11.1.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 10/48


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Förderung der Jugendbeschäftigung: eine Brücke ins Arbeitsleben für die nächste Generation“

(COM(2020)276 final)

und „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates ‚Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie‘ und zur Ersetzung der Empfehlung des Rates vom 22. April 2013 zur Einführung einer Jugendgarantie“

(COM(2020) 277 final — 2020/132(NLE))

(2021/C 10/08)

Berichterstatterin:

Tatjana BABRAUSKIENĖ

Mitberichterstatter:

Michael McLOUGHLIN

Befassung

Europäische Kommission, 12.8.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

9.9.2020

Verabschiedung im Plenum

29.10.2020

Plenartagung Nr.

555

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

220/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, dass den Mitgliedstaaten mit dem Vorschlag zur Stärkung der Jugendgarantie ein Bündel von Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vorgelegt wird, das verschiedene Instrumente (Lehrstellen, Praktika, Weiterbildung, Stellenangebote usw.) umfasst, und fordert weitere Schritte, um dies zu einem dauerhaften Mechanismus zu machen. Er bedauert jedoch, dass diese Maßnahmen nicht ausgewogen und mehr auf Bildung und Kompetenzen als auf eine aktive Arbeitsmarktpolitik ausgerichtet sind. In der Zeit nach der COVID-19-Krise sollten die jungen Menschen in der EU, die am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen sind, Zugang zu hochwertigen Beschäftigungsmöglichkeiten erhalten.

1.2.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, weitere Anstrengungen zur Stärkung des vierten und des ersten Grundsatzes der europäischen Säule sozialer Rechte zu unternehmen, um eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen für die Umsetzung eines ganzheitlichen und integrierten Ansatzes zur Unterstützung derjenigen jungen Menschen zu fördern, die mit mehreren Hürden bei der Eingliederung in den Bereichen Bildung, Gesellschaft und Arbeitsmarkt konfrontiert sind.

1.3.

Der EWSA fordert unverzügliche Vermittlungsangebote für junge Menschen, die sich für die Jugendgarantie registriert haben. Eine hochwertige Lösung, z. B. ein guter Arbeits- oder Ausbildungsplatz, muss schnell bzw. innerhalb von vier Monaten bereitgestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verfahren zur Validierung von Formen des nichtformalen und informellen Lernens bisweilen viel Zeit in Anspruch nehmen, die mit Schulungsangeboten überbrückt werden könnte.

1.4.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Unterstützung junger Menschen mit der Validierung von nichtformalem und informellem Lernen beginnen muss. Diese sollte idealerweise zu Qualifikationen führen, die eindeutig den Niveaus des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) bzw. des nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) sowie einem Berufsabschluss oder einem Zertifikat entsprechen. Um das Viermonatsziel zu erreichen und eine individuelle Unterstützung zu leisten, sollten die Validierungs- und Ausbildungssysteme flexibler und anpassungsfähiger sein.

1.5.

Der EWSA fordert eine EU-Initiative für ein besseres Angebot an hochwertiger und inklusiver Beratung und Orientierung bereits frühzeitig in der Schulbildung, um junge Menschen vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der Ökowende eingehender über ihre Weiterbildungsmöglichkeiten und anschließend über ihre Karrieremöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu informieren.

1.6.

Der EWSA stellt fest, dass die Arbeitsvermittlung für NEET (d. h. junge Menschen, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und keine Berufsausbildung absolvieren) im Einklang mit dem Arbeitsrecht, den Tarifverträgen und den Steuervorschriften stehen muss. Ziel ist es, langfristige prekäre Beschäftigungsverhältnisse für junge Arbeitnehmer, die im Rahmen der Jugendgarantie unterstützt werden, zu vermeiden. Angemessene Lohn- und Arbeitsbedingungen, barrierefreie Arbeitsplätze, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, und Demokratie am Arbeitsplatz im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften sowie der Kollektiv- und/oder Branchenvereinbarungen sind Kriterien, die bei der Arbeitsvermittlung für junge Menschen beachtet werden müssen. Der EWSA empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten eine aktive Arbeitsmarktpolitik verfolgen sollten, um Arbeitsplätze für junge Menschen im öffentlichen und im privaten Sektor zu schaffen und langfristige Lösungen sicherzustellen. Kurzzeitverträge und befristete Arbeitsverträge können dringende Probleme lösen. Allerdings sind langfristige prekäre Beschäftigungsverhältnisse für junge Menschen, Unternehmen und die Wirtschaft gleichermaßen schädlich.

1.7.

Der EWSA schlägt vor, in Zusammenarbeit mit den relevanten Sozialpartnern und Akteuren der Zivilgesellschaft auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene einen Qualitätsrahmen für die Jugendgarantie hinsichtlich der Gestaltung, Umsetzung und Bewertung des Programms zu entwickeln, und so dafür zu sorgen, dass die Angebote einen bestimmten Standard erfüllen. Da mehr öffentliche Mittel für die Jugendgarantie mit Unterstützung aus EU-Fonds bereitgestellt werden, ist es von entscheidender Bedeutung, mithilfe entsprechender Kriterien und Bedingungen die Qualität der Vermittlungsangebote (1) für junge Menschen zu kontrollieren. Der EWSA begrüßt die diesbezügliche Arbeit des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) und des Europäischen Jugendforums.

