EUROPÄISCHE KOMMISSION
Straßburg, den 12.3.2024
COM(2024) 91 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Bewältigung von Klimarisiken – Schutz der Menschen und des Wohlstands
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Bewältigung von Klimarisiken – Schutz der Menschen und des Wohlstands
1.Einleitung
1.1.Das beschleunigte Fortschreiten der Klimarisiken erfordert vorausschauendes Management
Der Umgang mit Unsicherheiten wirkt sich auf die Entscheidungen aus, die heute in der Gesellschaft, aber auch in Unternehmen oder auf Regierungsebene getroffen werden. Aktuelle Herausforderungen wie Kriege und geopolitische Unsicherheiten, die steigenden Lebenshaltungskosten, demographische Veränderungen, Umweltzerstörung, gesundheitliche Notlagen, soziale Ungleichheiten, politische Polarisierung und Desinformation sowie schnell voranschreitende technologische Entwicklungen und Migration erfordern dringendes Handeln. Politische Entscheidungsträger müssen ein Gleichgewicht zwischen der Aufmerksamkeit, die einem Thema zuteilwird, und den zur Verfügung stehenden Ressourcen finden. Da die Klimakrise eng mit der ebenfalls weltweit verbreiteten Problematik der Umweltverschmutzung und dem Verlust an biologischer Vielfalt verflochten ist und zahlreiche weitere Risiken verschärft, stellt sie die wohl gravierendste aller aktuellen Bedrohungen dar.
Die EU ergreift Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen in diesem Jahrzehnt zu senken und bis 2050 klimaneutral zu sein. Die Kommission hat eine Debatte über ein Klimaziel für 2040 angestoßen, das einen weiteren Schritt auf dem Weg hin zu einer wettbewerbsfähigen, klimaneutralen Zukunft darstellt. Eine derart schnelle Absenkung der weltweiten Emissionen ist erforderlich, da die Möglichkeiten zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen durch die Gesetze der Physik begrenzt sind.
Die Klimaauswirkungen sind bereits heute spürbar und aufgrund der Trägheit des Klimasystems werden die Risiken auch weit über die nächsten Jahrzehnte hinweg zunehmen, selbst wenn es gelingen sollte, mögliche Schäden durch eine ehrgeizige Verringerung der weltweiten Emissionen zu mindern. Im Februar 2024 meldete der Copernicus-Dienst zur Überwachung des Klimawandels, dass die globale Durchschnittstemperatur in den vorangegangenen zwölf Monaten den Schwellenwert von 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau überschritten hatte. Die von der Europäischen Umweltagentur ausgearbeitete erste europäische Klimarisikobewertung (EUCRA)
enthält eine anschauliche Prognose für Europa. Im besten Fall, d. h. bei einer Erderwärmung von maximal 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau, muss Europa – das sich doppelt so schnell erhitzt wie der Rest der Welt – lernen, mit einem 3 °C wärmeren Klima und den in Folge dessen exponentiell häufiger auftretenden Hitzewellen und anderen Wetterextremen zu leben.
Abbildung 1: Temperaturprognosen für Europa nach vier Standard-Szenarien für das Weltklima
Quelle: EUCRA, auf der Grundlage von Informationen des Copernicus-Dienstes zur Überwachung des Klimawandels
Bei der Klimaresilienz geht es darum, gesellschaftliche Funktionen aufrechtzuerhalten, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften und Unternehmen zu bewahren und somit Arbeitsplätze zu sichern. Die Bewältigung von Klimarisiken ist eine grundlegende Voraussetzung, um Lebensstandards zu verbessern, Ungleichheiten zu bekämpfen und die Menschen zu schützen. In ländlichen und Küstengebieten sowie für Personen, die in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder Fischerei tätig sind, ist es eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens. Unternehmen sind sich der Klimarisiken bereits bewusst und bezeichnen diese als die größten vier Risiken des Jahrzehnts.
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können von speziellen Ressourcenengpässen betroffen sein. Unabhängig davon, ob sich dies in Form von exponierten Lieferketten, eines erschwerten Zugangs zu Versicherungen, anfälliger inländischer Vermögenswerte, des Verlusts an biologischer Vielfalt, auf die die Wirtschaftszweige angewiesen sind, oder eines unzureichenden Schutzes der Menschen zeigt, so wird die Bewältigung immer heftigerer klimabedingter Katastrophen für alle, die keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen haben, immer mehr Kapazitäten und Kapital erfordern.
Die Europäische Zentralbank und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken haben anerkannt, dass Klimarisiken die Finanzstabilität in vielerlei Hinsicht beeinträchtigen können, und haben sich für eine robuste, systemweite makroprudenzielle Strategie zur Bewältigung dieser Risiken ausgesprochen. Gleichzeitig haben agile und dynamische EU-Unternehmen, darunter auch KMU, das Potenzial, in bestimmten resilienzfördernden Marktsegmenten, wie z. B. Innovationen im Zusammenhang mit der Nutzung von Weltraumdaten und -technologien, eine Führungsrolle einzunehmen.
Die zunehmenden Klimarisiken wirken sich auch auf die geopolitische Lage aus und beeinträchtigen sowohl die globale Sicherheit, die Handelsströme und die wirtschaftliche Stabilität als auch die Fähigkeit, grundlegende Dienstleistungen für die betroffene Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Umgekehrt können bessere Vorkehrungen und Resilienz gegenüber Klimaauswirkungen auch zur besseren Bewältigung der großen globalen Herausforderungen unserer heutigen Zeit beitragen, was wiederum Spillover-Effekte schaffen kann.
77 % der EU-Bürgerinnen und -Bürger betrachten den Klimawandel als gravierendes Problem und 37 % sehen sich bereits jetzt schon persönlich von Klimarisiken betroffen. Sowohl das Europäische Parlament als auch die Staats- und Regierungschefs der EU
haben anerkannt, dass dringend stärker gegen den Klimanotstand vorgegangen und die Resilienz der EU gestärkt werden muss. Laut der Mitteilung zu Europas Klimaziel für 2040 und dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 könnten Investitionen in klimaresiliente Gebäude, Verkehrs- und Energienetze bedeutende Geschäftsmöglichkeiten schaffen, Skaleneffekte erzeugen und der europäischen Wirtschaft im Allgemeinen zugutekommen, indem Arbeitsplätze für hoch qualifizierte Fachkräfte entstehen, sowie für erschwingliche saubere Energie sorgen.
Die europäische Vision einer gesunden, inklusiven und fairen Gesellschaft ist eine Quelle der Kraft. Solidarität, Inklusivität, Innovation und Rechtsstaatlichkeit haben uns durch historische Herausforderungen geführt und werden uns auch diesmal eine Stütze sein.
Die durch die Europäische Union ermöglichte Koordinierung ist ein wirksames Instrument zur Stärkung der Resilienz. Sie sorgt für Effizienzgewinne, die angesichts der vielen Forderungen nach öffentlichen und privaten Ressourcen unerlässlich sind. Außerdem sehen Länder, Regionen und lokale Gemeinschaften direkt, was andernorts nicht funktioniert, was wiederum zu schnellerem und wirksamerem Handeln führt. Aufgrund des in einigen Bereichen erforderlichen Maßnahmenumfangs könnten die notwendigen Entscheidungen und Maßnahmen ohne eine Koordinierung wahrscheinlich nicht rechtzeitig getroffen werden, um irreversible Umweltauswirkungen zu verhindern. Darüber hinaus schafft die EU einen Mehrwert, indem sie Instrumente entwickelt, die Bürgerinnen und Bürger sowie öffentliche und private Interessenträger beim Aufbau von Resilienz unterstützen. In den letzten zehn Jahren wurden, insbesondere im Rahmen der Kohäsionspolitik, erhebliche Investitionen aus dem EU-Haushalt in die Anpassung an den Klimawandel und in den Klimaschutz getätigt. Für den Zeitraum 2021-2027 sind in diesem Bereich Kohäsionsinvestitionen in Höhe von rund 118 Mrd. EUR vorgesehen.
Einige der Katastrophen aus dem Jahr 2023 zeigen deutlich die Zunahme der Klimarisiken. Neben den nachstehend aufgeführten Beispielen waren alle EU-Länder zu einem gewissen Grad von ihnen betroffen.
Kasten 1: Vier Beispiele für Katastrophenereignisse im Jahr 2023, die mit klimabedingten Gefahren in Zusammenhang stehen:
-Griechenland: In Griechenland haben durch Dürre und Hitzewelle befeuerte Waldbrände im Juli und August eine Fläche von 170 000 Hektar zerstört. So verbrannte in Alexandroupolis bei dem größten Waldbrand seit dem Jahr 2000 eine Fläche von 96 000 Hektar. Sturm Daniel führte Anfang September zu Rekordniederschlägen in Griechenland. Dabei wurde in Zagora eine Niederschlagsmenge von 750 mm innerhalb von 24 Stunden gemeldet, was in diesem Gebiet der üblichen Niederschlagsmenge von mehr als einem Jahr entspricht. Etwa 15 % des jährlichen landwirtschaftlichen Ertrags Griechenlands fielen diesem Wetterereignis zum Opfer.
-Slowenien: Im August führten mehrere Tage andauernde heftige Regenfälle, die den bereits hohen Wasserstand noch weiter verschärften, zu massiven Überschwemmungen und Erdrutschen in zwei Drittel der Landesfläche Sloweniens und verursachten Schäden in Höhe von rund 16 % des BIP.
-Skandinavien: Im August zog Sturm Hans über Dänemark, Norwegen und Schweden hinweg und verursachte neben schweren Schäden an der Infrastruktur und in der Landwirtschaft auch erhebliche Störungen kritischer Verkehrsnetze. Die anschließenden Versicherungsforderungen erreichten einen neuen Rekordwert.
-Ganz Europa: Die Cerberus-Hitzewelle knackte 2023 in vielen Ländern neue Temperaturrekorde. Auch schon im Sommer 2022 war es zu Hitzewellen gekommen, im Zuge derer 60 000 bis 70 000 Europäerinnen und Europäer an der Rekordhitze starben.
