in einem besonderen Verzeichnis eingetragen werden sollten:
— |
anonyme Schreiben oder Schreiben, auf denen die Anschrift des Absenders nicht oder nur unvollständig angegeben ist; |
— |
Schreiben ohne expliziten oder impliziten Hinweis auf den Mitgliedstaat, dem die gegen das Unionsrecht verstoßenden Maßnahmen oder Praktiken angelastet werden könnten; |
— |
Schreiben, in denen Maßnahmen oder Unterlassungen von Privatpersonen oder privatrechtlichen Stellen beanstandet wird, außer in Fällen, in denen die Maßnahme oder die Beschwerde die Mitwirkung von Behörden oder deren Untätigkeit gegenüber der beanstandeten Praxis erkennen lässt. Die Kommissionsdienststellen müssen in jedem Fall prüfen, ob das betreffende Schreiben nicht Verhaltensweisen offenlegt, die gegen die Wettbewerbsvorschriften (Artikel 101 und 102 AEUV) verstoßen; |
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Schreiben, in denen keine Beschwerdegründe vorgebracht werden; |
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Schreiben, in denen Beschwerdegründe vorgebracht werden, zu denen eine klare Stellungnahme der Kommission vorliegt, die öffentlich bekannt gemacht wurde und sich nicht geändert hat; diese Position muss dem Beschwerdeführer mitgeteilt werden; |
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Schreiben, in denen Beschwerdegründe vorgebracht werden, die eindeutig nicht vom Unionsrecht erfasst werden. |
4. Empfangsbestätigung
Die Kommission muss den Eingang einer Beschwerde binnen 15 Arbeitstagen unter Angabe des Aktenzeichens, das bei allem weiteren Schriftverkehr anzugeben ist, bestätigen.
Gehen mehrere Beschwerden mit demselben Beschwerdegrund ein, so können die einzelnen Empfangsbestätigungen durch eine Bekanntmachung auf der Website „Europa“ der Europäischen Union ersetzt werden (2).
Beschließt die Kommission, eine Beschwerde nicht zu registrieren, muss sie dies dem Verfasser mit Angabe eines oder mehrerer der unter Punkt 3 Absatz 2 genannten Gründe schriftlich mitteilen.
Die Kommission teilt dem Beschwerdeführer in diesem Falle mit, welche anderen Rechtswege — einzelstaatliche Gerichte, Europäischer Bürgerbeauftragter, nationale Bürgerbeauftragte sowie sonstige auf nationaler oder internationaler Ebene bestehende Beschwerdeverfahren — beschritten werden können.
5. Einreichung einer Beschwerde
Für Beschwerden muss das entsprechende Standardformular verwendet werden. Sie müssen online eingereicht oder an das Generalsekretariat der Kommission unter der Postanschrift „1049 Brüssel, Belgien“ gesendet oder bei einer der Vertretungen der Kommission in den Mitgliedstaaten hinterlegt werden.
Sie müssen in einer der Amtssprachen der Union abgefasst sein.
Das Beschwerdeformular ist auf Anfrage bei den Dienststellen der Kommission erhältlich oder online über die Website „Europa“ (3). Wenn die Kommission der Auffassung ist, dass der Beschwerdeführer die Anforderungen des Beschwerdeformulars nicht erfüllt, muss sie dies dem Beschwerdeführer mitteilen und ihn auffordern, das Formular innerhalb einer bestimmten Frist auszufüllen, die in der Regel nicht länger als 1 Monat sein darf. Äußert sich der Beschwerdeführer nicht innerhalb der gesetzten Frist, gilt die Beschwerde als zurückgezogen. In Ausnahmefällen, in denen der Beschwerdeführer offensichtlich nicht das Formular benutzen kann, kann auf diese Anforderung verzichtet werden.
6. Rechtsschutz des Beschwerdeführers und Schutz personenbezogener Daten
Angaben zur Person des Beschwerdeführers sowie von diesem übermittelte Daten dürfen dem betreffenden Mitgliedstaat nur mit vorheriger Zustimmung des Beschwerdeführers und unter Beachtung insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr übermittelt werden (4).
