15.1.2020 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 14/60 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die sich verändernde Arbeitswelt, Lebenserwartung und Bevölkerungsalterung — Voraussetzungen, damit ältere Arbeitnehmer in der neuen Arbeitswelt aktiv bleiben können“
(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des finnischen Ratsvorsitzes)
(2020/C 14/08)
Berichterstatter: Irinel Eduard FLORIA
Mitberichterstatter: Vladimír BÁLEŠ
Ersuchen des finnischen Ratsvorsitzes |
Schreiben, 7.2.2019 |
Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Sondierungsstellungnahme |
Beschluss des Präsidiums |
19.2.2019 |
Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
Annahme in der Fachgruppe |
10.9.2019 |
Verabschiedung auf der Plenartagung |
25.9.2019 |
Plenartagung Nr. |
546 |
Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
131/0/3 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, dass der finnische Vorsitz den Schwerpunkt auf die Ökonomie des Wohlergehens der Menschen (einschließlich älterer Menschen) legt, und sieht hierin einen positiven Schritt auf dem Weg zu einem besseren Gleichgewicht zwischen demografischer Entwicklung, Arbeitsmarkt und Gesellschaft. |
1.2. |
Die Mitgliedstaaten haben das Problem der Bevölkerungsalterung erkannt und in den letzten Jahren einige Maßnahmen ergriffen. Diese Maßnahmen sind jedoch offenbar nicht miteinander verknüpft und ihre Auswirkungen wurden noch nicht bewertet. Zudem machen die Auswirkungen des technischen Fortschritts und die sich verändernde Art der Arbeit das Thema noch komplexer. |
1.3. |
Die Sozialpartner unterstützen in Zusammenarbeit mit den Regierungen als wesentliche Akteure die Umsetzung von Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen. Die Zivilgesellschaft und die europäischen Sozialpartner sollten sich für die Förderung eines längeren Verbleibs im Erwerbsleben engagieren. |
1.4. |
Politische Maßnahmen und die Bereitstellung von Mitteln auf EU-Ebene könnten dazu beitragen, diese Hindernisse zu überwinden. Jedoch müssen die Unterschiede zwischen den Ländern in Bezug auf Demografie, Wirtschaft, Beschäftigung und Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden. Die Mitgliedstaaten sollten EU-Fördermittel zur Finanzierung von Maßnahmen einsetzen. Die Verantwortung für die Förderung einer längeren Lebensarbeitszeit sollte hingegen gemeinsam bei den Staaten, Unternehmen und jedem Einzelnen liegen. |
1.5. |
Die Kommission unterstützt die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur wirksamen Bewältigung der Herausforderung der Bevölkerungsalterung über eine Vielzahl von Initiativen und Programmen (1). |
1.6. |
Es bedarf umfassender Strategien‚ die auf die Entwicklung nationaler Maßnahmen für die Förderung des aktiven Alterns ausgerichtet sind, da die demografischen und beschäftigungspolitischen Herausforderungen nur ganzheitlich angegangen werden können. Zur Bewältigung der Herausforderungen des aktiven Alterns werden folgende spezifische Empfehlungen vorgeschlagen: |
1.6.1. |
Stärkung des sozialen Dialogs und Einbeziehung aller Interessenträger in die Entwicklung integrierter Strategien und nationaler Maßnahmen für die Förderung des aktiven Alterns, |
1.6.2. |
Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit und Kompetenzen durch das lebenslange Lernen, |
1.6.3. |
Förderung dynamischer Berufslaufbahnen und dynamischer Arbeit, |
1.6.4. |
Förderung der unternehmerischen Initiative bei älteren Menschen bzw. von älteren Gründerinnen und Gründern, |
1.6.5. |
Bekämpfung aller Arten von Diskriminierung, insbesondere der Diskriminierung aufgrund des Alters und des Geschlechts, |
1.6.6. |
Umsetzung von Initiativen für den Wissenstransfer und zur Weitergabe von Wissen, |
1.6.7. |
Umsetzung flexibler Arbeitszeitmodelle und Verbesserung der Arbeitsbedingungen, |