Klimaschutz liegt im Interesse aller. Klimaschäden sind nicht das Ergebnis bedauerlicher, unvorhergesehener Naturkatastrophen. Sie sind die Folge bekannter Klimarisiken und der zur Verringerung derselben ergriffenen politischen Maßnahmen. In dieser Mitteilung werden die wichtigsten Schritte dargelegt, durch die sich sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Unternehmen in der EU darauf verlassen können, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten trotz der zunehmenden Klimarisiken weiterhin die gesellschaftlichen Funktionen und den fortwährenden Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen aufrechterhalten werden. Dabei soll klargestellt werden, wer unter Berücksichtigung der besten verfügbaren Erkenntnisse die Verantwortung für schwierige Entscheidungen und Maßnahmen trägt. In der vorliegenden Mitteilung wird aufgezeigt, auf welche Weise die EU den Klimaauswirkungen in den kommenden Jahren wirksam vorbeugen kann und inwiefern andere politische Ziele durch den Aufbau von Resilienz günstiger und einfacher erreicht werden können. Dafür müssen jedoch Vorsorge und Resilienz gegenüber Klimarisiken grundsätzlich in jedes Handeln auf EU- und Einzelstaatsebene einbezogen werden.
1.2.EU-Stiftungen für ein besseres Klimarisikomanagement
Gemäß dem Europäischen Klimagesetz müssen die EU-Organe und die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass kontinuierliche Fortschritte bei der Anpassungsfähigkeit, der Stärkung der Resilienz und der Verringerung der Anfälligkeit erzielt werden. Die Umsetzung des umfassenden Aktionsplans der EU-Anpassungsstrategie 2021 befindet sich in vollem Gange.Für eine bessere Resilienz der von der EU finanzierten Investitionen wurde im Rahmen der Kohäsionspolitik und anderer wichtiger Programme im EU-Haushalt der Grundsatz „Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“ eingeführt und ein Verfahren zur Sicherung der Klimaverträglichkeit entwickelt. Eine Vielzahl sektorspezifischer Strategien wird derzeit im Hinblick auf Klimarisiken aktualisiert. Die Mitgliedstaaten verbessern ihre Anpassungsmaßnahmen und haben damit begonnen, die Klimaresilienz in ihre nationalen Energie- und Klimapläne aufzunehmen.
Dennoch ergab sich bei der jüngsten Bewertung der Kommission ein gemischtes Bild. Während auf EU-Ebene durch die Umsetzung der EU-Anpassungsstrategie stetige Fortschritte zu verzeichnen sind, müssen die Mitgliedstaaten in Bezug auf Governance-Aspekte, Sensibilisierung, Fairness und gerechte Resilienz, Finanzierung und naturbasierte Lösungen noch weitaus aktiver werden. In ihrer jüngsten Bewertung der aktualisierten Entwürfe der nationalen Energie- und Klimapläne und der zugehörigen Empfehlungen hat die Kommission eine Diskrepanz zwischen den nationalen Energie- und Klimaplänen und den geplanten und umgesetzten Anpassungsstrategien und -maßnahmen der Mitgliedstaaten festgestellt. Die Kommission hat Empfehlungen abgegeben und steht den Mitgliedstaaten bei der Verbesserung ihrer nationalen Energie- und Klimapläne weiterhin zur Seite, um somit Umsetzung und Investitionen in den kommenden Jahren zu beschleunigen.
Aus dem Bericht „Prävention und Management von Katastrophenrisiken in Europa“ geht hervor, dass klimabezogene Risiken in ganz Europa hohe Priorität für das Katastrophenrisikomanagement haben. Doch trotz des allgemeinen Bewusstseins über Klimarisiken werden laut dem Bericht Klimaszenarien und damit verbundene Unsicherheiten im Rahmen der Risikobewertungen für Katastrophenschutz nur selten berücksichtigt, was Grund zur Sorge bereitet. Bis Januar 2026 werden die Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen eine Bewertung der Risiken für kritische Infrastrukturen vornehmen. In den aktuellen Bewertungen der Haushaltsaussichten werden Klimarisiken entweder gar nicht oder nicht systematisch berücksichtigt. Insgesamt können die in den politischen Handlungsrahmen auf EU-Ebene vereinbarten Verfahren und Anforderungen zwar den Klimarisiken entgegenwirken, jedoch bietet die Umsetzung derzeit keine hinreichende Gewähr.
Der Fortschritt ist daher uneinheitlich und hält nicht mit der Beschleunigung des Klimawandels Schritt. Sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten müssen deutlich besser auf Klimarisiken vorbereitet sein und diese wirksamer bekämpfen.
In dem EUCRA-Bericht werden die für Europa bedeutendsten Klimarisiken aufschlussreich und ausführlich dargelegt und erläutert, wie sie mit zahlreichen nicht-klimabedingten Risiken zusammenwirken und diese verstärken. In der vorliegenden Mitteilung wird auf diesen Bericht und andere jüngste Erkenntnisse eingegangen. Dabei werden potenzielle erhebliche Risiken für die EU durch Klimaauswirkungen außerhalb der EU und umgekehrt nicht eingehend untersucht. Der Klimawandel kann Risikokaskaden auslösen und die Umweltzerstörung sowie die bestehenden Ursachen von Konflikten, Vertreibung und Migration verschärfen. Wie in der Mitteilung über den Klima-Sicherheits-Nexus
beschrieben, bedürfen diese komplexen Verflechtungen einer spezifischen Analyse, um als Grundlage für politische Entscheidungen zu dienen.
Im Einklang mit der internationalen Dimension der EU-Anpassungsstrategie
wird die EU weiterhin integrierte Lösungen für die Klimaresilienz in fragilen und gefährdeten Ländern unterstützen. Die Global-Gateway-Initiative der EU – die umfassende EU-Strategie im Wert von 300 Mrd. EUR –, die Wirtschafts- und Investitionspläne für die südliche Nachbarschaft der EU, für die Östliche Partnerschaft und für den Westbalkan können als Instrumente zur Minderung von Klimarisiken auf globaler Ebene dienen. Beispielsweise hat die EU im Rahmen des Global-Gateway-Investitionspakets EU-Afrika die umfassende Team-Europa-Initiative zur Anpassung an den Klimawandel und für die Resilienz in afrikanischen Ländern südlich der Sahara ins Leben gerufen. Im Einklang mit dem Sendai-Rahmen für Katastrophenvorsorge wird die EU weiterhin die Reduzierung des Katastrophenrisikos in Partnerländern unterstützen, wobei der Fokus auf Wissen und Governance hinsichtlich Katastrophenrisiken sowie auf Prävention, Vorsorge (insbesondere Frühwarnsysteme), Reaktion und Erholung liegt.
Die Mitteilung knüpft an die jüngsten Ergebnisse des UN-Klimagipfels (COP28) zur Anpassung an den Klimawandel und insbesondere zur Umsetzung des Rahmens für globale Klimaresilienz der VAE an. Die EU wird weiterhin Klimaresilienz und Klimarisikomanagement fördern und im Rahmen ihrer Instrumente der Klimadiplomatie, für die die europäischen Erfahrungen in internationalen Foren und auf bilateraler Ebene herangezogen werden, zur Anpassung an den Klimawandel und zur Konfliktverhütung beitragen.
2.Analyse: die jüngsten Erkenntnisse über die für Europa bedeutsamsten Risiken
2.1.Ergebnisse der europäischen Klimarisikobewertung
Die Wissenschaft lässt keinen Raum für Zweifel: Europa wird mit insgesamt höheren Temperaturen, dem Risiko von intensiveren und häufigeren Hitzewellen, längeren Dürren, stärkeren Niederschlägen, niedrigeren durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten und weniger Schnee konfrontiert sein. In Berichten des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) wurde diese Tatsache klar zum Ausdruck gebracht. In diesem Gesamtbild werden jedoch nicht die komplexen Wechselwirkungen zwischen den Gefahren und der Wahrscheinlichkeit katastrophaler Auswirkungen deutlich.
Abbildung 2: Beobachtungen und prognostizierte Entwicklung der zentralen klimabedingten Gefahren in verschiedenen europäischen Regionen
Quelle: EUCRA
Diese klimatischen Gefahren werden zu mehr Katastrophen wie Dürren, Überschwemmungen, Waldbränden, Krankheiten, Ernteausfällen, hitzebedingten Todesfällen, Infrastrukturschäden sowie zu strukturellen Veränderungen der Umwelt führen. In der Praxis bestimmen primär die gesellschaftliche Vorsorge, die finanziellen und administrativen Kapazitäten zum Abfangen von Katastrophen und der physische Standort, wie gefährdet und anfällig wir als Gesellschaft sind.
Südeuropa wird einem stärkeren Klimadruck ausgesetzt sein als der Rest des Kontinents. Das Gleiche gilt auch für die Arktis. Die Regionen in äußerster Randlage sehen sich spezifischen Risiken gegenüber. Diese ungleiche Anfälligkeit für Klimaauswirkungen verschärft die bereits bestehenden Unterschiede zwischen den Regionen hinsichtlich der Anpassung an den Klimawandel, der Risikoprävention und der Vorsorge, wodurch die Instrumente der EU-weiten Kohäsionspolitik möglicherweise unter Druck geraten.
Die Kosten und Vorteile vermiedener Schäden für die Gesellschaft lassen sich nicht genau berechnen. Jedoch sollte eine Schätzung der Größenordnung ausreichen, um aktives Handeln zu rechtfertigen. Konservativen Annahmen zufolge könnten die zunehmenden Klimaauswirkungen bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem Rückgang des BIP der EU um etwa 7 % führen. Steigt die Erderwärmung dauerhaft über den im Übereinkommen von Paris vereinbarten Schwellenwert von 1,5 °C an, könnte der zusätzliche kumulierte Rückgang des BIP der EU im Zeitraum von 2031 bis 2050 2,4 Billionen EUR betragen. Die jährlichen Schäden durch Überschwemmungen in Küstengebieten in Europa könnten bis 2100 1,6 Billionen EUR übersteigen, wobei jährlich 3,9 Millionen Menschen von Küstenhochwasser betroffen wären.
Aufgrund einer Vielzahl sozioökonomischer Faktoren wie Einkommen, Geschlecht, Alter, Behinderung, Gesundheit und sozialer Ausgrenzung sind Klimarisiken vor allen Dingen für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen (insbesondere Migranten, ethnische Minderheiten und indigene Völker) spürbar. Die Möglichkeiten zur Erholung von klimabedingten Katastrophen werden durch bereits bestehende Nachteile gemindert. Weniger wohlhabende Stadtgebiete, aber auch Schulen und Krankenhäuser befinden sich in der Regel in städtischen Wärmeinseln. Sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum sind jene Menschen, die in niedrig gelegenen Gebieten leben, einem erhöhten Hochwasserrisiko sowie den mit der Wasserverschmutzung verbundenen Folgen ausgesetzt.