7. Kommunikation mit dem Beschwerdeführer
Nach der Registrierung kann eine Beschwerde in Zusammenarbeit mit dem betreffenden Mitgliedstaat weiter geprüft werden. Die Kommission wird den Beschwerdeführer hierüber schriftlich unterrichten.
Sollte auf der Grundlage der Beschwerde ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden, setzt die Kommission den Beschwerdeführer schriftlich über jeden Verfahrensschritt (Aufforderungsschreiben, mit Gründen versehene Stellungnahme, Befassung des Gerichtshofs oder Einstellung) in Kenntnis. Werden mehrere Beschwerden mit demselben Beschwerdegrund eingereicht, so kann dieser Schriftwechsel durch eine Bekanntmachung auf der Website „Europa“ ersetzt werden.
Der Beschwerdeführer kann während des Verfahrens jederzeit beantragen, der Kommission seine Beschwerde in deren Räumlichkeiten und auf eigene Kosten darzulegen bzw. näher zu erläutern.
8. Fristen für die Prüfung der Beschwerde
Sofern der Beschwerdeführer alle benötigten Informationen übermittelt hat, entscheidet die Kommission in der Regel binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Registrierung einer Beschwerde, ob ein Aufforderungsschreiben versandt oder der Vorgang geschlossen wird.
Bei Überschreitung dieser Frist unterrichtet die Kommission den Beschwerdeführer schriftlich hierüber.
9. Ergebnis der Beschwerdeprüfung
Nach Prüfung der Beschwerde kann die Kommission mit einer Aufforderung zur Äußerung das Vertragsverletzungsverfahren gegen den betreffenden Mitgliedstaat einleiten oder den Vorgang schließen.
Die Kommission entscheidet im Rahmen ihres Ermessens über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens oder die Schließung des Vorgangs.
10. Schließung des Vorgangs
Außer in besonderen, dringlichen Fällen wird der Beschwerdeführer von der Kommission vorab unterrichtet, wenn sie beabsichtigt, der Beschwerde nicht nachzugehen. Sie übermittelt dem Beschwerdeführer ein entsprechendes Schreiben, in dem sie die geplante Schließung des Vorgangs begründet und den Beschwerdeführer auffordert, sich binnen vier Wochen zu äußern. Werden mehrere Beschwerden mit demselben Beschwerdegrund eingereicht, so kann dieser Schriftwechsel durch eine Bekanntmachung auf der Website „Europa“ ersetzt werden.
Geht keine Antwort des Beschwerdeführers ein, ist er aus von ihm selbst zu vertretenden Gründen nicht erreichbar oder sieht die Kommission keinen Anlass, ihren Standpunkt aufgrund der Antwort des Beschwerdeführers zu überprüfen, wird der Vorgang geschlossen.
Sieht sich die Kommission aufgrund der Bemerkungen des Beschwerdeführers veranlasst, ihren Standpunkt zu überprüfen, wird der Beschwerde weiter nachgegangen.
Die Kommission setzt den Beschwerdeführer schriftlich von der Schließung des Vorgangs in Kenntnis.
11. Bekanntmachung von Beschlüssen zu Vertragsverletzungsverfahren
Informationen über Beschlüsse der Kommission zu Vertragsverletzungsverfahren werden auf der Website „Europa“ veröffentlicht (5).
12. Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit Vertragsverletzungsverfahren
Der Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit Vertragsverletzungsverfahren ist in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 und den Durchführungsbestimmungen des Anhangs zum Beschluss 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission geregelt (6).
13. Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten
Ist ein Beschwerdeführer der Ansicht, dass bei der Prüfung seiner Beschwerde durch die Kommission Missstände dadurch aufgetreten sind, dass letztere eine der vorstehenden Maßnahmen nicht beachtet hat, so kann er sich nach Maßgabe der Artikel 24 und 228 AEUV an den Europäischen Bürgerbeauftragten wenden.
(1) ABl. L 248 vom 24.9.2015, S. 9.
(2) http://ec.europa.eu/atwork/applying-eu-law/multiple_complaint_form_de.htm.
(3) https://ec.europa.eu/assets/sg/report-a-breach/complaints_de
(4) ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.
(5) http://ec.europa.eu/atwork/applying-eu-law/infringements-proceedings/infringement_decisions/?lang_code=de.