1.8.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, Rückmeldungen der vermittelten Jugendlichen zu erfassen und die Jugendgarantie zu überwachen‚ um die Unterstützung wirksamer jugendpolitischer Maßnahmen besser begleiten und bewerten zu können. Er fordert die Mitgliedstaaten auf, die nationalen Jugendgarantie-Programme auf der Grundlage eines gemeinsam vereinbarten Indikatorrahmens sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zu bewerten. Dies sollte jährlich erfolgen und durch eine qualitative Liste verbessert werden. Die Überwachungs- und Bewertungsverfahren sollten sich auch auf die Qualität konzentrieren, Akteure der Zivilgesellschaft (darunter Jugendorganisationen) einbeziehen und sich auf direkte Beiträge junger Menschen stützen.

1.9.

Der EWSA fordert eine Zusammenarbeit auf europäischer und nationaler Ebene bezüglich wirksamer Sozial-, Beschäftigungs-, Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen von Bündnissen zwischen Ministerien, öffentlichen Arbeitsverwaltungen, Sozialpartnern, Jugendorganisationen, nationalen Jugendräten und anderen relevanten Interessenträgern. Ziel ist es, die beste Lösung für junge Menschen zu finden und Bedürftige wirksamer zu erreichen. Dabei sollten die Inklusion sozioökonomisch benachteiligter Gruppen und die Gleichstellung von Frauen und Männern im Vordergrund stehen.

1.10.

Der EWSA empfiehlt der Kommission, eine EU-weite Studie über die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Schulabbrecherquote und die steigende Zahl von NEET durchzuführen. Außerdem sollten die Eurostat-Daten zur Jugendarbeitslosenquote dahingehend überarbeitet werden‚ dass auch junge Menschen nach Beendigung der nationalen Schulpflicht bis zum Alter von 30 Jahren (also nicht nur im Alter zwischen 18 und 25 Jahren) erfasst werden. Auch sind geeignete Unterstützungsmaßnahmen sowie eine angemessene Höhe der EU-Finanzierung und ein angemessener Zugang zu diesen Mitteln im Rahmen der Jugendgarantie sicherzustellen.

1.11.

Der EWSA fordert die EU-Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, für effektive Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen zu sorgen, um junge Menschen wirksam zu unterstützen. Es ist wichtig, dass die Quote junger Menschen und NEET mit geringen Kompetenzen und Qualifikationen durch a) eine angemessene Dauer der Schulpflicht und b) nachhaltige öffentliche Investitionen in eine hochwertige und inklusive allgemeine und berufliche Bildung verringert wird.

1.12.

Der EWSA fordert eine wirksame Unterstützung der öffentlichen Arbeitsverwaltungen (ÖAV), um die Betroffenen in die Aus- und Weiterbildung einzugliedern und ihnen gute Arbeitsplätze zu vermitteln. Er weist darauf hin, dass die Anhebung des Alters für den Zugang zur Jugendgarantie weder zu einer geringeren Qualität der Angebote seitens der ÖAV noch zu einem höheren Druck auf die ÖAV bzw. die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung, die mit einer gestiegenen Nachfrage konfrontiert sind, führen sollte. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Kapazitäten der ÖAV und die Möglichkeiten zur eingehenderen Information der Betroffenen über die in Unternehmen verfügbaren Ausbildungsplätze, Praktika und guten Arbeitsplätze stärker gefördert werden sollten.

1.13.

Der EWSA empfiehlt die Verbesserung der Europass-Plattform, die verlässliche Informationen für junge Arbeitssuchende (einschließlich Menschen mit Behinderungen) in verschiedenen Sprachen (u. a. den Hauptsprachen von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern) bereitstellen sollte.

1.14.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, enger zusammenzuarbeiten, damit jede größere Reform der Jugendgarantie in den Rechtsinstrumenten zur Regelung der einschlägigen Finanzierung Berücksichtigung findet. Er fordert die Kommission ihrerseits auf, die für die Jugendgarantie verfügbaren EU-Mittel unter Berücksichtigung sämtlicher EU-Investitionen in die Jugendgarantie, aller bestehenden EU-Programme und einer Bewertung der Verwendung der EU-Mittel aufzustocken. Diejenigen, die jungen Menschen helfen, müssen über die für die Jugendgarantie verfügbaren EU-Mittel besser informiert werden. Außerdem müssen die Leitlinien in den betreffenden Amtssprachen für die Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Der EWSA begrüßt, dass die gezielte Unterstützung für junge Menschen in das Europäische Semester eingebunden wird.

1.15.

Der EWSA fordert die Beteiligung der Sozialpartner und anderer relevanter Interessenträger an der Umsetzung des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF +), die durch den Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds ermöglicht wird. Diese Beteiligung sollte auf das EU-Finanzierungsinstrument zur Stärkung der Jugendgarantie im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 ausgeweitet werden. Dadurch würden eine partizipative Programmplanung und eine wirksame Überwachung der Umsetzung gewährleistet, sodass die Mittel tatsächlich bei denjenigen ankommen, die sie benötigen.