Insbesondere Personen, die im Freien arbeiten, wie etwa in der Landwirtschaft, dem Bauwesen und dem Tourismus, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit extremer Hitze ausgesetzt. Abgesehen von den Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und von individuellen Einkommensverlusten durch Arbeitsausfälle kann die dadurch bedingte niedrigere Arbeitsproduktivität auf breiterer territorialer Ebene zu einer geringeren Wirtschaftsleistung führen. Schlecht konzipierte Anpassungslösungen können die Ungleichheiten noch weiter verschärfen. Für die Ausarbeitung gut konzipierter politischer Maßnahmen müssen soziale Aspekte berücksichtigt werden und Dialoge sowie inklusive und partizipative Entscheidungsprozesse mit den betroffenen Gemeinschaften stattfinden. Für Sicherheit zu sorgen, ist Teil des Sozialpakts mit unseren Bürgerinnen und Bürgern.
Im Rahmen der europäischen Klimarisikobewertung wurden 36 für Europa wesentliche Risiken ermittelt, von denen einige bereits ein kritisches Niveau und eine hohe Dringlichkeit erreicht haben. Sie alle sollten von politischen Entscheidungsträgern berücksichtigt werden. In Abschnitt 4 wird auf einige dieser Risiken eingegangen, wobei der Schwerpunkt auf Maßnahmen liegt, die gleichzeitig mehrere dieser Risiken bekämpfen.
Abbildung 3: Verbindungen zwischen Clustern wesentlicher Klimarisiken und betroffenen Politikbereichen
Quelle: EUCRA
2.2.Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten
Trotz der Komplexität des Klimasystems und der bestehenden Unsicherheiten gehen Wissenschaftler davon aus, dass sich das Klima in den kommenden Jahrzehnten aller Voraussicht nach weiter verschlechtern wird. Politische Entscheidungsträger und Investoren müssen prüfen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis, das sie eigentlich verhindern wollen, eintreten wird.
Unsicherheit ist kein berechtigter Grund für Untätigkeit. Nach dem Vorsorgeprinzip müssen Entscheidungsträger einen präventiven, proaktiven Ansatz verfolgen, um eine verantwortungsvolle Führung unserer Gesellschaft zu gewährleisten.
3.Ein Raum für Lösungen – die Gesellschaft zum Handeln befähigen
In einem sich wandelnden Umfeld ist eine rasche Entwicklung, Erprobung und Einführung praktikabler Lösungen erforderlich. Die EU-Mission zur Anpassung an den Klimawandel unterstützt Regionen mit innovativen Lösungen bei der Begleitung regionaler oder kommunaler Gebietskörperschaften auf dem Weg zum Ziel der Klimaresilienz bis 2030 und kann allen Interessenten als bewährtes Verfahren dienen.
Wenn schon zu Beginn eines Infrastrukturprojekts in seine Klimaresilienz investiert wird, reduzieren sich dank besserer Widerstandsfähigkeit gegen extreme Wetterbedingungen die Ad-hoc-Aufwendungen für Reparaturen oder einen Wiederaufbau. Jeder Euro, der zur Behebung von Schäden benötigt wird, fehlt für produktivere Investitionen. Umgekehrt wird jeder Euro, der für Prävention und Vorsorge ausgegeben wird, Vorteile für alle mit sich bringen, die über die anfänglichen Investitionen hinausgehen. Die heutigen Planungsentscheidungen müssen auf einer soliden vorausschauenden Risikobewertung fußen.
Die Klimarisiken, denen Europa ausgesetzt ist, können nicht losgelöst von anderen gesellschaftlichen Herausforderungen angegangen werden. Die besten, dauerhaften Lösungen sind solche, die vielfältige Vorteile bieten. Die Erkenntnisse aus der europäischen Klimabewertung (EUCRA) weisen auf mehrere Bereiche hin, in denen Querschnittslösungen dazu beitragen können, Hindernisse für die Anpassung an den Klimawandel zu beseitigen. Deshalb ist ein systematischer Ansatz erforderlich.
In den folgenden Unterabschnitten werden vier übergeordnete Kategorien von Lösungen aufgeführt, die die Behörden in der EU und ihren Mitgliedstaaten bei der Bewältigung von Klimarisiken unterstützen sollen: verbesserte Governance, Instrumente für Risikoträger, Nutzung strukturpolitischer Maßnahmen und Schaffung der Voraussetzungen für die Finanzierung der Klimaresilienz.
3.1.Verbesserungen auf der politischen Ebene
Die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und der nationalen Ebene und damit die Risikoverantwortung ist in den einzelnen Politikbereichen unterschiedlich geregelt und beruht auf dem Grundsatz der Subsidiarität. In der Praxis heißt das oft, dass sich das Europäische Parlament und der Rat auf einen gemeinsamen allgemeinen Rahmen auf EU-Ebene einigen, die Konzepte zu seiner Umsetzung aber von den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene ausgearbeitet und beschlossen und dann auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene umgesetzt werden. Auf EU-Ebene sollten Klimarisiken bei den Prozessen zur Ausarbeitung von Strategien, Rechtsvorschriften und Finanzinstrumenten sowie bei der Suche nach Synergien zwischen den EU-Strategien und -Maßnahmen besser berücksichtigt werden.
Zwar enthalten die meisten politischen Maßnahmen Bestimmungen zur Berücksichtigung von Klimarisiken, doch weist die Art und Weise, wie Strategien und Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, Mängel auf. Auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen sind Verbesserungen erforderlich. Es muss darauf geachtet werden, wie die nationale, regionale und kommunale Ebene interagieren und wie ihre Mittel und Aufgaben aufeinander abgestimmt sind. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, die bestehenden Verpflichtungen zur Anpassung vollständig umzusetzen und die einschlägigen Empfehlungen der Kommission zu berücksichtigen.
Ein verbesserter Umgang mit Klimarisiken erfordert:
Klare Verteilung der Risikoverantwortung. Die Kommission fordert alle EU-Organe auf, zu prüfen, wie die Verantwortung für sektorspezifische Klimarisiken und Klimaschutzmaßnahmen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten im derzeitigen Rechtsrahmen für wichtige Politikbereiche aufgeteilt ist.
Stärkung der Handlungsfähigkeit. Eine klare Verortung der Zuständigkeiten für die Bewältigung von Klimarisiken in den Mitgliedstaaten sollte eine vertikale und horizontale Koordinierung zwischen der nationalen, regionalen und kommunalen Ebene gewährleisten. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Risikoträger auf nationaler Ebene über die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen für die Bewältigung der entsprechenden Klimarisiken verfügen. Darüber hinaus wird die Kommission Klimarisiken strukturell (durch die Stärkung der Klimarisikokontrolle) in ihre internen Entscheidungsprozesse und (mittels Einführung einer Klimaverträglichkeitsprüfung) in das Konzept der besseren Rechtsetzung einbinden.
Synergien in der Rechtsanwendung. Die Umsetzung und Anwendung der Rechtsvorschriften über Klimarisiken könnte weiter verbessert und kohärenter gestaltet werden. Das Europäische Klimagesetz, die Verordnung über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz, die Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen, die Verordnung zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren, der anstehende überarbeitete EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung, die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (nach Verabschiedung), die Vogelschutz- und die Habitat-Richtlinie, die Wasserrahmenrichtlinie, die Hochwasserrichtlinie, die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und der Beschluss über das Katastrophenschutzverfahren der Union mit seinen Unionszielen im Bereich der Katastrophenresilienz enthalten alle Bestimmungen im Zusammenhang mit der Bewältigung von Klimarisiken. Um die Verfahren zu vereinfachen und ihre Wirksamkeit zu erhöhen, wird die Kommission prüfen, wie die Umsetzung der Anforderungen auf EU-Ebene weiter erleichtert und gestrafft werden kann.
3.2.Instrumente zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der Risikoträger
Dank der wissenschaftlichen Fortschritte bei der von der EU mit FuI-Mitteln mitfinanzierten Erforschung von Klimarisiken sind jetzt sinnvolle Maßnahmen möglich. Die Kommission wird weiterhin in entscheidungsrelevante Forschung und Innovation investieren und Erkenntnisse und Lösungen nutzen, die von einschlägigen EU-Missionen, -Projekten und -Partnerschaften im Rahmen von Horizont Europa vorgelegt werden. Dies allein reicht nicht aus, wie die in der Klimabewertung vorgeschlagenen Maßnahmen zur weiteren Erkenntnisgewinnung verdeutlichen. Eine hochauflösende quantitative Multi-Risikobewertung in Verbindung mit einer entsprechenden Bewertung von Anpassungsfähigkeit und Resilienz würde immens dazu beitragen, die richtigen Prioritäten zu setzen. Der Zugang zu verfügbaren Forschungs- und operativen Instrumenten und Daten sowie die Möglichkeit zu ihrer Nutzung können die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen fördern und Entscheidungen der Politik verbessern. Außerdem werden amtliche europäische Statistiken zur Klimaresilienz benötigt, die in Übereinstimmung mit dem BIP und anderen Aggregaten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen erstellt werden sollten.
Selbst im Falle leistungsfähiger Entscheidungsstrukturen erschweren erhebliche Qualifikations-, Arbeitskräfte- und Wissenslücken sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor die Ergreifung wirksamer Klimamaßnahmen. Letztere wird zudem durch klimabezogene Desinformation weiter beeinträchtigt. Um Klimarisiken wirksam zu bewältigen und die bereits verfügbaren Informationen und Frühwarnsysteme besser zu nutzen, muss der Zugang zu diesen und zu einschlägigen Wissensinstrumenten verbessert werden. Ferner sind entsprechende Kapazitäten aufzubauen.
Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die Risikoträger besser zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Lage sind:
Klimadaten, Modellierungsinstrumente und Indikatoren. Hochwertige, leicht verständliche Klimadaten und -modelle sind für eine fundierte Entscheidungsfindung von entscheidender Bedeutung; das reicht von der langfristigen Planung bis hin zu Frühwarnsystemen.
