ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 237

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

64. Jahrgang
18. Juni 2021


Inhalt

Seite

 

IV   Informationen

 

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Europäische Kommission

2021/C 237/01

Sozialorientierte Beschaffung — Ein Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge — 2. Ausgabe

1


DE

 


IV Informationen

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Europäische Kommission

18.6.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 237/1


Sozialorientierte Beschaffung — Ein Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge — 2. Ausgabe

(2021/C 237/01)

INHALT

Einleitung 4

Kapitel 1 —

Definition, Zweck und Nutzen der sozial verantwortlichen Vergabe öffentlicher Aufträge 4

1.1

Die sozial verantwortliche Vergabe öffentlicher Aufträge (Definition) 4

1.2

Ermittlung und Anwendung sozialer Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge 6

1.3

Zweck und Nutzen der SRPP 9

1.4

Zusammenhang mit politischen Maßnahmen und Rechtsvorschriften auf europäischer und internationaler Ebene 11

Kapitel 2 —

Eine Organisationsstrategie für die sozialorientierte Beschaffung 16

2.1

SRPP auf die Tagesordnung setzen 16

2.2

Zieldefinition 17

2.3

Konsultation der Interessenträger 17

2.4

Risiken bewerten, Aufträge priorisieren und Zielvorgaben festlegen 20

2.5

Integration der SRPP in Vergabeverfahren und -strategien 22

2.6

Überwachung und Überprüfung der Fortschritte 23

Kapitel 3 —

Bedarfsermittlung und Beschaffungsplanung 25

3.1

Die Rolle der Bedarfsermittlung in der SRPP 25

3.2

Marktdialog 27

3.3

Welche Auftragsart? 31

3.4

Wahl des Verfahrens 33

3.5

Spezifikationen festlegen und hinterfragen 35

3.6

Verwendung fakultativer Felder in den Standardformularen 35

Kapitel 4 —

Das Vergabeverfahren 36

4.1

Definition des Auftragsgegenstands und Bestimmung der einschlägigen Vorschriften 36

4.2

Die Sonderregelung 38

4.3

Vorbehalte 41

4.4

Technische Spezifikationen 43

4.5

Einhaltung von sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften und Tarifverträgen 46

4.6

Ausschluss- und Auswahlkriterien 48

4.7

Zuschlagskriterien 51

4.8

Bewertung der Angebote und Überprüfung der Verpflichtungen 54

4.9

Ungewöhnlich niedrige Angebote 57

Kapitel 5 —

Festlegung und Durchsetzung von Vertragsbedingungen 58

5.1

Umsetzung der Verpflichtungen im Rahmen der SRPP 58

5.2

Bedingungen für die Auftragsausführung 59

5.3

An sozialen Ergebnissen orientierte Auftragsvergabe 63

5.4

Überwachung der Einhaltung 64

5.5

Vergabe von Unteraufträgen 65

5.6

Problembehandlung 67

5.7

Erkenntnisse für künftige Aufträge 68

Die zweite Ausgabe des Leitfadens wurde im Rahmen des Vertrags Nr. SI2.801176 – 728/PP/GRO/SME/18/D/021a zwischen der Europäischen Kommission und ICLEI – Lokale Gebietskörperschaften für Nachhaltigkeit auf der Grundlage einer Analyse der öffentlichen Auftragsvergabe erstellt.

Weder die Europäische Kommission noch in ihrem Namen handelnde Personen können für die Verwendung der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen verantwortlich gemacht werden.

Wichtiger Hinweis

Zweck dieses Leitfadens ist es, öffentlichen Auftraggebern eine Hilfestellung an die Hand zu geben und zur Förderung bewährter Verfahren beizutragen. Es handelt sich um ein Dokument ohne bindende Wirkung, das die in der EU-Gesetzgebung verankerten Rechte und Pflichten unberührt lässt. Es unterliegt den Entwicklungen in der Vergabepraxis sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“), der als einziges Organ für die Auslegung des Unionsrechts zuständig ist.

Die in diesem Dokument vorgeschlagenen Konzepte, Ideen und Lösungen berühren nicht die nationalen Rechtsvorschriften und müssen gegebenenfalls angepasst werden, um dem nationalen Rechtsrahmen Rechnung zu tragen.

Auch wenn die Informationen in diesem Leitfaden sorgfältig geprüft wurden, übernimmt die Europäische Kommission keinerlei Verantwortung hinsichtlich der hier angeführten Fallbeispiele.

Weitere Informationen über die Europäische Union sind im Internet verfügbar ( http://europa.eu ).

EINLEITUNG

Ziel der sozial verantwortlichen Vergabe öffentlicher Aufträge (socially responsible public procurement, SRPP) sind öffentliche Beschaffungsaufträge mit positiven sozialen Auswirkungen. Die Auftragsvergabe betrifft eine große Zahl von Menschen: Nutzer öffentlicher Dienstleistungen, Personen, die an Produktion und Lieferung beteiligt sind, oder Mitarbeiter der beschaffenden Organisation. Über die unmittelbar Betroffenen hinaus verfügt die SRPP über das Potenzial, den breiteren Markt sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite zu beeinflussen.

Öffentliche Auftraggeber können mittels kluger Vergabestrategien Beschäftigungschancen, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für Arbeitskräfte, menschenwürdige Arbeit, soziale Inklusion, Geschlechtergleichstellung und Nichtdiskriminierung, Zugänglichkeit, Design für alle, ethischen Handel und die umfassendere Einhaltung von sozialen Standards fördern. Bei einigen Produkten, Bauleistungen und Dienstleistungen können die Auswirkungen besonders groß sein, da öffentliche Auftraggeber in Sektoren wie Hoch- und Tiefbau sowie Gesundheitsversorgung und Verkehr einen erheblichen Teil des Markts beeinflussen.

Um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen, müssen die Behörden ihre Anstrengungen verstärken, um in Bezug auf sämtliche Aspekte der Nachhaltigkeit (soziale/ethische, ökologische und wirtschaftliche Aspekte) Ergebnisse zu erzielen. Öffentliche Auftraggeber gehören zu den größten Investoren in Europa. Ihre Investitionen belaufen sich derzeit auf mehr als 14 % des Bruttoinlandsprodukts der EU. Indem sie ihre Kaufkraft für Waren und Dienstleistungen mit positiven sozialen Auswirkungen aufwenden, können sie einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Dieser Leitfaden bietet ihnen Unterstützung bei der Berücksichtigung der sozialen Dimension der nachhaltigen öffentlichen Auftragsvergabe.

Es ist damit zu rechnen, dass die derzeitige COVID-19-Pandemie sich nachteilig auf die Beschäftigung auswirken, Ungleichheiten verstärken, weltweit die Arbeitsunsicherheit erhöhen und die Arbeitsbedingungen verschlechtern, die Erbringung bestimmter Dienstleistungen für die Menschen weiter unter Druck setzen und negative Folgen für kleinere Unternehmen haben wird. In ihren Aufbaustrategien müssen die EU-Mitgliedstaaten die soziale Inklusion und Gerechtigkeit durch Bildung und Qualifikationen, Beschäftigung sowie sozialen und territorialen Zusammenhalt verbessern und sicherstellen, dass durch den ökologischen und digitalen Wandel Arbeitsplätze, nachhaltiges Wachstum und sozioökonomische Resilienz geschaffen werden. Wenn es um die Verwirklichung dieser Ziele geht, sind sozial verantwortliche Vergabepraktiken ein wirksames Instrument im Werkzeugkasten der nationalen Verwaltungen der EU.

Zweck dieses Dokuments ist es, das Bewusstsein der öffentlichen Auftraggeber für die potenziellen Vorteile der SRPP zu schärfen und die Möglichkeiten, die der EU-Rechtsrahmen bietet, auf praktische Weise zu erläutern. Bei der Erstellung dieses Leitfadens nahm die Kommission umfassende Konsultationen mit öffentlichen Auftraggebern auf, um bewährte Verfahren sowie Beispiele dafür zu ermitteln, was erreicht werden kann. Diese Beispiele sind im vorliegenden Dokument aufgeführt.

Der vorliegende Leitfaden richtet sich zwar vornehmlich an öffentliche Auftraggeber, allerdings in der Hoffnung, gleichermaßen anderen als Anregung zu dienen, die an der Auftragsvergabe beteiligt sind, sei es als Warenlieferanten oder Dienstleister, private Auftraggeber, sozialwirtschaftliche Akteure, einschließlich sozialer Unternehmen, oder Nichtregierungsorganisationen (NRO).

In den einzelnen Kapiteln dieses Leitfadens werden alle Aspekte des Vergabeprozesses über das Ausschreibungsverfahren hinaus behandelt. Es wird dargelegt, wie soziale Gesichtspunkte in den gesamten Prozess eingebracht werden können, und es werden zahlreiche Beispiele aus der Praxis öffentlicher Auftraggeber in der gesamten EU angeführt. In den Kapiteln 2 bis 5 folgt den meisten Abschnitten eine Liste „bewährter Verfahren“. Diese sollen das Verständnis des Textes weiter erleichtern, indem die wesentlichen Punkte, die in den einzelnen Abschnitten behandelt werden, konkret zusammengefasst werden und aufgezeigt wird, was öffentliche Auftraggeber in der Praxis tun können, wenn sie im Vergabeprozess einen sozial verantwortlichen Ansatz verfolgen wollen.

KAPITEL 1

Definition, Zweck und Nutzen der sozial verantwortlichen Vergabe öffentlicher Aufträge

1.1   Die sozial verantwortliche Vergabe öffentlicher Aufträge (Definition)

Das Ziel der sozial verantwortlichen Vergabe öffentlicher Aufträge Auftragsvergabe besteht in der Bewältigung der Auswirkungen der vom öffentlichen Sektor erworbenen Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen auf die Gesellschaft. Dabei wird anerkannt, dass öffentliche Auftraggeber nicht nur an einer Vergabe von Aufträgen zum niedrigsten Preis oder zum besten Preis-Leistungs-Verhältnis interessiert sind, sondern auch daran, dass die Auftragsvergabe einen sozialen Nutzen erzielt (1) und dass negative soziale Auswirkungen während der Auftragsausführung verhindert oder abgemildert werden. Als öffentlicher Auftraggeber können Sie soziale Ziele in den gesamten Vergabeprozess einbringen, sofern diese nicht diskriminierend sind und mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen (2). In der Europäischen Union muss die SRPP in Übereinstimmung mit den Vergaberichtlinien von 2014 (3), den im EU-Vertrag (4) und der Charta der Grundrechte verankerten Grundsätzen, internationalen Vereinbarungen wie dem Übereinkommen der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) über das öffentliche Beschaffungswesen (WTO-Beschaffungsübereinkommen), den bilateralen Freihandelsabkommen mit Kapiteln über die Auftragsvergabe (5) sowie dem Übereinkommen der Vereinten Nationen (VN) über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (VN-Behindertenrechtskonvention) (6) erfolgen.

Die SRPP kann ein leistungsfähiges Medium sowohl für die Förderung der nachhaltigen Entwicklung als auch für die Erreichung sozialer Ziele auf internationaler, nationaler, regionaler oder lokaler Ebene darstellen. Im Kontext der SRPP wird die öffentliche Auftragsvergabe als strategisches Instrument für die effiziente und nachhaltige Verwendung öffentlicher Gelder betrachtet. Für ein umfassenderes Konzept für eine nachhaltige öffentliche Auftragsvergabe können soziale Belange mit grünen (7) und kreislauforientierten (8) Kriterien und der innovationsfördernden öffentlichen Beschaffung (9) kombiniert werden (10). Durch die Verbesserung der Professionalität und Unterstützung öffentlicher Auftraggeber kann die erfolgreiche Einbeziehung sozialer Belange und deren Integration mit anderen Belangen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und Qualität erheblich erleichtert werden (11).

Eine sozial verantwortliche Vergabe öffentlicher Aufträge hilft den Behörden, hochwertige Dienstleistungen und Produkte für ihre Gemeinschaften bereitzustellen, um zusätzliche soziale und ethische Vorteile zu erzielen, selbst wenn die Haushaltsmittel begrenzt sind, und kann daher dazu beitragen, den negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise entgegenzuwirken. Für eine Erholung von der Pandemie müssen die Behörden in der EU alle verfügbaren Instrumente nutzen, um die negativen sozioökonomische Auswirkungen zu bewältigen. Die beispiellosen Finanzmittel, die im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität bereitgestellt werden, kommen häufig durch die öffentliche Auftragsvergabe zum Einsatz. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass öffentliche Auftraggeber die Flexibilität der Vergabevorschriften voll ausschöpfen können, um dafür zu sorgen, dass die Mittel so eingesetzt werden, dass die größtmögliche positive soziale und wirtschaftliche Wirkung für ihre Gemeinden erzielt wird. Die Abkehr von einer Logik der niedrigsten Preise und die Berücksichtigung von Belangen im Zusammenhang mit sozialer Integration, Gleichstellung, fairer und inklusiver Beschäftigung und ethischen Angeboten ist der Schlüssel zur Maximierung des Erholungseffekts der Mittel.

Der vorliegende Leitfaden enthält eine Reihe von praktischen Beispielen für die SRPP aus der gesamten EU, in denen verschiedene Ansätze und tatsächliche Auswirkungen vorgestellt werden und die als Inspirationsquelle dienen können. Weitere Beispiele für bewährte Verfahren aus der EU und aus Drittländern finden Sie in den beiden Berichten Making Social Responsible Procurement Work: 71 Good Practice Cases (12) (Sozial verantwortliche Auftragsvergabe in der Praxis: 71 bewährte Verfahren) und Buying for social impact – Good Practice from around the EU (13) (Sozial verantwortliche Auftragsvergabe – Bewährte Verfahren aus der EU), verfügbar auf der Website der Kommission „Instrumente zur Unterstützung öffentlicher Auftraggeber“ (14).

1.2   Ermittlung und Anwendung sozialer Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Öffentliche Auftraggeber haben viele Möglichkeiten, spezifische soziale Belange bei Beschaffungsentscheidungen zu berücksichtigen. Nachstehend findet sich eine nicht erschöpfende Liste mit Beispielen für soziale Ziele, die Sie im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge verfolgen können. Bedenken Sie jedoch, dass die Einhaltung verbindlicher sozialer und arbeitsrechtlicher Vorschriften bei der Ausführung des Auftrags nicht freiwillig ist, sondern gemäß den Vergaberichtlinien (15) eine Verpflichtung darstellt. In den Kapiteln 4 und 5 dieses Leitfadens wird untersucht, wie Sie diese Fragen in den verschiedenen Phasen des Vergabeprozesses angehen können. Je nach Ihren Zielen und dem Auftragsgegenstand sollten Sie entscheiden, welche der nachstehenden sozialen Belange für Ihre Auftragsvergabe relevant sind.

Förderung fairer Beschäftigungsmöglichkeiten und sozialer Inklusion

Die SRPP kann eine treibende Kraft in Bezug auf Folgendes sein:

Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen und ältere Arbeitnehmer,

Gleichstellung der Geschlechter (z. B. Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, Verringerung der sektoralen und beruflichen Segregation (16), Gewährleistung der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz),

Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen, die aufgrund von Langzeitarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Diskriminierung oder anderen Benachteiligungen von sozialer Ausgrenzung betroffen sind,

gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen, unter anderem durch ein inklusives und barrierefreies Arbeitsumfeld,

Verbesserung der Diversitätspolitik, der sozialen Inklusion und der Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen aus benachteiligten Gruppen (z. B. Wanderarbeitnehmer, Menschen nicht-weißer Hautfarbe, Angehörige einer ethnischen oder religiösen Minderheit, Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und Personen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind),

Fortbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten für alle Arbeitnehmer.

Schaffung von Möglichkeiten für die Sozialwirtschaft und soziale Unternehmen

Sozialwirtschaftliche Organisationen und soziale Unternehmen (17) können durch das Erzielen von sozialen Erträgen aus Ihren Ausgaben zur Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten und sozialer Inklusion, wie vorstehend erwähnt, beitragen. So sehen die Vergaberichtlinien im Hinblick auf die Förderung der sozialen Eingliederung beispielsweise die Möglichkeit vor, Aufträge sozialen Unternehmen, deren Hauptzweck die berufliche Integration ist, oder Wirtschaftsteilnehmern vorzubehalten, die mindestens 30 % Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Arbeitnehmer beschäftigen (18). Öffentliche Auftraggeber werden zudem zur Prüfung der Frage aufgefordert, ob die Aufteilung von Aufträgen in Lose sinnvoll ist, wodurch die Zugänglichkeit für sozialwirtschaftliche Organisationen und soziale Unternehmen erhöht werden kann (19).

Förderung menschenwürdiger Arbeit

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) definiert menschenwürdige Arbeit wie folgt (20):

Arbeit, die produktiv ist und ein faires Einkommen sichert, mit Sicherheit am Arbeitsplatz und Sozialschutz für Familien einhergeht, bessere Perspektiven für die persönliche Entwicklung bietet und die gesellschaftliche Integration fördert sowie Menschen die Freiheit bietet, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, sich zu organisieren und an Entscheidungen teilzuhaben, die ihr Leben beeinflussen, und die Chancengleichheit und Gleichbehandlung für alle Männer und Frauen garantiert.

Im Rahmen dieser Definition und im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (21) fördert die EU innerhalb der EU und in globalen Lieferketten (22)

sichere Beschäftigung,

gerechte Löhne,

sichere Arbeitsbedingungen,

den Sozialschutz,

die Chancengleichheit und Gleichbehandlung für alle Frauen und Männer,

die Geschlechtergleichstellung und Nichtdiskriminierung beim Zugang zu Beschäftigung,

den sozialen Dialog,

die Wahrung der Rechte am Arbeitsplatz.

Gewährleistung der Einhaltung der sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, sozialen Fortschritt zu fördern und die Lebens- und Beschäftigungsbedingungen der Bürger Europas zu verbessern (23). Das öffentliche Beschaffungswesen trägt zu diesen Zielen bei, indem sichergestellt wird, dass die Anbieter

die geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen, die durch Unionsrecht, nationales Recht oder Tarifverträge im Einklang mit dem EU-Recht festgelegt sind, einhalten,

sich an die grundlegenden Übereinkommen der IAO halten,

den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern, einschließlich des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit (24), beachten und die Gleichstellung der Geschlechter (25) fördern,

die Rechtsvorschriften über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz einhalten,

Diskriminierung beispielsweise aufgrund des Geschlechts, des Alters, einer Behinderung, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung oder der sexuellen Ausrichtung bekämpfen und Chancengleichheit schaffen.

Zugänglichkeit und Design für alle

Die Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen, die für alle, einschließlich Menschen mit Behinderungen, zugänglich sind, ist ein grundlegender Aspekt der SRPP und für öffentliche Aufträge zwingend vorgeschrieben. Nach Artikel 42 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 60 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU gilt: „[D]iese technischen Spezifikationen [werden] außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen so erstellt, dass die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder das Konzept des ‚Design für alle‘ berücksichtigt werden.“

Diese Bestimmung unterstützt die nationalen Behörden bei der Einhaltung der VN-Behindertenrechtskonvention (26), der die EU und alle ihre Mitgliedstaaten beigetreten sind. In der VN-Behindertenrechtskonvention sind Verpflichtungen in Bezug auf die Zugänglichkeit festgelegt, und der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat die Beschaffung von barrierefreien Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen als ein zentrales Thema für Regierungen identifiziert (27).

In der VN-Behindertenrechtskonvention (28) wird zudem anerkannt, „wie wichtig die individuelle Autonomie und Unabhängigkeit für Menschen mit Behinderungen ist, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen“, und dass „Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben sollen, aktiv an Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und über Programme mitzuwirken, insbesondere wenn diese sie unmittelbar betreffen“. Mit anderen Worten:

Öffentliche Auftraggeber sollten sich bemühen, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen bei der Beschaffung zu berücksichtigen und diese in den Beschaffungsprozess einzubeziehen. Die Bedarfsermittlung und die Einbindung von Anbietern zur Sicherstellung wirksamer öffentlicher Dienstleistungen, die den Zielen der sozialen und beruflichen Inklusion sowie den spezifischen Bedürfnissen Ihrer Nutzer Rechnung tragen, werden in Kapitel 3 dieses Leitfadens behandelt.

Öffentliche Auftraggeber müssen in den technischen Spezifikationen (29) das Thema Zugänglichkeit berücksichtigen, um den Zugang für Menschen mit Behinderungen zu sichern, z. B. zu öffentlichen Dienstleistungen, öffentlichen Gebäuden, öffentlichen Verkehrsmitteln, öffentlichen Informationen sowie zu Waren und Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), einschließlich webbasierter Anwendungen.

Öffentliche Auftraggeber können Zuschlagskriterien verwenden, um Angebote mit höheren Standards für Zugänglichkeit als die in den technischen Spezifikationen festgelegten zu belohnen.

Öffentliche Auftraggeber können auch Ausführungsklauseln festlegen, um sicherzustellen, dass die beschafften Dienstleistungen in einer Weise ausgeführt werden, die gewährleistet, dass das Ergebnis auf der Grundlage des Konzepts des „Design für alle“ zugänglich ist.

Achtung der Menschenrechte und Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit ethischem Handel

Das öffentliche Beschaffungswesen kann genutzt werden, um soziale Belange innerhalb der Lieferketten, etwa die Einhaltung der Menschenrechte (30) oder der Grundsätze des fairen Handels, anzugehen. Gemäß den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (31) ist die Achtung der grundlegenden Menschenrechte ein wesentliches Element jeder von einem Staat eingegangenen Geschäftsbeziehung. Darüber hinaus hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Jahr 2012 entschieden, dass Überlegungen zum fairen Handel Teil von Beschaffungsentscheidungen sein können (32), und die Vergaberichtlinien spiegeln dies wider (33).

Der große Umfang öffentlicher Beschaffungsaufträge (34) sowie der globale Charakter bestimmter Lieferketten bergen die Gefahr, dass Menschenrechtsverletzungen mit Ihrer Auftragsvergabe in Verbindung gebracht werden könnten. Fälle wie der Brand des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch sind bekannt, aber auch in Europa bestehen gefährliche und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Die Vergaberichtlinien schreiben vor, dass Wirtschaftsteilnehmer, die wegen Kinderarbeit und anderer Formen des Menschenhandels rechtskräftig verurteilt wurden, von dem Vergabeverfahren auszuschließend sind. Zudem sollte von allen öffentlichen Auftraggebern überprüft werden, ob die grundlegenden IAO-Übereinkommen (35) eingehalten werden. Dieser Leitfaden befasst sich auch damit, wie die Menschenrechte bei der Beschaffung durch folgende Maßnahmen gewahrt werden können:

Erhöhung der Transparenz in den Lieferketten, unter anderem durch Überwachung von Unterauftragnehmern und deren Unterauftragnehmern,

Analyse spezifischer Risiken innerhalb der Lieferketten,

Verpflichtung von Auftragnehmern und Unterauftragnehmern, Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Lieferkette zu ergreifen und gegen potenzielle oder festgestellte Menschenrechtsverletzungen im Produktionsprozess vorzugehen,

Förderung strenger Verhaltenskodizes für Anbieter im Bereich der sozialen Verantwortung.

Bereitstellung von hochwertigen Dienstleistungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Bildung und Kultur

Die Vergaberichtlinien sehen eine „Sonderregelung“ für bestimmte Dienstleistungen unter anderem in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Bildung und Kultur vor (36). Öffentliche Auftraggeber werden aufgefordert, der „Qualität, Kontinuität, Zugänglichkeit, Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit und Vollständigkeit der Dienstleistungen … sowie den spezifischen Bedürfnissen verschiedener Nutzerkategorien, einschließlich benachteiligter und schutzbedürftiger Gruppen, der Einbeziehung und Ermächtigung der Nutzer und dem Aspekt der Innovation“ (37) Rechnung zu tragen. Bei der Beschaffung von Sozialdienstleistungen können zudem Qualitätsstandards wie der freiwillige europäische Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen von 2010 (38) angewandt werden. Abschnitt 4.2 befasst sich mit der Frage, wie öffentliche Auftraggeber die Sonderregelung anwenden, um einen sozialen Nutzen zu erzielen.

Festlegung und Verwirklichung intelligenter SRPP-Ziele in Nantes (Frankreich)

Beschaffungsziel

Im Stadtkreis Nantes wurde die verantwortungsvolle Auftragsvergabe 2001 eingeführt. Im Jahr 2017 wurde ein Programm zur Förderung der verantwortungsvollen Beschaffung (responsible purchasing promotion scheme, SPAR) angenommen, um die Kohärenz der zahlreichen Initiativen, die in den vorangegangenen 15 Jahren entwickelt wurden, zu erhöhen und die Verbindungen zwischen den Beschaffungsaktivitäten und den Initiativen zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu stärken.

Ansatz

Im Rahmen des SPAR wurde ein interner Leitfaden für die verantwortungsvolle Auftragsvergabe erarbeitet, in dem praktische Methoden und die im lokalen Bereich verfügbare Unterstützung beleuchtet werden, und es wurde eine SPAR-Governance-Struktur zur Beaufsichtigung der Entwicklung, Durchführung und Überwachung verantwortungsvoller Beschaffungsmaßnahmen aufgestellt:

Auf politischer Ebene werden alle relevanten gewählten Mitglieder des Stadtrates über die anstehenden Investitionen informiert, um gemeinsam über die jeweiligen Sozial- und Umweltklauseln zu entscheiden. Ferner führen die Stadtratmitglieder regelmäßig eine Bewertung der Auswirkungen des SPAR durch.

Auf technischer Ebene arbeitet das Team für die öffentliche Auftragsvergabe mit einem Netz von Botschaftern für die soziale Verantwortung von Unternehmen in jeder Direktion zusammen. Die Auftraggeber unterstützen die operativen Direktionen bei der Integration von Sozial- und Umweltklauseln in ihre Vergabepraxis und bei der qualitativen Bewertung der eingegangenen Angebote.

Ergebnisse

Zu den wichtigsten Ergebnissen, die in den letzten zwei Jahren in Bezug auf die SRPP in Nantes erzielt wurden, gehört Folgendes:

Inklusionsklauseln in 143 Bauleistungsverträgen und 1 918 Dienstleistungsverträgen mit 326 448 Arbeitsstunden für Menschen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt

Ausrichtung auf Diversifizierung der Verträge mit einer Inklusionsklausel, um den Kreis der Betroffenen zu erweitern (z. B. erreichen Bauaufträge mehr männliche als weibliche Arbeitslose),

Klauseln im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Diskriminierung in mehreren Probeverträgen, die durch die Verleihung eines Diversitätssiegels an die Stadt Nantes anerkannt wurden,

Vorbehalt von Aufträgen, wodurch die Stadt Nantes, eine Ausschreibung gegebenenfalls auf geschützte Werkstätten beschränken kann.

Erkenntnisse

Die Definition, Überwachung und Aktualisierung der sozialen und ökologischen Kriterien im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe in Partnerschaft mit allen Beteiligten ist von zentraler Bedeutung für den Erfolg der verantwortungsvollen Auftragsvergabe. Es bedarf der Ermittlung zweckgebundener Ressourcen und der Einführung geeigneter Überprüfungsinstrumente.