1.6.8. |
Förderung der Solidarität zwischen den Generationen und Änderung der Einstellung gegenüber dem Älterwerden. |
1.7. |
Alle Maßnahmen sollten ständig überwacht werden. Die Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten angemessen bewertet werden. Mit einem klaren Bild der Auswirkungen solcher Maßnahmen hätten die Mitgliedstaaten weitere Anreize für die Verbreitung und den Austausch bewährter Verfahren für aktives Altern. |
2. Hintergrund
2.1. |
Der wichtigste Beitrag der EU im Bereich der Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist die Gleichbehandlungsrichtlinie (2), der zufolge die Diskriminierung aufgrund des Alters in den meisten Beschäftigungsbereichen verboten ist. Die Richtlinie hat sich jedoch bei der Beseitigung versteckter Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt als nicht wirksam erwiesen — ein Phänomen, das viele ältere Menschen davon abhält, überhaupt eine Beschäftigung zu suchen. |
2.2. |
Betrachtet man die europäische Ebene, so ist festzustellen, dass ein deutlicher Schwerpunkt der Strategie Europa 2020, die bald ausläuft, zwar die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie das Ziel ist, bis 2020 Vollbeschäftigung zu erreichen, dass die Kategorie der älteren Arbeitnehmer jedoch nicht unbedingt im Zentrum stand. Die europäische Säule sozialer Rechte hat das Konzept des aktiven Alterns verändert, da sie viele Aspekte umfasst, die für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer wichtig sind. Der Säule sozialer Rechte fehlt jedoch ein Umsetzungsmechanismus. |
2.3. |
Im Rahmen des nächsten langfristigen EU-Haushalts hat die Kommission das Programm „Digitales Europa“ vorgeschlagen, das den Aufbau der strategischen digitalen Kapazitäten der EU und die Förderung der umfassenden Einführung digitaler Technologien zum Ziel hat. Dieses Programm soll die Digitalisierung der europäischen Gesellschaft und Wirtschaft gestalten und unterstützen und dafür sorgen, dass die EU-Bürger über die für die Bewältigung der Digitalisierung erforderlichen Kompetenzen verfügen. |
2.4. |
Die Bevölkerungsstruktur der EU verändert sich und wird sich in den kommenden Jahrzehnten zunehmend zugunsten älterer Menschen verschieben. Die Gesamtbevölkerung der EU wird von 511 Mio. im Jahr 2016 auf 520 Mio. im Jahr 2070 wachsen. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64) (3) hingegen wird aufgrund von Veränderungen bei der Fertilitätsrate, der Lebenserwartung und der Migrationsdynamik von 333 Mio. im Jahr 2016 auf 292 Mio. im Jahr 2070 deutlich schrumpfen (4). Es wird davon ausgegangen, dass das gesamte Arbeitskräfteangebot in der Altersgruppe zwischen 20 und 64 Jahren nach 2070 erheblich zurückgehen wird (um 9,6 % in der EU). Die Zunahme des Anteils älterer Menschen an der EU-Bevölkerung sollte nicht unreflektiert mit einem entsprechenden Anstieg der Belastung der Systeme der sozialen Sicherheit gleichgesetzt und daraus etwa gefolgert werden, dass die bestehenden Rentensysteme nicht mehr zukunftsfähig sind. |
2.5. |
Ausschlaggebend für die Finanzierung der Sozialsysteme ist nicht der demografische, sondern der wirtschaftliche Abhängigkeitsquotient. Darüber hinaus ist auch die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität von entscheidender Bedeutung, ermöglicht sie doch, den „Kuchen“ zu vergrößern, der unter den Erwerbstätigen, sondern auch unter den Erwerbstätigen und den Nichterwerbstätigen verteilt werden kann (5). |
2.6. |
Die demografische Herausforderung kann auch als Chance zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft begriffen werden. Die Unternehmen sollten die Tatsache, dass durch die alternde Bevölkerung neue Märkte für Waren und Dienstleistungen entstehen werden, in ihre Innovationsstrategien einplanen und innovative Dienste und Produkte anbieten (Seniorenwirtschaft). |