-Die Kommission und die Europäische Umweltagentur (EUA) werden für Zugang zu wichtigen granularen und lokalisierten Daten, Produkten, Anwendungen, Indikatoren und Diensten sorgen, insbesondere über die Europäische Plattform für Klimaanpassung und die einschlägigen Datenplattformen des Copernicus-Dienstes, nämlich das Copernicus Data Space Ecosystem und WEkEO.
-Die ersten beiden digitalen Zwillinge im Rahmen der Initiative „Destination Earth“ (DestinE) – für Anpassung an den Klimawandel und für Wetterextreme – werden ab Mitte 2024 detaillierte Simulationen von Klimaszenarien über mehrere Jahrzehnte hinweg auf globaler, nationaler und subnationaler Ebene einschließlich der Quantifizierung der Unsicherheiten liefern. Der digitale Zwilling des Ozeans wird ebenfalls detaillierte Simulationen und Szenarien liefern und dazu beitragen, Prozesse wie den Anstieg des Meeresspiegels, die Eisschmelze, die Küstenerosion, den Kohlenstoffkreislauf oder Veränderungen der biologischen Vielfalt besser zu verstehen. Im Rahmen von Horizont Europa wird weiterhin Forschung unterstützt, die darauf abzielt, große Reihen nahtloser, jahrzehnteumspannender Klimasimulationen mit hoher Auflösung durchzuführen, um lokale Risiken und Unsicherheiten besser zu beschreiben.
-Ab 2025 wird zudem der Galileo-Satellitendienst für Notfallwarnungen (Emergency Warning Satellite Service) in der Lage sein, Menschen, Unternehmen und Behörden selbst dann Warnmeldungen zu übermitteln, wenn terrestrische Warnsysteme ausgefallen sind.
-Größere Datenlücken werden dank der vorgeschlagenen Gesetze über Waldmonitoring und Bodenbeobachtung geschlossen, was die Frühwarnsysteme für Waldbrände und andere Katastrophen verbessern und zu genaueren Risikobewertungen beitragen wird. Im weiteren Sinne wird die Kommission die Nutzung der verfügbaren Beobachtungs-, Vorhersage- und Warnsysteme fördern.
Die Kommission wird die bestehenden Instrumente und Leitlinien, einschließlich des Europäischen Klimadaten-Explorers
der EUA und des Anpassungsdashboards auf dem Portal der EU-Mission zur Anpassung an den Klimawandel, der zentralen Plattform für Risikodaten Climate-ADAPT und der Klimarisiko-Übersicht von PROVIDE
überprüfen und die analytischen und vorausschauenden Fähigkeiten des Zentrums für die Koordination von Notfallmaßnahmen stärker nutzen. Die Kommission wird den Zugang der Nutzer, auch auf lokaler Ebene, verbessern und die Nutzung der Instrumente beobachten. Sie wird nach besseren Indikatoren zum Anzeigen von Fortschritten bei der Klimaresilienz suchen, auch in Verbindung mit anderen miteinander verknüpften und relevanten Indikatoren, um einen systematischen Ansatz zu gewährleisten.
Basis-Klimaszenarien. Um die Komplexität der Risikobewertung zu verringern, wird die Kommission das mittlere Emissionsszenario des Weltklimarats als niedrigstes akzeptables Basis-Klimaszenario verwenden, um physische Risiken bei der Bewertung der Auswirkungen politischer Maßnahmen abzudecken, und bei Stresstests und dem Vergleich von Anpassungsoptionen ungünstigere Szenarien einsetzen. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, und von privaten Interessenträgern wird erwartet, dass sie ebenso verfahren. Die internen Leitvorgaben der Kommission zu diesem Thema werden veröffentlicht. Bessere historische Daten, z. B. zu Katastrophenschäden, sind als Indikator und Grundlage für Prognosen nützlich. Es wäre jedoch grob fahrlässig, künftige klimapolitische Maßnahmen in erster Linie auf extrapolierte historische Daten zu gründen.
Kapazitätsausbau im öffentlichen und privaten Sektor. Die Kommission wird die Entwicklung von Schulungsmaterial und offenen Online-Kursen zum Thema Klimaresilienz über eine zentrale Online-Plattform unterstützen, zum Teil über die Europäische Plattform für Klimaanpassung. Das breite Spektrum an Instrumenten für die Anpassungsplanung auf EU-Ebene wird Teil der Wissensbasis werden. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen unterstützen, die nationalen Lehrpläne und Ausbildungsprogramme, einschließlich derjenigen für öffentliche Verwaltungen, zukunftsfähig zu machen, und die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den und innerhalb der Mitgliedstaaten weiterhin unterstützen. Auf der Grundlage weiterer Gespräche wird die Kommission Instrumente zur Bewertung des Klima- und Katastrophenrisikos entwickeln, um die Mitgliedstaaten und den Privatsektor, einschließlich KMU, zu unterstützen.
Die Kommission wird auch bestehende Instrumente einsetzen:
-Die EU-Mission zur Anpassung an den Klimawandel leistet einen wichtigen Beitrag zum Aufbau regionaler Kapazitäten.
-Das Instrument für technische Unterstützung begleitet die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung und Durchführung von Reformen zur Verringerung und Bewältigung von Klimarisiken.
-Der 2022 veröffentlichte Kompetenzrahmen für Nachhaltigkeit bietet eine Grundlage für die Förderung von Kompetenzen, die für die Bewältigung des Klimawandels erforderlich sind.
-Die Initiativen und Strategien im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung, die im Rahmen des europäischen Bildungsraums (z. B. mit der Koalition „Bildung für den Klimaschutz“) entwickelt wurden, werden ebenfalls genutzt.
-Das einzigartige Modell der Zusammenarbeit von Hochschulen, Forschung und Wirtschaft, das im Rahmen des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) und seiner Wissens- und Innovationsgemeinschaften (KIC), insbesondere der KIC „EIT Climate“, entwickelt wurde, ist gleichfalls für einschlägige Unterstützungsmaßnahmen geeignet.
Bekämpfung von Desinformation. Die Kommission wird zu den Bemühungen beitragen, die Verbreitung von Desinformation im öffentlichen Raum und ihren Einfluss auf Meinung und Verhalten zu beobachten und zu analysieren. Sie wird den Einsatz einschlägiger politischer Instrumente, digitaler Lösungen und Kommunikationskonzepte zur Bekämpfung von Desinformation auf dem Gebiet der Klimapolitik verbessern. Dazu gehört auch, sicherzustellen, dass die Einhaltung des Gesetzes über digitale Dienste auch im Hinblick auf Desinformation ordnungsgemäß gewährleistet und dass die Klimawissenschaft bei der Einhaltung des Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation durch Social-Media-Unternehmen angemessen berücksichtigt wird. Die Kommission wird auch auf internationaler Ebene mit Partnern zusammenarbeiten, um Desinformation als wachsende gesellschaftliche Herausforderung zu bekämpfen, die auf verzerrten wirtschaftlichen Anreizen beruht und eine Bedrohung für das Funktionieren unserer Demokratien darstellt.
3.3.Nutzung strukturpolitischer Maßnahmen
Ungeachtet der je nach Politikbereich unterschiedlichen Verteilung der Risikoverantwortung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten verzeichnen drei strukturpolitische Bereiche ein gewisses Querschnittspotenzial für die Bewältigung von Klimarisiken:
Bessere Flächenplanung in den Mitgliedstaaten Raumordnung und Flächenplanung sind eine nationale – und oftmals kommunale – Zuständigkeit. Grund und Boden sind nicht nur ein Vermögenswert, sondern haben auf lokaler Ebene oft einen Wert und eine Bedeutung, die über rein monetäre Aspekte hinausreichen. Gleichzeitig beeinflussen die Nutzung von Liegenschaften und die Flächenplanung auch die Resilienz und Versicherbarkeit gegenüber Risiken auf umfassenderer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene. In einschlägigen Planungsentscheidungen sollten die Annahmen in Bezug auf Klimarisiken ausdrücklich dargelegt und von den für die Klimaresilienz kritischer Infrastrukturen und Einrichtungen zuständigen einzelstaatlichen Behörden genehmigt werden. Die Kommission wird Optionen prüfen, um Anreize für die Übernahme bewährter Verfahren zu schaffen, unter anderem durch eine stärkere Verknüpfung zwischen der Qualität der territorialen und der maritimen Raumordnungspolitik und der Kohäsions-, Verkehrs-, Fischerei-, Finanz- und Agrarpolitik. Sie wird ferner auf bestehenden Arbeiten aufbauen und Klimaresilienz-Grundsätze in die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ aufnehmen, um eine klimagerechte Flächennutzungsplanung zu erleichtern.
Einbeziehung von Klimarisiken in die Planung und Instandhaltung kritischer Infrastruktur Die Fähigkeit des Staatsapparats zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Funktionen steht in einem engen Zusammenhang mit der Raumplanung, da die fortgesetzte Versorgung von Gesellschaft und Wirtschaft mit staatlichen Dienstleistungen von der Resilienz der Betreiber kritischer Infrastrukturen abhängt. Die Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen erleichtert die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und legt Risikobewertungsverfahren für sie und die betreffenden kritischen Einrichtungen fest. Die Kommission fordert jeden Mitgliedstaat auf, dafür zu sorgen, dass seine nationale Risikobewertung gemäß der Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen ausdrücklich die langfristige Resilienz der in den Anwendungsbereich fallenden Einrichtungen gegenüber Klimarisiken berücksichtigt, und fordert die Mitgliedstaaten auf, dies vor Ablauf der in der Richtlinie festgelegten Frist im Jahr 2026 zu tun. Ein Teil der kritischen Infrastruktur wird auf EU-Ebene gemeinsam definiert und kofinanziert, z. B. die transeuropäischen Netze TEN-V und TEN-E, aber auch von der EU mitfinanzierte Krankenhäuser und Schulen. Die Kommission wird die einschlägigen sektorspezifischen Anleitungen aktualisieren bzw. ausarbeiten. Die verfügbaren Satellitendaten und -dienste sollten in vollem Umfang genutzt werden, um die Resilienz kritischer Infrastruktur gegenüber Klimarisiken zu stärken.