1.3   Zweck und Nutzen der SRPP

Grundsätzlich soll mit der SRPP die Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen im sozialen Bereich sichergestellt werden. Gemäß den Vergaberichtlinien müssen die EU-Mitgliedstaaten „geeignete Maßnahmen“ treffen, um sicherzustellen, dass Wirtschaftsteilnehmer bei der Durchführung öffentlicher Beschaffungsaufträge die geltenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union, nationale Rechtsvorschriften, Tarifverträge und internationale umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Vorschriften einhalten (39). Die Mitgliedstaaten haben diese Bestimmung zwar auf unterschiedliche Weise umgesetzt, doch ist klar, dass soziale Verpflichtungen bei der Auftragsvergabe nicht außer Acht gelassen werden dürfen, nicht zuletzt zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb von Wirtschaftsteilnehmern, die sich nicht an die genannten Vorschriften halten.

In der Erklärung 22 zum Vertrag von Amsterdam wurde betreffend Menschen mit einer Behinderung bereits darauf hingewiesen, dass die Organe der Gemeinschaft bei der Ausarbeitung von Maßnahmen zur schrittweisen Verwirklichung des Binnenmarkts die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen müssen (40). Im Vertrag von Lissabon wird Europa dazu verpflichtet, eine „in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft [anzustreben], die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt“, und „soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen [zu bekämpfen] und … soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes [zu fördern]“ (41). Der Umfang des öffentlichen Beschaffungswesens und seine Bedeutung für den Binnenmarkt machen es zu einem wertvollen Instrument zur Erreichung dieser Ziele. Die SRPP kann auch zu internationalen Verpflichtungen wie den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (Nachhaltigkeitsziele) (42) beitragen. Nachhaltige Entwicklung setzt voraus, dass die Wirtschaftsteilnehmer die Ansichten und Rechte von Einzelpersonen, Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Gruppen kennen und auch berücksichtigen (43) – ein Thema, das in den Kapiteln 2 und 3 näher untersucht wird.

Zusätzlich zu den in den Vergaberichtlinien und anderen Rechtsvorschriften festgelegten Verpflichtungen unterstützt die SRPP öffentliche Auftraggeber bei Folgendem:

Ermittlung von Risiken in Bezug auf die Einhaltung des Sozial- und Arbeitsrechts

Bei Organisationen, welche die SRPP aktiv umsetzen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie Risiken in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften ermitteln, die für sie selbst oder für Anbieter bestehen. Keine öffentliche Einrichtung möchte wegen unrechtmäßiger oder unethischer Arbeitspraktiken in irgendeiner Phase ihrer Lieferkette in die Schlagzeilen geraten. Strategien und Maßnahmen im Rahmen der SRPP helfen Ihnen, Risiken in der Lieferkette während der Auftragsvergabe und dem Auftragsmanagement zu erkennen und zu minimieren.

Förderung sozialbewusster Märkte

Durch die SRPP können Nachfrage und Anreize für eine verantwortungsvollere und nachhaltigere Produktion geschaffen werden. Öffentliche Auftraggeber können Innovationen und mehr Wettbewerb fördern, indem sie den Markt herausfordern, neue und sozial nachhaltigere Lösungen zu entwickeln. Ferner kann die Entwicklung von Unternehmen, z. B. sozialen Unternehmen, gefördert werden, die über die Wirtschaftsleistung hinaus positive Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes anstreben. Zum Beispiel kann die Spezifikation von IKT-Produkten, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind, dazu beitragen, bessere und besser bezahlbare Produkte auf den Markt zu bringen.

Nachweis von Governance, die auf soziale Erfordernisse reagiert

Sie können die SRPP nutzen, um sicherzustellen, dass Sie auf die Werte und Bedürfnisse der Gemeinschaft reagieren, und um der immer stärker werdenden öffentlichen Forderung nachzukommen, dass Regierungen soziale Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Die SRPP kann somit dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung zu stärken. Sie kann sich auch positiv auf die Mitarbeiter auswirken, die den Auftrag ausführen und einen zusätzlichen Nutzen für ihre Gemeinschaften schaffen.

Unterstützung von Integration und Inklusion

Die SRPP fördert die Integration und Inklusion in das Marktgeschehen von Gruppen, die gesellschaftlich oft ausgegrenzt sind (z. B. Menschen mit Behinderungen, von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohte Personen, Minderheiten). Sie kann Chancen für Unternehmen, deren Eigentümer diesen Gruppen angehören, sowie Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen. Die SRPP veranschaulicht auch, wie sich soziale und wirtschaftliche Erwägungen gegenseitig verstärken können, z. B. wenn Sozialunternehmen öffentliche Dienstleistungen in einer Weise erbringen, dass durch soziale Ergebnisse und Auswirkungen ein Mehrwert geschaffen wird.

Gewährleistung wirksamer öffentlicher Ausgaben

Der Umfang der öffentlichen Auftragsvergabe und die Grenzen, die der direkten sozialen Intervention aufgrund von Budgetbeschränkungen gesetzt sind, können die Beschaffung zu einem attraktiven Bereich für die Förderung sozialer Ziele machen. Die strategische Vergabe öffentlicher Aufträge bietet Möglichkeiten, bestehende, geplante Haushaltsmittel zu nutzen, um positive und innovative Beiträge zu gesellschaftlichen Herausforderungen zu leisten.

1.4   Zusammenhang mit politischen Maßnahmen und Rechtsvorschriften auf europäischer und internationaler Ebene

Der Fokus des vorliegenden Leitfadens liegt auf den Anforderungen und Möglichkeiten für die SRPP, die sich aus den Vergaberichtlinien ergeben. Allerdings sind viele andere Instrumente auf und nationaler und EU-Ebene relevant und beeinflussen die Umsetzung der SRPP. In diesem Abschnitt werden einige der wichtigsten Gesetze und politischen Maßnahmen hervorgehoben, die sich auf die SRPP auswirken.

Die arbeitsrechtlichen Vorschriften und Antidiskriminierungsvorschriften der EU wurden erarbeitet, um Arbeitnehmer in ganz Europa zu schützen. Diese Rechtsvorschriften verleihen den Arbeitnehmern Rechte in Bezug auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung (44), Informationen über ihre Arbeitsbedingungen, Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben (45), atypische Arbeitsverträge (46), Arbeitszeitregelung, Gesundheitsschutz und Sicherheit sowie Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer (47).

Diese Rechtsvorschriften sind für Auftragnehmer und Unterauftragnehmer in der EU bindend, und öffentliche Auftraggeber müssen dafür sorgen, dass sie an allen Arbeitsplätzen umgesetzt werden. Ausführlichere Informationen zu den einschlägigen Rechtsvorschriften finden Sie unten und in den Kapiteln 4 und 5.

In Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge führt die Europäische Kommission mit verschiedenen Interessenträgern in den EU-Mitgliedsstaaten Gespräche darüber, wie hochwertige und menschenwürdige Arbeitsbedingungen gefördert werden können, und arbeitet in diesem Bereich mit ihnen zusammen. In den vergangenen Jahren haben die europäischen Sozialpartner, namentlich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, mehrere branchenspezifische Leitfäden zur Auswahl des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses bei der Beschaffung erstellt, häufig mit finanzieller Unterstützung der Kommission. Diese Leitfäden betreffen Cateringdienste (48), private Sicherheitsdienste (49) und Reinigungsdienste (50). Sie unterstreichen die Vorteile der Beschaffung von Dienstleistungen auf der Grundlage von Qualitätskriterien und des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Ferner enthalten sie konkrete Beispiele für Verträge über Sicherheits-, Reinigungs- und Cateringdienste, die zeigen, dass ein qualitätsorientierter Ansatz faire Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer erfordert. Es gibt auch einen Leitfaden zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich Ingenieurdienstleistungen, der Hinweise zur Berücksichtigung sozialer Belange enthält (51).

Europäische Säule sozialer Rechte

Im Jahr 2017 proklamierten das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission die europäische Säule sozialer Rechte, die Grundsätze für eine gerechtere, inklusivere europäische Union enthält und mit den sozialen Prioritäten in den Mittelpunkt der europäischen Agenda gestellt werden (52).

Im Januar 2020 legte die Europäische Kommission die Mitteilung „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ (53) vor, in der die ersten Überlegungen für einen Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte dargelegt werden. Darin wird die sozial verantwortliche Vergabe öffentlicher Aufträge als Instrument genannt, um vorhandene Mittel so einzusetzen, dass Inklusion und Beschäftigungsmöglichkeiten gefördert werden.

Auch auf EU-Ebene wurden konkrete Rechtsvorschriften verabschiedet, mit denen dieses Bestreben nach einer gerechteren, inklusiveren Europäischen Union in die Praxis umgesetzt wird und die sich auf die Vergabeverfahren auswirken. Mit der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen soll sichergestellt werden, dass alle Arbeitnehmer, auch solche in atypischen Arbeitsverhältnissen, Zugang zu Informationen über ihre Arbeitsbedingungen haben und keinen missbräuchlichen Klauseln unterliegen. Insbesondere ist in der Richtlinie festgelegt, dass alle Arbeitnehmer in der EU spätestens ab 2022

Zugang zu schriftlichen Informationen über die wesentlichen Aspekte ihrer Arbeit haben, und zwar ab Beginn des Arbeitsverhältnisses,

keinen Probezeiten unterliegen, die länger als sechs Monate dauern, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor,

sich um eine zusätzliche Beschäftigung bemühen können, mit einem Verbot von Ausschließlichkeitsklauseln und ohne Benachteiligung sowie mit Beschränkungen für Unvereinbarkeitsklauseln,

eine angemessene Zeit im Voraus wissen, wann die Arbeiten stattfinden werden,

eine schriftliche Antwort auf einen Antrag auf Versetzung an einen anderen, sichereren Arbeitsplatz erhalten,

kostenlose Fortbildungen erhalten, wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine solche anzubieten.

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen, um den Missbrauch von Abrufverträgen zu verhindern, wie z. B. Vereinbarungen, bei denen den Arbeitnehmern von ihren Arbeitgebern keine Arbeit garantiert wird (oft als „Null-Stunden-Verträge“ bezeichnet). Den Arbeitnehmern steht auch eine Reihe von Durchsetzungsbestimmungen zur Verfügung, falls ihr Arbeitgeber die Vorschriften nicht einhält.

Öffentliche Beschaffungsaufträge können Klauseln enthalten, mit denen sichergestellt wird, dass die Arbeitgeber (sowohl Auftragnehmer als auch Unterauftragnehmer) diese Bedingungen einhalten, und die angemessene Sanktionen bei einem Verstoß vorsehen.

Mit der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates, die die Mitgliedstaaten bis zum 2. August 2022 umsetzen müssen, werden mehrere neue Mindestansprüche im Bereich Urlaub aus familiären Gründen und flexible Arbeitsregelungen eingeführt, darunter:

Vaterschaftsurlaub: Väter bzw. gleichgestellte zweite Elternteile können um den Zeitpunkt der Geburt des Kindes herum mindestens zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub in Anspruch nehmen, die mindestens in Höhe des Krankengelds vergütet werden,

Stärkung des bestehenden Anspruchs auf vier Monate Elternurlaub, indem zwei der vier Monate nicht von einem Elternteil auf einen anderen übertragbar sind und in angemessener Höhe vergütet werden. Eltern haben ferner das Recht auf Beantragung der flexiblen Inanspruchnahme des Urlaubs,

Einführung von Urlaub für pflegende Angehörige, d. h. der Arbeitsfreistellung von Arbeitnehmern, um einen Angehörigen oder eine im gleichen Haushalt wie der Arbeitnehmer lebende Person zu pflegen oder zu unterstützen. Berufstätige pflegende Angehörige haben Anspruch auf fünf Arbeitstage Urlaub pro Jahr,

Ausweitung des bestehenden Rechts auf Beantragung flexibler Arbeitsregelungen (reduzierte Arbeitszeiten, flexible Arbeitszeiten und Flexibilität am Arbeitsplatz) auf alle berufstätigen Eltern von Kindern bis zu einem bestimmten Alter, mindestens jedoch bis zum Alter von acht Jahren, und auf alle pflegenden Angehörigen.

Auch hier können öffentliche Beschaffungsaufträge Klauseln enthalten, mit denen sichergestellt wird, dass diese Bedingungen von den Arbeitgebern, einschließlich Auftragnehmern und Unterauftragnehmern, eingehalten werden.

Weitere anstehende Initiativen der Kommission im Bereich Nachhaltigkeit und Arbeitnehmerrechte (z. B. der Vorschlag für eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (54)) könnten in naher Zukunft ebenfalls Auswirkungen darauf haben, wie öffentliche Beschaffungsaufträge auszuführen sind.

Europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit

Die Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (55) – bekannt als der europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, EAA) – enthält gemeinsame Normen und Verpflichtungen zur Harmonisierung der Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen. Dadurch wird sichergestellt, dass Menschen mit Behinderungen und ältere Erwachsene Zugang zu Produkten und Dienstleistungen haben. Der EAA spiegelt auch die Verpflichtung aus der VN-Behindertenrechtskonvention wider, den Vertragsstaaten die Einhaltung der Verpflichtungen zur Barrierefreiheit zu erleichtern. Er erleichtert auch die Sicherstellung, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, aktiv an Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und über Programme mitzuwirken, insbesondere wenn diese sie unmittelbar betreffen. Die Richtlinie gilt für folgende Produkte und Dienstleistungen (56):

Computer und Betriebssysteme,

Zahlungsterminals und Geldautomaten,

Fahrausweisautomaten und Check-in-Automaten,

interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen,

Smartphones,

Fernsehgeräte für digitale Fernsehdienste,

Telefondienste und dazugehörige Geräte,

Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten wie Fernsehsendungen und damit verbundenen Verbrauchergeräten,

bestimmte Personenverkehrsdienste im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr,

Bankdienstleistungen für Verbraucher,

E-Books,

elektronischer Geschäftsverkehr (e-Commerce),

Beantwortung von an die einheitliche europäische Notrufnummer 112 gerichteten Notrufen.

Die verpflichtenden Barrierefreiheitsanforderungen für diese Produkte und Dienstleistungen gelten ab 2025 (57).

Verbesserung der Zugänglichkeit von Wasserspendern im Baskenland (Spanien)

Einleitung/Beschaffungsziel

Um das Problem des Plastikmülls anzugehen und die Ausgaben für in Flaschen abgefülltes Wasser zu senken, hatte Mutualia, ein Anbieter von sozialen und medizinischen Dienstleistungen mit 17 Dienstleistungszentren im Baskenland, die Idee, Wasserspender zu installieren, die an das öffentliche Wassernetz angeschlossen sind, damit seine Mitarbeiter, Patienten und Besucher mit Trinkwasser versorgt werden, ohne Wasser in Flaschen kaufen zu müssen. Ziel war es, hochwertiges Trinkwasser bei unterschiedlichen Temperaturen bereitzustellen.

Ansatz

Der Auftrag, der unter dem EU-Schwellenwert lag, wurde an den Anbieter mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot vergeben, gewichtet nach Preis (50 %) und Qualität (50 %). Zu den Qualitätskriterien zählten auch Aspekte der Zugänglichkeit, wie z. B. die Höhe der Wasserspender und die Benutzerfreundlichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität.

Mutualia vergab mehr Punkte an das Unternehmen, das Wasserspender anbot, die für Menschen mit Sehschwierigkeiten oder mit eingeschränkter Beweglichkeit der Hände oder Arme leicht zu bedienen sind.

Ergebnisse

Im Januar 2019 führte Mutualia 40 neue Wasserspender in seinen 17 Dienstleistungszentren ein und stellte seinen Mitarbeitern wiederverwendbare Wasserflaschen zur Verfügung. Auf diese Weise erzielt Mutualia für seine Patienten, Mitarbeiter und Besucher pro Jahr geschätzt 17 000 EUR an Einsparungen bei den Ausgaben für Wasser. Um den Barrierefreiheitsanforderungen gerecht zu werden, verfügen die Wasserspender des Gewinners der Vergabe über größere Schaltflächen für die Identifizierung der Art des Wassers. Darüber hinaus erleichtert die Position der Gläser Menschen im Rollstuhl die Entnahme und das Befüllen. Neben der Position der Gläser berücksichtigte Mutualia auch die Höhe des Bereichs zur Befüllung der Gläser und vergab mehr Punkte für die Wasserspender, bei der dieser Bereich niedriger gelegen war.

Erkenntnisse

Durch die Einbeziehung von Zugänglichkeitskriterien konnte Mutualia sicherstellen, dass die beschafften Wasserspender für alle Mitarbeiter, Patienten und Besucher des Gesundheitszentrums geeignet sind. Aufgrund ihrer Barrierefreiheit unterstützen die Wasserspender die Mitarbeiter, Patienten und Besucher von Mutualia dabei, genügend Wasser zu sich zu nehmen und gesund zu bleiben. Zudem tragen sie zur Senkung der Ausgaben für Wasser (Einsparungen von geschätzt 17 000 EUR) sowie zur Verringerung des Plastikmülls bei.

Quelle:

https://ec.europa.eu/environment/gpp/pdf/news_alert/Issue_91_Case_Study_173_Mutualia.pdf

Gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 60 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU müssen die Zugänglichkeitserfordernisse, die in Rechtsakten der EU festgelegt sind, in die technischen Spezifikationen aufgenommen werden, wenn der Gegenstand der Auftragsvergabe von natürlichen Personen – ganz gleich, ob durch die Allgemeinheit oder das Personal des öffentlichen Auftraggebers – genutzt werden soll. Ferner ist in den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU vorgesehen, dass — sofern verpflichtende Zugänglichkeitserfordernisse mit einem Rechtsakt der Union erlassen werden — die technischen Spezifikationen, soweit die Kriterien der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen oder die Konzeption für alle Nutzer betroffen sind, darauf Bezug nehmen müssen. Mit dem EAA werden verpflichtende Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen festgelegt, die in seinen Geltungsbereich fallen. Mit diesen verbindlichen Barrierefreiheitsanforderungen wird sichergestellt, dass Produkte und Dienstleistungen so gestaltet und hergestellt bzw. erbracht werden, dass Menschen mit Behinderungen sie voraussichtlich maximal nutzen. Außerdem sind sie möglichst in oder auf dem Produkt selbst mit barrierefrei zugänglichen Informationen zu ihrer Funktionsweise und ihren Barrierefreiheitsfunktionen auszustatten. In den Auftragsunterlagen können Sie auf harmonisierte Normen oder technische Spezifikationen für Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte oder Dienstleistungen verweisen, die von europäischen Normungsorganisationen entwickelt wurden, z. B. auf die Norm DIN EN 17161:2019-11 „Design für alle – Barrierefreiheit von Produkten, Waren und Dienstleistungen nach einem ‚Design für alle‘-Ansatz“.

Für Produkte und Dienstleistungen, die nicht in den Geltungsbereich des EAA fallen, sind die Barrierefreiheitsanforderungen des EAA nicht verpflichtend. Erfüllen die Merkmale, Bestandteile oder Funktionen von Produkten oder Dienstleistungen die Barrierefreiheitsanforderungen gemäß dem EAA, so wird vermutet, dass sie die einschlägigen Verpflichtungen gemäß anderen Rechtsakten der Union als dem EAA hinsichtlich der Barrierefreiheit dieser Merkmale, Bestandteile oder Funktionen erfüllen, sofern in diesen anderen Rechtsakten nichts anderes festgelegt ist. Öffentliche Auftraggeber können in jedem Fall beschließen, Barrierefreiheitsanforderungen anzuwenden, die über die im EU-Recht festgelegten Barrierefreiheitsanforderungen hinausgehen. Der EAA umfasst auch freiwillige Barrierefreiheitsanforderungen an die bauliche Umwelt, die von Kunden von durch den EAA abgedeckten Dienstleistungen genutzt wird. Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Einhaltung dieser Anforderungen zu verlangen (58).

Überarbeitete Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern

Als entsandter Arbeitnehmer gilt jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen EU-Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet (59). In der EU gibt es rund drei Millionen entsandte Arbeitnehmer (60), von denen viele an der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen oder Bauleistungen beteiligt sind. Die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern (61) wurde erstmals 1996 verabschiedet und 2018 erheblich geändert. Sie zielt darauf ab, die Freiheit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen mit dem Schutz der Arbeitnehmer in Einklang zu bringen. Mit der Überarbeitung von 2018 wurde der Grundsatz der Gleichheit zwischen entsandten Arbeitnehmern und Arbeitnehmern im Gastland, einschließlich der Gleichheit des Entgelts, gestärkt. Gemäß der überarbeiteten Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern (62) haben entsandte Arbeitnehmer bezüglich der nachstehenden Aspekte Anspruch auf alle verbindlichen (63) Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Gastland:

a)

Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten,

b)

bezahlter Mindestjahresurlaub,

c)

Entlohnung, einschließlich der Überstundensätze (dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme),

d)

Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen,

e)

Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz,

f)

Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen,

g)

Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen,

h)

Bedingungen für die Unterkünfte von Arbeitnehmern, wenn sie vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt sind, zur Verfügung gestellt werden,

i)

Zulagen oder Kostenerstattungen zur Deckung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen nicht zu Hause wohnen.

Nach 12 Monaten – oder sofern vom Arbeitgeber gerechtfertigt nach 18 Monaten – gelten für den entsandten Arbeitnehmer alle nach dem Arbeitsrecht des Gastlands verbindlichen Bedingungen, mit Ausnahme der folgenden Aspekte: a) bestimmte Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrags, einschließlich Wettbewerbsverboten, und b) zusätzliche betriebliche Altersversorgungssysteme.

Für die Angebotsbewertung und die Überwachung der Einhaltung des Arbeitsrechts sollten öffentliche Auftraggeber sich dieser Anforderungen bewusst sein.

Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation

Die grundlegenden Übereinkommen der IAO werden in den Vergaberichtlinien (64) ausdrücklich erwähnt, und auch nationale Gesetze und Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge schreiben häufig die Einhaltung der IAO-Übereinkommen vor. Folgende Punkte sind Gegenstand der acht grundlegenden Übereinkommen:

1.

Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechts,

2.

Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen,

3.

Zwangsarbeit,

4.

Abschaffung der Zwangsarbeit,

5.

Mindestalter,

6.

schlimmste Formen der Kinderarbeit,

7.

Gleichheit des Entgelts,

8.

Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf).

Einrichtung einer Taskforce zur Überwachung der bei den Anbietern herrschenden Arbeitsbedingungen in der Stadt Kopenhagen (Dänemark)

Beschaffungsziel

Die Stadt Kopenhagen geht gegen Sozialdumping vor, indem sie Arbeitsklauseln in die Verträge aufnimmt, um gerechte Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter der für sie tätigen Anbieter und Zulieferer zu gewährleisten.

Ansatz

1)

Gerechte Entlohnung und Arbeitsbedingungen,

2)

fairer Wettbewerb für alle Unternehmen,

3)

mehr Ausbildungs- und Praktikumsplätze für junge Menschen.

In Übereinstimmung mit der Arbeitsklausel und der Richtlinie haben die Mitarbeiter der für die Stadt Kopenhagen tätigen Anbieter und Zulieferer, die in Dänemark arbeiten, Anspruch auf einen Mindestlohn, einschließlich Überstundensätzen, Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, sowie auf bezahlten Mindestjahresurlaub.

Ergebnisse

Die Stadt Kopenhagen hat eine neunköpfige Taskforce eingerichtet, die mit der Überwachung der Einhaltung der Arbeitsklauseln durch die für sie tätigen Anbieter und Zulieferer beauftragt wurde. Die Taskforce ist berechtigt, bei allen Arten von Arbeitsplätzen in Dänemark jeder Zeit Kontrollen vor Ort durchzuführen. Die Lohn- und Arbeitsbedingungen bei Anbietern, die in verschiedenen Bereichen wie Bau, Reinigung und Transport tätig sind, werden genau überwacht. Jährlich werden rund 600 Prüfungen auf Einhaltung vorgenommen. Etwa ein Drittel sind Vor-Ort-Kontrollen, bei den restlichen handelt es sich um Untersuchungen der Arbeitsbedingungen bestimmter Arbeitnehmer auf der Grundlage von Lohnunterlagen, Arbeitszeiten, Steuerunterlagen usw.

Die Taskforce verfolgt bei ihren Kontrollen einen risikobasierten Ansatz und konzentriert ihre Anstrengungen vorwiegend auf die Bereiche, in denen das Risiko eines Verstoßes als am höchsten eingeschätzt wird. Bei Verstößen wird ein Dialog mit dem Arbeitgeber aufgenommen. Bleibt eine Verbesserung aus, muss der Arbeitgeber eine Vertragsstrafe zahlen und die Stadt hat letztlich das Recht, den Vertrag zu kündigen.

Erkenntnisse

Es hat sich herausgestellt, dass ein Ansatz auf der Grundlage von Vor-Ort-Kontrollen durch interne Bedienstete effektiver ist, als die Überwachung der Arbeitsbedingungen auszulagern. In der Regel wird der Hauptauftragnehmer für alle Verstöße entlang der Lieferkette verantwortlich gemacht. Die meisten Verstöße ereignen sich entlang der nachgeschalteten Lieferkette bei Lieferanten und Unterlieferanten. Im Falle eines mutmaßlichen Vertragsverstoßes ist es entscheidend, Informationen über die Identität der beschäftigten Arbeitnehmer und ihre genauen Arbeitszeiten einzuholen. Dies kann bisweilen ein schwieriges Unterfangen sein. Die Stadt Kopenhagen hat ein Pilotprojekt gestartet, bei dem sich die Arbeitnehmer beim Betreten und Verlassen des Arbeitsplatzes mit einem Ausweis registrieren müssen. Dieses System macht es einfacher, Verträge mit einem erhöhten Risiko in Bezug auf Sozialdumping ins Visier zu nehmen, da es Informationen über die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer, die Art der Arbeit, die Beschäftigungsform, die Arbeitszeiten usw. liefert.

Die Zahlungsverzugsrichtlinie (65)

Weniger als 40 % der Unternehmen in der EU werden innerhalb der vertraglich vereinbarten Fristen bezahlt. Die Auswirkungen des Zahlungsverzugs gehen über die spezifischen Vertragsbeziehungen hinaus, da sie sich auf die gesamte Wirtschaft auswirken. Werden Unternehmen zu spät bezahlt, werden Arbeitsplätze abgebaut, Zahlungen an Anbieter verzögern sich und Investitionspläne werden verschoben. Die gesamte Lieferkette wird gefährdet und verliert an Resilienz.

Die fristgerechte Zahlung ist eine Verpflichtung nach der Zahlungsverzugsrichtlinie (66). Diese Verpflichtung gilt für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen oder auch zwischen Unternehmen. Öffentliche Auftraggeber müssen dafür sorgen, dass ihre Auftragnehmer pünktlich bezahlt werden, indem sie Zahlungen innerhalb der in der Richtlinie festgelegten Frist von 30 Tagen leisten (diese Frist darf nur für öffentliche Einrichtungen der nationalen Gesundheitsfürsorge gegebenenfalls 60 Tage betragen) (67). Darüber hinaus gibt es Maßnahmen, die öffentliche Auftraggeber während des Vergabeprozesses ergreifen können, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Unterauftragnehmer während der Ausführung des Auftrags pünktlich bezahlt werden. Weitere Informationen hierzu finden Sie in Abschnitt 5.5.