2.7. |
Für die EU insgesamt wird erwartet, dass die Lebenserwartung bei Geburt steigt — bis 2070 um 7,8 Jahre für Männer und 6,6 Jahre für Frauen (6). Die positive Entwicklung, dass die Menschen länger und gesünder leben, kommt jedoch nicht in der Dauer ihres Berufslebens zum Ausdruck. Ein Mangel an Arbeitsplätzen und an geeigneten aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Gesundheitsprobleme, fehlende einschlägige Kompetenzen sowie eine unbefriedigende Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sind wichtige Gründe für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig beeinflussen die Erfahrung von Altersdiskriminierung oder negative Stereotype die Entscheidung über einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben. |
2.8. |
In Verbindung mit den Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen älterer Menschen sollte die Geschlechterperspektive berücksichtigt werden. Der Trend zur Altersteilzeit ist in den letzten zehn Jahren bei Frauen nach wie vor stärker ausgeprägt als bei Männern (7). |
2.9. |
Durch den großen Druck, unter dem Erwerbstätige stehen, könnten ältere Menschen stigmatisiert und als Belastung empfunden werden. Diese Stigmatisierung beschränkt sich jedoch nicht auf gesellschaftliche Gruppen, sondern findet sich auch bei einigen Arbeitgebern, die ältere Arbeitskräfte und Ruheständler gelegentlich als antriebsarm, lernresistent und nicht einsetzbar betrachten. |
2.10. |
Die Diskriminierung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss ebenso bekämpft werden wie Vorurteile ihnen gegenüber. Ältere Arbeitnehmer sind nicht unbedingt weniger produktiv als jüngere Arbeitnehmer. Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen sind jedoch unterschiedlich gelagert, wobei ihre Hauptstärken ihr Fachwissen und ihre Erfahrung sind. |
3. Allgemeine Bemerkungen zur Nutzung von Technologie durch ältere Menschen
3.1. |
Die vierte industrielle Revolution und die rasche Entwicklung und Integration neuer Technologien in Gesellschaft und Industrie haben derzeit ungeahnte Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Die unterschiedlichsten manuellen und kognitiven Tätigkeiten werden zunehmend von Maschinen und Algorithmen ausgeführt oder in einigen Fällen sogar vollständig automatisiert. Gleichzeitig entstehen durch die Einbeziehung dieser neuen Technologien in Geschäftsmodelle in verschiedenen Branchen viele neue Arbeitsplätze. Die Tätigkeitsprofile vieler weiterer Arbeitsplätze werden neu definiert. Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Arbeitsmärkte weltweit und auf regionaler Ebene in den kommenden Jahren zwangsläufig einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen werden. |
3.2. |
Der technische Fortschritt hat deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft im Allgemeinen und übt erheblichen Druck auf den Arbeitsmarkt aus, da Arbeitgeber (falls möglich) einen Teil ihrer derzeitigen Arbeitskräfte durch Technik ersetzen, einen Teil der Menschen für neue Arbeitsplätze umschulen und hoch qualifizierte Arbeitskräfte suchen, die in der Lage sind, Technologien einzuführen, zu nutzen und anzupassen. In dieser Hinsicht sind ältere Arbeitnehmer noch stärker gefährdet. |
3.3. |
Die Nutzung von Technologien macht es Seniorinnen und Senioren möglich, Teil unserer Online-Welt zu werden und alle ihre Vorteile zu nutzen. In der EU waren 87 % der über 75-Jährigen noch nie online (8). Ältere Bürgerinnen und Bürger sind möglicherweise nicht mit Begriffen und Konzepten im Zusammenhang mit digitalen Medien vertraut, einige von ihnen haben häufig körperliche Beeinträchtigungen wie Hör- oder Sehprobleme oder es fehlt ihnen an Verständnis bzw. sie haben Berührungsängste, wenn es um Technologie und ihren Einsatz geht. Die digitale Kluft kann eines der größten Hindernisse für die Erhöhung der Beschäftigungsquote bei älteren Menschen sein, es sollten spezifische Initiativen für den Ausbau der IKT-Kenntnisse älterer Menschen ergriffen werden (9). |
4. Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Förderung des aktiven Alterns
4.1. |
Mehrere Länder in der EU haben Strategien mit Maßnahmen zur Förderung längerer Erwerbsbiografien entwickelt (10). Da diese nationalen Initiativen in der Regel in Absprache mit den Sozialpartnern entwickelt werden und mehrjährige Rahmen zur Antizipation und Bewältigung der demografischen Alterung vorsehen, könnten sie als Mittel zur Entwicklung und Umsetzung eines integrierten Konzepts für aktives Altern eingesetzt werden. |
4.2. |
Untersuchungen von Eurofound (11) zeigen, dass es in einer Reihe von Ländern nationale Strategien für aktives Altern gibt und dass diese das Bewusstsein für die demografischen Herausforderungen geschärft haben. Eine Auswertung der nationalen Berichte lässt darauf schließen, dass die aktive Arbeitsmarktpolitik der Länder dazu beigetragen hat, die Entwicklung von Kompetenzen und die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu fördern. Zur Qualität und Nachhaltigkeit dieser Arbeitsplätze liegen jedoch nur wenige oder keine Informationen vor. Die meisten Initiativen konzentrieren sich bisher auf Abhilfemaßnahmen wie die Gewährung von Lohnzuschüssen für die Einstellung älterer Arbeitnehmer, die Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters und die Einschränkung von Frühverrentungen. Solche Maßnahmen an sich erfordern eine sorgfältige Prüfung und Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen und reichen unter Umständen nicht aus, um älteren Beschäftigten eine längere Erwerbsbiografie zu ermöglichen. |
4.3. |
Auch wenn die Wirksamkeit der meisten dieser Maßnahmen und Programme nicht offiziell evaluiert wurde, gelten sie gemeinhin als erfolgreich. In diesem Zusammenhang betont der Ausschuss, wie wichtig eine Analyse und Bewertung der Auswirkungen der Maßnahmen auf die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer ist. |
5. Spezifische Empfehlungen zur Bewältigung der Herausforderungen des aktiven Alterns
5.1. |
Nachstehend werden einige Maßnahmen aufgeführt, die eine Agenda für aktives Altern in der Europäischen Union unterstützen würden: |
5.2. |
Stärkung des sozialen Dialogs und Einbeziehung aller Interessenträger in die Entwicklung integrierter Strategien und nationaler Strategien für aktives Altern. Die Regierungen, Arbeitgeber, NRO, Gewerkschaften und Arbeitnehmer müssen gemeinsam Verantwortung für die Förderung eines längeren Erwerbslebens übernehmen und ihre Anstrengungen bündeln. Die Akteure auf allen Ebenen müssen entscheidend an der Entwicklung, Aushandlung, Umsetzung und Evaluierung von Maßnahmen zur Anpassung der Arbeitswelt mitwirken, die dazu dienen, älteren Menschen eine längere Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Natürlich darf dies weder zu einem erhöhten Druck auf Ältere noch zu Notlagen für Menschen führen, die nicht mehr erwerbsfähig sind. |
5.3. |
Die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und der Kompetenzentwicklung durch lebenslanges Lernen ist ein wichtiges politisches Instrument, um ältere Arbeitnehmer im Arbeitsmarkt zu halten, da ältere Arbeitnehmer zunehmend seltener an Schulungen teilnehmen und im Falle von Arbeitslosigkeit schwerer einen neuen Arbeitsplatz finden. Lebenslanges Lernen und die Erwachsenenbildung fördern erwiesenermaßen nicht nur die Erwerbsbeteiligung, sondern auch die Lebensqualität, Gesundheit und Anpassungsfähigkeit. Lebenslanges Lernen und aktives Altern sollten nicht nur ein Thema für die heutigen älteren Arbeitskräfte sein. Mit gezielten Initiativen sollten auch junge Menschen, Studierende und sogar Kinder angesprochen werden, um Bewusstsein für die Zukunft der Arbeitswelt und die Bedeutung einer positiven Einstellung zum lebenslangen Lernen zu schaffen. |