1.16.

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, einen Monitoring-Rahmen für den Zugang zum Sozialschutz zu schaffen und Lösungen bereitzustellen, um angemessene Arbeitsbedingungen bei der Arbeit auf digitalen Plattformen zu gewährleisten. Andernfalls wären nämlich Crowdwork und Plattformarbeit nicht die besten langfristigen Optionen für die Vermittlung guter Arbeitsplätze an junge Menschen im Rahmen der Jugendgarantie.

1.17.

Der EWSA schlägt vor, die künftige Europäische Kindergarantie mit der Jugendgarantie zu verknüpfen, um junge Menschen, die Kinder haben, effizienter zu unterstützen, egal ob sie arbeitslos sind oder nicht.

1.18.

Der EWSA fordert die Kommission auf, einen Aktionsplan für die Sozialwirtschaft auszuarbeiten. Ziel sollte sein, Jungunternehmer und Start-up-Gründer wirksam zu unterstützen und grüne Kompetenzen auf lokaler Ebene zu verbessern. Dabei sollten benachteiligte Gruppen besonders berücksichtigt und die relevanten Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft einbezogen werden.

1.19.

Nach Auffassung der Kommission sollten die Mitgliedstaaten Unternehmen dazu ermutigen, junge Arbeitslose einzustellen und ihnen gute Arbeitsplätze anzubieten. Der EWSA ist der Ansicht, dass Beschäftigungsanreize, Lohnzuschüsse und Einstellungsprämien sowie steuerliche Anreize für Unternehmen tatsächlich zielführend sein könnten und mit der Gewährleistung angemessener Ausbildungsmöglichkeiten einhergehen sollten. Anreize für Unternehmen sollten wirksame Lösungen ermöglichen, die im Einklang mit ihren mittel- und langfristigen Geschäftsplänen stehen.

1.20.

Der EWSA empfiehlt, eine Studie auf EU-Ebene durchzuführen, um die bestehenden Microcredentials zu erfassen und die Bedürfnisse und Interessen der europäischen Unternehmen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Arbeitsuchenden in Bezug auf den Erwerb und die Beantragung von Microcredentials zu ermitteln. Junge Menschen sind dabei besonders zu berücksichtigen.

1.21.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, den sozialen Dialog über die Verbesserung der Lehrlingsausbildung zu intensivieren, und fordert eine wirksame Überwachung der Umsetzung der Empfehlung des Rates zu einem Europäischen Rahmen für eine hochwertige und nachhaltige Lehrlingsausbildung (2) auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Unternehmen. Es ist wichtig, die Lehrlingsausbildung mithilfe der in diesem Rahmen definierten Kriterien zu bewerten und zu verbessern.

1.22.

Nach Auffassung des EWSA sollte die Kommission dem Netzwerk Europäischer Auszubildender dabei unter die Arme greifen, einen klaren Auftrag zur Unterstützung von Auszubildenden im Einklang mit dem vorgenannten Rahmen zu formulieren.

2.   Hintergrund und allgemeine Bemerkungen

2.1.

Die Empfehlung des Rates zur Jugendgarantie wurde im April 2013 angenommen, als die Verwerfungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu der bisher höchsten Arbeitslosenquote, insbesondere bei jungen Menschen, in Europa führten.

2.2.

Die COVID-19-Pandemie hat die europäische Wirtschaft in eine tiefe Rezession gestürzt und die Arbeitslosenquote nach oben getrieben. Im Juni 2020 waren in der EU 3 Mio. junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos (17,1 % aller Erwerbstätigen in dieser Gruppe) (3). Bis Ende des Jahres wird die Zahl voraussichtlich auf 4,8 Mio. (26,2 %) steigen (4). Außerdem dürfte die Zahl der NEET von 4,9 auf 6,7 Mio. steigen. Es ist an der Zeit, die Umsetzung der Jugendgarantie zu stärken, um zu vermeiden, dass die Arbeitslosenquote in der EU ihren Höchststand im 21. Jahrhundert erreicht (5). Der Vorschlag zur Stärkung der Jugendgarantie sieht eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten vor, einschließlich unterschiedlicher Instrumente wie Lehrlingsausbildung, Praktika, Weiterbildung und Stellenangebote. Im Mittelpunkt des Vorschlags stehen der Übergang von der Schule ins Berufsleben und die Eingliederung junger Menschen (bis zum Alter von 30 Jahren) in den Arbeitsmarkt innerhalb von vier Monaten nach ihrer Registrierung bei einer ÖAV oder einem Anbieter der Jugendgarantie.

2.3.