KAPITEL 2

Eine Organisationsstrategie für die sozialorientierte Beschaffung

2.1   SRPP auf die Tagesordnung setzen

Die SRPP erfordert Führung und Engagement in allen Managementstrukturen, von der politischen Ebene bis hin zu wichtigen Entscheidungsträgern und Budgetverantwortlichen. In diesem Kapitel wird untersucht, wie dieses Engagement gesichert werden kann, und es werden Beispiele für organisatorische Strategien für die SRPP vorgestellt.

Vorteile und Chancen hervorheben

Sowohl in kleineren als auch größeren Gemeinschaften kann die SRPP dazu beitragen, messbare Fortschritte im Hinblick auf soziale Ziele wie den Schutz der Menschenrechte, die Förderung der Gleichstellung und die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze und Inklusion zu erzielen. Grundsätzlich sollte die Sicherung von Unterstützung auf höchster Ebene für die Umsetzung dementsprechend einfach sein.

Die SRPP kann auch zu globalen Zielen beitragen. Beispielsweise werden die Regierungen mit dem VN-Nachhaltigkeitsziel 12 (Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen) aufgefordert, die Nutzung öffentlicher Beschaffungspraktiken zu fördern, um die Agenda für nachhaltige Entwicklung voranzutreiben (Zielvorgabe 12.7) (68).

Herausforderungen bewältigen und auf Bedenken eingehen

Die Annahme einer SRPP-Strategie erfordert, dass Sie auf mögliche Bedenken von Führungskräften, Managern und Budgetverantwortlichen eingehen, einschließlich Bedenken in Bezug auf die vermeintlich zusätzlichen Kosten und Ressourcen, die für die sozialorientierte Beschaffung erforderlich sind.

Die Darstellung der praktischen Umsetzung der SRPP, sei es anhand von Beispielen Ihrer Organisation oder anderer öffentlicher Auftraggeber, ist ein wirksames Mittel, um ihre Vorteile aufzuzeigen. Dieser Leitfaden enthält zahlreiche Fallstudien für eine kosteneffiziente, sozial verantwortliche Auftragsvergabe.

Darüber hinaus sollten die Kosten hervorgehoben werden, die aufgrund des Nichtergreifens von Maßnahmen (z. B. Reputationsrisiken), der Nichteinhaltung von Rechtsvorschriften oder dem Verfehlen von Zielen entstehen, ebenso wie indirekte Kosten, die dem öffentlichen Sektor durch soziale Probleme entstehen.

Bewährte Verfahren

Sichern Sie sich Unterstützung auf höchster Ebene für die Umsetzung der SRPP durch Hervorhebung der Verpflichtungen und Möglichkeiten sowie der Risiken des Nichthandelns. Untermauern Sie Ihren Fall mit realen Beispielen für die sozialorientierte Beschaffung aus Ihrer Organisation oder von anderen öffentlichen Auftraggebern.

2.2   Zieldefinition

Wie in Kapitel 1 erörtert, können sich bei der Auftragsvergabe viele unterschiedliche soziale Erwägungen ergeben. Die Erarbeitung einer SRPP-Strategie kann bei der sozialorientierten Beschaffung helfen, zu bestimmen, wo der Schwerpunkt liegen soll.

Vorhandene Ziele identifizieren

Ziehen Sie in Erwägung, SRPP-Ziele auf bestehende europäische, nationale, regionale oder lokale Prioritäten zu stützen, darunter z. B. soziale Inklusion oder die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Gruppen. Identifizieren Sie diese Prioritäten und prüfen Sie den Beitrag, den die Auftragsvergabe potenziell dazu leistet.

Beschaffungsstrategien und -tätigkeiten abbilden

Als öffentlicher Auftraggeber verfügen Sie möglicherweise bereits über Beschaffungsstrategien, z. B. eine grüne oder nachhaltige Beschaffungspolitik oder Innovations- oder Industriestrategien, die auf bestimmte Sektoren ausgerichtet sind. Bilden Sie bestehende Beschaffungsziele und -tätigkeiten ab und ermitteln Sie Möglichkeiten, wie die SRPP auf diese Ziele abgestimmt werden kann.

Indem Sie bestehende Prioritäten ermitteln und aktuelle Beschaffungsstrategien und -tätigkeiten abbilden, können Sie die sozialen Ziele mit höchster Relevanz bestimmen. Die Verankerung der SRPP-Ziele in bestehende Strategien und Prioritäten kann dazu beitragen, die sozialorientierte Beschaffung zu legitimieren und die Aufmerksamkeit und die verfügbaren Ressourcen für die SRPP zu erhöhen.

Bewährte Verfahren

Werden Sie sich über die bestehenden sozialen Ziele Ihrer Organisation bewusst und prüfen Sie, wie diese mit der derzeitigen Beschaffungspolitik und -praxis übereinstimmen. Ermitteln Sie potenzielle Synergien, Lücken oder Hindernisse bei der Verwirklichung sozialer Ziele durch die Beschaffung.

2.3   Konsultation der Interessenträger

Für eine effektive SRPP sollten zahlreiche Interessenträger eingebunden werden. Die Konsultation ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung einer Organisationsstrategie für die sozialorientierte Beschaffung.

Konsultation der Interessenträger zur Entwicklung einer SRPP-Strategie im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern, Deutschland

Beschaffungsziel

Die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern arbeitete gemeinsam mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) an einer gemeinsamen Strategie für die Beschaffung nachhaltiger IKT-Produkte und -Dienstleistungen. Hauptziel der gemeinsamen Initiative ist es, dass öffentliche Auftraggeber und Anbieter zusammenarbeiten, um soziale Standards und faire Arbeitsbedingungen in der globalen Lieferkette der IKT-Produktion zu gewährleisten.

Ansatz

Eine Delegation von Bitkom, die sich aus Anbietern unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichen Produktportfolios aus dem IKT-Sektor zusammensetzt, und die KNB verhandelten zwischen 2017 und 2019 die dritte Version der Erklärung. Öffentliche Auftragnehmer in Bund, Ländern und Kommunen können demnach künftig prüfen, ob Großaufträge bis zur dritten Stufe der Lieferkette transparent sind und ob bei der Produktion des Beschaffungsgegenstandes soziale Arbeitsstandards eingehalten wurden. Die Erklärung bezieht sich auf die Einhaltung der Kernübereinkommen und Übereinkommen Nr. 1, 102, 131, 155 und 170 der IAO. Nach der Einigung über den Entwurf fand eine Konsultation der Interessenträger statt. Die Sachverständigen von Bitkom und der KNB luden mehr als 20 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Kirchen und anderer öffentlicher Auftraggeber dazu ein, sich zu der Erklärung zu äußern und an einem Folgetreffen teilzunehmen. Die KNB und Bitkom setzten einige Vorschläge direkt um, während einige zur weiteren Bewertung vorgemerkt oder abgelehnt wurden. Im Anschluss an die Veröffentlichung der neuen Erklärung im Mai 2019 luden die KNB und Bitkom die Interessenträger zu einem weiteren Treffen ein, um die in Bezug auf die eingebrachten Vorschläge und Beiträge getroffenen Entscheidungen zu erläutern.

Ergebnisse

Das Ergebnis der Konsultation der Interessenträger war eine aktualisierte Fassung der Verpflichtungserklärung. Viele der von den Interessenträgern gemachten Vorschläge wurden berücksichtigt und trugen zur Klärung bestimmter Aspekte der Erklärung bei. Der Prozess half der KNB und Bitkom zudem dabei, die Erklärung mit den zivilgesellschaftlichen Überwachungstätigkeiten zu verknüpfen. Die aktualisierte Erklärung, die strengere Prüfanforderungen für Unternehmen als bisher enthält, dient als Vorlage für die Beschaffung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber in Deutschland, die die Erklärung nutzen können, um sicherzustellen, dass die Anbieter die Verträge auf transparente Weise und im Einklang mit den sozialen Arbeitsstandards erfüllen. Bei Großaufträgen kann diese Transparenz bis zur dritten Stufe der Lieferkette reichen.

Erkenntnisse

Der Prozess der Einbeziehung der Interessenträger, insbesondere die Auswertung der übermittelten Kommentare, war arbeitsintensiv. Er war jedoch in vielerlei Hinsicht hilfreich, insbesondere das Feedback zur Verständlichkeit und Klarheit des Standards. Dieser Prozess verhalf den Parteien zu einem Verständnis der Ansichten und Bedürfnisse aller Interessenträger.

Die Konsultation der Interessenträger kann Umfragen bzw. Befragungen umfassen oder auch die Veranstaltung von Workshops, Seminaren und Konferenzen, die relevante interne und externe Interessenträger zusammenbringen und durch partizipativen Dialog zur Förderung eines kooperativen Konzepts für die soziale Verantwortung beitragen. Die Konsultationen sollten barrierefrei sein, damit auch Menschen mit Behinderungen teilnehmen können.

Die Ausgangsbasis für die sozialorientierte Beschaffung

Die Konsultation der Interessenträger kann eine Ausgangsbasis für die derzeitige Praxis der sozialorientierten Beschaffung bilden, etwa in Bezug auf Fragen wie: Sind soziale Anforderungen in einigen Ausschreibungen bereits enthalten? Ist der Markt in der Lage, diese Anforderungen zu erfüllen? Inwieweit spiegeln die aktuellen Erwartungen die auf dem Markt angewandten bewährten Verfahren wider?

Feedback und Expertenwissen einholen

Durch die Einbeziehung der Interessenträger in den Prozess der Strategieentwicklung können Informationen gewonnen, ein Beitrag zur inhaltlichen Verbesserung der Strategien geleistet und die Verpflichtung zur Zielerreichung gestärkt werden.

Zu den verschiedenen Interessenträgern, die konsultiert werden sollten, gehören:

Öffentliche Auftraggeber – Beschaffungsexperten, deren Fähigkeiten zur Vorbereitung und Auswertung von Ausschreibungen benötigt werden,

Nutzer – darunter Arbeitnehmer, Bürger und die Zivilgesellschaft (z. B. Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen), die die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen bestimmen und die gesellschaftlichen Erwartungen beeinflussen,

Sozialpartner – Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die dazu beitragen können, optimale Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer sowie die Einhaltung der nationalen Rechtsvorschriften und Tarifverträge vor und während der Vertragsausführung zu gewährleisten,

Unternehmen (einschließlich sozialwirtschaftlicher Organisationen und sozialer Unternehmen) – potenzielle Auftragnehmer und Unterauftragnehmer, die Einblicke in die derzeitige Praxis, Lieferketten und Verbesserungsmöglichkeiten geben,

sonstige Stellen, die Einblicke in arbeitsrechtliche Fragen geben können,

internationale Organisationen wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development, OECD) und die IAO, die Leitfäden zur Verfügung stellen und für weitere Informationen konsultiert werden können,

Handels- oder Wirtschaftsverbände, die in der Lage sein könnten, Informationen zu verbreiten und Meinungen von Marktteilnehmern einzuholen,

andere einschlägige externe Organisationen – darunter NRO und Bürgergruppen (die bei der Förderung der sozialen Verantwortung eine Rolle spielen) sowie Sachverständige (z. B. für Barrierefreiheit), deren Beteiligung die Transparenz und Rechenschaftspflicht der SRPP-Strategie erhöhen kann.

Ermittlung von Möglichkeiten zur Unterstützung von Sozialunternehmen in der Stadt Söderhamn (Schweden)

Beschaffungsziel

Auf formellen Vorschlag des Stadtrates begann die Stadt Söderhamn einen Prozess zur Untersuchung der Möglichkeiten, mindestens zwei Vergabeverfahren so zu gestalten, dass soziale Kriterien berücksichtigt werden und der Schwerpunkt auf der Förderung der sozialen Inklusion und der Unterstützung von Sozialunternehmen liegt.

Ansatz

Es wurde eine Bedarfsermittlung vorgenommen und ein Dialog mit Sozialunternehmen aufgenommen, um die Bedürfnisse des Auftraggebers mit den von Sozialunternehmen angebotenen Dienstleistungen in Einklang zu bringen. Das Ergebnis der Bedarfsermittlung und des Dialogs mit Sozialunternehmen war eine Ausschreibung für die Lieferung von Körben mit frischem Obst für die Mitarbeiter der Gemeinde ein- bis zweimal pro Woche. Nur Sozialunternehmen durften an dieser Ausschreibung teilnehmen und Angebote für diesen Auftrag einreichen, der unter dem Schwellenwert für die Anwendung der Vergaberichtlinien lag.

Ergebnisse

Die Ausschreibung gewann ein arbeitsintegriertes Sozialunternehmen, das Lieferungen von Körben mit ökologisch und lokal erzeugtem Obst anbot. Das Unternehmen hatte die Möglichkeit, für die Lieferung der Obstkörbe eine langzeitarbeitslose Person einzustellen. Die Kosten der Obstkörbe waren in Gänze vergleichbar mit einem gewerblichen Unternehmen, das an den privaten Sektor liefert. Darüber hinaus hatte das Unternehmen zuvor von der Gemeinde eine Geldleistung in Höhe von jährlich 60 000 EUR erhalten, die nicht länger benötigt wird.

Das Unternehmen konnte seine Mitarbeiterzahl von vier im Jahr 2016 auf neun im Jahr 2019 erhöhen. Seitdem das Unternehmen bei dieser ersten Ausschreibung den Zuschlag erhalten hat, hat es ferner ein Zentrum eingerichtet, mit dem Ziel, die Gemeinde dabei zu unterstützen, die Gründung von mehr Sozialunternehmen zu fördern, mit der Vergabe öffentlicher Aufträge als eine der Strategien für Wachstum. Zusammen mit neun weiteren Sozialunternehmen hat es überdies einen nationalen Verband gegründet, um alle arbeitsintegrierten Sozialunternehmen in Schweden auf einer einzigen Website zusammenzuführen.

Erkenntnisse

Eine klein angelegte öffentliche Auftragsvergabe kann sehr wirksam sein. In diesem Fall wirkte sie sich positiv auf den wirtschaftlichen und sozialen Erfolg des Anbieters aus. Auch wenn es sich um einen kleinen Auftrag handelt, erfordert er dennoch Zeit und Engagement des Auftragnehmers sowie unterstützendes Management und unterstützende Leitlinien.

Die Konsultation der Interessenträger ist in allen Phasen der Strategieentwicklung, von der anfänglichen Vereinbarung der Ziele bis zur Zieldefinition und zur Umsetzung und Überwachung der SRPP, von großem Nutzen. Ein organisatorischer Ansatz für die SRPP ist nur dann überzeugend, wenn die Interessenträger die Art der Herausforderung, ihre Rolle bei der Lösung und die möglichen positiven Auswirkungen ihrer Maßnahmen verstehen.

Bewährte Verfahren

Konsultieren Sie einschlägige interne und externe Interessenträger, um Ihr Verständnis für Hindernisse und Möglichkeiten für die sozialorientierte Beschaffung zu verbessern und die Beteiligung der Interessenträger an SRPP-Aktivitäten zu erhöhen.

2.4   Risiken bewerten, Aufträge priorisieren und Zielvorgaben festlegen

Aufgrund der begrenzten Ressourcen der meisten öffentlichen Auftraggeber ist es nicht möglich, alle sozialen Probleme bei allen Produkten und Dienstleistungen gleichzeitig anzugehen. Darüber hinaus haben nicht alle Produkte und Dienstleistungen das gleiche Maß an sozialen Auswirkungen und Risiken. Es kann daher sinnvoll sein, eine kleinere Gruppe von Produkten und Dienstleistungen zu priorisieren, bei denen die SRPP den größten Einfluss auf Ihre identifizierten sozialen Ziele haben kann.

Risiken bewerten

Im Rahmen einer Risikobewertung der Auftragsvergabe Ihrer Organisation können die sozialen Auswirkungen ermittelt werden, die mit den verschiedenen Beschaffungskategorien verbunden sind. So weisen einige Branchen einen höheren Anteil schutzbedürftiger Arbeitnehmer oder ein höheres Maß an Geschlechterungleichheit auf. Bestimmte Produkte können Rohstoffe oder Inhaltstoffe enthalten, die aus Konfliktgebieten oder Regionen mit niedrigen Arbeitsstandards stammen.

Bei einer Risikobewertung werden Ereignisse oder Bedingungen ermittelt, die verhindern können, dass Ihre Beschaffung sozialen Zielen entspricht. Die Risikobewertung erfolgt anhand von zwei Faktoren: Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Ereignisse oder Bedingungen eintreten? Und wenn sie eintreten, in welchem Ausmaß werden sie sich auf die sozialen Ziele auswirken?

Bei der Risikobewertung von Produkten und Dienstleistungen sind unter anderem folgende Aspekte zu berücksichtigen:

grundlegende Arbeitsbedingungen – Besteht das Risiko, dass die IAO-Übereinkommen oder einschlägige nationale oder EU-Standards in einer Branche nicht eingehalten werden? Sind schlechte Bedingungen ein bekanntes Problem im Produktionsprozess (z. B. Textilien, Elektronik, Pflastersteine) oder bei der Erbringung von Dienstleistungen (z. B. Sozialdumping in den Bereichen Catering, Reinigung und Bau)?

Arbeitskräfte – Welche Art der Arbeit wird bei der Produktion oder Dienstleistungserbringung eingesetzt und welche Risiken sind damit verbunden? Zum Beispiel: Kommt in eine Branche in der Regel atypische Arbeit zum Einsatz, z. B. Null-Stunden-Verträge, Arbeitnehmer ohne Ausweispapiere oder Wanderarbeitnehmer, oder gibt es Unterschiede in der Behandlung von Arbeitnehmern aufgrund von Geschlecht, Rasse oder anderen Faktoren?

Kontinuität der Dienstleistungen – Besteht das Risiko, dass sich ein Wechsel des Anbieters oder der Bedingungen eines bestehenden Vertrags nachteilig auf die Dienstleistungsnutzer auswirken? Die Nutzen- und Risikoanalysen sollten die potenziellen Auswirkungen auf die Sicherheit und das Wohlbefinden der Menschen, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, und deren Betreuungspersonen abdecken. Dies gilt insbesondere für soziale Dienste zur Unterstützung von Menschen in prekären Situationen, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen.

Verbindung mit dem Auftragsgegenstand – Soziale Anforderungen müssen in hinreichendem Maße mit den spezifischen Produkten oder Dienstleistungen verknüpft sein, die beschafft werden (siehe Kapitel 4). Dieser Bezug kann für lange und komplexe Lieferketten, z. B. im IKT-Sektor, schwieriger herzustellen sein. Sie sollten prüfen, wie weit entlang der Lieferkette eine Risikobewertung möglich ist.

Ein Modell für die Risikobewertung ist die Einstufung - unter Verwendung einer numerischen Skala - der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Risiken und der Folgen, wenn sie auftreten. Diese Einstufung könnte auch Teil einer Konsultation der Interessenträger sein. Produkte und Dienstleistungen, die in Bezug auf Wahrscheinlichkeit und Folgen hoch eingestuft werden und bei denen eine klare Verbindung mit dem Auftragsgegenstand hergestellt werden kann, sollten als prioritär angesehen werden.

Die Risikobewertung ist auch für einzelne Ausschreibungen wichtig. Sie hilft Ihnen, Punkte in der Lieferkette oder bei der Leistungserbringung zu identifizieren, bei denen die Risiken hoch sind, und leistet einen Beitrag zur Sicherstellung, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird (d. h. die in der Ausschreibung enthaltenen Anforderungen sind geeignet, um bestimmte soziale Ziele zu erreichen, und gehen nicht über das erforderliche Maß hinaus).

Langen und komplexen globalen Lieferketten mangelt es an Transparenz, und es kann für öffentliche Auftraggeber schwierig sein, an Informationen zu gelangen. Viele NRO arbeiten jedoch daran, diese Informationen leichter zugänglich zu machen, z. B. Electronics Watch (69) oder Swedwatch (70). Auch wenn sich einige dieser Informationen möglicherweise auf den Einzelhandel und den öffentlichen Verbrauch konzentrieren, sind sie dennoch für ähnliche Produkte, die vom öffentlichen Sektor beschafft werden, äußerst relevant. Sie können dazu beitragen, soziale Risiken zu ermitteln, für die Überprüfungsinstrumente und -programme vorhanden sind, um so unangemessene Wettbewerbsbeschränkungen zu vermeiden.

Risikobewertung für die Vergabe öffentlicher Aufträge bei der Agentur für öffentliche Verwaltung und elektronische Behördendienste (Difi), Norwegen

Beschaffungsziel

Die norwegische Agentur für öffentliche Verwaltung und elektronische Behördendienste (Difi) hat öffentlichen Auftraggebern eine Liste von Produkten mit hohem Risiko zur Verfügung gestellt, um ihnen dabei zu helfen, das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Erfüllung der Sorgfaltspflicht bei der Einhaltung der Menschenrechte zu schärfen. Diese Liste unterstützt öffentliche Auftraggeber bei der Zuweisung angemessener Ressourcen für die Bewertung von Angeboten und die Weiterverfolgung der Einhaltung der SRPP-Kriterien während der Vertragsphase. Die Liste gilt für verschiedene Sektoren, z. B. Baustoffe, Elektronik und IKT, Möbel, Bürobedarf, Textilien und Lebensmittel, sowie alle Stufen des Produktionsprozesses, von der Rohstoffgewinnung bis zur Endmontage.

Ansatz

Difi bezieht Daten für die Risikobewertungen aus Berichten, Artikeln, Filmen und wissenschaftlichen Forschungsarbeiten. Als Beitrag zum Verständnis der Lieferketten wurden Anbieter und in gewissem Maße auch Vertreter von Industrieverbänden/-initiativen befragt. Für die Abbildung der Lieferketten wurden Handelsdaten herangezogen, da Transparenz und Rückverfolgbarkeit häufig begrenzt sind.

Ergebnisse

Die Difi-Liste von Waren mit hohem Risiko liefert nützliche Informationen über das Risiko innerhalb der Produktgruppen und insbesondere in den ausgewählten Produktkategorien. Sie kann als Leitfaden für die Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dienen, wenn es darum geht, welche Produktgruppen und spezifischen Produktkategorien bei der Verwendung von SRPP-Instrumenten bei der Planung der Beschaffungsaktivität zu wählen sind. Sie kann auch Anbietern von Produkten mit hohem Risiko dabei helfen, der Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte in ihren globalen Lieferketten Vorrang einzuräumen. Weitere Informationen zur Liste von Waren mit hohem Risiko finden Sie unter: https://www.anskaffelser.no/public-procurement/socially-responsible-public-procurement/information-about-high-risk-products.

Erkenntnisse

Der Zugang zu Informationen über die Lieferkette ist mit mehreren Schwierigkeiten verbunden. In den meisten Fällen mangelt es an Transparenz aufgrund eines komplexen und dynamischen Geflechts von Waren, von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Ankunft in Europa, oder von Dienstleistungen, die von in- und ausländischen Akteuren erbracht werden. Die Difi-Liste von Waren mit hohem Risiko ist ein nützliches Instrument für öffentliche Auftraggeber bei der Entscheidung, welche Produkte für die SRPP ausgewählt werden sollen. Durch die Verwendung der Liste kann das Risiko gemindert werden, dass es in der Lieferkette von Produkten mit hohem Risiko zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Allerdings ist die Liste nicht erschöpfend. Produkte, die derzeit nicht auf der Liste stehen, könnten nach wie vor mit einem hohen Risiko behaftet sein, und in diesen Fällen sollten die öffentlichen Auftraggeber das mit diesen Produkten und Dienstleistungen verbundene Risiko in Bezug auf die Menschenrechte weiter untersuchen.

Aufträge priorisieren

Nicht alle Aufträge bieten die gleichen Möglichkeiten, soziale Ziele zu erreichen. Prioritäten zu setzen kann dazu beitragen, Aufträge mit den größten potenziellen Auswirkungen zu ermitteln. Bei der Priorisierung von Aufträgen sind folgende Fragen zu berücksichtigen:

Welche sozialen Risiken oder potenziellen Sozialleistungen sind mit dem Auftrag verbunden und wie wichtig sind sie?

Ist der Auftrag von ausreichender Größe und Laufzeit, um Einfluss auf die Praktiken des Anbieters zu haben? Falls nein, können Sie mit anderen öffentlichen Stellen zusammenarbeiten, um die Nachfrage in der Kategorie zu bündeln?

Sind sozial verträgliche Alternativen verfügbar und sind sie bezahlbar? Würde die Einbeziehung sozialer Erwägungen zu einer übermäßigen Einschränkung des Wettbewerbs führen?

Wie lang ist die Lieferkette eines Produkts? Wie kann die Beschaffung wirksam auf den Punkt in der Lieferkette ausgerichtet werden, an dem Risiken auftreten bzw. Vorteile erzielt werden können?

Können soziale Ziele unmittelbar mithilfe überprüfbarer Beschaffungskriterien erreicht werden? Oder gibt es eine wirksamere Möglichkeit, die Politik anhand anderer Instrumente, die dem öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung stehen, umzusetzen?

Wie sichtbar werden die sozialen Maßnahmen sein? Können sie dazu beitragen, das Bewusstsein der Mitarbeiter, Anbieter und vielleicht sogar der breiten Öffentlichkeit für soziale Fragen in den Lieferketten zu schärfen? Besteht ein Reputationsrisiko, wenn in diesem Bereich nicht gehandelt wird?

Gibt es Möglichkeiten, sozialen Organisationen einen Auftrag vorzubehalten, wenn sie die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Personen direkt unterstützen?

Ein weiterer Aspekt bei der Priorisierung von Aufträgen, insbesondere wenn es darum geht, die SRPP verbindlich vorzuschreiben, ist der Schwellenwert für die Auftragsvergabe, ab dem Sie soziale Anforderungen einführen. Die Vergaberichtlinien gelten nur für Angebote, deren Wert aufgrund der Art des Auftrags und der Beschaffungsstelle die festgelegten Schwellenwerte überschreitet (71). Die SRPP ist auch für Aufträge möglich, die unterhalb dieser Schwellenwerte liegen oder nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien fallen.

Zielvorgaben festlegen

Die Festlegung von Zielvorgaben demonstriert das Engagement für soziale Ziele, steigert die Motivation und bietet einen Rahmen für die Messung der Fortschritte.

Legen Sie in jeder relevanten Produkt- oder Dienstleistungskategorie für jedes soziale Ziel eine spezifische Zielvorgabe fest. Wirksame Zielvorgaben sind messbar (d. h. quantifizierbar), erreichbar (d. h. entsprechen der aktuellen Ausgangsbasis) und enthalten das Datum, bis wann die Zielvorgabe umgesetzt werden muss.

Bewährte Verfahren

Gewinnen Sie ein Verständnis für die sozialen Auswirkungen Ihrer Beschaffung, indem sie eine Risikobewertung vornehmen. Konsultieren Sie gegebenenfalls Sachverständige aus anderen Abteilungen Ihrer Organisation (z. B. der Arbeitsabteilung) bzw. Gewerkschaften, Anbieter oder unabhängige NRO, um die Lieferketten und Arbeitsbedingungen für die von Ihnen beschafften Produkte und Dienstleistungen besser zu verstehen.

Stellen Sie eine SRPP-Strategie auf, in der die Beschaffungskategorien oder Einzelverträge aufgeführt sind, bei denen der SRPP Vorrang eingeräumt wird. Legen Sie für jede Priorität eine messbare und erreichbare Zielvorgabe fest, die bis zu einem bestimmten Datum umzusetzen ist.