5.3.1. |
Beschäftigungsfähigkeit und Kompetenzentwicklung durch lebenslanges Lernen könnten durch folgende Maßnahmen verbessert werden: |
5.3.1.1. |
Sicherstellung der öffentlichen Finanzierung und ausreichende Mittelausstattung für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, um ältere Arbeitslose wieder ins Erwerbsleben zu integrieren, einschließlich Beratung und Unterstützung für Arbeitsuchende und Verringerung der Gefahr von Langzeitarbeitslosigkeit, |
5.3.1.2. |
Stärkung der Rolle der öffentlichen Arbeitsverwaltungen im Hinblick auf die Bereitstellung umfassender Beratung und Begleitung Arbeitsuchender sowie maßgeschneiderter Vermittlungsunterstützung (u. a. staatlich geförderte Beschäftigung, Eingliederungsbeihilfen, gemeinnützige Sozialprojekte) sowie Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiedereingliederung, |
5.3.1.3. |
Unterstützung der Einführung betrieblicher, tarifvertraglicher und rechtlicher Maßnahmen zur Gewährleistung einer stärkeren Beteiligung älterer Menschen an Weiterbildung (Anreize zum Abbau geringer Beteiligung an innerbetrieblicher Weiterbildung insbesondere von Geringqualifizierten, Sicherstellung entsprechender Finanzmittel im Sinne einer Qualifikationsoffensive der über 45-Jährigen, Verbesserung des rechtlichen Rahmens zur Bildungsfreistellung), |
5.3.1.4. |
Stärkung der Rolle nichtstaatlicher Organisationen bei der Unterstützung von Erwachsenenbildungsprogrammen und ihre Befähigung zur Durchführung groß angelegter Bildungsinitiativen für ältere Menschen als gleichwertiger Partner des Staats, |
5.3.1.5. |
Verbesserung des Zugangs älterer Menschen zu digitalen Technologien, auch durch eine Anpassung der Geräte und Software an ihre besonderen Bedürfnisse (z. B. mehrsprachige Software), sowie Bereitstellung des Zugangs zum Internet als Grundversorgungsanspruch, der erschwinglich sein muss, |
5.3.1.6. |
Verbreiterung des Angebots an Schulungsmöglichkeiten, Einsatz des Europäischen Sozialfonds und Schwerpunkt auf der Entwicklung von Querschnittskompetenzen, Lernkompetenz und IKT-Kompetenzen für die Altersgruppe der über 45-Jährigen, |
5.3.1.7. |
Anerkennung neuer formal oder informell erworbener Kompetenzen über Zeugnisse und Befähigungsnachweise, |
5.3.1.8. |
Durchführung von Sensibilisierungskampagnen für junge Menschen, Studierende und Kinder über die Bedeutung einer positiven Einstellung zum lebenslangen Lernen vor dem Hintergrund der Zukunft der Arbeitswelt und des aktiven Alterns, |
5.3.1.9. |
Ausbau der Fähigkeit der EU-Mitgliedstaaten, statistische Daten über Arbeitsmarkttrends, Beschäftigungsquoten älterer Arbeitnehmer, Qualifikationsdefizite von Personen sowie andere gesellschaftliche Veränderungen zu erfassen, zu analysieren und auszuwerten. |
5.4. |
Die Förderung dynamischer Berufslaufbahnen und dynamischer Arbeit sollte ein weiterer Schwerpunktbereich sein. Lebenslanges Lernen und die erhöhte Lebenserwartung werden dazu führen, dass Menschen im Laufe ihres Lebens mehr als nur einen Berufsweg einschlagen. Es ist davon auszugehen, dass die Menschen ihr ganzes Leben lang arbeiten und mehrere Sabbatjahre und berufliche Auszeiten zum Lernen, Umschulen und Reisen nehmen werden. |
5.4.1. |
In diesem Sinne sollten die wichtigsten Initiativen zur Förderung dynamischer Berufslaufbahnen und dynamischer Arbeit Folgendes umfassen: |
5.4.1.1. |
Antizipation neuer Arbeitsplätze und Laufbahnen, auf die sich die Arbeitnehmer während ihres Lebens umstellen könnten, |
5.4.1.2. |
Verbesserung des Berufsberatungsangebots der öffentlichen Arbeitsverwaltungen, um den Arbeitnehmern während des schwierigen Prozesses der ständigen Weiter- und Neuqualifizierung eine Orientierungshilfe zu geben, |
5.4.1.3. |