Wie die letzte Wirtschaftskrise gezeigt hat, sind junge Menschen von Krisen besonders hart getroffen. Sie sind auf dem Arbeitsmarkt stärker benachteiligt und haben keinen oder nur einen schwachen Sozialschutz. Viele von ihnen müssen Studiendarlehen zurückzahlen‚ verfügen über keine ausreichenden Mittel zur Entwicklung ihrer Kompetenzen und sind einem hohen Risiko für psychische Erkrankungen infolge von Nichterwerbstätigkeit ausgesetzt. Jugendarbeitslosigkeit hat langfristige Folgen für die Betroffenen und macht sie zu einer „verlorenen Generation“. Berechnungen von Eurofound (6) zufolge haben die europäischen Volkswirtschaften während der großen Rezession aufgrund mangelnder Maßnahmen zur Eingliederung junger Menschen pro Jahr rund 162 Mrd. EUR verloren. Jugendarbeitslosigkeit kann sich nicht nur negativ auf die Wirtschaft, sondern auch auf die gesamte Gesellschaft auswirken, da sich junge Menschen möglicherweise gegen demokratisches und soziales Engagement entscheiden.

2.4.

Junge Menschen, die als NEET klassifiziert werden, bilden eine heterogene Gruppe. Sie unterscheiden sich in Bezug auf ihre Kompetenzniveaus, formalen Qualifikationen und persönlichen Erfahrungen. Einige Bildungssysteme sind nicht flexibel genug, um eine Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Bildungsbereichen zu ermöglichen. Für die Betroffenen sollten ihrem Qualifikations- und Kompetenzniveau entsprechende wirksame Lösungen bereitgestellt werden. Insbesondere schutzbedürftige Personen aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen sollten mit gezielten Sozial-, Beschäftigungs- und Bildungsmaßnahmen unterstützt werden. Für die Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Migranten und Flüchtlingen, Angehörigen von Minderheiten, Roma und jungen Menschen mit Behinderungen müssen die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden. Geringqualifizierte Schulabgänger und junge Schulabbrecher sollten bei der Verbesserung ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen unterstützt werden, damit sie entsprechend den nationalen Gegebenheiten ein mit dem EQR-Niveau 3 oder 4 vergleichbares Qualifikationsniveau erreichen. Auf diese Weise könnten sie im Einklang mit der Empfehlung des Rates für Weiterbildungspfade (7) in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

2.5.

Die Gruppe der jungen Erwachsenen, die eine Unterstützung erhalten, sollte so definiert werden, dass sie alle Personen umfasst, deren Alter zwischen dem Alter der Beendigung der Schulpflicht (8) und 30 Jahren liegt. Der Vorschlag zur Überarbeitung der Jugendgarantie sieht die Unterstützung der Betroffenen bis zum Alter von 30 Jahren sowie effektive Hilfen für die Betroffenen beim Zugang zu guten Arbeitsplätzen und Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen vor. Frühzeitige Schulabgänger und mangelnde öffentliche Investitionen in inklusive Bildung für alle tragen zu einem hohen Anteil junger Menschen mit geringen Kompetenzen und Qualifikationen bei. Angesichts dessen ist es noch wichtiger, dass diese Gruppe Weiterbildungsmaßnahmen erhält und in den Arbeitsmarkt integriert wird.

2.6.

Die in verschiedenen Branchen entstandenen Arbeitsplätze könnten infolge der derzeitigen Krise verschwinden. Gemäß dem vierten Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte haben junge Menschen „das Recht auf eine Weiterbildungsmaßnahme, einen Ausbildungsplatz, einen Praktikumsplatz oder ein qualitativ hochwertiges Beschäftigungsangebot innerhalb von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder ihre Ausbildung abgeschlossen haben“. Hinsichtlich der Förderung der Weiterbildung und Umschulung junger Menschen sowie der Bekämpfung des Schulabbruchs muss der erste Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte ebenfalls Anwendung finden, um das Recht der Betroffenen „auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form“ sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten sollten diese Rechte gewährleisten, indem sie eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen fördern, um einen integrierten Ansatz zur Unterstützung derjenigen jungen Menschen umzusetzen, die über die Beschäftigung hinaus mit mehreren Hürden bei der sozialen Inklusion konfrontiert sind (9).

3.   Besondere Bemerkungen

3.1.

Wie die Arbeitsmarktbeobachtungsstelle des EWSA bereits in ihrer Studie zur Jugendbeschäftigung von 2014 (10) festgestellt hat‚ war die Umsetzung der Jugendgarantie in den EU-Mitgliedstaaten von zahlreichen Hindernissen gekennzeichnet, z. B. der schlechten Qualität der Angebote, Maßnahmen, die erst nach der zugesagten Frist von vier Monaten begannen, sowie unzureichenden Strategien, um die jungen Menschen (z. B. NEET) anzusprechen und zu unterstützen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind. Um eine bessere Umsetzung der Jugendgarantie sicherzustellen, sind deshalb wirksamere Steuerungsstrukturen notwendig. Die Finanzierung sollte zielgerichtet sein, und es sollte eine höhere Quote der Registrierung junger Menschen angestrebt werden. Daher müssen die relevanten Interessenträger wie Jugendorganisationen, nationale Jugendräte und andere einschlägige nichtstaatliche Organisationen sowie die Sozialpartner auf europäischer, sektoraler, nationaler und gegebenenfalls auf Unternehmensebene besser in die Gestaltung, Umsetzung und Bewertung der Jugendgarantie einbezogen werden, was zur Akzeptanz und reibungslosen Umsetzung der Reformen beitragen kann.