2.5   Integration der SRPP in Vergabeverfahren und -strategien

Bei der Umsetzung der SRPP in Vergabeverfahren und -strategien sollte Folgendes berücksichtigt werden:

der rechtliche und regulatorische Rahmen – einschließlich der Frage, wie die SRPP mit den Beschaffungsbestimmungen der EU und der Mitgliedstaaten und mit den internationalen Verpflichtungen der EU im Einklang steht,

der institutionelle Rahmen – einschließlich der Frage, ob die Beschaffung zentral oder dezentral erfolgt und was dies für die Verwaltung und Überwachung der SRPP bedeutet,

die Managementstruktur – einschließlich der Schaffung neuer Strukturen zur Steuerung der Integration der SRPP, z. B. Einrichtung einer Arbeitsgruppe, an der die wichtigsten Interessenträger beteiligt sind, oder Benennung von „SRPP-Champions“ innerhalb der einschlägigen Abteilungen,

die Zuweisung von Verantwortlichkeiten – einschließlich der Ermittlung von Führungskräften, Experten und Auftragnehmern in geeigneten Positionen, die Maßnahmen vorantreiben und die Zielerreichung sicherstellen können,

Zugang zu Fachwissen – einschließlich der Einbindung von Experten innerhalb Ihrer Organisation zu für die SRPP relevanten Fragen, der internen oder externen Zusammenarbeit mit einschlägigen Abteilungen oder Organisationen sowie der Kontaktaufnahme mit anderen Organisationen, die möglicherweise in der Lage sind, zur Umsetzung von SRPP-Maßnahmen zu beraten oder diese zu steuern,

die Verfügbarkeit beruflicher Kapazitäten und Ressourcen – Prüfung, ob Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau oder die Bereitstellung klarer Leitlinien und Kriterien erforderlich sind.

Förderung der Integration durch Kommunikation

Um die SRPP in die Organisation zu integrieren, sollten Sie ihre Ziele umfassend kommunizieren. Stellen Sie sicher, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten der Mitarbeiter in Ihrer gesamten Organisation eindeutig festgelegt sind. Interne Kommunikationsmaßnahmen können Seminare, Newsletter oder die Aufnahme in das Intranet Ihrer Organisation umfassen.

Auch die externe Kommunikation ist wesentlich. Die Kommunikation sozialer Ziele an den Markt vor der Veröffentlichung von Ausschreibungen gibt den Anbietern Zeit zu reagieren. Die Kommunikation von Zielen an die Öffentlichkeit erhöht Ihre Rechenschaftspflicht und stellt ein Vorbild dar, das als Anregung für weitergehende Maßnahmen dienen kann. Zudem kann ein Konsens über Praktiken erzielt werden, bei denen soziale Erwägungen berücksichtigt werden.

Schließlich kann der Austausch von Wissen mit anderen öffentlichen Auftraggebern über bewährte Verfahren (oder vermeidbare Risiken) dazu beitragen, das Lernen über die SRPP zu beschleunigen. Dieser Wissensaustausch kann auf lokaler, regionaler, nationaler oder sogar internationaler Ebene stattfinden. Insbesondere der Wissensaustausch innerhalb der EU kann einen Beitrag dazu leisten, die von öffentlichen Auftraggebern in ganz Europa geforderten Standards anzuheben und so eine größere soziale Verantwortung als Norm zu stärken.

Arbeitsgruppe des Netzwerks Procura+ für die sozial verantwortliche Beschaffung von IKT

Beschaffungsziel

Über das Netzwerk Procura+ wurde die Interessengruppe für die sozial verantwortliche Vergabe öffentlicher Aufträge eingerichtet, um den Austausch über Beschaffungstätigkeiten zu fördern und öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von IKT-Hardwareprodukten zu unterstützen. Der Gruppe gehören öffentliche Auftraggeber aus ganz Europa an, darunter die Londoner Stadtregierung (Greater London Authority), die Stadt Stockholm, der Stadtrat von Barcelona, das schottische Kompetenzzentrum Advanced Procurement for Universities and Colleges (moderne Beschaffung für Universitäten und Colleges in Schottland, APUC) und die Stadt Haarlem.

Ansatz

Die Kommunikation und der Wissensaustausch über die SRPP zwischen den Mitgliedern der Interessengruppe erfolgt in regelmäßig stattfindenden persönlichen und virtuellen Sitzungen. Mit Unterstützung von Electronics Watch und ICLEI Europe entwickelt die Gruppe Kriterien, Spezifikationen und Klauseln zur Berücksichtigung der sozialen Verantwortung in der gesamten Lieferkette von IKT-Produkten.

Ergebnisse

Durch den Austausch von Erfahrungen und Beispielen für bewährte Verfahren können die teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber ihr Wissen und ihre Fachkenntnisse über die SRPP ausbauen. Die Gruppe dient zudem als Plattform, um bevorstehende Ausschreibungen vorzustellen und den Austausch zwischen öffentlichen Auftraggebern und potenziellen Anbietern und Vertriebspartnern im Hinblick auf ihre jeweiligen Bedürfnisse und Fähigkeiten zu erleichtern. In gemeinsamer Arbeit hat die Gruppe ein spezifisches Kriteriendokument ausgearbeitet: How to procure fair ICT hardware – criteria set for socially responsible public procurement (Beschaffung fairer IKT-Hardware – Kriterien für die sozial verantwortliche Vergabe öffentlicher Aufträge). Das Dokument umfasst Auswahlkriterien, technische Spezifikationen, Zuschlagskriterien und Auftragsausführungsklauseln. Die festgelegten Kriterien sind ehrgeizig, da sie über die Ebene der Schmelzerei hinausgehen und auch Fragen auf der Stufe des Abbaus betreffen.

Erkenntnisse

Die Zusammenarbeit mit anderen Auftraggebern aus dem öffentlichen Sektor und der Austausch von Marktkenntnissen zahlt sich aus: Öffentliche Auftraggeber können gemeinsame Bedürfnisse ermitteln und Strategien entwickeln, wie sie sozial verantwortlich hergestellte Produkte beschaffen können, die den Bedürfnissen am besten entsprechen.

Bewährte Verfahren

Integrieren Sie Ihre SRPP-Strategie in Ihre Beschaffungstätigkeiten. Weisen Sie Verantwortlichkeiten zu, erwägen Sie die Einrichtung einer Managementgruppe und kommunizieren Sie die Ziele der sozialorientierten Beschaffung auf breiter Ebene, damit Mitarbeiter und Anbieter die Erwartungen kennen und andere öffentliche Auftraggeber ermutigt werden, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.

2.6   Überwachung und Überprüfung der Fortschritte

Erhebung von Daten über die Leistung der SRPP

Die wirksame Umsetzung der SRPP setzt die Einrichtung eines Überwachungssystems voraus, mit dem die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele gemessen werden. Die Überwachungssysteme reichen von einfachen Datenbanken zur Erfassung der Anwendung sozialer Kriterien bis hin zu spezialisierten Systemen, die in Plattformen für die elektronische Auftragsvergabe integriert sind.

Integration der SPP-Überwachung in bestehende Berichterstattungssysteme in Flandern (Belgien)

Beschaffungsziel

Die Regierung von Flandern arbeitet seit 2008 an einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung (sustainable public procurement, SPP), als sie das Ziel von 100 % SPP bis 2020 für ihre öffentliche Beschaffung festlegte. Im Zeitraum 2009-2015 wurden als Richtschnur für die Erreichung dieses Ziels zwei Aktionspläne angenommen; danach wurde die SPP Teil einer integrierten Strategie für das öffentliche Auftragswesen. Für neun Produktgruppen wurden Mindestkriterien für die Nachhaltigkeit festgelegt plus Leitlinien und Kriterienvorschläge für weitere 17 Produktgruppen. Die beschafften Produkte müssen diesen Kriterien entsprechen, damit die Beschaffung in Flandern als nachhaltig bezeichnet werden kann.

Ansatz

Im Jahr 2017 wurde die Überwachung der SPP in das Vertragsverwaltungssystem der Regierung von Flandern integriert. Alle Beschaffungen im Wert von mindestens 30 000 EUR müssen im Vertragsverwaltungssystem erfasst werden, und es gilt, die folgenden neun obligatorischen SPP-Fragen zu beantworten:

1.

Verwendung wesentlicher Nachhaltigkeitskriterien: vollständig in die Ausschreibungsunterlage aufgenommen/nicht oder teilweise in die Ausschreibungsunterlage aufgenommen/Die Beschaffung betrifft keine Produktgruppe, für die wesentliche Kriterien festgelegt wurden,

2.

Verwendung anderer Nachhaltigkeitskriterien: ein oder mehrere andere Nachhaltigkeitskriterien in der Ausschreibungsunterlage/keine anderen Nachhaltigkeitskriterien in der Ausschreibungsunterlage,

3.

Umweltmanagement-Zertifikate erforderlich: relevant und in der Ausschreibungsunterlage/relevant, aber aus bestimmten Gründen nicht in der Ausschreibungsunterlage/nicht relevant,

4.

Zugang auf soziale Unternehmen beschränkt: Ja/Nein

5.

Ein Teil der Vertragserfüllung ist sozialen Unternehmen vorbehalten: Ja/Nein

6.

Verwendung einer Nichtdiskriminierungsklausel: Ja/Nein

7.

Verwendung einer Sozialklausel in Bezug auf Beschäftigung, Bildung und Ausbildung in der Ausschreibungsunterlage: Ja/Nein

8.

Verwendung einer ethischen Klausel: relevant und in der Ausschreibungsunterlage/relevant, aber aus bestimmten Gründen nicht in der Ausschreibungsunterlage/nicht relevant – Die Beschaffung betrifft keine Waren mit hohem Risiko,

9.

innovationsfördernde Beschaffung: Die Innovation befindet sich in einer vorkommerziellen Phase der Forschung und Entwicklung/Die Innovation befindet sich sowohl in der vorkommerziellen als auch in der kommerziellen Phase/Die Innovation befindet sich in der kommerziellen Phase (innovationsfördernde öffentliche Beschaffung)/Es gibt keinen innovativen Aspekt.

Erkenntnisse

Zur Gewährleistung ihrer Wirksamkeit bedarf es einer Überwachung der SPP. Nachdem in Flandern zwischen 2015 und 2016 ein Rückgang bei der Anwendung der SPP verzeichnet wurde, konnten wichtige Hindernisse für die Erreichung des Ziels bis 2020 angegangen werden, unter anderem durch die Aufnahme von Nachhaltigkeitsklauseln in die Ausschreibungsvorlagen oder die Identifizierung von Rahmenvereinbarungen mit zukünftigem Handlungsbedarf.

Quellen:

http://www.procuraplus.org/fileadmin/user_upload/Procura__case_studies/Procuraplus_case_study_Flanders.pdfhttps://overheid.vlaanderen.be/monitoring-duurzame-overheidsopdrachten%20.

Die Verknüpfung der Überwachung der SRPP mit bestehenden Berichterstattungssystemen und Prüfverfahren ist am wirksamsten. Wahrscheinlich werden Sie Anpassungen an Ihren Systemen vorzunehmen haben. Es kann zum Beispiel sein, dass Sie neue Datenfelder in die Überwachungssoftware einfügen müssen. Darüber hinaus sollte eine externe, unabhängige Prüfung der Leistung der SRPP in Betracht gezogen werden, einschließlich einer vergleichenden Leistungsbewertung des öffentlichen Auftraggebers gegenüber der bisherigen Leistung oder der Leistung anderer Organisationen.

Überprüfung und Verbesserung der SRPP

Überprüfen Sie regelmäßig die Ergebnisse der Überwachung, um sicherzustellen, dass bei der Zielerreichung Fortschritte gemacht werden und dass die Maßnahmen den gewünschten Beitrag zu den Zielen leisten.

Teilen Sie Kollegen und Außenstehenden mit, wenn die Organisation ihre Ziele erreicht hat. Der Prozess der Konsultation und Zielsetzung beginnt dann von Neuem – so wird eine kontinuierliche Verbesserung der sozialen Ziele sichergestellt.

Systemische Marktveränderungen sind nicht möglich, wenn gute Ergebnisse isoliert auftreten. Die SRPP kann dabei helfen, die Fähigkeit des Markts zur Erfüllung höherer Standards unter Beweis zu stellen, und die entsprechende Kommunikation kann dazu beitragen, dass die Interessenträger höhere Erwartungen stellen.

Bewährte Verfahren

Überwachen Sie die Umsetzung der SRPP und überprüfen Sie regelmäßig die Ergebnisse, um den Fortschritt sicherzustellen und notwendige Anpassungen an der Strategie oder den Beschaffungspraktiken vorzunehmen.

KAPITEL 3

Bedarfsermittlung und Beschaffungsplanung

3.1   Die Rolle der Bedarfsermittlung in der SRPP

Die Bedarfsermittlung kann noch vor der Veröffentlichung der Ausschreibung die erste Phase der SRPP darstellen. Mit der Bedarfsermittlung soll sichergestellt werden, dass eine wirkliche Nachfrage nach den jeweiligen Waren, Dienstleistungen oder Bauleistungen besteht, und es soll ermittelt werden, wie dieser Bedarf auf möglichst sozial verantwortliche Weise gedeckt werden kann. Die Bewertung des tatsächlichen Bedarfs in Bezug auf die Ergebnisse dient der Festlegung von Umfang und Art der Anforderungen und ermöglicht eine flexiblere und potenziell kosteneffektive Reaktion des Markts. Im Kontext der SRPP geht es bei der Bedarfsermittlung um Folgendes:

Sicherstellung, dass der Beschaffungsgegenstand sozialen Anforderungen entspricht,

Gestaltung von Beschaffung und Verträgen auf eine Art und Weise, dass zeitliche Flexibilität ermöglicht und sichergestellt wird, dass ein breites Spektrum von Organisationen, einschließlich sozialwirtschaftlicher Organisationen und sozialer Unternehmen sowie gemeinnütziger oder ehrenamtlicher Einrichtungen, an den Vergabeverfahren teilnehmen kann,

Verbesserung der sozialen Auswirkungen und Ergebnisse: Prüfung, ob die Beschaffung Möglichkeiten zur Förderung relevanter sozialer und ethischer Ergebnisse bietet.

Beispiele dafür, wie die Bedarfsermittlung soziale Auswirkungen und Ergebnisse bei der Beschaffung beeinflussen kann:

Eine Gemeinde entscheidet sich für flexiblere und vielfältigere Mobilitätsangebote, um älteren Bürgern und Menschen mit Behinderungen mehr Fortbewegungsfreiheit zu bieten.

Eine Gemeinde erbringt Sozial- und Pflegedienste, die auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten sind, wobei geschlechtsspezifischen Aspekten besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird (72).

Eine Regierungsbehörde nimmt in einen Bauvertrag eine Klausel über Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Arbeitslose und benachteiligte Personen auf.

Ein Krankenhaus bittet einen Anbieter medizinischer Ausrüstung um Transparenz in seiner Lieferkette, um in Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zu überwachen und zu überprüfen.

Die Bedarfsermittlung birgt das Potenzial, Geld zu sparen und soziale Erträge zu generieren, was sie zu einem wesentlichen Bestandteil der Beschaffungsvorbereitung macht. Dabei kann ein kultureller Wandel innerhalb der Organisation erforderlich sein – weg von der Fokussierung auf die Anzahl der beschafften Einheiten hin zu Überlegungen, wie sich der Bedarf nachhaltig und mit Blick auf soziale Ergebnisse decken lässt.

Konsultation der Nutzer

Oft entspricht der Nutzer eines Produkts, einer Dienstleistung oder einer Bauleistung nicht dem Beschaffer des Produkts bzw. der Dienst- oder Bauleistung. Es kann sich um andere Einzelpersonen innerhalb derselben Organisation, um Angestellte einer anderen öffentlichen Einrichtung oder um Bürger (z. B. Krankenhauspatienten, Einwohner, Schüler oder Studenten) handeln. Durch die Konsultation können soziale Fragen ermittelt werden und es kann sichergestellt werden, dass die Ausschreibung so gestaltet wird, dass alle Möglichkeiten für positive soziale Auswirkungen optimal genutzt werden. Für die Konsultation der Nutzer im Vorfeld der Veröffentlichung der Ausschreibung stehen folgende Techniken zur Verfügung:

Verwendung von Fragebögen oder Online-Umfragen zur Ermittlung der Bedürfnisse und Präferenzen der Nutzer,

Beobachtung und Analyse bestehender Nutzungsmuster,

Einladung aller einschlägigen Interessenträger zur Teilnahme an einem Treffen, um die derzeitigen Verfahren zu überprüfen und gemeinsam zu planen, wie bei der nächsten Beschaffung bessere soziale Ergebnisse erzielt werden können und/oder

Einladung aller Nutzer zur Teilnahme an Demonstrationsveranstaltungen im Rahmen einer vorherigen Marktkonsultation (siehe Abschnitt 3.2),

Verwendung von Fragebögen, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind.

Konsultation von Nutzern mit besonderen Mobilitätsbedürfnissen in der Stadt Rotterdam (Niederlande)

Beschaffungsziel

In Rotterdam nehmen 30 000 Bürger mit besonderen Bedürfnissen Verkehrsdienste in Anspruch. Es gibt unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Zielgruppen, was in der Vergangenheit zu fragmentierten und bisweilen unzureichenden Diensten geführt hat. Die Stadt Rotterdam beschloss, alle Mobilitätsdienste zu integrieren, ihre Flotten effizienter zu betreiben und somit Verkehrsdienste anzubieten, die den Bedürfnissen ihrer Kunden am besten gerecht werden.

Ansatz

Rotterdam führte umfassende kundenorientierte Recherchen durch, um den ungedeckten Bedarf zu ermitteln und die Kundenfahrten zu bestimmen, die multidisziplinäre Lösungen erforderten. Die Stadt nutzte ein innovatives „Forward Commitment Procurement“-Verfahren, bei dem sie die sozialen Bedürfnisse und gewünschten Ergebnisse vor der Veröffentlichung der Ausschreibung an den Markt kommunizierte und sich zur Beschaffung des neu geschaffenen Dienstes bereit erklärte, sofern dieser die Spezifikationen erfüllt. Im Rahmen des Marktdialogs gaben auch Vertreter von Endnutzergruppen direktes Feedback.

Ergebnisse

Bei dem Gewinner der Ausschreibung handelt es sich um ein Konsortium aus verschiedenen Marktteilnehmern, einschließlich KMU, das einen nutzerzentrierten Verkehrsdienst mit Mechanismen zur ständigen Verbesserung betreibt. Der Dienst umfasst kundenspezifische Lösungen für die Mobilität (einschließlich eines persönlichen Mobilitätsbudgets), sodass den persönlichen Präferenzen und Eigenschaften der Nutzer in Rotterdam tagtäglich Rechnung getragen werden kann. Darüber hinaus bietet der Dienst persönliche Unterstützung und Coaching, um Kunden dabei zu helfen, sich selbstständiger fortzubewegen und so ihre Autonomie zu erhöhen. Zusätzlich stehen die Fahrer in direktem Kontakt zu Wohlfahrtsorganisationen, um die Bedürfnisse der Kunden zu überwachen und darauf einzugehen. Bei fast allen beschafften Fahrzeugen handelt es sich um emissionsfreie Fahrzeuge, also um Elektrofahrzeuge, und die jährlichen Investitionen erzielen eine soziale Rendite von mehr als 2 Mio. EUR.

Erkenntnisse

Die Komplexität eines sinnvollen Dialogs und die dafür erforderlichen Ressourcen sind nicht zu unterschätzen. Der Prozess sollte frühzeitig eingeleitet werden, damit alle erforderlichen Informationen im Detail von Nutzern und Anbietern eingeholt und die rechtlichen Aspekte des Ansatzes bewertet werden können und damit sichergestellt werden kann, dass die individuelle Lösung den Bedürfnissen der Nutzer bestmöglich entspricht.

Erstellung einer Bedarfserklärung

Auf der Grundlage der während der Nutzerkonsultation gesammelten Informationen sollte es möglich sein, eine einfache Bedarfserklärung zu formulieren, in der der Grund für die Beschaffung beschrieben wird und mögliche Beschaffungsalternativen dargelegt werden.

Die Bedarfserklärung kann sowohl zur Entwicklung des Geschäftsszenarios für die Beschaffung als auch zur Information der Anbieter während der vorherigen Marktkonsultation und der Ausschreibung verwendet werden. Wichtige Interessenträger wie Dienstleistungsnutzer, Bürger oder NRO können aufgefordert werden, die Bedarfserklärung unter sozialen Gesichtspunkten zu prüfen, zu hinterfragen und zu billigen.

Bewährte Verfahren

Machen Sie die Bedarfsermittlung zu einer der ersten Aktivitäten in Ihrem Beschaffungsprozess. Die Konsultation mit Kollegen und Endnutzern hilft sicherzustellen, dass Sie das richtige Produkt oder die richtige Dienstleistung beschaffen, und zwar in einer Art und Weise, die positive soziale Auswirkungen haben kann.

Beispiel für eine Bedarfserklärung im Kontext der SRPP

Ein öffentlicher Auftraggeber plant eine Ausschreibung für einen Vertrag über Reinigungsdienste für die tägliche Reinigung aller kommunalen Gebäude.

Zur Erfüllung seiner sozialpolitischen Verpflichtungen schreibt er nach Konsultation mit den derzeitigen Mitarbeitern und anderen Interessenträgern vor, dass der Auftrag unter Berücksichtigung der folgenden sozialen Gesichtspunkte auszuführen ist:

faire Entlohnung der Mitarbeiter, auch für geleistete Überstunden,

Laufbahnentwicklung, einschließlich Schulungen und Anpassung der Dienstpläne, um die Teilnahme an den entsprechenden Kursen zu ermöglichen,

Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Voll- und Teilzeitverträge mit familienfreundlichen Dienstplänen und Schichten,

Gesundheit am Arbeitsplatz durch Verwendung nicht schädlicher Reinigungsmittel.

3.2   Marktdialog

Vor der Ausschreibung werden in der Regel Marktkonsultationen durchgeführt, um potenzielle Anbieter und relevante Produkte und Dienstleistungen zu ermitteln. Die Anbieter erhalten die Möglichkeit, sich auf die Ausschreibung vorzubereiten, beispielsweise können Mainstream-Unternehmen Partnerschaften mit Sozialunternehmen eingehen, um bessere soziale Ergebnisse zu erzielen.

Zudem können einige Verfahren, insbesondere wettbewerbliche Dialoge oder Verhandlungsverfahren, mehr Möglichkeiten des Dialogs mit den Bietern während des Ausschreibungsverfahrens eröffnen. Im Anschluss an die Ausschreibung sollte den Bietern eine Nachbesprechung der Ergebnisse angeboten werden sowie Ratschläge, wie sie ihr soziales Angebot mit Blick auf zukünftige Ausschreibungen verbessern können.

Der Marktdialog im Rahmen der SRPP hat folgende Funktionen:

Ermittlung potenzieller Bieter und Lösungen mit positiven sozialen Auswirkungen,

Aufbau von Marktkapazitäten zur Erfüllung von sozialen Bedürfnissen und Anforderungen,

Grundlage für die Gestaltung der Beschaffung und des Vertrags in einer Art und Weise, dass soziale Kriterien relevant sind, eine Verbindung mit dem Auftragsgegenstand aufweisen sowie erreichbar und nicht diskriminierend sind,

Unterstützung der Bieter, Angebote mit starken sozialen Aspekten einzureichen,

Feedback an die Bieter nach Abschluss des Verfahrens.

Zum Nutzen des Marktdialogs gehört eine verbesserte Planung und Verwaltung der SRPP, insbesondere wenn er im Rahmen der Bedarfsermittlung durchgeführt wird. Diese Tätigkeiten tragen auch zu einem besseren Verständnis der öffentlichen Auftraggeber für die Fähigkeit potenzieller Bieter bei, soziale Ziele und Vorgaben zu erfüllen. Der Dialog kann Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei den Anbietern erhöhen, und viele begrüßen die Chance, vor dem Start der Auftragsvergabe auf soziale Erfordernisse zu reagieren. Kurz gesagt kann der Marktdialog dazu beitragen, die Voraussetzungen für die SRPP sowohl intern beim öffentlichen Auftraggeber als auch im Markt zu schaffen.

3.2.1    Vorherige Marktkonsultation

Die EU-Vorschriften erlauben ausdrücklich eine vorherige Marktkonsultation der Anbieter (73): „Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens können die öffentlichen Auftraggeber Marktkonsultationen zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Wirtschaftsteilnehmer über ihre Auftragsvergabepläne und -anforderungen durchführen.“ Die öffentlichen Auftraggeber können mittels einer Marktkonsultation auch den Rat von unabhängigen Sachverständigen oder Behörden beziehungsweise von Marktteilnehmern einholen, sofern dieser Rat nicht wettbewerbsverzerrend ist und nicht zu einem Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz führt.

In der Praxis muss unbedingt sichergestellt werden, dass vorherige Marktkonsultationen transparent und frühzeitig veröffentlicht werden. Darüber hinaus müssen alle Informationen, die den Teilnehmern während der Marktkonsultation zur Verfügung gestellt werden, auch anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung gestellt werden, die nicht in der Lage sind, sich an der Marktkonsultation zu beteiligen, und es muss ausreichend Zeit für die Einreichung der Angebote eingeräumt werden. Die öffentlichen Auftraggeber müssen dafür sorgen, dass alle Bieter bei Vergabeverfahren gleich behandelt werden, sodass Marktkonsultation nicht zu einem unfairen Vorteil oder Nachteil für einen Bieter führt (74).

3.2.2    Vorbereitung der vorherigen Marktkonsultation

Bei jeder vorherigen Marktkonsultation besteht der erste Schritt in der Überlegung, welche (sozialen) Ergebnisse mit dem Vertrag, den Sie vergeben, erreicht werden sollen. Die Auswahl des richtigen Teams für die Marktkonsultation innerhalb Ihrer Organisation ist ebenfalls ein wichtiger vorbereitender Schritt. Binden Sie Beschaffungspersonal, technisches Personal, Führungskräfte und gegebenenfalls Endnutzer ein sowie interne oder externe Sachverständige, die über Fachwissen zu den sozialen Aspekten des Vertrags verfügen.

Analysieren Sie als Nächstes den Markt, um zu überlegen, wie die Anbieter den sozialen Bedarf nach dem geplanten Produkt bzw. der geplanten Dienst- oder Bauleistung decken könnten. Zu den Fragen, die es zu berücksichtigen gilt, gehören:

Ist der Markt reif genug, um die sozialen Anforderungen zu erfüllen? Sind bestehende Anbieter in der Lage, den sozialen Bedarf zu befriedigen, oder treten neue Anbieter mit sozialen Innovationen in den Markt ein?

Wird der Markt technisch in der Lage sein, die sozialen Anforderungen zu erfüllen? Können Anbieter zum Beispiel auf Ersuchen um Informationen über die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette oder auf gemeinnützige Klauseln im Zusammenhang mit der Schaffung von Arbeitsplätzen reagieren? Wie werden solche Verpflichtungen überprüft und durchgesetzt?

Wie viele Anbieter können das Erforderliche liefern? Impliziert die Marktkapazität, dass es einen Wettbewerb um die Ausschreibung geben wird, oder werden die sozialen Anforderungen die Angebote möglicherweise einschränken?