Einführung steuerlicher Anreize für Unternehmen, in kontinuierliche Aus- und Weiterbildungsprogramme für Arbeitnehmer sowie in ihre Attraktivität für ältere Arbeitnehmer und deren Anwerbung zu investieren, |
5.4.1.4. |
Veranstaltung von Jobbörsen und Berufsmessen, Diskussionsgruppen für über 50-Jährige und Einrichtung von Jobcentern für ältere Menschen, |
5.4.1.5. |
Einrichtung von Arbeitsgruppen mit älteren Arbeitnehmern, die Strategien entwickeln, wie der Arbeitsmarkt für ältere Menschen attraktiv gemacht werden bzw. bleiben kann. |
5.5. |
Die Förderung unternehmerischer Initiative bei älteren Menschen ist ein wirksames Mittel zur Verlängerung der Erwerbsbiografie, zur Verringerung der Arbeitslosigkeit bei älteren Menschen und zur Verbesserung der sozialen Inklusion älterer Menschen. Viele ältere Menschen möchten möglicherweise erwerbstätig bleiben und entscheiden sich für die Selbstständigkeit als Alternative zu einer abhängigen Beschäftigung. Die Europäische Kommission beschäftigt sich schon seit langem mit dem Thema ältere Gründerinnen und Gründer und hat mehrere Initiativen in diesem Bereich eingeleitet (12). |
5.5.1. |
Eine solche Form der unternehmerischen Initiative könnte durch Maßnahmen gefördert werden, die auf folgende Aspekte ausgerichtet sind: |
5.5.1.1. |
Angebot von Schulungen, Mentoring und Beratung, um unternehmerische Kompetenzen zu entwickeln, ältere Menschen zu fördern, die ein eigenes Unternehmen gründen möchten, und bereits aktive ältere Gründerinnen und Gründer zu unterstützen, |
5.5.1.2. |
Unterstützung der Vernetzung von Unternehmen durch die Bereitstellung physischer und virtueller Orte, an denen ältere Gründer, Institutionen und Jungunternehmer zusammenkommen und Möglichkeiten für die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen den Generationen ausloten können, |
5.5.1.3. |
Sicherstellung des Zugangs zu Finanzierungsmodellen für die Unternehmensgründung und Gewährung von Niedrigzinsdarlehen für Unternehmensgründungen, |
5.5.1.4. |
Einrichtung europäischer Förderprogramme zur Unterstützung älterer Gründerinnen und Gründer, |
5.5.1.5. |
Durchführung von Sensibilisierungskampagnen über die Vorteile älterer Gründer für Gesellschaft und Wirtschaft generell, aber auch für die älteren Menschen selbst. |
5.6. |
Arbeitgeber begreifen ältere Arbeitnehmer zunehmend als loyale, erfahrene und zuverlässige Mitarbeiter, die sich mit ihrer Arbeit verbunden fühlen. Das Vorurteil, dass ältere Arbeitnehmer nicht daran interessiert sind, ihre Kompetenzen zu entwickeln und keine Veränderung wollen, hält sich jedoch hartnäckig. Der Vorbehalt, dass ältere Arbeitnehmer eine schlechtere Leistung abliefern als junge Arbeitnehmer, hat sich jedoch als unwahr erwiesen. Wenn sie weniger produktiv sind, ist dies in der Regel darauf zurückzuführen, dass sie nicht entsprechend geschult wurden. Ältere Arbeitnehmer können abnehmende körperliche oder kognitive Fähigkeiten durch jahrelange Erfahrung wettmachen. Ähnliche Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Frauen die Wahrscheinlichkeit von Diskriminierung aufgrund des Alters etwas größer ist als bei Männern. |
5.6.1. |
Lösungen, mit denen gegen Diskriminierung aufgrund des Alters und des Geschlechts vorgegangen werden soll, sollten folgende Aspekte abdecken: |
5.6.1.1. |
Erlass strengerer Rechtsvorschriften zur Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung, |
5.6.1.2. |
Durchführung von Forschungsarbeiten, um festzustellen, ob die niedrige Beschäftigungsquote bei älteren Menschen eine Folge von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist, |
5.6.1.3. |
Planung von Initiativen und Kampagnen zur Weiterqualifizierung von Frauen für einen leichteren Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Pause, |
5.6.1.4. |
Förderung von Einstellungen auf der Grundlage der benötigten Kompetenzen und von Verdiensten, |