3.2.

Das Zuordnungssystem muss verbessert werden, um ein klareres Bild von der Vielfalt der NEET zu erhalten. Die Überwachung der Unterstützung junger Menschen sollte mit einer intensiveren Forschung einhergehen. Dabei ist der Heterogenität der NEET — einer besonders benachteiligten Gruppe junger Menschen — im Hinblick auf eine faktengestützte Politikgestaltung Rechnung zu tragen, wobei datenschutzrechtliche Vorschriften einzuhalten sind. NEET sind schwer zu erreichen, weshalb ein integriertes Angebot öffentlicher und privater Sozial- und Arbeitsvermittlungsdienste erforderlich ist, das auf zuverlässigen Nachweisen und Daten beruht.

3.3.

Die Beteiligung der Sozialpartner und relevanten Interessenträger an der Umsetzung des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+), die durch den Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds ermöglicht wird, sollte auf das EU-Finanzierungsinstrument zur Stärkung der Jugendgarantie im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (2021–2027) ausgeweitet werden. Dadurch würden eine partizipative Programmplanung und eine wirksame Überwachung der Umsetzung gewährleistet, damit die Mittel tatsächlich bei denjenigen ankommen, die sie benötigen.

3.4.

In dieser Hinsicht muss die wirksame Unterstützung in den Bereichen Soziales, Beschäftigung sowie allgemeine und berufliche Bildung mit der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Ministerien und Unterstützungsdiensten beginnen. Es sollten Bündnisse zwischen Ministerien, ÖAV, Jugendorganisationen, nationalen Jugendräten und weiteren relevanten nichtstaatlichen Organisationen, Sozialpartnern und anderen Interessenträgern geschlossen werden, um die beste Lösung für junge Menschen zu finden. Die Tatsache, dass das Viermonatsziel im Rahmen der vorherigen Jugendgarantie nicht erreicht wurde, muss in der überarbeiteten Fassung besondere Berücksichtigung finden. Die ÖAV müssen besser in die Lage versetzt und befähigt werden, junge Menschen in gute Arbeitsplätze zu vermitteln. Auch nichtstaatliche Organisationen und Sozialunternehmen können junge Menschen unterstützen, indem sie befristete Arbeitsverhältnisse und Praktika anbieten. Es bedarf mehr Informationen über verfügbare Stellen in Unternehmen, da die OÄV keine Unterstützung leisten können, wenn es keine Stellen bzw. keine diesbezüglichen Informationen gibt. Sind private Arbeitsvermittlungen beteiligt, so muss sichergestellt werden, dass die Förderung junger Menschen im Rahmen der Jugendgarantie als kostenlose öffentliche Unterstützung geleistet wird.

3.5.

Es ist wichtig, die Kontakte — und die Kontaktaufnahme — mit Gemeinschaften, Jugendorganisationen und anderen sozialen Gruppen weiter zu verbessern. Dabei können die Beispiele in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates „Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie“ (11) als Orientierungshilfen dienen. Wichtig ist, dass in der Mitteilung „Förderung der Jugendbeschäftigung: eine Brücke ins Arbeitsleben für die nächste Generation“ (12) die Auffassung vertreten wird, dass die am stärksten Benachteiligten nach wie vor unzureichend angesprochen werden, was die zentrale Bedeutung dieser und anderer Formen der Öffentlichkeitsarbeit verdeutlicht.

3.6.

Der EWSA weist auf Untersuchungen der IAO (13) zur Jugendgarantie hin, denen zufolge sich der Mangel an (nationalen) Ressourcen nachteilig auf die Fähigkeit der Länder ausgewirkt hat, allen NEET innerhalb von vier Monaten eine Arbeits- oder Ausbildungsmöglichkeit zu bieten. Er begrüßt, dass die Mittel für die Jugendgarantie im Einklang mit der Ausweitung der Altersgruppe der von der Initiative anvisierten Personen aufgestockt werden. Der Ausschuss bedauert jedoch, dass im Rahmen des EU-Aufbauplans zwar 750 Mrd. EUR für die wirtschaftliche Erholung in Europa, aber nur 22 Mrd. EUR für die Jugendgarantie bereitgestellt werden. Diese Mittel umfassen nach Angaben der Europäischen Kommission (14) Investitionen aus dem Europäischen Sozialfonds und der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen, einschließlich der nationalen Kofinanzierung. Die Kommission hat auch den Einsatz zusätzlicher Mittel vorgeschlagen, darunter 55 Mrd. EUR aus REACT-EU für den Zeitraum 2020–2022 und 86 Mrd. EUR aus dem ESF+, die neben einer Reihe anderer Fonds von den Ländern auch zur Förderung der Jugendbeschäftigung eingesetzt werden können. Untersuchungen (15) deuten darauf hin, dass mit einer Ausstattung der überarbeiteten Jugendgarantie von mindestens 50 Mrd. EUR pro Jahr eine wirksame Unterstützung geleistet werden könnte. Der EWSA fordert die Kommission auf, den Mitgliedstaaten klare Berechnungen und Leitlinien für den Gesamtbetrag der Investitionen auf EU-Ebene zur Unterstützung der Jugendgarantie sowie eine Bewertung ihrer wirksamen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Da die Nachhaltigkeit des Unterstützungsmechanismus durch öffentliche Investitionen verbessert werden muss, begrüßt der Ausschuss die Berücksichtigung einer gezielten Unterstützung für junge Menschen im Europäischen Semester.