Können soziale Anforderungen Anbieter aus unterschiedlichen Geschäftsmodellen, z. B. sozialwirtschaftliche Organisationen und Sozialunternehmen, auf sozial innovative Weise zusammenbringen? Wie würde dies funktionieren, und was kann die Gestaltung der Ausschreibung dazu beitragen, dies zu fördern?

Sind Anbieter in verschiedenen geografischen Gebieten anders tätig oder bieten sie andere Waren oder Dienstleistungen an, und wie würde sich dies auf die sozialen Aspekte des Angebots auswirken?

Recherchen und Analysen des jeweiligen Markts können sozial verantwortliche Lösungen zutage fördern, die bereits verfügbar sind, oder die Anbieter können neue Produkte und Ansätze entwickeln, mit denen der soziale Bedarf gedeckt werden kann.

Vor der direkten Marktkonsultation sollten Sie sich schließlich mit Kollegen bei anderen öffentlichen Auftraggebern austauschen, um herauszufinden, was sie beschaffen, um soziale Probleme anzugehen, und welche Erkenntnisse sie dabei gewonnen haben. Ferner können durch das Verständnis dessen, was bei einem anderen öffentlichen Auftraggeber funktioniert (oder nicht funktioniert), Entscheidungsträger und eher risikoscheue Kollegen für einen neuen sozialorientierten Ansatz bei der Beschaffung gewonnen werden.

3.2.3    Einbeziehung des Markts

Es gibt mehrere Strategien und Methoden zur Einbeziehung des Markts. Vieles hängt von den verfügbaren Ressourcen und der zur Verfügung stehenden Zeit sowie dem erforderlichen Grad an sozialer Innovation ab.

Anbieter- und Marktsondierungsfragebögen

Fragebögen sind eine nützliche und vergleichsweise schnelle Methode, um Informationen zu erhalten und um das Interesse und die Kapazität von Anbietern für soziale Lösungen zu ermitteln. Die Fragebögen sollten so breit wie möglich beworben werden, damit möglichst viele Anbieter teilnehmen.

Die Analyse der eingegangenen Antworten soll helfen, den Umfang und die nächsten Schritte der Beschaffungsstrategie und des Beschaffungsprozesses zu bestimmen. Achten Sie darauf, dass die Daten nicht dazu verwendet werden, einem potenziellen Anbieter einen direkten oder indirekten Vorteil zu verschaffen, selbst wenn dies unbeabsichtigt geschieht. Ein Ziel dieses Ansatzes sollte die transparente Vermeidung dieser Vorteile sein.

Vorabinformation

Die Vorabinformation ist eine typische Methode, um den Markt frühzeitig über die Absicht zur Vergabe eines Auftrags bzw. einer Rahmenvereinbarung zu informieren, und kann dazu verwendet werden, eine Marktkonsultation einzuleiten. Die Vorabinformation wird auf der Website Tenders Electronic Daily (TED) veröffentlicht und erreicht so auch Wirtschaftsteilnehmer außerhalb Ihrer Heimatregion, die möglicherweise andere Ansätze in Bezug auf soziale Aspekte verfolgen.

Die Vorabinformation begründet keine Verpflichtung, ein Vergabeverfahren einzuleiten und einen Auftrag zu vergeben. Nach Möglichkeit sollte sie jedoch Einzelheiten und Fristen in Bezug auf die geplante Auftragsvergabe enthalten, um das Bewusstsein der Teilnehmer zu schärfen. Geben Sie in der Vorabinformation unbedingt an, welche Form der Reaktion Sie vom Markt erbitten, sei es das Ausfüllen eines Fragebogens, individuelle Antworten oder die Teilnahme an einer Marktkonsultationsveranstaltung.

„Forward Procurement“-Plan

Der „Forward Procurement“-Plan dient dazu, Anbieter im Voraus über bevorstehende Auftragsmöglichkeiten in Kenntnis zu setzen und ihnen Zeit für die Planung und Vorbereitung zu geben, um qualitativ hochwertige Angebote abzugeben. Der Plan kann eine Bedarfserklärung enthalten, um den Anbietern genauere Informationen über Ihre sozialen Bedürfnisse und Anforderungen zu geben.

„Meet the Buyer“-/„Meet the Supplier“-Veranstaltungen

Veranstaltungen, bei denen potenzielle Auftraggeber mit potenziellen Anbietern zusammentreffen, dienen als Forum, in dem

Marktkonsultation der Stadt Haarlem (Niederlande) zu sozial verantwortlichen IKT-Lösungen

Beschaffungsziele

Im Jahr 2019 organisierte die Stadt Haarlem eine „Meet the Buyer“-Veranstaltung für Anbieter und Wiederverkäufer von IKT-Produkten und -Dienstleistungen. Ziel dieser vorherigen Marktkonsultation war es, die derzeitige Marktreaktion zu analysieren und die Bereitschaft des Marktes in Bezug auf die Aufnahme von sozial verträglichen Zuschlagskriterien und Vertragsklauseln in eine kommende Ausschreibung für IKT-Hardwareprodukte einzuschätzen.

Ansatz

Im Vorfeld der „Meet the Buyer“-Veranstaltung forderte die Stadt Haarlem alle Anbieter, die beabsichtigten, an der Veranstaltung teilzunehmen, auf, bestimmte Fragen zu beantworten. Dazu gehörten folgende Fragen:

1.

Was muss der öffentliche Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen angeben, um seine Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Verantwortung in der Lieferkette vollständig darzustellen?

2.

Welche Standards in Bezug auf die soziale Verantwortung sollte der öffentliche Auftraggeber als akzeptables Minimum von einem fähigen Anbieter für diese Ausschreibung erwarten?

3.

Wären Sie bereit und in der Lage, Informationen in Bezug auf Ihr Programm für die soziale Verantwortung auf Anfrage an den öffentlichen Auftraggeber weiterzugeben?

4.

Werden Daten über die Leistung in den Bereichen Arbeits- und Menschenrechte für Beschaffungsentscheidungen herangezogen? Wie könnte dies überprüft werden?

5.

Werden von Ihrem Unternehmen oder in der Lieferkette Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen auf die Arbeits- und Menschenrechte während der Extraktionsphase der Produktion ergriffen? Auch hier: Wie könnte dies überprüft werden?

6.

Verfügen Sie über eine Lieferkette, die a) alle Anforderungen erfüllen und b) relativ schnell nach der Auftragsvergabe mobilisiert werden kann?

Das Veranstaltungsformat bot den Anbietern die Möglichkeit, sog. „Pitch Slams“ zu halten, d. h. kurze Präsentationen mit dem Ziel, den öffentlichen Auftraggeber über den aktuellen Stand der Dinge sowie darüber zu informieren, was als Antwort auf die bevorstehende Ausschreibung möglich sein könnte. Ein zentrales Element der Veranstaltung war eine „World Café Session“, um dem öffentlichen Auftraggeber und den Anbietern die Möglichkeit zu einer direkten, ausführlichen Diskussion über die während des Tages angesprochenen Themen zu bieten. In diesem Fall wurden auch andere öffentliche Einkäufer zu einer Austauschrunde mit den Anbietern eingeladen, um so den Einbindungseffekt zu erhöhen.

Ergebnisse

Durch die Übermittlung von Informationen über die anstehende Ausschreibung der Stadt Haarlem und der damit verbundenen Schlüsselfragen vor der „Meet the Buyer“-Veranstaltung konnten sich Anbieter und Wiederverkäufer im Vorhinein vorbereiten. Dies ist besonders wichtig für Sektoren mit komplexen Lieferketten und modernen Kriterien, da von einem Vertreter des Anbieters nicht erwartet werden kann, dass er über einen umfassenden Überblick über die Abläufe verfügt. Die „World Café Session“ lieferte der Stadt Haarlem neue Erkenntnisse in Bezug auf die anstehende Ausschreibung: Die neuen Kriterien für soziale Verantwortung sollten nicht nur gefördert, sondern auch mit einem kreislauforientierten Beschaffungsmodell kombiniert werden.

Erkenntnisse

„Meet the Buyer“-Veranstaltungen sind am erfolgreichsten, wenn der Auftraggeber über ein klares Ziel oder einen konkreten Bedarf verfügt, das bzw. den er mit dem Markt diskutieren möchte. Dies sollte im Voraus kommuniziert werden, um den Anbietern die Möglichkeit zu geben, ihre eigene Position zu entwickeln. Es sollten Informationen als Grundlage für die Diskussion im Rahmen der „Meet the Buyer“-Veranstaltung bereitgestellt werden, jedoch ohne die Anbieter mit zu vielen Informationen zu überfrachten. Um wichtige Erkenntnisse zu erhalten, sollte neben Plenarsitzungen auch ein Raum für den direkten Austausch geschaffen werden.

Auftraggeber ihre Bedürfnisse, einschließlich sozialer Anforderungen, erörtern können.

Auftragnehmer können über ihre Produkte und Dienstleistungen sowie darüber informieren, wie sie Verträge auf sozial verantwortliche Weise ausführen können.

Sonstige relevante Interessenträger wie Sozialpartner oder NRO können fachliche Beiträge leisten.

Viele öffentliche Auftraggeber halten „Meet the Buyer“-Veranstaltungen ab, bei denen Anbieter zu einem „Tag der offenen Tür“ eingeladen werden und dort mit denjenigen zusammentreffen, die für die Beschaffung bestimmter Waren und Dienstleistungen zuständig sind. Die Anbieter können mehr über Auftragsmöglichkeiten erfahren und ein besseres Verständnis der Vergabestrategien und -verfahren entwickeln. In einigen Fällen können die Anbieter auch aufgefordert werden, ihre Lösungen und Ansätze vorzustellen.

3.2.4    Dialog während und nach dem Vergabeverfahren

Dialog mit den Anbietern während der Ausschreibung

Auch wenn bei der Kommunikation mit Bietern während des formellen Beschaffungsprozesses Vorsicht geboten ist, ist es dennoch möglich, mit Bietern über die sozialen Aspekte ihrer Angebote zu sprechen. Dies gilt insbesondere für bestimmte Verfahren wie den wettbewerblichen Dialog, das Verhandlungsverfahren oder Verfahren im Rahmen der Sonderregelung (siehe Abschnitte 3.4 und 4.1.1). Bei diesen Verfahren kann es möglich sein, die sozialen Aspekte der Erstangebote der Bieter zu verbessern, indem Feedback auf der Grundlage der Zuschlagskriterien für die Ausschreibung gegeben wird.

Einbeziehung des Markts für sozial verantwortliche Arbeitskleidung in Gent (Belgien)

Beschaffungsziel

Im Jahr 2014 aktualisierte die Stadt Gent ihre Beschaffungspolitik, um soziale Ziele wie die Förderung der Beschäftigung benachteiligter Gruppen, die Unterstützung des lokalen Wirtschaftswachstums und die Einbeziehung internationaler Standards und der Grundsätze des fairen Handels aufzunehmen. Im Jahr 2016 nahm die Stadt Gent gemeinsam mit dem Städte- und Gemeindeverband Flanderns (Vereniging van Vlaamse Steden en Gemeenten, VVSG) Bemühungen zur Beschaffung fairerer Arbeitskleidung auf. Die wichtigsten Ziele dabei waren die Einbeziehung von Garantien in Bezug auf internationale Arbeitsübereinkommen und die Erhöhung der Transparenz entlang der gesamten Textillieferkette.

Ansatz

Der Beschaffungsprozess der Stadt Gent bestand aus drei Phasen: In der ersten Phase wurde eine Analyse früherer öffentlicher Ausschreibungen vorgenommen, bei der bewährte Verfahren in der Region Flandern im Hinblick auf die Einbeziehung der Nachhaltigkeit in die Spezifikationen für Berufsbekleidung ermittelt wurden. In der zweiten Phase führten die Stadt Gent und der VVSG eine umfassende Marktstudie durch, in der die Bereitschaft des Markts, die Transparenz der Lieferketten und das Potenzial von Gütezeichen in diesem Sektor bewertet und die Ansichten der Anbieter zur nachhaltigen Nachfrage und zur Verwendung von Sozialklauseln bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eingeholt wurden. Die Stadt Gent erkannte, dass der Markt noch nicht bereit war, das geforderte Maß an ökologischer und sozialer Leistung zu erbringen. Daher wurde in der dritten Phase ein Instrumentarium für sozial nachhaltige Arbeitskleidung für Anbieter geschaffen, um ihnen Leitlinien an die Hand zu geben, wie im Laufe des Vertrags Verbesserungen erzielt werden können. Die Stadt Gent teilte die Rahmenvereinbarung in fünf Lose auf, die jeweils ein unterschiedliches Maß an sozialer und ökologischer Leistung erforderten. Dabei waren das erforderliche Maß für jedes Los und die von den Bietern zu erbringenden Nachweise im Instrumentarium festgelegt. In dem Instrumentarium ist auch der Weg zu verantwortungsvollerer Arbeitskleidung beschrieben, zu dem sich die Lieferanten durch Vertragsklauseln verpflichten.

Ergebnisse

Nach Möglichkeit wird die beschaffte Arbeitskleidung nun aus Bio- und Fair-Trade-Baumwolle sowie aus recyceltem Polyester hergestellt. Die Ausgereiftheit der sozialen Erwägungen hängt von der Kategorie der Bekleidung ab, und es wurden unterschiedliche Ziele formuliert. Die Anbieter wurden um Transparenz in der Lieferkette gebeten, doch in einer Kategorie ging diese Transparenz weiter als in anderen. Insgesamt bestand das Ziel darin, den Auftragnehmer dazu zu bewegen, sich an einem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung der sozialen Bedingungen im Verlauf der Rahmenvereinbarung zu beteiligen. Die Leistung des Anbieters wird von Dritten überprüft, die mit der Stadt Gent zusammenarbeiten, um Verbesserungen zu erzielen.

Erkenntnisse

Der Markt ist zwar bereit, an der kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Lieferkette mitzuwirken, doch müssen die Anbieter dafür eingebunden, dazu angeregt und dabei unterstützt werden. Vertragsklauseln sind nur ein Teil der Lösung. Um Erfolge zu erzielen, sind der Dialog und die Partnerschaft mit den Anbietern unerlässlich, und dies sollte bereits vor Veröffentlichung der Ausschreibung beginnen und während der Vertragsausführung fortgesetzt werden.

Nachbesprechung mit den Anbietern im Anschluss an die Ausschreibung

Führen Sie nach der Ausschreibung eine Nachbesprechung mit erfolglosen Bietern durch, um sie über die Gründe zu informieren, warum ihr Angebot nicht erfolgreich war, und um zu erklären, wie es in Bezug auf soziale Kriterien abgeschnitten hat. Die Nachbesprechung bietet die Möglichkeit, die Bedenken der Bieter auszuräumen, Feedback zum Vergabeverfahren (einschließlich sozialer Kriterien) einzuholen und die Anbieter dazu anzuhalten, ihr soziales Angebot mit Blick auf die nächste Auftragsmöglichkeit zu verbessern. Zusätzlich kann ein „Win-Review“ mit dem erfolgreichen Anbieter abgehalten werden, bei dem die Stärken und Schwächen der sozialen Aspekte des Angebots sowie die Umsetzung und Überwachung während der Vertragsausführung erörtert werden.

3.2.5    Risikomanagement im Marktdialog

Lassen Sie beim Marktdialog Sorgfalt walten und führen Sie ihn so, dass er den Wettbewerb nicht verzerrt. Zu den potenziellen Risiken gehören:

unfaire Begünstigung eines Anbieters, z. B. durch Gestaltung der Spezifikation zugunsten eines potenziellen Bieters oder einer möglichen Lösung,

Benachteiligung eines oder mehrerer Anbieter,

Versäumnis, die geistigen Eigentumsrechte oder sensible Geschäftsinformationen eines Anbieters zu schützen.

Zu den Risikomanagementmaßnahmen beim Marktdialog gehören:

Planung, wie und wann die Marktkonsultation erfolgen soll,

Gestaltung des Prozesses in einer Art und Weise, dass er für alle Anbieter klar ist, und Steuerung von Erwartungen,

Gleichbehandlung aller Anbieter – keine Diskriminierung,

Weitergabe derselben Informationen an alle Anbieter,

Anfertigung von Aufzeichnungen über die Treffen,

Sicherstellung, dass dieselben Informationen als Teil der Auftragsunterlagen zur Verfügung gestellt werden,

Einräumung von genügend Zeit für die Angebotsabgabe – auch für diejenigen, die nicht an der Marktkonsultation beteiligt sind.

Marktkonsultationen gelten als mühsam, doch die sozialen Erträge können beträchtlich sein, wenn der Prozess den Markt auf transparente Weise so beeinflusst, dass neue Lösungen geliefert werden, die den Bedürfnissen der Nutzer wirklich gerecht werden.

Bewährte Verfahren

Achten Sie darauf, dass Sie vor der Konsultation der Anbieter eine Marktanalyse durchführen. Je größer Ihr Wissen über soziale Innovationen und Verbesserungsmöglichkeiten ist, desto realistischer ist auch Ihre Bedarfserklärung, was zu einem produktiven und zielführenden Dialog führt.

Ein wirksamer Marktdialog kann zeit- und ressourcenintensiv sein, allerdings stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Überlegen Sie, welche Methode Ihren Mitteln, dem Umfang und dem Wert des Auftrags sowie den damit verbundenen sozialen Risiken angemessen ist.

3.3   Welche Auftragsart?

Die Auftragsgestaltung kann eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der sozialen Auswirkungen der Auftragsvergabe spielen.

Umfang und Laufzeit des Auftrags

Stellen Sie sicher, dass der Umfang des Auftrags kein Hindernis für die Teilnahme von Organisationen darstellt, die einen sozialen Mehrwert bieten können, einschließlich KMU, sozialwirtschaftlicher Organisationen und Sozialunternehmen. Kleinere Aufträge, einschließlich der Unterteilung von Aufträgen in Lose, können Organisationen, die bereits einen sozialen Mehrwert erbringen, den Zugang erleichtern, da die Größe möglicherweise eher ihren Produktionskapazitäten entspricht. Zu kleine Aufträge können jedoch den Wettbewerb einschränken und den Spielraum für Investitionen in soziale Ergebnisse begrenzen. Es ist wichtig zu wissen, dass ein Auftrag nicht so unterteilt werden darf, dass EU-Verpflichtungen umgangen werden, es sei denn, es liegen objektive Gründe dafür vor (75).

Auch die Vertragslaufzeit kann eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Spielraums für soziale Erträge spielen. Kurze Verträge, mit einer Laufzeit von einem Jahr oder weniger, können es dem Auftragnehmer erschweren, in soziale Ergebnisse zu investieren und diese zu liefern. Dies gilt insbesondere dann, wenn neue Methoden oder Systeme eingeführt werden, z. B. zur Überwachung der Menschenrechte entlang der Lieferkette oder zur Schulung bisher arbeitsloser Mitarbeiter. Solche Initiativen brauchen Zeit, um sich zu etablieren und Ergebnisse zu zeigen, daher sollte dies bei der Entscheidung über die Vertragsdauer berücksichtigt werden. Eine unzureichende Vertragslaufzeit kann sich auch negativ auf die Qualität und Kontinuität eines Dienstes auswirken. Dies kann nachteilige Auswirkungen auf bestimmte Nutzer der Dienste haben (z. B. Menschen in prekären Situationen). Ein Ansatz besteht darin, Vertragserneuerungen bzw. -verlängerungen von der Erreichung bestimmter sozialer Ziele sowie von einer insgesamt zufriedenstellenden Leistung abhängig zu machen.

Unterteilung von Aufträgen in Lose

Die EU-Vorschriften sehen die Möglichkeit vor, Aufträge in Lose zu unterteilen. Wird ein Auftrag nicht in Lose aufgeteilt, muss der öffentliche Auftraggeber die Gründe hierfür angeben (76). Durch die Unterteilung von Aufträgen in Lose kann bei der SRPP sichergestellt werden, dass kleinere Wirtschaftsteilnehmer, sozialwirtschaftliche Organisationen oder Sozialunternehmen miteinander in Wettbewerb treten können, da sie möglicherweise nicht in der Lage sind, alle Aspekte eines Großauftrags zu erfüllen. Es ist ferner möglich, die Zahl der Lose, die an einen Bieter vergeben werden können, auf der Grundlage objektiver und nicht diskriminierender Kriterien, die im Voraus festgelegt wurden, zu begrenzen (77). Die Unterteilung von Aufträgen in Lose kann Ihnen dabei helfen sicherzustellen, dass mehrere Organisationen an der Erbringung von sozialen Vorteilen beteiligt sind.

Die öffentlichen Auftraggeber können entscheiden, wonach die Lose definiert werden, z. B. nach:

Art des Auftragsgegenstands,

Größe des Einzelauftrags,

geografischem Gebiet der Auftragserfüllung.

Eine vorherige Marktkonsultation (siehe Abschnitt 3.2) könnte Ihnen Informationen darüber liefern, wie Sie Lose so aufteilen können, dass sie dem Markt entsprechen und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis erzielt wird.

Sie können Angebote sowohl für kombinierte Lose als auch für einzelne Lose annehmen. Im ersten Fall müssen Sie in der Auftragsbekanntmachung angeben, welche Lose kombiniert werden dürfen. Sie können sich aber auch dafür entscheiden, die Anzahl der Lose zu begrenzen, für die ein Anbieter ein Angebot abgeben darf und die ein einzelner Anbieter gewinnen kann.

Die Entscheidung, einen Auftrag nicht in Losen zu vergeben, kann angemessen sein, wenn durch eine Aufteilung in Lose

der Wettbewerb beschränkt werden könnte,

die Gefahr besteht, dass die Ausführung des Auftrags technisch übermäßig erschwert oder zu teuer wird,

die Ausführung des Auftrags untergraben werden könnte, wenn verschiedene Auftragnehmer für die Lose koordiniert werden müssen.

Rahmenvereinbarung oder Vertrag?

Eine Möglichkeit, Ausschreibungen effizienter zu machen und gleichzeitig das SRPP-Konzept umzusetzen, sind Rahmenvereinbarungen. Eine Rahmenvereinbarung kann mit einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern abgeschlossen werden und gestattet den Abschluss mehrerer Verträge, ohne den Beschaffungsprozess jedes Mal erneut wiederholen zu müssen. Rahmenvereinbarungen können zur SRPP beitragen, indem sie eine größere Flexibilität bei der Auftragsvergabe ermöglichen. Außerdem können sie die Anreize für die Anbieter erhöhen, Lösungen mit höherer sozialer Rendite anzubieten, da die Möglichkeit besteht, mehrere Aufträge zu gewinnen und so die zusätzlichen Kosten für die Umsetzung dieser Lösungen wieder einzuholen.

Kapitel 5 enthält weitere Informationen über die Umsetzung der SRPP durch Rahmenvereinbarungen und Verträge, einschließlich für Unterauftragnehmer.

Bewährte Verfahren

Überlegen Sie frühzeitig, wie sich die Art und Dauer des Auftrags auf den sozialen Wert der Ausschreibung auswirken könnte. Sie können die Anbieter im Rahmen Ihrer Marktkonsultation fragen, welche Art von Vertrag oder Rahmenvereinbarung es ihnen am besten ermöglichen würde, soziale Ergebnisse zu liefern.

3.4   Wahl des Verfahrens

Gemäß den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU kann zwischen fünf Vergabeverfahren gewählt werden (78):

offenes Verfahren: Angebote können von jedem Wirtschaftsteilnehmer eingereicht werden,

nicht offenes Verfahren: mindestens fünf Bieter werden auf der Grundlage objektiver Kriterien für die Abgabe von Angeboten ausgewählt,

Verhandlungsverfahren: mindestens drei Bieter werden auf der Grundlage objektiver Kriterien für die Abgabe von Angeboten ausgewählt, die Angebote sind verhandlungsfähig,

wettbewerblicher Dialog: mindestens drei Bewerber werden ausgewählt, um auf der Grundlage einer Beschreibung der Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers Lösungen anzubieten,

Innovationspartnerschaft: mindestens drei Bewerber werden für die Entwicklung und Lieferung von Waren oder Dienstleistungen ausgewählt, die es noch nicht auf dem Markt gibt, wobei eine stufenweise Vertragsstruktur zugrunde gelegt wird.

Es sei darauf hingewiesen, dass gemäß der Richtlinie 2014/24/EU das Verhandlungsverfahren und der wettbewerbliche Dialog nur in bestimmten Situationen angewandt werden können (79) und Sie in jedem Fall mehrere Bewerbern einladen sollten, um echten Wettbewerb zu gewährleisten. Die SRPP ist bei jedem dieser Verfahren möglich, aber die genaue Vorgehensweise kann sich je nach gewähltem Verfahren unterscheiden.

In einem offenen Verfahren kann jeder Anbieter ein Angebot abgeben. Allerdings können Sie entweder vor oder nach der Angebotsbewertung die fachliche und berufliche Leistungsfähigkeit (einschließlich früherer Erfahrungen) dahin gehend prüfen, ob sie ausreicht bzw. nicht ausreicht. Mehrstufige Verfahren (d. h. alle mit Ausnahme des offenen Verfahrens) bieten die Möglichkeit, Bieter vorab anhand von Kriterien auszuwählen, zu denen die Fähigkeit gehören kann, soziale Aspekte des Auftrags zu erfüllen. Kapitel 4 enthält weitere Informationen über die Bewertung der technischen und beruflichen Fähigkeiten bei der SRPP.

Dialog mit den Bietern: Ausschreibung für die Tagesbetreuung von Erwachsenen mit komplexen Bedürfnissen

Beschaffungsziele

Die Lokalverwaltung der Scottish Borders wollte ihre Tagesbetreuungsdienste für Erwachsene mit komplexen Bedürfnissen weiterentwickeln. Sie überprüfte die Dienste und konsultierte die Nutzer, mit dem Ziel, die Individualisierung und Flexibilität der Pflegedienste entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen zu verbessern. Angesichts des begrenzten Pools potenzieller Anbieter bestand die Herausforderung für die Lokalverwaltung darin, eine Reihe möglicher Anbieter, darunter Organisationen wie Sozialunternehmen, für diese neue Art flexibler Verträge zu gewinnen.

Ansatz

Die Lokalverwaltung nutzte zunächst ein standardmäßiges Vergabeverfahren, doch kein Angebot erfüllte die Anforderungen an eine flexible Bereitstellung geeigneter Dienste. Daraufhin wurde ein Ansatz entwickelt, der Dialogsitzungen mit verschiedenen Drittanbietern umfasste. Das Beschaffungsteam erstellte ein Informationspaket, in dem das Verfahren erläutert wurde und das die Grundlage für mehrere Dialogsitzungen mit den einzelnen Anbietern bildete, die über einen Zeitraum von einem Monat durchgeführt wurden. Die Anbieter erhielten die Möglichkeit, ihre Pläne den Nutzern der Dienste und ihren Betreuern vorzustellen. Dieser Dialog ermöglichte es den Interessenträgern, mit potenziellen Anbietern in Kontakt zu treten, um den endgültigen Ausschreibungstext zu verstehen und mitzugestalten. Das endgültige koproduzierte Modell wurde mit allen Beteiligten diskutiert und dann im letzten Teil des Beschaffungsprozesses vorgelegt. Die daraus resultierenden Angebote wurden bewertet und es wurde ein Auftrag vergeben.