5.6.1.5. |
Fällen von Entscheidungen über Entlassungen anhand objektiver und berufsbezogener Kriterien, um sicherzustellen, dass die benötigten Qualifikationen und Kompetenzen erhalten bleiben und dass Ruhestandsregelungen fair angewandt werden. |
5.7. |
Ein weiterer Schwerpunktbereich sollte die Umsetzung von Initiativen zum Wissensaustausch/-transfer sein. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels besteht eine zusätzliche Herausforderung in der Suche nach Wegen für den wirksamen Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen den Generationen. Auf der einen Seite spielt die Weitergabe von Wissen von der jüngeren an die ältere Generation eine Schlüsselrolle bei der Förderung des Verständnisses zwischen den Generationen und der Neuqualifizierung älterer Arbeitnehmer. Auf der anderen Seite kann die Weitergabe von Wissen von der älteren an die jüngere Generation zur Bewahrung der Kompetenzen älterer Arbeitnehmer beitragen und älteren Arbeitnehmern und Rentnern das Gefühl vermitteln, noch gebraucht zu werden, was ihre soziale Ausgrenzung verhindert. |
5.7.1. |
Initiativen zum Wissensaustausch/-transfer sollten folgende Aspekte berücksichtigen: |
5.7.1.1. |
Förderung laufender Mentoring- und Reverse-Mentoring-Beziehungen zwischen älteren und jüngeren Arbeitnehmern, die sich gegebenenfalls auf die IT-Kenntnisse und digitale Kompetenzen, Querschnittskompetenzen und Kundenbeziehungen konzentrieren, |
5.7.1.2. |
Einrichtung von Schulungsprogrammen mit älteren Arbeitnehmern als Schulungsleitern (z. B. innerbetriebliche Weiterbildung, Unterricht, Simulatoren, E-Learning), unterstützt durch die praktische Anwendung der erworbenen Kompetenzen durch jüngere Arbeitnehmer und Rückmeldungen, |
5.7.1.3. |
Aufbau von Wissensnetzen und Anwendergemeinschaften, |
5.7.1.4. |
Einsatz von Wissensmanagementsystemen zur Dokumentierung und Bewahrung des Wissens älterer Arbeitnehmer, |
5.7.1.5. |
Durchführung von Sensibilisierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Würdigung der Erfahrung älterer Arbeitnehmer und der Förderung der Weitervermittlung der im Laufe ihres Berufslebens erworbenen berufsspezifischen Kompetenzen an jüngere Arbeitnehmer, einschließlich verschiedener Möglichkeiten zur Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Altersgruppen in Teams, |
5.7.1.6. |
Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen oder öffentlichen Arbeitsverwaltungen, um den Einstieg in den Arbeitsmarkt oder eine berufliche Umorientierung zu erleichtern. |
5.8. |
Anreize für ältere Arbeitnehmer für eine längere Erwerbstätigkeit können auch durch flexible Arbeitszeitregelungen und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden, um so die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu fördern. Allerdings sollten flexible Arbeitszeitregelungen mit Bedacht umgesetzt werden, um möglichem Missbrauch vorzubeugen. |
5.8.1. |
Diese Fragen sollten durch den sozialen Dialog und Kollektivverhandlungen auf einer möglichst situationsnahen Ebene angegangen werden. Das Recht auf Rückkehr zum ursprünglichen Arbeitsmodell sollte garantiert werden, und derartige Regelungen sollten sowohl den Bedürfnissen der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer Rechnung tragen (13). |
5.8.2. |
Wenn die Erwerbsquote älterer Menschen erhöht werden soll, muss sichergestellt sein, dass die Menschen auch länger arbeiten können. Für die Anhebung der Beschäftigungsquote älterer Menschen reicht es jedoch nicht aus, diese gesund und arbeitsfähig zu erhalten und für Arbeitgeber attraktiv zu machen. Auch die verfügbaren Stellen müssen für ältere Menschen attraktiver werden. Die Qualität der Beschäftigung trägt somit erheblich dazu bei, ob ältere Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt zurückkehren bzw. dort verbleiben. |
5.8.3. |