3.7.

Der EWSA begrüßt, dass mit der Initiative ein auf benachteiligte Personen ausgerichteter Ansatz vorgeschlagen wird, der auf umfassenderen Partnerschaften mit den Sozialpartnern und Jugendorganisationen beruht und die Geschlechterdimension in den Mittelpunkt stellt. Solche Partnerschaften müssen über die Hauptstädte hinaus auf lokaler Ebene angesiedelt sein und sich unmittelbare Rückmeldungen der jungen Menschen berücksichtigen. Es ist wichtig, junge Menschen bei der Familiengründung zu unterstützen. Die künftige Europäische Kindergarantie sollte Bestimmungen für junge Erwerbstätige und Arbeitslose mit Kindern umfassen, um die einschlägigen Maßnahmen mit der Jugendgarantie zu verknüpfen.

3.8.

Der EWSA begrüßt die Vorschläge zur Förderung des Unternehmertums junger Menschen im Aktionsplan der Kommission für die Sozialwirtschaft und die darin enthaltenen Bestimmungen über grüne Kompetenzen auf lokaler Ebene unter besonderer Berücksichtigung benachteiligter Gruppen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die relevanten Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere Jugendorganisationen, in die Ausarbeitung eines solchen Aktionsplans einzubeziehen, um die Erfahrungen von jungen Menschen — Auszubildenden, Praktikanten und Arbeitnehmern — zu berücksichtigen. Es ist notwendig, die Unternehmensgründung durch junge Menschen und die unternehmerische Bildung zu fördern. Unter Diskriminierung leidende und benachteiligte Gruppen benötigen gezielte Informationen über Möglichkeiten der Selbstständigkeit in der digitalen und grünen Wirtschaft sowie konkrete Unterstützungsangebote. In dieser Hinsicht spielen zwischengeschaltete Stellen wie ÖAV, Jugendorganisationen, nationale Jugendräte, andere relevante nichtstaatliche Organisationen und Gewerkschaften eine wesentliche Rolle.

3.9.

Um wirksame Strategien für alle Gruppen bedürftiger junger Menschen zu entwickeln, muss die Zielgruppe der Jugendgarantie klar definiert werden. Die Senkung des Alters, mit dem die Schulpflicht endet, auf nationaler Ebene kann sich negativ auswirken und die Zahl der NEET erhöhen. Der EWSA begrüßt die Anhebung der Altersgrenze für die Jugendgarantie. Er empfahl bereits 2013 (16), die Altersgrenze für die Inanspruchnahme der Jugendgarantie auf 30 Jahre anzuheben, und zwar insbesondere in den Ländern mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit. Seiner Auffassung nach ist aber in Bezug auf die Aspekte Qualität und Kapazität ein behutsames Vorgehen geboten. Es könnte notwendig sein, den Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Festlegung der Alterskohorte der Personen einzuräumen, die sie unterstützen müssen. Von der erweiterten Alterskohorte sollten junge Menschen, die bereits über eine gewisse Berufserfahrung verfügen und Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, nicht ausgeschlossen werden. Es ist jedoch wichtig, die Altersgrenzen klar festzulegen.

3.10.

Nach Auffassung der Kommission sollten die Mitgliedstaaten Unternehmen dazu ermutigen, junge Arbeitslose einzustellen und ihnen gute Arbeitsplätze anzubieten. Es bedarf der bestmöglichen Übereinstimmung zwischen den Arbeitsplätzen und den Qualifikationen und Interessen junger Arbeitsloser, die durch hochwertige und inklusive Weiterbildungs- und Umschulungsangebote dazu motiviert werden sollten, einer entsprechenden Beschäftigung nachzugehen. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass den Mitgliedstaaten bei der Entscheidung darüber, ob sie den Anwendungsbereich der Jugendgarantie ausweiten wollen, ein Spielraum eingeräumt werden sollte, wobei Art und Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu berücksichtigen sind.

3.11.