Ergebnisse

Das koproduzierte Modell führte zu mehr und höherwertigen Angeboten, mit einer besseren Resonanz als ursprünglich erwartet. Die Ausschreibung führte zu einer Verringerung der Zahl der Personen, die für den Zugang zu Pflegediensten ihr Wohngebiet verlassen müssen, und durch das Beschaffungsmodell wurde ein Effizienzgewinn von 200 000 GBP über einen Zeitraum von fünf Jahren erzielt. Ferner wurden die Auftragnehmer mit dem Vertrag verpflichtet, die Dienste in einer Weise zu erbringen, die für alle Endnutzer geeignet ist und den individuellen Bedürfnissen sowie den Anforderungen der Lokalverwaltung gerecht wird.

Erkenntnisse

Das kollektive Engagement der Anbieter, der Interessenträger und der Lokalverwaltung schuf einen positiven Nutzen, der über den Erwartungen lag. Insbesondere wurden Menschen mit Lernbehinderungen und ihre Betreuer während des gesamten Prozesses eingebunden, wodurch Eigenverantwortung für den neuen Dienst geschaffen wurde. Der flexible Koproduktionsprozess bot dem Drittanbieter erhebliche Möglichkeiten, mit den Nutzern der Dienste in Kontakt zu treten, und lieferte so Informationen für die Angebotseinreichung. Um es mit den Worten des Anbieters auszudrücken: „Die Gelegenheit, frühzeitig mit Familien und Verantwortlichen zusammenzutreffen, ermöglichte es uns, den spezifischen Bedürfnissen der ermittelten Kundengruppe besser gerecht zu werden.“

Die Größe des relevanten Markts, der sozial verantwortliche Lösungen anbietet, der spezifische Gegenstand und Umfang der geplanten Beschaffung sowie ihre Komplexität können ebenfalls die Wahl des Verfahrens beeinflussen. Wenn es sich um eine eher einfache und standardisierte Beschaffung handelt und nur wenige Anbieter das Produkt bzw. die Dienstleistung anbieten können, kann das offene Verfahren effizient sein. Umgekehrt kann das nicht offene Verfahren zweckmäßiger sein, wenn das Produkt bzw. die Dienstleistung erhebliche finanzielle und technische Kapazitäten erfordert und von einer großen Zahl von Anbietern geliefert bzw. erbracht werden kann, da Sie dann die Höchstzahl der Bewerber festlegen können, die zur Teilnahme aufgefordert werden (80). Wenn der spezifische Auftragsumfang komplexer ist, die technischen Spezifikationen nicht präzise genug festgelegt werden können oder innovative Lösungen erforderlich sind, kann das Verhandlungsverfahren oder der wettbewerbliche Dialog ratsamer sein, sofern die entsprechenden Zugangsbedingungen erfüllt sind. Die Mindestfristen für jedes Verfahren sind in den Richtlinien festgelegt. Diese unterliegen der allgemeinen Anforderung, dass je nach Komplexität des Auftrags ausreichend Zeit zur Verfügung steht (81). Bei der Festlegung von Fristen gilt es, die Qualität und Komplexität der erwarteten Angebote zu berücksichtigen – kurze Ausschreibungszeiträume können sich bisweilen als kontraproduktiv erweisen, wenn mehr Zeit für die Klärung der Angebote aufgewendet werden muss.

Einige öffentliche Auftraggeber befürchten vielleicht, dass es den Bietern durch die SRPP erschwert wird, die Ausschreibungskriterien zu erfüllen, und dass keine gültigen Angebote eingereicht werden. Eine Möglichkeit, dieser Befürchtung Rechnung zu tragen, ist die vorstehend erörterte Marktkonsultation. Einige Verfahren ermöglichen eine stärkere Interaktion mit den Bietern, was ebenfalls dazu genutzt werden kann, eine gute Reaktion auf soziale Kriterien zu gewährleisten. Beispielsweise ist es in einem Verhandlungsverfahren möglich, Aspekte der sozialen Leistung (über etwaige Mindestanforderungen hinaus) sowie die Berichterstattungsregelungen, die Anwendung finden sollen, auszuhandeln. Die Verfahren des wettbewerblichen Dialogs und der Innovationspartnerschaft können dazu beitragen, komplexe soziale Probleme anzugehen, indem es Bietern ermöglicht wird, neue Lösungen zu entwickeln und zu verfeinern.

Gemäß der Richtlinie 2014/24/EU können der wettbewerbliche Dialog oder das Verhandlungsverfahren angewandt werden, wenn die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen vom Markt erfüllt werden können oder wenn konzeptionelle oder innovative Lösungen erforderlich sind (82). Diese Verfahren können auch für Aufträge genutzt werden, die unter die Sonderregelung fallen, was Ihnen möglicherweise eine größere Verfahrensflexibilität ermöglicht (siehe Abschnitt 4.2).

Diese Verfahren können zu sozialer Innovation und einem besseren Verständnis der Möglichkeiten zur Steigerung des sozialen Werts führen, ihre Verwaltung erfordert jedoch den Einsatz von Ressourcen und Fachwissen. Eine einfachere Lösung kann darin bestehen, im Vorfeld eines offenen oder nichtoffenen Verfahrens eine Marktkonsultation durchzuführen.

Schließlich kann die vorkommerzielle Auftragsvergabe (83) zweckmäßig sein, wenn Sie innovative Lösungen zur Erfüllung Ihrer Bedürfnisse entwickeln müssen, einschließlich dann, wenn es um soziale Ziele geht (84). Die vorkommerzielle Auftragsvergabe ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern, alternative potenzielle Lösungsansätze zu vergleichen und den Lösungsansatz auszuwählen, der am besten geeignet ist, einen bestimmten öffentlichen Bedarf zu decken. Behörden können die vorkommerzielle Auftragsvergabe nutzen, um Produkte bzw. Dienstleistungen im Bereich der Forschung und Entwicklung parallel von mehreren konkurrierenden Anbietern zu beschaffen und so alternative Lösungsansätze zu vergleichen und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln.

Bewährte Verfahren

Berücksichtigen Sie bei der Wahl des Verfahrens die Faktoren der SRPP, einschließlich der derzeitigen Fähigkeit des Marktes, Ihre sozialen Anforderungen zu erfüllen, sowie der erwarteten Qualität und Quantität der Angebote.

Flexible Verfahren können dazu beitragen, eine gute Reaktion auf soziale Kriterien zu gewährleisten, indem sie eine stärkere Interaktion mit den Bietern ermöglichen.

3.5   Spezifikationen festlegen und hinterfragen

Da die Spezifikationen den Spielraum für die SRPP in einem konkreten Auftrag bestimmen und sich auf den Wettbewerb auswirken können, ist eine korrekte Festlegung von entscheidender Bedeutung. Eine Möglichkeit dabei ist, den Interessenträgern im Rahmen der Marktkonsultation die Möglichkeit einzuräumen, zu den Entwürfen der Spezifikationen Stellung zu nehmen. Ein interner Prozess zum Hinterfragen von Spezifikationen kann ebenfalls nützlich sein.

Abschnitt 4.4 befasst sich mit der Verwendung leistungsbezogener oder ergebnisorientierter Spezifikationen für die SRPP. Über eine eng gefasste technische Spezifikation für ein Produkt oder eine Dienstleistung hinauszugehen und die Anforderungen in funktionaler Hinsicht auszudrücken kann zu sozialen Innovationen und neuen Ideen auf dem Markt führen. Beispiel:

vollständig barrierefreie Beförderung für alle Personen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, anstelle von Bussen mit Zugang für Rollstühle,

barrierefreie Architektur, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen abgestimmt ist, anstatt sich nur auf eine Art zu konzentrieren, z. B. Gebäudebeschilderung mit Braille-Schrift oder Audiosystemen,

Transparenz der Lieferketten und ein Prozess zur Überwachung der Arbeitsrechte für das angebotene Produkt, anstatt lediglich die Einhaltung der IAO-Übereinkommen zu fordern.

Durch die frühzeitige Konzentration auf die Gestaltung von Spezifikationen lassen sich die sozialen Ergebnisse eines Vertrags verbessern. Mit den oben beschriebenen Prozessen der Bedarfsermittlung, der Marktkonsultation sowie der Wahl der Vertragsform und des Verfahrens wird sichergestellt, dass relevantere und realistischere soziale Ergebnisse erzielt werden können.

Bewährte Verfahren

Die Planung einer sozial verantwortlichen Auftragsvergabe ist genauso wichtig wie die Auswahl der Ausschreibungsspezifikationen und -kriterien. Soweit möglich und angemessen, konsultieren Sie Mitarbeiter und Endnutzer zu sozialen Bedürfnissen, nehmen Sie Kontakt zum Markt auf, um Ihre Ziele vorzustellen und Feedback von Anbietern einzuholen, und wählen Sie den Beschaffungsansatz, der dazu geeignet ist, die positivsten sozialen Ergebnisse zu erzielen.

3.6   Verwendung fakultativer Felder in den Standardformularen

Ab dem 25. Oktober 2023 müssen öffentliche Auftraggeber neue und aktualisierte Standardformulare (85) (elektronische Formulare – eForms) ausfüllen, die es ihnen ermöglichen, bei ihren Beschaffungen Informationen über die Berücksichtigung sozialer Erwägungen und Zugänglichkeitskriterien bereitzustellen (für Aspekte der Zugänglichkeit, auch in den Standardformularen, siehe Abschnitt 4.4.1). Die aktualisierten Standardformulare enthalten ein fakultatives Feld, in dem Sie angeben können, dass Sie im Rahmen des Vergabeverfahrens ein soziales Ziel verfolgen. Indem Sie diese Option nutzen, tragen Sie zu einer präziseren Datenerhebung und Analyse der Nutzung der SRPP in Ihrem Land und in der gesamten EU bei.

Die ordnungsgemäße Umsetzung von eForms ist einer Investition gleichzusetzen. Wenngleich hierfür ausreichende Zeitfenster und Ressourcen erforderlich sind, ergeben sich für alle Implementierer und Nutzer erhebliche Zeiteinsparungen. Insbesondere sollen eForms im Gegensatz zu den bisherigen Standardformularen weitgehend automatisch von den eProcurement-Systemen und nicht von den Nutzern ausgefüllt werden, wodurch der Verwaltungsaufwand erheblich verringert wird. eForms können auf die nationalen Bedürfnisse zugeschnitten werden. Für ein besseres Verständnis der Verfahren und der Optionen siehe das eForms Policy Implementation Handbook (86) (Handbuch zur Umsetzung der eForms).

KAPITEL 4

Das Vergabeverfahren

In diesem Kapitel wird eingehender beleuchtet, wie Sie die SRPP bei der Auftragsvergabe umsetzen können. Das Kapitel konzentriert sich auf die Möglichkeiten, die sich aus den Vergaberichtlinien ergeben, und folgt den Phasen der Ausschreibung, von der Festlegung des Auftragsgegenstands bis zur Ermittlung des erfolgreichen Angebots. Auf der Grundlage der in Kapitel 3 erörterten Bedarfsermittlung und Planung kann Ihre Organisation wählen, welche der hier beschriebenen Ansätze für Ihren Auftrag geeignet ist. Diese Wahl beinhaltet oft die Anwendung von mehr als einer SRPP-Maßnahme, zum Beispiel die Kombination von Ausschluss- und Zuschlagskriterien.

Jeder Abschnitt enthält Beispiele realer öffentlicher Auftraggeber sowie Empfehlungen für zu ergreifende Maßnahmen.

4.1   Definition des Auftragsgegenstands und Bestimmung der einschlägigen Vorschriften

Die Vergaberichtlinien schreiben für die Vergabe öffentlicher Aufträge keinen einheitlichen Ansatz vor. Öffentliche Auftraggeber können aus einer Reihe von Verfahren und Techniken wählen, und einige Verträge oder Finanzierungsvereinbarungen fallen überhaupt nicht unter die Vergabevorschriften, z. B. Arbeitsverträge oder nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (87). Bei der Vergabe von Aufträgen, die den Vergaberichtlinien unterliegen, ist die Bestimmung des Auftragsgegenstands von grundlegender Bedeutung.

Verbindung mit dem Auftragsgegenstand

In Artikel 67 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 82 Absatz 3 der Richtlinie 2014/25/EU wird erläutert, was unter „Verbindung mit dem Auftragsgegenstand“ zu verstehen ist. Kriterien stehen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Weise und in irgendeiner Phase ihres Lebenszyklus auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen, einschließlich Faktoren, die zusammenhängen mit

a)

dem spezifischen Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung solcher Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen oder des Handels damit oder

b)

einem bestimmten Prozess in Bezug auf eine andere Phase des Lebenszyklus,

auch wenn derartige Faktoren nicht materielle Bestandteile von ihnen sind.

Dies lässt sich durch folgendes Bild verdeutlichen: Wenn Sie einen Auftrag für Äpfel vergeben wollen, können Sie von den Bietern nicht verlangen, auch Orangen zu erzeugen. Sie können sich jedoch nach den Bedingungen erkundigen, unter denen die Bieter die Äpfel erzeugen, einschließlich Faktoren, die bei Betrachtung des Endprodukts möglicherweise nicht offensichtlich sind (z. B. Arbeitsbedingungen).

Weitere Beispiele in diesem Kapitel veranschaulichen, wie die Verbindung mit dem Auftragsgegenstand auf die SRPP-Kriterien in jeder Phase einer Ausschreibung gilt und welche Ansätze diese Anforderung nicht erfüllen.

Der Auftragsgegenstand hat in der Regel die Form einer kurzen Beschreibung der Waren, Dienstleistungen oder Bauleistungen, die Sie zu beschaffen beabsichtigen. Für Verfahren, die über den EU-Schwellenwerten liegen, ist dies zusammen mit den entsprechenden Codes des Gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge (Common Procurement Vocabulary, CPV) in der Bekanntmachung angegeben. Durch Angabe dieser Codes weiß der Markt genau, was Sie beschaffen möchten, und es wird gewährleistet, dass interessierte Wirtschaftsteilnehmer sich über Ihre Ausschreibung informieren können. Die CPV-Codes sind zudem wichtig, weil durch sie bestimmt wird, welche der in den Richtlinien festgelegten rechtlichen Regelungen auf den Auftrag anwendbar sind. Für soziale und andere besondere Dienstleistungen, die in Form eines öffentlichen Beschaffungsauftrags beschafft werden, sehen die Vergaberichtlinien eine „Sonderregelung“ vor, die eine größere Flexibilität beim Vergabeverfahren ermöglicht (88). Aus dem CPV ergibt sich, ob die Sonderregelung für den Auftrag gilt und ob der Auftrag Organisationen vorbehalten werden kann, die eine Gemeinwohlaufgabe erfüllen (siehe Abschnitt 4.3).

Die Entscheidung über den Auftragsgegenstand ist auch wichtig, wenn es darum geht, die relevanten Möglichkeiten zur Anwendung sozialer Kriterien im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens zu ermitteln. In den Vergaberichtlinien wird klargestellt, dass öffentliche Auftraggeber während des gesamten Vergabeverfahrens soziale Kriterien anwenden können, sofern diese Kriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen (weitere Informationen hierzu siehe Textfeld oben). Die nachstehende Tabelle enthält einige Beispiele für verschiedene Auftragsarten, geltende Vorschriften und mögliche SRPP-Ansätze.

Tabelle 4.1

Beispiele für SRPP-Ansätze in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand

Auftragsgegenstand

Anwendbare Vorschriften

Beispiel für SRPP-Ansatz

Lieferung von Krankenhauskleidung (geschätzter Wert: 300 000  EUR)

Richtlinie 2014/24/EU (vollständig abgedeckt)

Ausschluss- und Auswahlkriterien zur Gewährleistung ethischer Arbeitspraktiken entlang der Lieferkette,

die Zuschlagskriterien umfassen einen Verweis auf Gütezeichen Dritter, mit denen eine ethisch vertretbare Produktion zertifiziert wird,

durch Vertragsklauseln werden die Verpflichtungen gestärkt und es wird die Überwachung der Lieferkette ermöglicht,

in den technischen Spezifikationen wird Barrierefreiheit und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen gefordert.

Betreuungsdienste für schutzbedürftige Jugendliche (geschätzter Wert: 1 Mio. EUR)

Richtlinie 2014/24/EU (Sonderregelung)

vorherige Marktkonsultation zur Entscheidung über die effektivste Art der Dienstleistungserbringung,

Konsultation von Nutzern und Sachverständigen zur Ermittlung des Nutzerbedarfs, auch in Bezug auf Barrierefreiheit,

der Auftrag kann Organisationen vorbehalten werden, die eine Gemeinwohlaufgabe erfüllen (vorbehaltene Aufträge für soziale Dienste),

die Zuschlagskriterien konzentrieren sich auf Qualität und soziale Inklusion (z. B. Priorisierung von behindertengerechten Merkmalen und Elementen der Barrierefreiheit),

durch Vertragsklauseln können Zahlungen an Ergebnisse, z. B. definierte positive Ergebnisse für Jugendliche, geknüpft werden.

Öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) zur Entwicklung eines städtischen Gebiets einschließlich Sozialwohnungen und gemeindenaher Dienstleistungen (geschätzter Wert: 25 Mio. EUR)

Richtlinie 2014/23/EU (Konzessionsrichtlinie)

Zu den Auswahlkriterien gehören Erfahrungen mit der sozial integrativen Durchführung von Projekten,

die technischen Spezifikationen müssen Barrierefreiheitskriterien für alle Gebäude, öffentlichen Bereiche und Einrichtungen enthalten,

die Vertragsklauseln umfassen die Einstellung und Ausbildung einer bestimmten Zahl benachteiligter Arbeitnehmer.

Während die obige Tabelle nur eine kleine Auswahl der Auftragsarten enthält, bei denen soziale Erwägungen im Vordergrund stehen können, zeigt sie doch die Bandbreite der nach EU-Recht verfügbaren Ansätze. Die oben skizzierten SRPP-Ansätze stehen allesamt mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung. Einige Beispiele für Ansätze, die nicht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, sind folgende:

die Anforderung, dass die Bieter für alle ihre Produkte (einschließlich derjenigen, die nicht unter die Beschaffung fallen) über Gütezeichen/Zertifizierungen Dritter verfügen oder durchgehend benachteiligte Arbeitnehmer einstellen müssen (d. h. nicht nur für den jeweiligen Auftrag),

die Vergabe zusätzlicher Punkte an Bieter, die bereit sind, eine Wohltätigkeitsspende zu leisten oder ein Projekt zu unterstützen, das in keinem Zusammenhang mit dem zu vergebenden Auftrag steht,

die Anforderung, dass die Bieter eine allgemeine Politik der sozialen Unternehmensverantwortung verfolgen, statt spezifischer Anforderungen an die Art und Weise, wie sie den Auftrag ausführen.

Das dritte Beispiel wird durch Erwägungsgrund 97 der Richtlinie 2014/24/EU und Erwägungsgrund 102 der Richtlinie 2014/25/EU gestützt. Anstatt eine unternehmensweite Politik vorzuschreiben, sollten Sie sich auf die spezifischen Aspekte der sozialen Verantwortung konzentrieren, die im Rahmen des Auftrags angegangen werden sollen. In einigen Fällen kann eine Politik der sozialen Unternehmensverantwortung (teilweise) als Nachweis in Bezug auf eine bestimmte Anforderung dienen. Wenn beispielsweise Ihr Vertrag Bedingungen zum Schutz von Hinweisgebern entlang der Lieferkette enthält, können die Bieter auf ihre allgemeine Strategie für die Meldung von Missständen sowie auf etwaige spezifische Maßnahmen hinweisen, die für den Auftrag zu ergreifen sind.

4.2   Die Sonderregelung

Bei der Reform der Vergaberichtlinien im Jahr 2014 wurde anerkannt, dass für bestimmte Dienstleistungen – insbesondere in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Bildung und Gemeinwesen – gesonderte Vorschriften gelten sollten. Ihrer Natur nach sind diese Dienstleistungen im Allgemeinen von begrenztem grenzüberschreitendem Interesse und werden zudem in der EU unterschiedlich organisiert und spiegeln unterschiedliche kulturelle Traditionen wider. Aus diesen Gründen wurde die Sonderregelung eingeführt, die einzigartige Möglichkeiten für die SRPP bietet.

Freiwilliger europäischer Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen

Im Jahr 2010 wurde der freiwillige europäische Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen verabschiedet. Der Rahmen umfasst Qualitätsgrundsätze für Sozialdienstleistungen sowie operative Kriterien zur Unterstützung der Umsetzung und Überwachung. Er gilt sowohl für öffentliche Auftraggeber, die für Sozialdienstleistungen zuständig sind, als auch für Dienstleister und deren Beschäftigte.

Die übergreifenden Qualitätsgrundsätze sehen vor, dass Sozialdienstleistungen verfügbar, zugänglich, bezahlbar, personenzentriert, umfassend, kontinuierlich und ergebnisorientiert sein sollten. Jeder dieser Grundsätze wird in dem Rahmen näher erläutert.

Die Grundsätze und Kriterien sind besonders relevant für Dienstleistungen, die unter die Sonderregelung fallen. Sie können beispielsweise dazu beitragen, die Konsultation und Mitwirkung der Nutzer bei der Planung und Vergabe von Dienstleistungen zu strukturieren. Der vollständige Rahmen ist hier abrufbar.

Die Sonderregelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen (89) sieht einen höheren Schwellenwert für die Anwendung der EU-Vorschriften für diese Dienstleistungen vor und ermöglicht es den Mitgliedstaaten, nationale Vorschriften für die Vergabe solcher Dienstleistungen einzuführen. Aufgrund des großen Ermessensspielraums, der den Mitgliedstaaten in diesem Bereich eingeräumt wird, können die Verfahrensvorschriften für soziale und andere besondere Dienstleistungen in der EU sehr unterschiedlich sein. Nach EU-Recht gelten nach wie vor nur die im Vertrag verankerten Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung sowie die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Bekanntmachung über den Auftrag und seine Vergabe.

Im Rahmen dieser Grundprinzipien ist es möglich, für unter die Sonderregelung fallende Aufträge Vergabeverfahren anzuwenden, die flexibler sind als die Verfahren für vollständig abgedeckte Aufträge. Beispielsweise können Nutzer und potenzielle Dienstleister enger in die Gestaltung der Dienstleistung eingebunden werden, und es können Verhandlungen über verschiedene Aspekte wie Qualität, Abdeckung und Personalausstattung geführt werden. Es ist auch möglich, Verfahren anzuwenden, die sich auf die in den Vergaberichtlinien festgelegten Verfahren stützen, jedoch mit spezifischen Anpassungen, die sie für die von Ihnen beschafften Dienstleistungen geeigneter machen (90). So können Sie z. B. vor der Veröffentlichung der Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. der Beschreibung Dialogtreffen mit den Bietern abhalten oder die Fristen oder die Zahl der Bieter, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen, anpassen.

Weitere Beispiele, wie die Sonderregelung in der nationalen Praxis angewandt wird, finden Sie in den Kästen zu diesem Abschnitt.

Beispiele für nationale Rechtsvorschriften/Leitlinien zur Sonderregelung: Frankreich und Schottland

Im Jahr 2019 veröffentlichten drei französische Ministerien gemeinsam eine aktualisierte Version des Leitfadens zu sozialen Aspekten der Beschaffung. Darin spiegeln sich die Vergaberichtlinien wider, wie sie mit Dekret Nr. 2016-360 vom 25. März 2016 in französisches Recht umgesetzt wurden.

Neben vielen anderen Themen befasst sich der Leitfaden mit der Anwendung des „angepassten Verfahrens“, das gemäß den Artikeln 27 und 28 des Dekrets für soziale und andere besondere Dienstleistungen genutzt werden kann. Es werden Wege vorgeschlagen, wie dieses Verfahren genutzt werden kann, um soziale Ziele wie die Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Zum Beispiel können Bieter Varianten anbieten, um verschiedene Möglichkeiten zur Erreichung der sozialen Ziele vorzuschlagen.

In dem Leitfaden wird ferner betont, dass es im angepassten Verfahren nicht erlaubt ist, Aufträge für ein bestimmtes Unternehmen zu „reservieren“, dass aber gegebenenfalls Vorbehalte genutzt werden dürfen.

Die französische Direction des affaires Juridiques (Direktion für Rechtsangelegenheiten) hat ebenfalls einen Leitfaden für die Anwendung des angepassten Verfahrens veröffentlicht, in dem hervorgehoben wird, dass die Anwendung dieses Verfahrens eine stärkere Beteiligung von KMU und anderen „alternativen“ Bietern ermöglichen dürfte.

In Schottland wurden spezifische Leitlinien für die Beschaffung von Pflege- und Unterstützungsleistungen im Rahmen der Sonderregelung ausgearbeitet. Darin werden bewährte Verfahren in Bezug auf die Einbeziehung von Dienstleistungsnutzern und Pflegedienstleistern, die Planung der Auftragsvergabe, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Anforderungen an die Gemeinnützigkeit, sowie die Verwaltung von Verträgen nach ihrer Vergabe dargelegt. Die Leitlinien enthalten Beispiele dafür, wie die Kontinuität und Qualität der Dienstleistungen in jeder Phase des Beschaffungsprozesses gewahrt werden können.

Bei einer erheblichen Anzahl von Diensten, die unter die Sonderregelung fallen, handelt es sich um Dienstleistungen an der Person. Als solche wirken sie sich maßgeblich auf das Wohlergehen der Menschen aus, die sie erhalten, und erfordern arbeitsintensive Tätigkeiten. In den EU-Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge wird anerkannt, wie wichtig es ist, bei der Beschaffung dieser Dienstleistungen eine Reihe qualitativer Aspekte und Erwägungen zu berücksichtigen. Aus diesem Grund muss durch nationale Vorschriften für Aufträge im Rahmen der Sonderregelung sichergestellt werden, dass öffentliche Auftraggeber Folgendes berücksichtigen können: Qualität, Kontinuität, Zugänglichkeit, Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit und Umfang der Dienstleistungen, die besonderen Bedürfnisse der verschiedenen Nutzerkategorien, einschließlich benachteiligter und schutzbedürftiger Gruppen, die Einbeziehung und Befähigung der Nutzer, Innnovation. Die nationalen Vorschriften können auch vorsehen, dass die Zuschlagskriterien für solche Aufträge auch die Qualität und Nachhaltigkeit der Dienstleistungen umfassen.

Es sei daran erinnert, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, die Erbringung einer Dienstleistung, einschließlich sozialer Dienstleistungen, zu organisieren. Einige fallen überhaupt nicht unter die Vergabevorschriften. Beispiel:

Sie können eine Finanzhilfe an eine oder mehrere Gemeindeeinrichtungen vergeben (91),

Ihre Organisation kann beschließen, die Dienstleistung mit eigenen Mitteln zu erbringen,

Ihre Organisation kann einen internen Anbieter in Anspruch nehmen oder mit anderen öffentlichen Auftraggebern zusammenarbeiten, um die Dienstleistung zu erbringen (92).

In Fällen, in denen die Gefahr besteht, dass einem Unternehmen ein selektiver Vorteil gewährt wird, müssen die Vorschriften über staatliche Beihilfen in den Artikeln 107 und 108 des Vertrags beachtet werden (93).