Die Umsetzung flexibler Arbeitszeitmodelle und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen könnte durch folgende Maßnahmen bewirkt werden: |
5.8.3.1. |
Förderung der Entwicklung gesundheitsfördernder Arbeitszeitmodelle, die zwischen den Sozialpartnern auf Branchen- und Betriebsebene ausgehandelt werden, und Anwendung dieser Modelle während der gesamten Berufslaufbahn (z. B. Sabbatjahre, Bildungsurlaub) zur Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, |
5.8.3.2. |
Einführung flexibler Regelungen für ältere Arbeitnehmer, z. B. flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitverkürzung, Telearbeit, Teilzeitarbeit und ein Programm für einen allmählichen Berufsausstieg, |
5.8.3.3. |
Einrichtung eines europäischen Förderprogramms für die Nutzung flexibler Arbeitsmodelle für ältere Arbeitnehmer durch Arbeitgeber, |
5.8.3.4. |
Beteiligung der Arbeitgeber, die an bestimmten Arbeitsstellen flexible Arbeitsregelungen für ältere Arbeitnehmer nutzen, an der Politikgestaltung, |
5.8.3.5. |
Anpassung der Gesundheits- und Pflegesysteme an den künftigen Bedarf. Die nationalen Strategien und die Initiativen der Sozialpartner sind auf die Förderung des Konzepts der „Erwerbsfähigkeit“ ausgerichtet, |
5.8.3.6. |
Anpassung der Arbeitsplätze, der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsumfelds, um (insbesondere bei gefährlichen Tätigkeiten) den Bedürfnissen von Arbeitnehmern verschiedener Altersstufen gerecht zu werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der anspruchsvolle Charakter der Tätigkeit Einschränkungen erfordern kann und dass sichergestellt werden muss, dass diese Einschränkungen ordnungsgemäß überwacht und gehandhabt werden, |
5.8.3.7. |
Einführung wirksamer Präventionsstrategien und einer Risikobewertung unter Berücksichtigung bestehender gesetzlicher Verpflichtungen. |
5.9. |
Die Förderung der Solidarität zwischen den Generationen und eine geänderte Einstellung gegenüber dem Älterwerden könnten auf folgende Weise erreicht werden: |
5.9.1. |
Entwicklung und Durchführung von Informations- und Sensibilisierungskampagnen über den demografischen Wandel und diskriminierungsfreie Praktiken mit dem Ziel, eine Änderung der Einstellung gegenüber älteren Arbeitskräften zu bewirken und für längere Erwerbsbiografien zu werben. Diese Kampagnen sollten von allen Akteuren unterstützt werden, einschließlich der Unternehmen, staatlicher Stellen, NRO und anderer einschlägiger Interessenträger, |
5.9.2. |
Förderung des Konzepts der Seniorenwirtschaft und der damit verbundenen Chancen und Vorteile. |
Brüssel, den 25. September 2019
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Luca JAHIER
(1) Evaluierungsbericht über das Europäische Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen (2012)‚ Europäische Kommission, 2014.
(2) Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23).
(3) https://data.oecd.org/pop/working-age-population.htm.
(4) The 2018 Ageing Report — Economic & Budgetary Projections for the 28 EU Member States (2016-2070), Europäische Kommission, 2018.
(5) Die Zukunft der Arbeit: ein Lebenszyklusansatz, Europäische Kommission, 2018.
(6) The 2018 Ageing Report — Economic & Budgetary Projections for the 28 EU Member States (2016-2070), Europäische Kommission, 2018.
(7) A gender perspective on older workers‘ employment and working conditions, Patricia Vendramin & Gerard Valenduc, 2014.
(8) Statistiken zur digitalen Wirtschaft und Gesellschaft — Haushalte und Privatpersonen, Eurostat, 2018.
(9) ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 24.
(10) https://www.oecd.org/els/emp/ageingandemploymentpolicies.htm.
(11) Rolle der Regierungen und Sozialpartner bei der Erhaltung älterer Beschäftigter für den Arbeitsmarkt, Eurofound, 2013.
(12) https://ec.europa.eu/growth/smes/promoting-entrepreneurship/we-work-for/seniors_de.