Verknüpfung der Solidarität auf EU-Ebene mit angemessenen nationalen Maßnahmen. Wenn die nationalen Kapazitäten überlastet sind, können die Katastrophenschutzkapazitäten und andere Solidaritätsmechanismen auf EU-Ebene (einschließlich des Katastrophenschutzverfahrens der Union, des EU-Solidaritätsfonds, der Strukturinvestitionen der Kohäsionspolitik, bestimmter Instrumente im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und anderer sektorbezogener Unterstützungspakete) mobilisiert werden, um die Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen und ihnen dabei zu helfen, sie schneller hinter sich zu lassen. Allerdings sind die Kapazitäten sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene bereits angespannt, während der Risikodruck weiter zunehmen wird. Seit 2019 wurde das Katastrophenschutzverfahren der Union in EU-Mitgliedstaaten und Drittländern bereits 76-mal aktiviert und hat Hilfen koordiniert, um klimabedingte Notlagen (extreme Überschwemmungen, Waldbrände, Stürme und akute Dürre) zu bewältigen. Über den EU-Solidaritätsfonds wurden mehr als 8,6 Mrd. EUR für die Unterstützung von 24 Mitgliedstaaten und vier Beitrittsländern infolge von insgesamt 110 Naturkatastrophen eingesetzt.
Die Solidaritätsmechanismen müssen mit angemessenen Mitteln ausgestattet werden, damit die EU Bedürftigen helfen kann. Die Katastrophenschutzsysteme und -mittel müssen zukunftssicher gemacht werden, indem in das Katastrophenrisikomanagement der EU und der Mitgliedstaaten, in Einsatzkapazitäten und Fachwissen investiert wird, die rasch grenzüberschreitend eingesetzt werden können. Dabei sollten Klimarisiken gemäß den Katastrophenresilienz-Zielen der Union und dem Bericht der Kommission über Prävention und Management von Katastrophenrisiken in Europa
vollständig in die Katastrophenrisikomanagement-Verfahren einbezogen werden. Da die Reaktions- und Wiederaufbaukapazitäten der EU mit zunehmenden Risiken ausgeschöpft werden können, wird die Kommission prüfen, wie die Solidaritätsmechanismen bessere Anreize für angemessene vorausschauende Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf zentrale Risiken schaffen können, auch im Interesse der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, während gleichzeitig das Katastrophenrisikomanagement, die Katastrophenvorsorge und -bewältigung in der EU gestärkt werden können.
3.4.Richtige Voraussetzungen für die Finanzierung der Klimaresilienz
Politische Entscheidungsträger, Investoren und Unternehmen müssen den Investitions- und Schutzbedarf sowie diesbezügliche Defizite verstehen, gezielte Maßnahmen auf der Grundlage ihrer potenziellen Auswirkungen und Dringlichkeit konzipieren, Risikoträger einbeziehen und langfristige Finanzierungsstrategien entwickeln. Um Klimarisiken wirksam steuern zu können, sollten die öffentlichen Ausgaben, einschließlich sozialer Investitionen, auf EU- und nationaler Ebene sowie Anreize für private Investitionen so gestaltet werden, dass die Vermeidung klimabedingter Störungen und Schäden die wirtschaftlich beste Wahl darstellt. Die Einhaltung der Vorschriften über staatliche Beihilfen muss sichergestellt werden. Dies beinhaltet Folgendes:
Gewährleistung der Resilienz von EU-Ausgaben gegenüber dem Klimawandel Die Kommission wird Überlegungen zur Anpassung an den Klimawandel in die Durchführung der EU-Programme und -Maßnahmen als Teil des Grundsatzes der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen, der in der Haushaltsordnung für den mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach 2027 festgelegt ist, einbeziehen, sofern dies machbar und angemessen ist. Dadurch wird sichergestellt, dass alle einschlägigen EU-Programme zur Klimaresilienz beitragen.
Einbeziehung der Klimaresilienz in die Vergabe öffentlicher Aufträge Die Vergabe öffentlicher Aufträge macht 14 % des BIP der EU aus und muss Klimarisiken Rechnung tragen. Insbesondere hinsichtlich Infrastrukturentscheidungen spielt diese Politik eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Klimaresilienz von Vermögenswerten sowie des Bewusstseins für und des Wissens um Klimaresilienz aufseiten der Bieterunternehmen. Die Kommission wird Klimarisiken im Falle einer Überprüfung des Rechtsrahmens für die Auftragsvergabe als ein zu berücksichtigendes Element betrachten. Gleichzeitig fordert sie die Mitgliedstaaten auf, bei der Aufnahme von Kriterien für die ökologische Nachhaltigkeit in Ausschreibungen unter anderem Klimarisiken zu berücksichtigen, beispielsweise durch eine beschleunigte Umsetzung der Bestimmungen der Netto-Null-Industrie-Verordnung über nicht preisbezogene Kriterien bei der Angebotsgestaltung.
Mobilisierung von Finanzmitteln für den Aufbau von Resilienz Die Mobilisierung und Erleichterung privater Investitionen ist von grundlegender Bedeutung, um Klimarisiken erfolgreich zu bekämpfen und Klimaresilienz aufzubauen. Aufbauend auf der Arbeit des Dialogs über Klimaresilienz und anderen einschlägigen Arbeiten wird die Kommission eine befristete Reflexionsgruppe zur Mobilisierung von Finanzmitteln für Klimaresilienz einberufen, um darüber nachzudenken, wie die Finanzierung der Klimaresilienz erleichtert werden kann. Die Reflexionsgruppe wird wichtige Akteure der Industrie und Vertreter öffentlicher und privater Finanzinstitute zusammenbringen. Sie kann sich auch auf das Wissen der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung im Bereich der Finanzierung von Anpassungs- und Resilienzmaßnahmen stützen. Sie wird bewährte Verfahren erfassen und Hindernisse und grundlegende Voraussetzungen für die Finanzierung der Klimaresilienz ermitteln. Die Kommission wird die Ergebnisse dieser Gespräche berücksichtigen, um die Finanzmittel für die Klimaresilienz aufzustocken.
4.Leitaktionen der EU in den Hauptwirkungsclustern
Klimarisiken und EU-Politik sind in vielerlei Hinsicht miteinander verknüpft. In den meisten Politikbereichen der EU sind bereits Entscheidungsprozesse vorgesehen, bei denen Klimarisiken berücksichtigt werden könnten. Die zahlreichen im EUCRA-Bericht dargelegten Fakten werden in diese Prozesse einfließen. In diesem Abschnitt werden spezifische Maßnahmen für ausgewählte Wirkungscluster dargelegt, die die Kommission zusätzlich zu den bereits laufenden Arbeiten voranbringen wird.
4.1.Natürliche Ökosysteme
Neben der Erhaltung der biologischen Vielfalt selbst erfüllen natürliche Ökosysteme Funktionen, die dem Erhalt des Lebens dienen, beispielsweise Versorgung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Biomaterial, Kohlenstoffbindung, Verringerung der Boden- und Küstenerosion, Hochwasser- und Dürreprävention sowie Kühlung dicht besiedelter städtischer Gebiete. Schätzungen zufolge ist mehr als die Hälfte des weltweiten BIP mäßig oder in hohem Maße von Natur und biologischer Vielfalt abhängig. Gesunde Ökosysteme verfügen über ein sich selbst regelndes Gleichgewicht, können aber auch rasch zusammenbrechen, wenn kritische Schwellenwerte überschritten werden. Von den unmittelbarsten nachteiligen Auswirkungen werden die Ernährungssicherheit, die lokalen Gemeinschaften und jene Wirtschaftszweige betroffen sein, die am stärksten von gesunder Natur abhängig sind. Um die Resilienz der Ökosysteme und ihre Funktionen aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen, müssen etwa 30-50 % der Landfläche, Süßwassergebiete und Ozeane der Erde wirksam und gerecht geschützt werden.
Zukunftssichere naturbasierte Lösungen können kosteneffizient sein und die Resilienz erhöhen und sollten nach Möglichkeit die erste Wahl für die Anpassung an den Klimawandel darstellen. Für ein wirksames Management von Klimarisiken müssen Ökosysteme geschützt und umfassend verwaltet werden; auf der Grundlage der jüngsten methodischen Fortschritte sollten die Bewertungen von Wohlstand und Wirtschaftstätigkeit das Naturkapital in vollem Umfang berücksichtigen. Die Umsetzung der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie und die Ausarbeitung der nationalen Wiederherstellungspläne im Rahmen der anstehenden Verordnung über die Wiederherstellung der Natur sollten Synergien mit der Klimaresilienz gewährleisten. Um die Anpassung an den Klimawandel in Schutzgebieten zu unterstützen, wird die Kommission die Leitlinien für Natura 2000 und den Klimawandel aktualisieren.
Es bedarf weiterer Anstrengungen, um größere Störungen des Ökosystems Wald zu verhindern und die diesbezügliche Vorsorge zu verbessern. Die Kommission wird die Maßnahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union nutzen, um die Verhütung von Waldbränden zu fördern; sie wird die vorgeschlagenen Verordnungen über einen Überwachungsrahmen für widerstandsfähige europäische Wälder und über forstliches Vermehrungsgut nutzen, und sie wird den Klimabelastungen bei der Schätzung des potenziellen Beitrags von Kohlenstoffsenken zu den Netto-Null-Zielen der EU Rechnung tragen.
Die Mitgliedstaaten müssen die Gesundheit der Meeresökosysteme verbessern. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur und den Meeresaktionsplan bestmöglich zu nutzen, um die Widerstandsfähigkeit aller Meeresökosysteme zu stärken und ihre Vielfalt zu schützen, damit deren Leistungsfähigkeit in Bezug auf Lebensmittel, Materialien und Ökosystemfunktionen aufrechterhalten bleibt. Die Maßnahmen im Rahmen der EU-Mission „Wiederbelebung unserer Ozeane und Gewässer“ tragen zu einem breiten Spektrum solcher Lösungen bei. Um eine nachhaltige Fischerei in einem sich wandelnden Klima sicherzustellen, sollten die Synergien zwischen der Gemeinsamen Fischereipolitik und den Umweltvorschriften, wie sie im Fischerei- und Ozeanpakt vorgesehen sind, in vollem Umfang genutzt werden, damit die Ernährungssicherheit und die Existenzgrundlagen von Fischern und Küstengemeinden gewährleistet werden.