Eine vollständige Liste der Dienstleistungen, die unter die Sonderregelung fallen, ist in den Vergaberichtlinien (94) enthalten; auf der nächsten Seite finden Sie eine Auswahl derjenigen, die für das SRPP am relevantesten sind. Die fett gedruckten Dienstleistungen können Organisationen vorbehalten werden, die eine Gemeinwohlaufgabe erfüllen (siehe Abschnitt 4.3).

Bewährte Verfahren

Berücksichtigen Sie bei der Definition des Auftragsgegenstands, welche rechtlichen Regelungen sich daraus ergeben, z. B. ob der Auftrag unter die Sonderregelung fällt.

Der Auftragsgegenstand bestimmt zusammen mit den entsprechenden CPV-Codes auch den Umfang der SRPP-Kriterien, die Sie anwenden können. Stellen Sie also sicher, dass Sie alle relevanten Aspekte einbeziehen (z. B. Entwicklung eines städtischen Gebiets einschließlich Sozialwohnungen und gemeindenaher Dienstleistungen).

Findet die Sonderregelung Anwendung, müssen Sie die nationalen Vorschriften und Leitlinien konsultieren, und Sie sollten überlegen, wie Sie das Verfahren organisieren können, um den bestmöglichen sozialen Wert zu erzielen, z. B. indem Sie die Nutzer in das Vergabeverfahren einbinden.

Beispiele für die Vergabe von Verträgen im Rahmen der Sonderregelung

Die im Amtsblatt veröffentlichten Bekanntmachungen zeigen, wie die Sonderregelung zur Erreichung sozialer Ziele eingesetzt werden kann. So entschied sich beispielsweise ein öffentlicher Auftraggeber bei einem Auftrag für „gemeinschaftliche Präventions- und Wellness-Dienstleistungen“ für ein Verhandlungsverfahren. Das Ziel war die gemeinsame Gestaltung und anschließende Realisierung eines Netzwerks von Dienstleistungen.

In der Bekanntmachung wurden die erwarteten Ergebnisse der Beschaffung angegeben, darunter:

Verbesserung der Lebensqualität des Einzelnen und der Gemeinschaften,

Verbesserung der allgemeinen Gesundheit und des Wohlergehens der Menschen von der Geburt an bis zum Ende ihres Lebens sowie Unterstützung der Menschen bei der Wahrung ihrer Unabhängigkeit,

Sicherstellung, dass die Menschen Wahlfreiheit und Kontrolle über die Dienstleistungen haben und dass die Dienstleistungen für sie zugänglich sind.

Die Zuschlagskriterien konzentrieren sich auf den sozialen Wert und andere qualitative Aspekte der Dienstleistungen.

Ein weiteres Beispiel ist eine Rahmenvereinbarung über die Erbringung von Sozialleistungen für ältere Menschen. Die Vergabe erfolgte ebenfalls im Rahmen des Verhandlungsverfahrens. Interessierte Anbieter wurden aufgefordert, Konzepte für die Unterstützung hilfebedürftiger Menschen vorzulegen, die zu Hause leben, einschließlich der Bereitstellung von Ausrüstung für die Fernunterstützung.

Die Zuschlagskriterien konzentrierten sich in erster Linie auf die Qualität der erbrachten Dienstleistungen, einschließlich des Fachwissens und der bereitgestellten Ressourcen, sowie auf die Methoden, die angewandt wurden, um es den Empfängern zu ermöglichen, im eigenen Heim wohnen zu bleiben. Insgesamt gingen vier Angebote ein, und bei dem Bieter, der den Zuschlag erhielt, handelte es sich um ein KMU.

Tabelle 4.2

Auszug aus Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU – ausgewählte Dienstleistungen, die der Sonderregelung bzw. dem Vorbehalt nach Artikel 77 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 94 der Richtlinie 2014/25/EU (fett gedruckt) unterliegen

Beschreibung

CPV-Code

Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und zugehörige Dienstleistungen

75200000-8, 75231200-6, 75231240-8, 79611000-0, 79622000-0 [Überlassung von Haushaltshilfen], 79624000-4 [Überlassung von Pflegepersonal] und 79625000-1 [Überlassung von medizinischem Personal] von 85000000-9 bis 85323000-9 [Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens], 98133100-5, 98133000-4 [Dienstleistungen sozialer Interessenverbände], 98200000-5, 98500000-8 [Privathaushalte mit Hausangestellten] und 98513000-2 bis 98514000-9 [Bereitstellung von Arbeitskräften für private Haushalte, Vermittlung von Arbeitskräften für private Haushalte, Bereitstellung von Bürokräften für private Haushalte, Bereitstellung von Zeitarbeitskräften für private Haushalte, Dienstleistungen von Haushaltshilfen und Haushaltungsdienste].

Administrative Dienstleistungen im Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und kulturellen Bereich

85321000-5 und 85322000-2, 75000000-6 [Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung], 75121000-0 [Administrative Dienste im Bildungswesen], 75122000-7 [Administrative Dienste im Gesundheitswesen], 75124000-1, von 79995000-5 bis 79995200-7, von 80000000-4 [Allgemeine und berufliche Bildung] bis 80660000-8 einschließlich 80110000-8 [Vorschulunterricht], 80300000-7 [Dienstleistungen von Hochschulen], 80420000-4 [E-Learning], 80430000-7 [Erwachsenenbildung auf Hochschulebene], 80511000-9 [Ausbildung], 80520000-5 [Ausbildungseinrichtungen] und 80590000-6 [Tutorendienste], von 92000000-1 bis 92700000-8 einschließlich 92500000-6 [Dienstleistungen von Bibliotheken, Archiven, Museen und anderen kulturellen Einrichtungen], 92600000-7 [Dienstleistungen im Sport], 79950000-8 [Veranstaltung von Ausstellungen, Messen und Kongressen], 79951000-5 [Veranstaltung von Seminaren], 79952000-2 [Event-Organisation], 79952100-3 [Organisation von Kulturveranstaltungen], 79953000-9 [Organisation von Festivals], 79954000-6 [Organisation von Parties], 79955000-3 [Organisation von Modenschauen], 79956000-0 [Organisation von Messen und Ausstellungen].

Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung  (95)

75300000-9.

Beihilfen, Unterstützungsleistungen und Zuwendungen

75310000-2, 75311000-9, 75312000-6, 75313000-3, 75313100-4, 75314000-0, 75320000-5, 75330000-8, 75340000-1.

Sonstige gemeinschaftliche, soziale und persönliche Dienstleistungen, einschließlich Dienstleistungen von Gewerkschaften, von politischen Organisationen, von Jugendverbänden und von sonstigen Organisationen und Vereinen

98000000-3, 98120000-0, 98132000-7, 98133110-8 [Dienstleistungen von Jugendverbänden] und 98130000-3.

Dienstleistungen von religiösen Vereinigungen

98131000-0.

Sonstige Dienstleistungen der Verwaltung und für die öffentliche Verwaltung

75100000-7 bis 75120000-3, 75123000-4 [Administrative Dienste im Wohnungswesen], 75125000-8 bis 75131000-3.

Kommunale Dienstleistungen

75200000-8 bis 75231000-4.

Dienstleistungen für Haftanstalten, Dienstleistungen im Bereich öffentliche Sicherheit und Rettungsdienste, sofern sie nicht nach Artikel 10 Buchstabe h ausgeschlossen sind

75231210-9 bis 75231230-5, 75240000-0 bis 75252000-7, 794300000-7, 98113100-9.

Internationale Dienstleistungen

98900000-2 [Von extraterritorialen Organisationen und Körperschaften erbrachte Leistungen] und 98910000-5 [Dienstleistungen von internationalen Organisationen und Körperschaften].

4.3   Vorbehalte

In vielen EU-Mitgliedstaaten spielen geschützte Werkstätten und Programme für geschützte Beschäftigungsverhältnisse eine wichtige Rolle bei der Integration von Menschen mit Behinderungen oder anderweitig benachteiligten Menschen in den Arbeitsmarkt. Diese Werkstätten erbringen häufig Dienstleistungen, die von öffentlichen Auftraggebern benötigt werden, z. B. Wartung und Reparatur, Lagerung oder Produktion und Montage. Darüber hinaus gibt es Programme für geschützte Beschäftigungsverhältnisse in Unternehmen, die in einer Vielzahl von Bereichen tätig sind, z. B. im Tourismus oder in der Informationstechnologie. Diese Werkstätten und Programme bieten Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen oder andere benachteiligte Personen.

Gemäß den Vergaberichtlinien (96) können die Mitgliedstaaten das Recht zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren geschützten Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmern vorbehalten, deren Hauptziel die gesellschaftliche und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Personen ist. Es ist auch möglich, die Ausführung von Verträgen im Rahmen strukturierter und stabiler Programme für geschützte Beschäftigungsverhältnisse vorzusehen. Um von dem Vorbehalt Gebrauch machen zu können, müssen mindestens 30 % der Arbeitskräfte dieser Werkstätten, Wirtschaftsteilnehmer oder Programme Menschen mit Behinderungen oder Personen aus benachteiligten Gruppen sein. Es ist auch möglich, ihnen nur bestimmte Lose eines Auftrags vorzubehalten.

Was ist unter einer Person mit Behinderungen oder einer benachteiligten Person zu verstehen? Während die genaue Definition von dem (den) Mitgliedstaat(en) abhängt, der (die) beschlossen hat (haben), im Rahmen der EU-Bestimmungen zu vorbehaltenen Verträgen tätig zu werden, und sich daher im nationalen Recht widerspiegeln wird, werden im nachstehenden Textfeld typische Kategorien von Personen aufgeführt, die unter diese Rubriken fallen können (97). Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Kategorien von Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Arbeitnehmern nicht gegenseitig ausschließen.

Wer sind Menschen mit Behinderungen und benachteiligte Personen?

Laut der VN-Behindertenrechtskonvention zählen zu den Menschen mit Behinderungen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige Beeinträchtigungen oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Hindernissen an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.

Die Behinderung(en) wird/werden dann offiziell anerkannt, wenn die entsprechende Person

a)

gemäß dem nationalen Rechtsrahmen als behindert anerkannt ist oder

b)

sie einen EU-Behindertenausweis besitzt.

Zu den benachteiligten Personen zählen Personen, die in eine oder mehrere der folgenden Kategorien fallen:

a)

Langzeitarbeitslose (der Zeitraum kann unterschiedlich lang sein, z. B. Personen, die in den vorangegangenen 6 bis 24 Monaten keiner regulären bezahlten Beschäftigung nachgegangen sind),

b)

Jugendliche (z. B. zwischen 15 und 24 Jahren),

c)

Personen, die über keinen Abschluss der Sekundarstufe II beziehungsweise keinen Berufsabschluss verfügen (Internationale Standardklassifikation für das Bildungswesen 3) oder die innerhalb der letzten zwei Jahre eine Vollzeit-Bildungsmaßnahme abgeschlossen und noch keine reguläre bezahlte Erstanstellung gefunden haben,

d)

Personen, die älter als 50 Jahre sind,

e)

allein lebende Erwachsene, die mindestens einer Person unterhaltsverpflichtet sind,

f)

Personen, die in einem Wirtschaftszweig oder einem Beruf in einem Mitgliedstaat arbeiten, wo das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen höher ist (z. B. 25 %) als das durchschnittliche Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen, das in dem betreffenden Mitgliedstaat in allen Wirtschaftszweigen insgesamt verzeichnet wird, und zu der unterrepräsentierten Geschlechtergruppe gehören,

g)

Personen, die einer ethnischen Minderheit in einem Mitgliedstaat angehören und/oder ihre sprachlichen oder beruflichen Fertigkeiten ausbauen oder mehr Berufserfahrung sammeln müssen, damit sie bessere Aussichten auf eine dauerhafte Beschäftigung haben,

h)

Personen, die als armutsgefährdet oder als stark beteiligt gelten können (z. B. Menschen, die unter materieller Entbehrung leiden, Personen, die in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsintensität leben, Obdachlose usw.),

i)

Personen in anderen Umständen, die zu einer prekären Situation führen (z. B. häusliche Gewalt, Suchtkranke usw.).

Zusätzlich zu der vorstehend erläuterten allgemeinen Bestimmung zu Vorbehalten steht den Mitgliedstaaten für bestimmte Dienstleistungen, die unter die Sonderregelung fallen, ein gesonderter Vorbehalt zur Verfügung (98). Dieser Vorbehalt kann insbesondere für Organisationen angewandt werden, die eine Gemeinwohlaufgabe erfüllen, die an den vergebenen Auftrag geknüpft ist, z. B. für eine gemeinnützige Stiftung, die die Alphabetisierung fördert und ein Angebot für die Bereitstellung von Alphabetisierungskursen für Erwachsene einreichen möchte. Die Teilnahme an einer Ausschreibung kann solchen Organisationen vorbehalten werden, wenn sie eine Reihe von Bedingungen in Bezug auf ihre Ziele, die Reinvestition von Gewinnen, die Eigenverantwortung der Arbeitnehmer oder partizipative Unternehmensführung erfüllen (99). Zu den Organisationen, für die ein Vorbehalt angewandt werden kann, können Sozialunternehmen, arbeitnehmergeführte Gegenseitigkeitsgesellschaften und Wohltätigkeitsorganisationen zählen.

Die Liste der Dienstleistungen, für die dieser Vorbehalt angewandt werden kann, ist erschöpfend, d. h., der Vorbehalt kann nicht für andere Dienstleistungen angewandt werden. Darüber hinaus darf eine Organisation, die einen Auftrag unter diesem Vorbehalt erhält, in den vorangegangenen drei Jahren keinen Auftrag für dieselben Dienstleistungen von demselben öffentlichen Auftraggeber unter dem Vorbehalt erhalten haben. Hat eine Organisation innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren einen Auftrag für die betreffenden Dienstleistungen von demselben öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer nichtvorbehaltenen Beschaffung erhalten, gilt diese Einschränkung nicht. Schließlich beträgt die maximale Laufzeit der unter dem Vorbehalt vergebenen Aufträge drei Jahre.

Durch diese Vorschriften soll sichergestellt werden, dass der Vorbehalt den Wettbewerb nicht in ungebührlicher Weise verzerrt. Es sei daran zu erinnern, dass die Verwendung von Vorbehalten fakultativ ist. Die Tatsache, dass eine bestimmte Dienstleistung zu den Dienstleistungen zählt, für die ein Vorbehalt möglich ist, hindert Sie nicht daran, einen Auftrag für diese Dienstleistung im Rahmen eines nichtvorbehaltenen Verfahrens nach der Sonderregelung zu vergeben.

Vorbehaltene Ausschreibung für die Lebensmittelverarbeitung in Vendée (Frankreich)

Beschaffungsziel

Im Jahr 2011 vergab das Département Vendée einen Auftrag für den Betrieb eines Konsolidierungszentrums für biologische landwirtschaftliche Produkte an ein Sozialunternehmen, das mit Menschen mit Behinderungen arbeitet. Das Zentrum unterstützt die Lagerung, Verarbeitung, Verpackung und Lieferung von Mahlzeiten an Sekundarschulen. Ziel war es, nachhaltige, hochwertige Produkte zu geringeren Kosten zu beschaffen und den Zugang zu lokalen Erzeugern zu erleichtern.

Ansatz

Der Auftrag wurde im Rahmen einer vorbehaltenen Ausschreibung vergeben. Den Zuschlag erhielt die Organisation ADAPEI-ARIA 85. Dieses Sozialunternehmen arbeitet mit Menschen mit Behinderungen und bietet ihnen nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern auch medizinische und soziale Unterstützung. Insgesamt sind mehr als 1 400 Personen bei der Organisation beschäftigt. Zur gemeinsamen Beschaffung von Nahrungsmitteln wurde eine Auftraggebergruppe gegründet, um die Nutzung des Konsolidierungszentrums zu fördern. Der Vertrag über den Betrieb des Konsolidierungszentrums wurde 2015 verlängert.

Ergebnisse

Durch die Vergabe eines vorbehaltenen Auftrags an ein Sozialunternehmen, das mit Menschen mit Behinderungen arbeitet, stellte das Département Vendée positive soziale Auswirkungen sowie die Verwendung lokal erzeugter Bio-Lebensmittel sicher. Jährlich werden mehr als 1 800 000 Mahlzeiten an 31 Sekundarschulen geliefert.

Erkenntnisse

Dies war ein erfolgreiches Modell für die Festlegung eines gemeinsamen und globalen Beschaffungskonzepts für den Lebensmittelbereich und den Catering-Sektor, das die drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung – Umwelt, Soziales und Wirtschaft – abdeckt. Durch die Vergabe eines vorbehaltenen Auftrags an ein Sozialunternehmen wurde der Bedarf der Anbieter von Agrarnahrungsmittel-Dienstleistungen effektiv an den Versorgungsbedarf verschiedener Abnehmer geknüpft. Das Département Vendée erwägt nun, das Programm auf andere Abnehmer (Altenheime, Schulen, Gemeinden) auszuweiten und möglicherweise einen ähnlichen Ansatz für Fisch zu verfolgen. Entsprechende Maßnahmen zur Einbeziehung des Marktes laufen derzeit.

Bewährte Verfahren

Aufträge für den Wettbewerb durch Organisationen oder Programme mit einem sozialen Zweck vorzubehalten kann ein effektiver Weg sein, um durch die Beschaffung einen sozialen Mehrwert zu erzielen.

Marktkonsultationen können dazu beitragen, einschlägige Organisationen zu ermitteln, die die in den Bestimmungen über vorbehaltene Aufträge festgelegten Kriterien erfüllen, sowie deren Fähigkeit, Aufträge auszuführen (siehe Abschnitt 2.3 „Konsultation der Interessenträger“).

Wenn Sozialunternehmen nicht in der Lage sind, sich allein um vorbehaltene Aufträge zu bewerben, sollten Sie überlegen, ob Sie den Auftrag in Lose aufteilen oder ob Partnerschaften oder Konsortien gebildet werden können, um die Anforderungen zu erfüllen. Bitte beachten Sie, dass es möglich ist, bestimmte Lose innerhalb eines größeren Auftrags für die Ausführung durch Sozialunternehmen vorzubehalten.

4.4   Technische Spezifikationen

Sobald Sie den Auftragsgegenstand definiert haben, müssen entsprechende detailliertere Anforderungen ausgearbeitet werden. Durch technische Spezifikationen weiß der Markt genau, was Sie zu beschaffen gedenken. Die Spezifikationen können auch soziale Aspekte umfassen, wenn dies ein wesentlicher Bestandteil des Auftrags ist. Angebote, die nicht den technischen Spezifikationen entsprechen, müssen abgelehnt werden (100). Demnach ist es wichtig, nur grundlegende Anforderungen aufzunehmen (101). Die Präferenzen sollten sich in den Zuschlagskriterien widerspiegeln, wie in Abschnitt 4.7 erörtert.

Verbindung mit dem Auftragsgegenstand und technische Spezifikationen

Gemäß den Vergaberichtlinien kann in den technischen Spezifikationen auf den spezifischen Prozess bzw. die spezifische Methode zur Erzeugung oder Erbringung der angeforderten Bau- oder Dienstleistungen oder auf einen konkreten Prozess in einer späteren Phase ihres Lebenszyklus Bezug genommen werden kann. Dies gilt auch, wenn diese Elemente kein materieller Bestandteil der Beschaffung sind, sofern sie in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Zielen verhältnismäßig sind.

Dies bedeutet, dass sich nicht alle Spezifikationen auf Faktoren beziehen müssen, die im Endprodukt oder der Dienstleistung sichtbar oder wahrnehmbar sind. So können beispielsweise Textilien, die mit giftigen Farbstoffen hergestellt werden (die eine ernste Gefahr für die Gesundheit der Arbeitnehmer darstellen) mit denjenigen identisch sein, die auf sichere Weise hergestellt werden.

In den technischen Spezifikationen können Sie die Verwendung ungiftiger Farbstoffe in den jeweiligen Produkten, die beschafft werden, verlangen. Allgemeinere Anforderungen an die Sicherheit der Arbeitnehmer können Teil von Auswahlkriterien und/oder Auftragsausführungsklauseln sein.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Spezifikationen zu formulieren: auf der Grundlage anerkannter europäischer, internationaler oder nationaler Normen, von Leistungs- oder Funktionsanforderungen oder einer Kombination dieser Ansätze. Leistungsbezogene Spezifikationen können für Dienste, einschließlich solcher, die eine soziale Komponente aufweisen, besonders geeignet sein. Bei der Beschaffung häuslicher Pflegedienste für ältere Menschen zum Beispiel können in den Spezifikationen bestimmte Ergebnisse in Bezug auf die Unabhängigkeit und das Wohlbefinden der Dienstleistungsempfänger festgelegt werden. Diese sollten objektiv und transparent formuliert werden, damit sie von allen Bietern verstanden werden können. Auch sollten Sie Überlegungen dahin gehend anstellen, wie die Einhaltung der Vorschriften bewertet werden kann, z. B. eine Erklärung der Bieter in Bezug auf ihren Ansatz für Hausbesuche, Mitarbeiterschulungen und Qualitätskontrolle.

Eine übergeordnete Anforderung an technische Spezifikationen besteht darin, dass sie allen Bietern gleichen Zugang bieten. Deshalb müssen Sie prüfen, wie sich Ihre Anforderungen auf die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Wirtschaftsteilnehmer (darunter z. B. sozialwirtschaftliche Organisationen und Sozialunternehmen) auswirken. Eine Möglichkeit hierfür ist die Erstellung eines Entwurfs Ihrer Spezifikationen in der Phase vor der Auftragsvergabe und die Einholung von Feedback von allen interessierten Wirtschaftsteilnehmern im Rahmen einer Marktkonsultation. Dies kann dazu beitragen, dass Sie keine Elemente aufnehmen, die ein Hindernis für die Teilnahme darstellen oder einen Wirtschaftsteilnehmer in unangemessener Weise begünstigen oder benachteiligen.

Darüber hinaus kann eine Konsultation der Nutzer einen Beitrag dazu leisten, dass die Spezifikationen die tatsächlichen Bedürfnisse widerspiegeln und keine unnötigen Elemente enthalten. Beispielsweise können Bibliotheksnutzer über die Vielfalt und das Format des bereitzustellenden Materials sowie über die gewünschten Einrichtungen und Dienste beraten. Kapitel 3 befasst sich ausführlich mit der Rolle der Bedarfsermittlung und der Konsultation der Nutzer bei der SRPP.

4.4.1    Zugänglichkeitserfordernisse in technischen Spezifikationen

Artikel 42 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU lautet:

Bei jeglicher Beschaffung, die zur Nutzung durch natürliche Personen – ganz gleich, ob durch die Allgemeinheit oder das Personal des öffentlichen Auftraggebers – vorgesehen ist, werden die technischen Spezifikationen – außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen – so erstellt, dass die Zugänglichkeitskriterien für Personen mit Behinderungen oder der Konzeption für alle Nutzer berücksichtigt werden. (Artikel 60 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU in fast identischem Wortlaut: Bei jeglicher Auftragsvergabe, deren Gegenstand von natürlichen Personen – ganz gleich, ob durch die Allgemeinheit oder das Personal des Auftraggebers – genutzt werden soll, werden diese technischen Spezifikationen außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen so erstellt, dass die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder das Konzept des „Design für alle“ berücksichtigt werden) (102).

Das bedeutet, dass es für öffentliche Auftraggeber (oder Einrichtungen des Versorgungssektors) nicht optional ist, Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen bereitzustellen, die für alle Nutzer zugänglich sind, sondern dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Sie können in den aktualisierten Standardformularen spezifische fakultative Felder verwenden (für weitere Informationen zu den neuen Standardformularen siehe Abschnitt 3.6), um anzugeben, ob Sie bei Ihrer Auftragsvergabe Zugänglichkeitskriterien einführen, und wenn dies nicht der Fall ist, eine entsprechende Begründung zu liefern.

Wenn verbindliche Zugänglichkeitserfordernisse im EU-Recht festgelegt sind, muss auf diese in den technischen Spezifikationen Bezug genommen werden.

Dies ist der Fall bei der Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, bekannt als der europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, EAA), in der gemeinsame Barrierefreiheitsanforderungen festgelegt sind, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen gleichberechtigten Zugang zu Produkten und Dienstleistungen haben. Der EAA spiegelt auch die Verpflichtung aus der VN-Behindertenrechtskonvention wider, wonach die Vertragsstaaten barrierefreie Produkte, Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitstellen müssen.

Obwohl die Barrierefreiheitsanforderungen des EAA erst ab 2025 gelten (103), spricht in Anbetracht der nach den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU geltenden Verpflichtung vieles dafür, in Ausschreibungsunterlagen, die vor diesem Datum veröffentlicht werden, auf diese Anforderungen Bezug zu nehmen. Dies könnte die Einhaltung der EU-Vorschriften über technische Spezifikationen fördern und einen Beitrag dazu leisten, vollständige Barrierefreiheit ab 2025 zu gewährleisten.

Der EAA gilt für folgende Produkte und Dienstleistungen:

Computer und Betriebssysteme,

Zahlungsterminals und Geldautomaten,

Fahrausweisautomaten und Check-in-Automaten,

interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen,

Smartphones,

Fernsehgeräte für digitale Fernsehdienste,

Telefondienste und dazugehörige Geräte,

Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten wie Fernsehsendungen und damit verbundenen Verbrauchergeräten,

bestimmte Personenverkehrsdienste im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr,

Bankdienstleistungen für Verbraucher,

E-Books,

elektronischer Geschäftsverkehr (e-Commerce),

Beantwortung von an die einheitliche europäische Notrufnummer 112 gerichteten Notrufen.

Barrierefreiheitsanforderungen für Online-Beratungsdienste in Espoo, Finnland

Beschaffungsziel

Die Stadt Espoo hat eine Barrierefreiheitsanforderung in die technischen Spezifikationen ihrer Ausschreibungen für Online-Beratungsdienste aufgenommen, um die Inhalte für Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen zugänglich zu machen.

Ansatz

Der angebotene Dienst muss zugänglich sein und den Stufen „A“ und „AA“ der Leitlinien für die Zugänglichkeit von Web-Inhalten (Web Content Accessibility Guidelines, WCAG) 2.0 der Web Accessibility Initiative (Initiative für die Zugänglichkeit von Web-Inhalten, WAI) entsprechen. Diese Stufen beziehen sich unter anderem auf folgende Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen: Blindheit und Sehbehinderung, Taubheit und Hörbehinderung, Lernschwierigkeiten, kognitive Einschränkungen, eingeschränkte Mobilität, Sprachstörungen, Lichtempfindlichkeit und Kombinationen der genannten Punkte. Die Erfolgskriterien in den WCAG 2.0 sind als Aussagen definiert, die erprobt werden können und daher nicht von einzelnen Technologien abhängig sind.

Ergebnisse

Die entstandene Website hat zur Verbesserung der Zugänglichkeit der Online-Beratungsdienste der Stadt Espoo beigetragen und der Stadt dabei geholfen, Bürger mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen besser zu unterstützen.

Erkenntnisse

Die Aufnahme von Barrierefreiheitsanforderungen in Ausschreibungen erhöht die Nutzbarkeit der erbrachten Dienstleistungen und ermöglicht es den Bürgern, öffentliche Dienstleistungen optimal zu nutzen.