Die bloße Stärkung der Jugendgarantie ist im Falle einer Krise kein ausreichendes Ziel. Vielmehr sind Sofortmaßnahmen erforderlich, um jungen Menschen zu helfen. Durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik der Mitgliedstaaten muss sichergestellt werden, dass die einschlägigen Angebote langfristige Lösungen für junge Menschen ermöglichen. Es müssen gute Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen gewährleistet und Optionen geschaffen werden, damit die Betroffenen unter fairen Bedingungen eingestellt werden und in ihrem Arbeitsplatz verbleiben. Arbeitsrechtliche Vorschriften und Tarifverträge sollten geachtet und gefördert werden, insbesondere was den Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau und Entlohnung sowie Demokratie am Arbeitsplatz betrifft. Junge Menschen sollten auf dem Arbeitsmarkt genauso behandelt werden wie Erwachsene. Vor allem sollten sie denselben Mindestlohn erhalten, dieselben Rentenansprüche erwerben sowie in gleicher Weise vor prekären Arbeitsverträgen (Null-Stunden-Verträgen), unbezahlten Praktika oder Scheinselbstständigkeit geschützt sein. Kurzzeitverträge und befristete Arbeitsverträge für junge Menschen können dringende Probleme lösen. Allerdings sind langfristige prekäre Beschäftigungsverhältnisse für junge Menschen, Unternehmen und die Wirtschaft gleichermaßen schädlich.

3.12.

In Bezug auf die in der Jugendgarantie vorgesehene Viermonatsfrist, die nach der Registrierung bei einem Anbieter der Jugendgarantie (in der Regel einer ÖAV) gilt, ist Flexibilität das A und O. Die Vermittlungsangebote für gute Arbeits-, Weiterbildungs- oder Ausbildungsplätze sollten im Sinne hochwertiger Lösungen umgehend (17) erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verfahren zur Validierung von Formen des nichtformalen und informellen Lernens bisweilen viel Zeit in Anspruch nehmen, die mit Schulungsangeboten überbrückt werden könnte. Um das Viermonatsziel zu erreichen und eine individuelle Unterstützung zu leisten, sollten die Validierungs- und Ausbildungssysteme flexibler und anpassungsfähiger sein.

3.13.

Die Jugendgarantie muss mit einer hochwertigen fachlichen Beratung und Orientierung bereits frühzeitig in der Schulbildung beginnen. Die Anerkennung und Validierung von nichtformalem und informellem Lernen sollten idealerweise zu Qualifikationen führen, die eindeutig den EQR-/NQR-Niveaus sowie einem Berufsabschluss oder einem Zertifikat entsprechen. Auf diesem Zertifikat ist klar anzugeben, welche Aufgaben oder Kompetenzen bescheinigt werden und in welcher Beziehung das Zertifikat zu einer vollwertigen Qualifikation steht. Der neue Europass-Rahmen sollte es ermöglichen, alle Arten von Zertifikaten und Qualifikationen in klarer und praktischer Form in den Europass-Lebenslauf aufzunehmen.

3.14.

Microcredentials sind alternative Lösungen zur Bescheinigung zusätzlicher Kompetenzen, die von Unternehmen oder Berufsbildungs- und Hochschuleinrichtungen vermittelt werden. Da es keine einheitliche europäische Definition oder Interpretation des Begriffs Microcredentials gibt‚ könnte eine weitere EU-Initiative mit dem Ziel erwogen werden, diese „Mikroabschlüsse“ den vollwertigen Qualifikationen hinzuzufügen, was für junge Menschen von Nutzen wäre. Diese Initiative sollte auf der Grundlage einer mit Gewerkschaften und Arbeitgebern vereinbarten europäischen Definition und Interpretation von Microcredentials beruhen.

3.15.

Die COVID-19-Krise hat auch Auswirkungen auf die Lehrlingsausbildung: In vielen vom Lockdown betroffenen Branchen mussten junge Menschen ihre Lehre aussetzen oder wurden sogar entlassen, in anderen konnten sie ihre Lehre mithilfe von Projektarbeiten oder Simulationen von Zuhause aus fortsetzen. Tatsächlich ist es nicht einfach, die in den Unternehmen verfügbaren Ausbildungsplätze und diejenigen, die eine berufliche Aus- oder Weiterbildung absolvieren, zusammenzubringen. Insbesondere die ÖAV sollten mehr Informationen von privaten und öffentlichen Unternehmen aller Größen erhalten, um Berufsschulen und ihren Lehrkräften zu helfen, die Plätze für die praktische Ausbildung künftiger Lehrlinge suchen.

3.16.

Der EWSA betont, dass eine Lehrlingsausbildung nicht nur für junge Menschen in Frage kommt, sondern sowohl für junge Menschen als auch für Erwachsenen, wie bereits im ersten Absatz des Europäischen Rahmens für eine hochwertige und nachhaltige Lehrlingsausbildung betont wird. Die Berücksichtigung der Lehrlingsausbildung im Strategiedokument zur Unterstützung der Beschäftigung junger Menschen trägt zu der irrigen Auffassung bei, dass eine Lehrlingsausbildung nur für junge Menschen in Frage kommt. Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, dass die Mitgliedstaaten die Lernangebote und die Verfahren für den Übergang von der Schule ins Berufsleben durch die Bereitstellung guter Ausbildungs- und Praktikumsplätze verstärken sollten. Dies kann auch einen wirksamen Beitrag zur Senkung der Schulabbrecherquote leisten und eine bessere Eingliederung von Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt bewirken. Dabei gilt es, die europäische Säule sozialer Rechte, den Europäischen Rahmen für eine hochwertige und nachhaltige Lehrlingsausbildung sowie den Qualitätsrahmen für Praktika zu achten.

3.17.