Die Kernelemente einer klimaresilienten Landschaft müssen gleichzeitig angegangen werden, um die Fähigkeit der Landschaften zu erhalten, das Risiko von Dürren, Überschwemmungen, Sturmfluten, Waldbränden oder Erosion zu verringern und gleichzeitig andere Ökosystemleistungen zu erbringen. Ländliche Gebiete bedecken den größten Teil Europas und ein isolierter Ansatz für die Bewirtschaftung von Boden, Wasser und Wäldern im selben Gebiet ist an seine Grenzen gestoßen. Es bedarf eines umfassenden und integrierten Ansatzes, um sicherzustellen, dass Ökosysteme über große Gebiete hinweg den vielfältigen Bedrohungen standhalten können. Um die bestmögliche Nutzung bestehender Planungsdokumente zu unterstützen, wird die Kommission im Einklang mit den Raumordnungsplänen und den Plänen zur Wiederherstellung der Natur der Mitgliedstaaten zusammen mit den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Entwicklung resilienter Landschaften ausarbeiten, mit denen die Auswirkungen des Klimawandels abgefedert werden können.
4.2.Wasser
Wasser ist eine lebenswichtige Ressource, die bereits in vielen Teilen Europas aufgrund struktureller Misswirtschaft, nicht nachhaltiger Landnutzung, hydromorphologischer Veränderungen und Verschmutzung gefährdet ist. Der Klimawandel verschärft diese Belastungen und erhöht die mit Wasser in Zusammenhang stehenden Risiken in Form häufigerer oder länger andauernder Dürren oder extremer Niederschläge. Diese Situation wird sich in Zukunft weiter verschärfen, da größere Teile Europas von Wasserstress betroffen sein werden; außerdem steigt das Risiko für Extremdürreperioden (über große Regionen und mehrere Jahre hinweg), Waldbrände, zunehmende Überschwemmungen und steigende Meeresspiegel, die wiederum das Risiko für Küstenüberschwemmungen und Sturmfluten, Küstenerosion und Eindringen von Salzwasser erhöhen.
In der EUCRA wird betont, dass mit Wasser in Zusammenhang stehende Risiken alle in dieser Mitteilung betrachteten wichtigen Bereiche betreffen und dass schwere Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände zu einer Bedrohung für die Gesundheit und zu einer wiederkehrenden Ursache sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Verluste werden. Diese Risiken können sich in vielfältiger Form manifestieren, darunter Dürren, von denen große Gebiete über längere Zeiträume betroffen sein können (mit negativen Auswirkungen auf die pflanzliche Erzeugung, die Ernährungssicherheit, die Trinkwasserversorgung, die Energieerzeugung und die Nutzbarkeit von Wasserstraßen), und die das Risiko von Waldbränden verstärken; Risiken für kritische Infrastrukturen, wirtschaftliche Tätigkeiten und die menschliche Gesundheit durch Überschwemmungen und ein generell verstärkter Wettbewerb um Wasserressourcen in allen Bereichen und Anwendungen, einschließlich des potenziellen Risikos von Konflikten um grenzüberschreitende Wasserressourcen innerhalb und zwischen Mitgliedstaaten. In der EUCRA wird aufgezeigt, dass die Kosten einer unzureichenden oder verzögerten Umsetzung der integrierten Wasserbewirtschaftung unerschwinglich sein werden. Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten von Dürren auf 9 Mrd. EUR pro Jahr und die Kosten von Überschwemmungen auf insgesamt mehr als 170 Mrd. EUR seit 1980.
Der Schutz und die Wiederherstellung des Wasserkreislaufs, die Förderung einer EU-Wirtschaft mit intelligenter Wassernutzung und die Sicherung einer hochwertigen, erschwinglichen und zugänglichen Trinkwasserversorgung für alle sind für ein wasserresilientes Europa von entscheidender Bedeutung. Wasserresilienz zu erreichen bedeutet, unsere kollektive Fähigkeit zu fördern, das Wassermanagement und die Wassernutzung angesichts der sich rasch wandelnden und teilweise unvorhersehbaren geopolitischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen flexibler zu gestalten. Wasser muss bewirtschaftet und die Nachfrage vonseiten der Menschen muss an das neue und knappere Angebot angepasst werden.
In Anbetracht der grundlegenden Rolle, die Wasser für die Erhaltung des Lebens und als wirtschaftlicher Input spielt, wird die Kommission auf der Grundlage der laufenden Bewertungen der Pläne für die Bewirtschaftung der Einzugsgebiete und der Hochwasserrisikomanagementpläne sowie der von den Mitgliedstaaten eingerichteten Maßnahmenprogramme für die Meere eine umfassende Bestandsaufnahme der Wasserproblematik vornehmen und prüfen, welche Maßnahmen erforderlich sind.
4.3.Gesundheit
Der Klimawandel wirkt sich auf die menschliche Gesundheit aus. Allein in Europa wurden zwischen 60 000 und 70 000 vorzeitige Todesfälle auf die Hitzewelle 2022 zurückgeführt. Prognosen zufolge wird die temperaturbedingte Sterblichkeit bereits bis Mitte des Jahrhunderts einen starken Nettoanstieg aufweisen. Durch kontinuierliche Erwärmung und extreme Wetterereignisse kann der Klimawandel zur Ausbreitung nicht übertragbarer Krankheiten, die für etwa zwei Drittel aller Todesfälle in der europäischen Region verantwortlich sind, beitragen oder diese verschlimmern. Die Initiative „Healthier Together“ (Gemeinsam gesünder) zu nicht übertragbaren Krankheiten unterstützt die Mitgliedstaaten dabei, geeignete Präventivmaßnahmen zu ergreifen.
Die Arbeitsproduktivität wird sinken, und es besteht die Gefahr, dass Arbeitszeit verloren geht, wenn keine wirksamen Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Die individuelle und regionale Anfälligkeit und die am besten geeignete Maßnahme hängen von Faktoren wie dem Grad der Vorbereitung, dem Grad der Verstädterung, der Altersstruktur und der gleichzeitigen Exposition gegenüber Luftverschmutzung ab. Wie in der Mitteilung über eine umfassende Herangehensweise im Bereich der psychischen Gesundheit anerkannt, hat die Klimakrise schwerwiegende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit.
Die Inzidenz klimasensitiver Infektionskrankheiten wird voraussichtlich zunehmen, wobei Krankheiten wie das West-Nil-Virusfieber, das Denguefieber und das Chikungunya-Fieber in Teilen Europas endemisch werden und sich durch Lebensmittel und Wasser übertragene Krankheitserreger leichter ausbreiten. In den meisten Fällen sind jedoch wirksame medizinische Gegenmaßnahmen zur Reaktion auf diese Krankheiten kaum vorhanden oder müssen noch entwickelt werden. Extreme Wettermuster können auch zu einer Verbreitung resistenter Bakterien und einem verstärkten Gentransfer führen, was zu einer Zunahme von Infektionen mit resistenten Bakterien und Pilzen führt.
Diese und andere Risiken werden die bereits angespannten Gesundheitssysteme, die Beschäftigten im Gesundheitswesen und die Gesundheitshaushalte zusätzlich unter Druck setzen. Primäre Lösungen liegen in politischen Maßnahmen, die die Anfälligkeit verringern und die Exposition des Menschen begrenzen können. Für die unmittelbar klimabedingten Risiken ausgesetzten Beschäftigten und Gebäude im Gesundheitswesen sollten angemessene Verfahrensregelungen angewandt werden. Um ihre diesbezüglichen Tätigkeiten weiter zu verstärken und die in den Erklärungen von Budapest und der COP28 zu Klima und Gesundheit festgelegten Ziele und Verpflichtungen in die Praxis umzusetzen, hat die Kommission Folgendes vorgesehen:
Intensivierung der Maßnahmen mit denen sichergestellt werden soll, dass Arbeitnehmer, die klimabedingten Risiken ausgesetzt sind, angemessen geschützt werden. Bei der Überprüfung der Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, die Arbeitnehmer vor allen berufsbedingten Risiken, einschließlich der Risiken im Zusammenhang mit erhöhten Umgebungstemperaturen und Hitzestress, schützen, wird die Kommission prüfen, ob mehr Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor Klimarisiken erforderlich sind, wobei sie sich auch auf die bestehenden Leitlinien und Instrumente stützen wird. Die Kommission hat einen neuen Dialog mit Interessenträgern ins Leben gerufen. Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) stärkt die Vorausschau in Bezug auf den Themenkomplex
Klima und Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und sie wird 2025 ein Projekt zur Stärkung der Klimaresilienz am Arbeitsplatz auf den Weg bringen.
Ausbau des Europäischen Klima- und Gesundheitsobservatoriums, das dazu beiträgt, lokale und nationale Gesundheitssysteme auf den Klimawandel vorzubereiten, zusätzliche Kapazitäten aufzubauen, Überwachungs- und Frühwarnsysteme zu stärken, das Personal im Gesundheitswesen auszubilden und aufzuklären und evidenzbasierte Anpassungslösungen und Gesundheitsmaßnahmen zu fördern.
Stärkung der Überwachungs- und Reaktionsmechanismen für klimabedingte Gesundheitsgefahren durch die Umsetzung der Verordnung zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und durch Verknüpfung des Frühwarn- und Reaktionssystems mit anderen Warnsystemen (z. B. für Klima- und Wetterwarnungen), um ein gemeinsames Management von Gesundheitsrisiken zu erleichtern. Die neue EU-Gesundheits-Taskforce wird die Reaktionen der EU auf schwerwiegende Gesundheitsgefahren, einschließlich klimabezogener Ereignisse, unterstützen.
Stärkung der grenzüberschreitenden Mobilisierung von medizinischem Personal und entsprechender Patiententransfers, z. B. durch die Entwicklung eines Rahmens zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei überlasteten Gesundheitsdiensten.
Sicherung des Zugangs zu und der Entwicklung von kritischen medizinischen Gegenmaßnahmen. Steigende Temperaturen und häufigere extreme Wetterereignisse können die Fertigung stören oder den Zugang zu Rohstoffen einschränken. Auch klimabedingte Veränderungen von Krankheitsmustern können zu einem unerwarteten Anstieg der Nachfrage nach bestimmten Arzneimitteln oder zu einer Nachfrage nach völlig neuen Produkten führen, bestehende Lieferketten belasten oder Investitionen in neue Lieferketten erfordern. Um die Schwachstellen zu verringern, wird die Kommission die einschlägigen Risiken bewerten und strategische Vorräte für wichtige Gegenmaßnahmen weiter aufstocken. Im Rahmen von Horizont Europa und EU4Health unterstützt die Kommission die Entwicklung neuer Impfstoffe und Therapeutika gegen vernachlässigte tropische und neu auftretende Infektionskrankheiten. Dies hat beispielsweise die jüngsten Fortschritte bei einem Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus ermöglicht.
4.4.Lebensmittel
Die Lebensmittelversorgung in der EU ist zunehmend Klimarisiken ausgesetzt, von der landwirtschaftlichen Erzeugung – insbesondere in Südeuropa – über Fischerei und Aquakultur bis hin zur Lebensmittelverarbeitung und internationalen Lieferketten. Der Klimawandel wirkt sich kurz-, mittel- und langfristig auf die vier Säulen der Ernährungssicherheit – Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität – aus. Er steht in Wechselwirkung mit vielen anderen Faktoren für die Ernährungssicherheit wie Wasserstress, Nährstoffüberschuss, Bodengesundheit, Ernährung und Gesundheit, und zwar auf vielfältige und kaskadenartige Weise. Die Lebensmittelerzeugung ist insbesondere durch Überschwemmungen, Hitzewellen, Dürren, zunehmende Belastungen durch Schädlinge und Krankheiten sowie durch den Verlust an biologischer Vielfalt, Bodendegradation und Veränderungen der Fischmigration gefährdet.
Die Hitze wird Landwirten die Arbeit im Freien erschweren. Verschiebungen der agroklimatischen Zonen werden Druck auf die Auswahl von Kulturen ausüben und für mehr Ernteausfälle sorgen, während die Betriebsmittelpreise und die Variabilität der Weltmärkte zugleich auf den Endgewinn drücken. Was die Fischereiwirtschaft betrifft, können die zusätzlichen Belastungen durch den Klimawandel, die Eutrophierung und die Versauerung der Ozeane die Produktivität der Fischbestände verringern, was – zusätzlich zur Tatsache, dass einige Bestände bereits überfischt sind – zu deutlich geringeren Fangmengen führen kann. Da die Existenzgrundlagen und die Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion in der EU gefährdet sind, wird die Schaffung von Optionen für Anpassungsmaßnahmen auf Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe oder Fischereibetriebe nicht ausreichen; vielmehr werden sie durch angemessene Unterstützungsmaßnahmen für den Übergang zu einer widerstandsfähigen Landwirtschaft und Fischerei ergänzt werden müssen. Mit solchen Unterstützungsmaßnahmen sollte auch sichergestellt werden, dass gesunde und nachhaltige Lebensmittel für die Verbraucher erschwinglich und zugänglich bleiben, und es sollten nachhaltige Einkommen für Landwirte gewährleistet werden.
Wenn auch bei den Lebensmitteleinfuhren in die EU noch kein großes Risiko besteht, kann gleichzeitiges Ernteversagen in mehreren Kornkammerregionen der Welt oder in wichtigen Fischgründen zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise in der EU führen (da die EU-Erzeuger zu Weltmarktpreisen verkaufen). Dies würde sich auf die Kaufkraft der Verbraucher auswirken und die Ernährungssicherheit sowie die Erschwinglichkeit gesunder Lebensmittel für die ärmsten Haushalte in der EU gefährden. Zwar ist dies noch nicht systemisch, doch besteht für die Ernährungssicherheit bereits ein erhöhtes Risiko durch hitzebedingte und andere Krankheitserreger.
Der technologische Fortschritt, Verbesserungen bei der Führung landwirtschaftlicher Betriebe und die kontinuierliche Anpassung der landwirtschaftlichen Verfahren haben zur kurzfristigen Anpassung an den Klimawandel beigetragen. Die Anpassungsstrategie der EU und die Gemeinsame Agrarpolitik haben Anpassungsmaßnahmen ermöglicht, doch gibt es nur begrenzte Belege für eine strukturelle Vorbereitung auf klimabedingte Katastrophen. Darüber hinaus kann eine bessere Nutzung der genetischen Vielfalt und unschädlicher pflanzengenetischer Ressourcen für die Anpassung an den Klimawandel und die Resilienz gegenüber diesem Landwirten und Landbewirtschaftern helfen, Klimarisiken zu bewältigen. Der Vorschlag für eine Verordnung über mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel kann solche Lösungen unterstützen.
Die zukunftssichere Gestaltung der Lebensmittelerzeugung in der EU wird für die Kommission vorrangig sein. Die Kommission wird weiterhin mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um das Potenzial der Strategiepläne für die Gemeinsame Agrarpolitik voll auszuschöpfen, damit sich die Klimaresilienz verbessert und Risikomanagementinstrumente breiter genutzt werden. Da die Bodendegradation eine große Bedrohung für unsere Lebensmittelproduktion darstellt, wird die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Überwachung der Bodengesundheit verstärken. Der Beitrag der Landwirte zum Schutz der Ökosystemleistungen sollte stärker geschätzt werden. Die Kommission wird ferner eine Studie über die Anpassung in der Landwirtschaft durchführen, die bis Ende 2025 abgeschlossen sein soll.
Die Erwärmung und Versauerung der Ozeane, einschließlich der Zunahme von Meereshitzewellen und Gebieten mit niedrigem Sauerstoffgehalt, verändert bereits die Zusammensetzung der Arten und wirkt sich auf die Fischbestände aus, die in tieferes Wasser und in Richtung der Pole abwandern. Dies wird zu Diskrepanzen zwischen den festgelegten Quoten und den tatsächlichen Fangmöglichkeiten führen. In die Gemeinsame Fischereipolitik sollten Klimafolgen einbezogen werden. Bei den Prognosen für die Fischbestände muss die Bandbreite möglicher künftiger Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt werden, und die Bestandsbewirtschaftungspraktiken sollten resilient gegenüber künftigen ökologischen Veränderungen sein. Bei Aktualisierungen des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sollten Klimarisiken umfassend berücksichtigt werden, um nachhaltige Fischerei- und Aquakulturpraktiken zu fördern und somit die Resilienz zu stärken.
4.5.Infrastruktur und gebaute Umwelt
Infrastrukturanlagen sind durch Überschwemmungen, Waldbrände, hohe Temperaturen und andere Extremereignisse, die zu erheblichen Schäden führen können, einem erheblichen Risiko ausgesetzt. Der Verlust des Zugangs zu Energie, Verkehr und Kommunikation kann eine Gesellschaft schnell erschüttern. Derzeit gibt es keine zuverlässigen Bewertungen, wie gut die EU-Infrastruktur in Zukunft unter den sich wandelnden klimatischen Bedingungen funktionieren kann. Die kritische Infrastruktur und der Gebäudebestand altern in raschem Tempo. Angesichts des Mangels an Wissen und der als untragbar empfundenen Kosten fällt es den Mitgliedstaaten schwer, umfangreiche Arbeiten zur Infrastrukturanpassung zu planen und einzuleiten, obwohl bereits die Schäden durch eine einzige Katastrophe die verfügbaren EU-Mittel für Infrastruktur um ein Mehrfaches übertreffen können.
Das EU-Ziel, die Renovierungsquoten zu erhöhen und die Wirtschaft zu dekarbonisieren bietet Möglichkeiten zur Verbesserung der Klimaresilienz. Die Gestaltung der gebauten Umwelt ist entscheidend für die Resilienz der Gebäude und damit auch für die ihrer Bewohner. Die positiven Nebeneffekte der Sicherung der Klimaverträglichkeit von Wohngebäuden im Hinblick auf die Erschwinglichkeit, ein gesünderes Lebensumfeld und eine verbesserte Energieeffizienz sollten maximiert werden. Zusätzlich zu einem guten horizontalen Überblick über systemische Risiken im Zusammenhang mit der Infrastruktur und ihrer Lage mittels Raumplanung sind auch stärker sektorspezifische Lösungen erforderlich.
Die Infrastrukturnormen müssen gestärkt werden. Die Kommission wird die europäischen Normungsorganisationen auffordern, Überlegungen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Resilienz in europäische Normen für die Gestaltung von Infrastrukturen mit einem Lebenszyklus von mehr als 30 Jahren (z. B. Kraftwerke oder Eisenbahnen) einzubeziehen. Darüber hinaus wird die Kommission die europäischen Normungsorganisationen auffordern, neue Normen für Klimadienstleistungen zu entwickeln.
Im Rahmen der geplanten Aktualisierung der Baunormen (Eurocodes), in denen die Mindestanforderungen an die Tragwerksplanung in der EU für 2026 festgelegt sind, wird die Berücksichtigung der künftigen Klimarisiken für Gebäudetragwerke verbindlich gemacht. Die Kommission führt Pilotstudien durch und wird Leitlinien für die Mitgliedstaaten über die Verwendung frei verfügbarer Klimadatensätze ausarbeiten, mit denen sie die zu erwartende klimatische Belastung in ihrem Hoheitsgebiet bestimmen können.
Das Festival des Neuen Europäischen Bauhauses im April 2024 bietet eine wichtige Gelegenheit für den Dialog mit verschiedenen Teilen der Bauwirtschaft, um eine bessere durchgängige Berücksichtigung der Anpassung an den Klimawandel und der Resilienz in diesem Sektor zu fördern.
Die gesamte Verkehrsinfrastruktur ist durch den Klimawandel gefährdet. Dennoch besteht in der EU eine Wissenslücke hinsichtlich der Resilienz der europäischen Verkehrsinfrastruktur gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels in Bezug auf Risikoexposition, Anpassungsbedarf und Lösungen sowie auf den Investitionsbedarf, um mit diesen Auswirkungen umzugehen. Die Kommission wird die Klimarisikobewertung und die Sicherung der Klimaverträglichkeit durch ihre überarbeiteten Leitlinien für den Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) unterstützen. Als ersten Schritt zur Schließung der festgestellten Wissenslücke und zur Festlegung des Anpassungsbedarfs und der Investitionsprioritäten hat sie eine Studie über die Klimaresilienz des TEN-V
in Auftrag gegeben.