Die Kommission schlägt vor, die Europäische Ausbildungsallianz zu erneuern und ihr neue Impulse zu verleihen. Die Europäische Ausbildungsallianz hat zwar im Bereich der Lehrlingsausbildung einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht, indem sie die Zahl der Zusagen von Unternehmen erhöht hat, doch dies allein genügt nicht. Kleinst- und Kleinunternehmen stehen beim Angebot von Ausbildungsplätzen nach wie vor vor erheblichen Herausforderungen. Daher könnte eine von mehreren Unternehmen angebotene „kollaborative Lehrlingsausbildung“ gefördert werden. Die Qualität und Wirksamkeit aller Ausbildungsgänge sollte unter Bezugnahme auf die Kriterien des Europäischen Rahmens für eine hochwertige und nachhaltige Lehrlingsausbildung sichergestellt werden. Außerdem sollten Unternehmen im Einklang mit diesem Rahmen anerkannt und ausgezeichnet werden.

3.18.

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in den digitalen und grünen Branchen mehr Bedeutung beimisst. Er weist aber darauf hin, dass auch in allen anderen Branchen, in denen die Digitalisierung und die Ökowende stattfinden, eine hochwertige Lehrlingsausbildung angeboten werden sollte.

3.19.

Erfolgreiche Systeme der Berufsbildung und der Lehrlingsausbildung, die in guten Arbeitsplätzen münden, erfordern einen wirksamen sozialen Dialog mit Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern. Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, den sozialen Dialog auf europäischer und nationaler Ebene zu intensivieren. Die Möglichkeiten des Kapazitätenaufbaus könnten durch die Dienste der Kommission zur Unterstützung in Fragen der Lehrlingsausbildung verstärkt werden. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass Sozialpartner mehrerer Branchen bereits ihre Unterstützung für die Europäische Ausbildungsallianz zugesagt haben, unterstreicht jedoch die Autonomie der europäischen Ausschüsse für den sektoralen sozialen Dialog, die ihr Arbeitsprogramm im Einklang mit den vereinbarten gemeinsamen Prioritäten selbst festlegen.

3.20.

Für junge Arbeitslose, die bereits eine Qualifikation erworben haben, sollte die Jugendgarantie auch als Beschäftigungsgarantie (18) dienen, was bedeutet, dass junge Menschen ihre ersten Berufserfahrungen im öffentlichen oder gemeinnützigen Sektor erwerben.

Brüssel, den 29. Oktober 2020

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  Siehe dazu die Vorschläge des EGB für Qualitätskriterien in der EGB-Jugendentschließung mit dem Titel „Revisited fight against youth unemployment“ [Überarbeitete Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit], 2020.

(2)  ABl. C 153 vom 2.5.2018, S. 1.

(3)  Eurostat-Daten (Stand: August 2020).

(4)  Intereconomics — Artikel „COVID-19 Crisis: How to Avoid a ‚Lost Generation‘“ [COVID-19-Krise: Wie kann eine „verlorene Generation“ vermieden werden], 2020.

(5)  Diese lag laut Eurostat im September 2013 bei 23,5 %; damals waren 5,5 Mio. junge Menschen (unter 25 Jahren) arbeitslos gemeldet.

(6)  Eurofound (2015): „Social inclusion of young people“ [Soziale Inklusion junger Menschen].

(7)  ABl. C 484 vom 24.12.2016, S. 1.

(8)  Eurydice: Compulsory Education [Pflichtschulbildung], 2018/19. Die Schulpflicht endet in sieben Mitgliedstaaten mit 15 Jahren, in 16 Mitgliedstaaten mit 16 Jahren, in einem Mitgliedstaat mit 17 Jahren, in drei Mitgliedstaaten mit 18 Jahren sowie in fünf deutschen Bundesländern mit 16 Jahren und in 11 Bundesländern mit 18 Jahren.

(9)  Europäisches Jugendforum: Updated position on the Implementation of the Youth Guarantee [Aktualisiertes Positionspapier zur Umsetzung der Jugendgarantie], 2018.

(10)  Study on youth employment [Studie der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle des EWSA zur Jugendbeschäftigung] 2014.

(11)  SWD/2020/124 final.

(12)  COM(2020) 276 final.

(13)  IAO: Arbeitspapier zum Thema „The European Youth Guarantee: A systematic review of its implementation across countries“ [Die Europäische Jugendgarantie: Ein systematischer Überblick über ihre Umsetzung auf nationaler Ebene], 2017.

(14)  COM(2020) 276 final.

(15)  Intereconomics, Artikel: „COVID-19 Crisis: How to Avoid a ‚Lost Generation‘“ [COVID-19-Krise: Wie kann eine „verlorene Generation“ vermieden werden], 2020.

(16)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 101.

(17)  OJ C 161 vom 6.6.2013, S. 67.

(18)  Pavlina R. Tcherneva, Levy Economics Institute, Working Papers Series, Nr. 902: „The Job Guarantee: Design, Jobs, and Implementation“ [Die Beschäftigungsgarantie: Konzept, Arbeitsplätze und Umsetzung], 2018.