Die Klimarisikoplanung im Energiesektor muss gestärkt werden. Der Klimawandel führt zu erhöhten Risiken für die Energieversorgungssicherheit, insbesondere einem erhöhten Risiko von Störungen der Stromversorgung aufgrund von Hitze, Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen, die sich auf die Spitzennachfrage sowie auf Produktion, Speicherung, Transport und Verteilung auswirken. Nur wenige Mitgliedstaaten haben in ihre Entwürfe der aktualisierten nationalen Energie- und Klimapläne detaillierte Pläne aufgenommen, um die Anpassung an den Klimawandel im Zusammenhang mit der Resilienz ihrer Energiesysteme zu berücksichtigen. Die Kommission wird Möglichkeiten für eine bessere durchgängige Berücksichtigung von Klimarisiken prüfen, beispielsweise im Rahmen der laufenden Überprüfung der Verordnung über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz. Aufbauend auf den nationalen Notfallplänen für den Elektrizitätssektor wird die Kommission auch die Aufnahme eines Dialogs über Klimarisiken mit ausgewählten Interessenträgern des Energiesektors in Erwägung ziehen und lädt interessierte Akteure (z. B. den Elektrizitätssektor) ein, Vorschläge vorzulegen.
4.6.Wirtschaft
Jede durch den Klimawandel verursachte Katastrophe wird die Wirtschaft durch Verluste von Leben und durch Produktivitätseinbußen, direkte Schäden, geringeres Wachstumspotenzial und Druck auf die öffentlichen Haushalte zusätzlich belasten. Wenn Investitionen für den Wiederaufbau nach dem Auftreten von Schäden aus anderen Bereichen umgelenkt werden, verringert sich der für produktive Investitionen zur Verfügung stehende Betrag. Die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Teilen des Finanzsystems sind nicht gut bekannt, und Klimarisiken können bestehende Schwachstellen über die für diese Systeme kritischen Schwellenwerte hinaus belasten. Hauptquelle für die Abdeckung dieser Risiken sind die Staatshaushalte; diese sind aber bereits durch hohe Schuldenstände belastet. Die impliziten Eventualverbindlichkeiten aus Klimarisiken könnten die Stabilität und Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten gefährden. Die Risiken für die EU-Wirtschaft könnten erheblich sein.
Die wirtschaftliche Sicherheit der EU ist auch Klimarisiken in Lieferketten ausgesetzt, insbesondere bei Arzneimitteln und Halbleitern. Angesichts der bestehenden Daten- und Wissenslücken ist es nicht ausgeschlossen, dass klimabezogene Risiken derzeit zu niedrig angesetzt sind. Dies kann zu ungeordneten Reaktionen auf dem Markt führen, z. B. wenn Extremereignisse eintreten oder ihr Eintreten wahrscheinlich ist. Der Versicherungsschutz für klimaexponierte Vermögenswerte und Immobilien ist in der EU gering – wobei erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und klimabedingten Gefahren bestehen – und dürfte mit steigenden Prämien weiter abnehmen, wenn klimabedingte Ereignisse häufiger auftreten und schwerwiegender werden. Es laufen umfangreiche Arbeiten zu den verschiedenen Nachhaltigkeitsrisiken, insbesondere im Rahmen der EU-Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen oder des Dialogs über Klimaresilienz, mit dem die Lücke beim Klimaschutz im Versicherungswesen geschlossen werden soll.
Die EU hat bereits wichtige Schritte unternommen, um globale Klimaschutzmaßnahmen im Handel voranzubringen. Das von der Union zusammen mit Ecuador, Kenia und Neuseeland ins Leben gerufene und geleitete Bündnis von Handelsministern zum Thema Klima
spiegelt die zunehmende Anerkennung gemeinsamer Interessen bei der Verknüpfung zwischen Klima und Handel wider, um den Beitrag, den Handel und Handelspolitik zum Klimaschutz leisten können, zu stärken. Die bilateralen Handelsabkommen der EU können als wichtige Plattformen für die Zusammenarbeit mit Handelspartnern im Bereich Klima- und Umweltschutz dienen.
Klimabedingte Risiken stellen eine große Gefahr für die Resilienz von EU-Unternehmen, insbesondere von KMU, dar. Klimarisiken beeinträchtigen den Zugang von KMU zu Finanzmitteln, ihre Kapitalkosten und ihre Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen. Fast die Hälfte der Unternehmen in der EU ist besorgt über Naturkatastrophen, doch weniger als ein Drittel der Unternehmen hat investiert oder plant Investitionen, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen zu mindern.
Wie in der KMU-Strategie der EU dargelegt, ist es entscheidend, KMU dabei zu unterstützen, Umweltrisiken zu verstehen und zu mindern. Im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Strategie für wirtschaftliche Sicherheit wird die Kommission auch Klimarisiken berücksichtigen. Die im KMU-Entlastungspaket dargelegten Maßnahmen, die unter anderem darauf abzielen, KMU den Zugang zu nachhaltigen Finanzmitteln zu erleichtern und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand zu minimieren, helfen EU-Unternehmen auch dabei, ihre Wettbewerbsposition zu behaupten und potenziell auf Teilmärkten zur Stärkung von Klimaresilienz Fuß zu fassen bzw. diese sogar anzuführen. Dies umfasst sowohl die Unterstützung der Gesellschaft als auch die Gewinnung eines erheblichen Anteils am globalen Markt für Klimaresilienz- und Risikomanagementtechnologien und Informationssysteme. Um die systemische Resilienz der Lieferketten der EU zu verbessern, wird die Kommission das Potenzial der Überprüfung physischer Klimarisiken im Rahmen der Überwachung von Schwachstellen in Lieferketten prüfen.
Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen muss unbedingt gestärkt werden. Die vorläufige Einigung über einen neuen Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung dürfte die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen stärken und das Wachstum durch Reformen und Investitionen fördern, nicht zuletzt im Hinblick auf gemeinsame Prioritäten der EU wie die Klimawende.
Derzeit wird an einer Projektion der Klimaauswirkungen auf die Schuldentragfähigkeit gearbeitet. Im Rahmen der vorläufigen Einigung sehen die Änderungen der Richtlinie über die nationalen haushaltspolitischen Rahmen klimabezogene Berichtspflichten in den nationalen Jahres- und Mehrjahreshaushaltsplänen vor. Diese Bestimmungen beziehen sich auf Daten über klimabedingte Katastrophenschäden in der Vergangenheit und Schätzungen der Haushaltsrisiken aufgrund des Klimawandels. Um die Berücksichtigung von Klimarisiken in der Haushaltsplanung zu verbessern und Klimarisiken durchgängig in die nationalen Haushaltsverfahren einzubeziehen, steht die Kommission bereit, den Mitgliedstaaten beim Austausch bewährter Verfahren zu helfen und technische Unterstützung und Schulungen anzubieten. Derzeit wird daran gearbeitet, die Schätzungen des Investitionsbedarfs für Anpassungsmaßnahmen
zu verfeinern, und die Kommission wird auch mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Datenlücken zu schließen, unter anderem bei der Schätzung des nationalen Investitionsbedarfs für die Anpassung. Die Kommission ist bereit, die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten zu unterstützen, die sich über ihre Rolle bei der Koordinierung, Formulierung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen austauschen möchten.
Die Finanzmarktpolitik muss bei Klimarisiken einen umsichtigen Ansatz verfolgen, um die Finanzstabilität zu wahren. Die EU-Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen zielt darauf ab, Klima- und andere Umweltrisiken transparenter und das Finanzsystem der EU sicherer zu machen. Die Kommission wird auch in Zukunft sicherstellen, dass alle relevanten Risiken in den Aufsichtsrahmen angemessen berücksichtigt werden, z. B. in den kürzlich vereinbarten Vorschlägen für „Solvabilität II“ und die Eigenkapitalverordnung, die die Grundlage für die Einbeziehung von Klimarisiken in die Rahmenkonzepte von Banken und Versicherern bilden. Die Kommission wird ihre rasche Umsetzung gewährleisten.
5.Nächste Schritte
Im Rahmen der Umsetzung der EU-Anpassungsstrategie werden in dieser Mitteilung die wichtigsten Maßnahmen hervorgehoben, die die EU und ihre Mitgliedstaaten ergreifen müssen, um die zunehmenden Klimarisiken besser zu bewältigen, insbesondere um bestehende Strategien umzusetzen und die Risikoverantwortung in Governanceprozessen zu klären. Damit soll eine solide und zeitnahe Reaktion auf die eindeutige und aktuelle Gefahr weiterer Klimakatastrophen ermöglicht werden.
In der Mitteilung wird betont, dass entscheidungsrelevante Nachweise wie der EUCRA-Bericht, die aktuellsten Temperaturbeobachtungen, Fortschrittsberichte und Informationen über die Kosten von Klimaschäden erforderlich sind. Es wird hervorgehoben, dass die verfügbaren Informationen umfassend genutzt werden müssen, damit sektorübergreifende politische Entscheidungen getroffen werden können. In den kommenden Jahren sollten politische Entscheidungsträger auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen die Anpassung an den Klimawandel proaktiv angehen, indem sie bereits vorhandene Instrumente, Technologien und sonstige Mittel einsetzen. Dies erfordert konzertierte Maßnahmen auf allen Ebenen und die Entwicklung eines klaren Pfads zur Verbesserung der Vorsorge und Resilienz.
Zwar liegt der Schwerpunkt dieser Mitteilung auf Maßnahmen in der Europäischen Union, doch sieht sie auch den Austausch von Erfahrungen und Informationen mit den Partnerländern der EU vor. Die von diesem Dokument abgedeckten Sektoren und Aktionsbereiche stehen weitgehend im Einklang mit den Beschlüssen zur Anpassung an den Klimawandel, die auf dem 28. UN-Klimagipfel (COP28) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) in Dubai getroffen wurden. Die Kommission wird relevante Themen von sich aus in bilaterale Dialoge einbeziehen, und zwar im Rahmen Grüner Allianzen und Grüner Partnerschaften sowie in einschlägigen Gremien der Vereinten Nationen und anderen multilateralen Foren (wie G7, G20, OECD, Weltwirtschaftsforum, WTO). Die Kommission wird ferner die Möglichkeit prüfen, im Jahr 2025 ein internationales Symposium zur Bewältigung globaler Klimarisiken abzuhalten, das sich an Regierungsvertreter, Geldgeber und Fachorganisationen in der ganzen Welt richten würde.
Die Kommission wird auch in Zukunft mit den Mitgliedstaaten, der Öffentlichkeit, den Unternehmen und anderen EU-Organen zusammenarbeiten, um die Resilienz der Gesellschaft und Wirtschaft der EU zu verbessern. Gemeinsam können wir unsere Bevölkerung und unseren Wohlstand schützen.