Quelle: Finnisches Ministerium für Wirtschaft und Beschäftigung, Guide to Socially Responsible Public Procurement (Leitfaden zur sozial verantwortlichen Vergabe öffentlicher Aufträge) (2017)

Mit den obligatorischen Barrierefreiheitsanforderungen wird dafür gesorgt, dass Produkte so gestaltet und hergestellt werden, dass Menschen mit Behinderungen sie voraussichtlich maximal nutzen, und möglichst in oder auf dem Produkt selbst mit barrierefrei zugänglichen Informationen zu ihrer Funktionsweise und Barrierefreiheitsfunktionen ausgestattet werden. Darüber hinaus enthält Anhang III des EAA Barrierefreiheitsanforderungen für die bauliche Umwelt, die von den Mitgliedstaaten angewandt werden können. Da die Verpflichtung, Barrierefreiheitsanforderungen in die technischen Spezifikationen aufzunehmen, auch für Bauaufträge gilt, kann der Anhang einen nützlichen Ausgangspunkt für Planungs- und Bauaufträge darstellen.

In den Auftragsunterlagen kann direkt auf harmonisierte Normen oder technische Spezifikationen für Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte oder Dienstleistungen verwiesen werden, die von europäischen Normungsorganisationen entwickelt wurden, einschließlich derjenigen, die im Rahmen des EAA aufgestellt wurden. Beispielsweise enthält die Norm EN 301 549 (104) Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienstleistungen und die Norm EN 17210 (105) Barrierefreiheitsanforderungen für eine Vielzahl von Gebäuden und Infrastrukturen.

Auch andere EU-Rechtsvorschriften können Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte oder Dienstleistungen vorsehen, und die Einhaltung des EAA kann dazu beitragen, die Übereinstimmung mit diesen Rechtsvorschriften zu gewährleisten.

Bewährte Verfahren

Technische Spezifikationen sollten sorgfältig ausgearbeitet werden, um alle wesentlichen sozialen Aspekte zu berücksichtigen, ohne dass unnötige Wettbewerbsbeschränkungen eingeführt werden.

Funktionale oder leistungsbezogene Spezifikationen können insbesondere für Dienstleistungsaufträge mit sozialen Aspekten geeignet sein und können etwa dazu dienen, die Ergebnisse zu definieren, die mit der Dienstleistung erzielt werden sollen.

Technische Spezifikationen können sich auf den Herstellungsprozess beziehen, der im Endprodukt nicht unbedingt offensichtlich ist. Sie müssen jedoch in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Zielen verhältnismäßig sein.

Für sämtliche Beschaffungen, die für die Nutzung durch Personen bestimmt sind, ist es zwingend erforderlich, Barrierefreiheitsanforderungen in die technischen Spezifikationen aufzunehmen. Im EAA sind einige dieser Anforderungen für eine Reihe gemeinhin beschaffter Produkte und Dienstleistungen festgelegt.

Sobald verfügbar, sollten Sie die spezifischen fakultativen Felder in den neuen Standardformularen nutzen, um anzugeben, ob Sie Barrierefreiheitskriterien angewandt haben, bzw. um zu erläutern, warum dies in hinreichend begründeten Fällen nicht möglich war.

4.5   Einhaltung von sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften und Tarifverträgen

Die Vergaberichtlinien enthalten eine Sozial- und Umweltklausel (106), wonach die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen müssen, um sicherzustellen, dass Wirtschaftsteilnehmer bei der Durchführung öffentlicher Beschaffungsaufträge „die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einhalten, die durch Rechtsvorschriften der Union, nationale Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder die internationalen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften ... festgelegt sind“.

Die internationalen Übereinkommen, auf die in dieser Bestimmung Bezug genommen wird, sind in einem Anhang (107) aufgeführt und umfassen die acht Kernübereinkommen der IAO:

Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes,

Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen,

Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit,

Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit,

Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung,

Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf,

Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit,

Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit.

Neben der allgemeinen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Einhaltung dieser Bestimmungen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge zu gewährleisten, hat diese „Sozial- und Umweltklausel“ eine Reihe spezifischerer Anwendungen. Ein nachweislicher Verstoß des Bieters gegen geltende sozial- oder arbeitsrechtliche Vorschriften oder Tarifverträge kann schwerwiegende Folgen haben, darunter:

Ablehnung des wirtschaftlich günstigsten Angebots (108);

Ausschluss vom Vergabeverfahren (109),

Ablehnung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots (110) und/oder

gemeinsame Haftung der Unterauftragnehmer und des Hauptauftragnehmers für Verstöße gegen die einschlägigen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen (111).

Die Sozial- und Umweltklausel ist ein starkes Instrument zur Unterstützung der SRPP. Die nationalen Behörden können über spezifische Maßnahmen verfügen, um die Einhaltung der in der Sozial- und Umweltklausel genannten Verpflichtungen zu gewährleisten, oder sie können auf öffentliche Auftraggeber zurückgreifen, um die Einhaltung im Einzelfall zu überprüfen. Eine Möglichkeit dazu beizutragen, dass die Sozial- und Umweltklausel auch wirklich effektiv ist, besteht darin, in den Ausschreibungsunterlagen auf spezifische sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen und Tarifverträge hinzuweisen, die für den Auftrag gelten, und die Bieter zur Bestätigung der Einhaltung aufzufordern. Zu diesem Zweck können öffentliche Auftraggeber von den Bietern Nachweise über die Einhaltung oder Eigenerklärungen verlangen. Dies sollte dann durch Vertragsklauseln verstärkt werden, die die Einhaltung der einschlägigen Verpflichtungen während der Vertragsausführung vorschreiben und mit wirksamen Überwachungsmaßnahmen einhergehen (siehe Abschnitte 5.2 und 5.4).

Die nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen müssen stets im Einklang mit dem EU-Recht und den Grundsätzen der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung stehen. Somit dürfen Anforderungen, die den Bietern auf der Grundlage von nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Tarifverträgen auferlegt werden, nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung von Bietern oder Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten führen.

Gleichermaßen dürfen Ausschreibungsanforderungen auf der Grundlage von nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Tarifverträgen nicht zu einer Diskriminierung von Bauleistungen, Lieferungen, Dienstleistungen und Wirtschaftsteilnehmern aus am WTO-Beschaffungsübereinkommen teilnehmenden Ländern oder Ländern, die ein bilaterales Abkommen mit Kapiteln über die Auftragsvergabe mit der EU geschlossen haben, führen, soweit diese unter diese Abkommen fallen.

So ist es beispielsweise nicht möglich, die Arbeitsbedingungen Ihres eigenen Landes anzuwenden, wenn ein Auftrag aus der Ferne in einem anderen Mitgliedstaat, einem am WTO-Beschaffungsübereinkommen teilnehmenden Land oder einem Land, das ein bilaterales Abkommen mit Kapiteln über die Auftragsvergabe mit der EU geschlossen hat, ausgeführt wird.

Abschnitt 5.2 enthält weitere Informationen über die Anwendung der sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie von Tarifverträgen bei öffentlichen Aufträgen.

Nutzung des Beschaffungswesens in Katalonien (Spanien) zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte in elektronischen Lieferketten

Beschaffungsziel

Der katalanische Verband der Kommunalverwaltungen (L’Associació Catalana de Municipis, ACM) vertritt mehr als 1 000 kommunale Einrichtungen bzw. 95 % der Kommunen in der Region. Er nimmt unter anderem die Aufgabe eines zentralen Auftraggebers ein, der den Bedarf bündelt und für seine Mitglieder Einsparungen auf Ebene der Verwaltung erzielt. Im Jahr 2018 wurde der ACM Partner von Electronics Watch, dessen Sozialklauseln nun in Ausschreibungen aufgenommen werden, einschließlich eines kürzlich veröffentlichten Druckerrahmens, an dem 80 Kommunen teilnehmen.

Ansatz

Durch die Klauseln von Electronics Watch werden die Auftragnehmer zur Einhaltung ihrer Sorgfaltspflicht verpflichtet, um die Transparenz in den Lieferketten zu gewährleisten, sowie dazu, mit unabhängigen Überwachungsinstanzen zusammenzuarbeiten und Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte und Sicherheitsstandards zu beheben. Sie stehen im Einklang mit der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe und entsprechen den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Die Klauseln umfassen einen Katalog von Arbeitsnormen, worin sowohl auf nationale Rechtsvorschriften als auch auf die grundlegenden IAO-Übereinkommen Bezug genommen wird.

Ergebnisse

Das erste Ersuchen um Offenlegung traf bei den Auftragnehmern auf positive Reaktion. Die Auftragnehmer lieferten detaillierte Lieferketteninformationen zu spezifischen Produktmodellen und Produktionsstandorten, die im Rahmen des Vertrags verwendet wurden. Auf der Grundlage der bestehenden Überwachungsergebnisse für diese Modelle und Standorte konnte Electronics Watch eine Risikobewertung für den ACM erstellen. Die Angaben eines Anbieters trugen zur Stärkung des laufenden Prozesses des Engagements in einer Druckerei in Südasien bei. Auf der Grundlage der Angaben zum Produktionsstandort wird ein Überwachungsplan umgesetzt werden, bei dem das Fachwissen vor Ort zur Überwachung der Arbeitnehmerrechte genutzt wird. Der ACM plant bereits, die Vertragsbedingungen von Electronics Watch in zwei weitere Rahmenvereinbarungen (im Bereich IT und für die Videoübertragung von Plenarsitzungen) aufzunehmen.

Erkenntnisse

Es besteht die Notwendigkeit für die Industrie, die Transparenz in der Lieferkette weiter auszubauen. Dies gilt sowohl für Wiederverkäufer als auch für Marken und deren Anbieter. Derzeit ist die Offenlegung von Informationen auf Komponentenebene für die Industrie noch eine Herausforderung, doch sie ist von grundlegender Bedeutung für die Gewährleistung der Transparenz in der Lieferkette, die nach Maßgabe der Vergaberichtlinien in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand steht. Wenn mehr öffentliche Auftraggeber die Offenlegung der Produktionsstandorte fordern, wird das dazu beitragen, dies als gängige Praxis in der Industrie zu etablieren.

4.6   Ausschluss- und Auswahlkriterien

4.6.1    Ausschlussgründe

In den Vergaberichtlinien wird anerkannt, dass bestimmte Wirtschaftsteilnehmer mit kriminellen oder unethischen Praktiken nicht in der Lage sein sollten, öffentliche Aufträge zu erhalten. In den Richtlinien wird ferner anerkannt, dass dokumentierte Verstöße gegen die Unternehmensverantwortung oder schlechte Leistungen in der Vergangenheit Gründe für einen Ausschluss sein können. Die Gründe für einen Ausschluss sind in zwei Kategorien unterteilt: zwingende Gründe (bei allen Ausschreibungen anzuwenden) und Ermessensgründe (die Anwendung liegt im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers oder ist womöglich nach nationalem Recht verbindlich vorgeschrieben). In der nachstehenden Tabelle sind die zwingenden Gründe und die Ermessensgründe für einen Ausschluss aufgeführt, die für die SRPP am relevantesten sind. Weitere Gründe sind in den Vergaberichtlinien (112) aufgeführt.

Tabelle 4.3

Ausschlussgründe im Zusammenhang mit der SRPP

Zwingende Gründe für den Ausschluss  (113)

Ermessensgründe für den Ausschluss  (114)

Rechtskräftige Verurteilung wegen Kinderarbeit oder anderer Formen des Menschenhandels

Verstoß gegen die Verpflichtungen zur Entrichtung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen – auf geeignete Weise nachgewiesen

Verstoß gegen geltende Verpflichtungen aus der Sozial- und Umweltklausel, d. h. gegen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen gemäß EU-Recht, nationalem Recht, Tarifverträgen oder IAO-Kernübereinkommen

Verstoß gegen die Verpflichtungen zur Entrichtung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen – durch eine endgültige und verbindliche Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung festgestellt

schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit, die die Integrität in Frage stellt

erhebliche oder dauerhafte Mängel bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren Auftrags

schwerwiegende Täuschung oder Unvermögen, zusätzliche Unterlagen einzureichen

Alle Bieter müssen aufgefordert werden zu bestätigen, dass sie keinen der Tatbestände erfüllen, die Grund für einen zwingenden oder ermessensabhängigen Ausschluss geben. Der vorläufige Konformitätsnachweis wird mit der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (European Single Procurement Document, ESPD) erbracht oder kann in Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelvertrag durch eine andere Form der Eigenerklärung erbracht werden, sie können die Bieter jedoch jederzeit auffordern, zusätzliche Unterlagen beizubringen, wenn dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist (115).

Bei den zwingenden Ausschlussgründen beträgt der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses fünf Jahre ab dem Datum der rechtskräftigen Verurteilung, es sei denn, im Urteil wurde ein längerer Zeitraum festgelegt. Bei den Ermessensgründen beträgt der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis (116). In beiden Fällen kann der Bieter versuchen, seine Zuverlässigkeit trotz des Vorliegens eines oder mehrerer Ausschlussgründe nachzuweisen („Selbstreinigung“). Dabei muss er belegen, welche konkreten Maßnahmen ergriffen wurden, um die strafrechtlichen Verstöße oder Verfehlungen abzustellen und weitere Verstöße oder Verfehlungen zu verhindern, z. B. Zahlung von Schadensersatz für entstandene Schäden, aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen (117).

Es obliegt dem öffentlichen Auftraggeber, diese Maßnahmen zu bewerten und zu entscheiden, ob sie ausreichen, um dem Bieter die Teilnahme am Verfahren zu ermöglichen. Falls nicht, muss dem Bieter eine Begründung für die Entscheidung über die Verweigerung der Teilnahme geliefert werden.

Bekämpfung von Kinderarbeit in Lieferketten – französische und niederländische Rechtsvorschriften

Unternehmen, die wegen strafrechtlicher Verstöße im Zusammenhang mit Kinderarbeit oder Menschenhandel verurteilt wurden, müssen von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Da solche Verstöße häufig in komplexen Lieferketten auftreten, kann es schwierig sein, verlässliche Informationen über sie zu erhalten. Sowohl Frankreich als auch die Niederlande haben Rechtsvorschriften zur Sorgfaltspflicht erlassen, mit denen Unternehmen verpflichtet werden festzustellen, ob in ihren Lieferketten Risiken von Kinderarbeit bestehen, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen und über diese Maßnahmen öffentlich Bericht zu erstatten.

Unterliegen die Bieter bei einem Auftrag diesen Rechtsvorschriften, kann die Nichteinhaltung der Sorgfaltspflicht zu einem Ausschluss nach Artikel 57 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU (Verstoß gegen die geltenden Verpflichtungen aus der Sozial- und Umweltklausel) führen. Dies trifft nicht zu, wenn die Rechtsvorschriften zur Sorgfaltspflicht auf einen Bieter nicht anwendbar sind, beispielsweise aufgrund des Standorts seines Hauptsitzes oder der Zahl der Beschäftigten.

4.6.2   Auswahlkriterien (118)

Während sich die Ausschlusskriterien auf negative Faktoren konzentrieren, die Sie daran hindern, einen Auftrag an einen Bieter zu vergeben, können die Auswahlkriterien Ihnen dabei helfen, die Bieter zu ermitteln, die am besten in der Lage sind, die sozialen Aspekte Ihres Auftrags zu erfüllen. Insbesondere die Festlegung geeigneter Auswahlkriterien auf der Grundlage der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit, der technischen und personellen Ressourcen und der Erfahrung kann zur Umsetzung der SRPP beitragen. Zugleich kann durch diese Kriterien dafür gesorgt werden, dass ein breites Spektrum von Organisationen sich für Ihren Auftrag bewerben kann.

Einige Beispiele für Auswahlkriterien, die zur SRPP beitragen können:

Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit (z. B. Umsatz, Rentabilität), die auf das Maß beschränkt sind, das erforderlich ist, um sicherzustellen, dass der Bieter in der Lage ist, den Auftrag auszuführen, und durch die die Teilnahme von sozialwirtschaftlichen Organisationen, Sozialunternehmen, gemeinnützigen Organisationen und Gemeindeeinrichtungen nicht eingeschränkt wird,

Kriterien, die nachweisbare spezifische Erfahrung und Fachkenntnisse von Organisationen und/oder deren Teams im Umgang mit sozialen Fragen erfordern, die für Ihren Auftrag relevant sind, z. B. Zugänglichkeit, Gleichstellung der Geschlechter und Nichtdiskriminierung,

technische Leistungsfähigkeit zur Überwachung der Arbeitspraktiken entlang der Lieferkette (119), einschließlich Managementsysteme und Partnerschaften mit anderen Organisationen und/oder

ein Nachweis über den erfolgreichen Abschluss früherer Aufträge mit ähnlichen sozialen Anforderungen, z. B. Beschäftigungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Auszubildende oder benachteiligte Arbeitnehmer.

Verbindung mit dem Auftragsgegenstand und Verhältnismäßigkeit der Auswahlkriterien

Alle Auswahlkriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das bedeutet, dass Sie bei der Festlegung der Auswahlkriterien nicht pauschal vorgehen, sondern prüfen sollten, ob die Kriterien zur Erreichung Ihrer Ziele (einschließlich der SRPP-Ziele) geeignet sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.

Wenn Sie beispielsweise Nachweise für Maßnahmen des Lieferkettenmanagements fordern, können Sie nicht verlangen, dass diese über den Umfang ihrer Beschaffung hinausgehen (z. B. den gesamten Betrieb eines Unternehmens umfassen). Ferner sollten Sie vermeiden, zu umfangreiche oder zu restriktive Anforderungen an die Vorerfahrung zu stellen – bedenken Sie, dass einige Bieter möglicherweise über einschlägige Erfahrungen in anderen Sektoren oder Tätigkeitsbereichen verfügen. Dieser Ansatz in Bezug auf die Auswahlkriterien trägt auch dazu bei, dass sozialwirtschaftliche Organisationen, Sozialunternehmen und gemeinnützige Organisationen sich um Ihren Auftrag bewerben können.

Die Nachweise in Bezug auf die Auswahlkriterien stammen in erster Linie aus der ESPD bzw. können in einigen Fällen aus einer anderen Form der Eigenerklärung stammen. Wie bei den Ausschlusskriterien können zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zusätzliche Unterlagen angefordert werden. Im Gegensatz zu den Ausschlusskriterien sollten die Auswahlkriterien für jeden Auftrag spezifisch sein, um sicherzustellen, dass sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

In Bezug auf die Barrierefreiheit umfasst die Norm DIN EN 17161:2019-11 „Design für alle – Barrierefreiheit von Produkten, Waren und Dienstleistungen nach einem ‚Design für alle‘-Ansatz“ (120) ein Konzept für die Gestaltung der Barrierefreiheit von Produkten, Waren und Dienstleistungen zur Erweiterung des Benutzerkreises Diese Norm kann in den Auswahlkriterien als Teil Ihrer Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit genannt werden, um festzustellen, ob die Bieter über geeignete Verfahren zur Bereitstellung barrierefreier Produkte und Dienstleistungen verfügen. In diesem Fall sollte auch erwogen werden, einen Nachweis der Einhaltung gleichwertiger Normen zu verlangen.

Bewährte Verfahren

Ziehen Sie obligatorische und fakultative Ausschlusskriterien heran, um sicherzustellen, dass die Bieter keine Verstöße gegen geltende sozial- oder arbeitsrechtliche Vorschriften oder Tarifverträge begangen haben.

Stellen Sie Auswahlkriterien auf, die spezifisch für Ihren Auftrag sind und auf relevante soziale Aspekte im Zusammenhang mit technischen und personellen Ressourcen und der Vorerfahrung ausgerichtet sind. Sehen Sie von finanziellen oder anderen Kriterien ab, die sozialwirtschaftliche Organisationen und Sozialunternehmen an der Teilnahme hindern könnten.

Überlegen Sie im Voraus, welche Art von Nachweisen von den Bietern vor der Auftragsvergabe verlangt werden soll und wie diese Informationen während der Auftragsausführung auf dem neuesten Stand gehalten werden.

Wenn Sie Angebote aus einem anderen EU-Mitgliedstaat erhalten, können Sie eCertis (121) konsultieren, um zu verstehen, welche Nachweise von der anderen Partei beigebracht werden.

Anwendung der IAO-Übereinkommen im tschechischen Ministerium für Textilbeschaffung

Beschaffungsziel

Im Jahr 2015 entwickelte das tschechische Ministerium für Arbeit und Soziales (Ministry of Labour and Social Affairs, MoLSA) eine eigene Strategie für die sozial verantwortliche Auftragsvergabe, die als Richtschnur für die Entwicklung von Ausschreibungen dient. Diese Strategie wurde bei einer Ausschreibung für Kleidungsstücke angewandt, die von Wohltätigkeitsorganisationen an Bedürftige verteilt werden sollten. Diese Beschaffung wurde aus europäischen Fonds kofinanziert.

Ansatz

Um Verletzungen der Arbeits- und Sozialrechte bei der Herstellung von Textilien zu verhindern, verlangte das MoLSA von den Bietern, dass sie über ein System verfügen, mit dem gewährleistet wird, dass die im Rahmen der IAO-Übereinkommen geschützten Arbeitnehmerrechte (Kinderarbeit, Zwangsarbeit usw.) bei der Herstellung der beschafften Waren nicht verletzt werden. Dies war ein Auswahlkriterium. In dieser Phase konzentrierte sich das MoLSA nur auf die Bedingungen in den eigentlichen Textilherstellungsprozessen und nicht auf die Produktion von Rohstoffen. Die Bieter konnten die Erfüllung dieser Anforderung durch Mitgliedschaft in der Fair Wear Foundation nachweisen oder eine Eigenerklärung abgeben. Für Letzteres mussten die Bieter den Hersteller der einzelnen Produktarten, die Marke und den Herstellungsort angeben. Dadurch soll dem Auftragnehmer ein gewisses Maß an Kontrolle über die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette ermöglicht werden.

Ergebnisse

Das Risiko einer Verletzung von Arbeits- und Sozialstandards bei der Herstellung von Textilien wurde durch die Anwendung sozialer Anforderungen in der Auswahlphase verringert, wodurch die Lieferketten der Bieter transparenter wurden. Nach Angaben des erfolgreichen Bieters befindet sich ein erheblicher Teil der Produktion in der EU. Darüber hinaus wird ein Teil der Produktion von Gefängnisinsassen durchgeführt, die dabei Arbeitsfähigkeiten und Referenzen entwickeln, die ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach ihrer Freilassung unterstützen.

Erkenntnisse

Einfache Anforderungen an die Transparenz in der Lieferkette können zu einem unerwarteten Nutzen führen, der über die Anforderungen des Auftrags hinausgehen. In dieser Ausschreibung wurde die Transparenz der Lieferkette als Bedingung für die Teilnahme festgelegt. Die Überwachung der Bedingungen während der Auftragsausführung bleibt eine Herausforderung.

Berücksichtigung von Menschenrechten bei der Beschaffung in der Stadtverwaltung Stavanger (Norwegen)

Beschaffungsziel

Die Stadtverwaltung Stavanger ist Vorreiter bei der Anwendung ethischer Kriterien bei der Beschaffung, einschließlich der Verwendung gezielter Auswahlkriterien. Seit 2010 verlangt sie von den Bietern, ihre Lieferketten zu dokumentieren, wobei der Schwerpunkt auf den Aufträgen liegt, die die größten Risiken für Menschenrechtsverletzungen bergen.

Ansatz

Für alle anstehenden Aufträge wird eine jährliche Risikobewertung durchgeführt. Für Aufträge mit hohem Risiko, zum Beispiel in den Bereichen Textilien, IKT-Geräte und medizinische Ausrüstung, gelten umfassende Auswahlkriterien in Bezug auf den ethischen Handel. Dazu gehört, dass die Anbieter über Systeme zur Rückverfolgbarkeit der Lieferkette, ein Risikobewertungsverfahren und einen Verhaltenskodex für Lieferanten verfügen müssen. Der Verhaltenskodex muss mit den ethischen Auftragsbedingungen der Stadtverwaltung Stavanger in Einklang stehen (die auf den wichtigsten Übereinkommen der Vereinten Nationen und der IAO sowie auf den am Herstellungsort geltenden nationalen Rechtsvorschriften beruhen). Zur Vorbereitung des Marktes finden Seminare für Anbieter statt. In der Phase der Auftragsausführung werden Informationen aus Systemen Dritter, etwa der Ethical Trading Initiative (Initiative für ethischen Handel), sowie aus individuellen Treffen mit den Anbietern und aus Fragebögen herangezogen.

Ergebnisse

Die Anwendung ethischer Kriterien und die Bemühungen zur Sicherstellung, dass die Bedingungen der zu vergebenden Aufträge eingehalten werden, zeigen langsam aber sicher Wirkung. Der kontinuierliche Fokus auf Menschenrechte, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung bei der Beschaffung dürfte diese Fragen auf die Agenda der Anbieter und auch anderer Teile des öffentlichen und privaten Sektors gesetzt haben. Durch den Dialog mit Anbietern und verschiedenen Netzwerken sowie Dokumentenprüfungen, Werkskontrollen usw. verbessert die Stadtverwaltung Stavanger ihr internes Fachwissen in diesem Bereich. Die Stadtverwaltung hofft, in Kürze bereit zu sein, noch tiefer gehende Methoden auszuprobieren, darunter die Ergänzung der Auswahlkriterien um neue Zuschlagskriterien, um die Wahrung der Menschenrechte und Nachhaltigkeit bei der Beschaffung zu gewährleisten. Derzeit sind die angewandten Kriterien mit dem Qualifikationsprozess verbunden. Die Anwendung von Zuschlagskriterien ist daher der naheliegende nächste Schritt.

Erkenntnisse

Es besteht ein Bedarf an strafferen Verfahren, um die Einhaltung der ethischen Auftragsbedingungen zu gewährleisten. Die Stadtverwaltung Stavanger ist daher mit anderen norwegischen Stadtverwaltungen, Regierungsstellen und Universitäten an einem Sachverständigenausschuss beteiligt. Sie leitet ein Team, das sich speziell mit der Textilindustrie befasst, und ist zudem Teil eines Teams, das sich auf Bau- und Baumaterialien konzentriert. Darüber hinaus beteiligt sich die Stadtverwaltung Stavanger an der Interessengruppe des Netzwerks Procura+ für die sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung von IKT. Diese Netzwerke liefern der Stadtverwaltung relevante Fälle und Beiträge zu den Ausschreibungsunterlagen und der Arbeit zur Gewährleistung der Einhaltung.

4.7   Zuschlagskriterien

Aufträge, die unter die EU-Vergaberichtlinien fallen, werden auf der Grundlage des Konzepts des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ (most economically advantageous tender, MEAT) vergeben, wobei öffentliche Auftraggeber eine breite Palette qualitativer und kostenbezogener Kriterien anwenden können. In den Richtlinien werden soziale Aspekte neben Zugänglichkeit, Design für alle, Handel sowie den damit verbundenen Bedingungen ausdrücklich als einer der Faktoren genannt, die in die Zuschlagskriterien einbezogen werden können (122). Soziale Zuschlagskriterien können dem Markt ein starkes Signal in Bezug auf die Bedeutung dieser Aspekte des Auftrags vermitteln. Einige Beispiele für soziale Zuschlagskriterien wären:

Methodik zur Gewährleistung der sozialen Inklusion bei der Erbringung der Dienstleistung. Die Bieter müssen einen detaillierten Plan vorlegen, wie sie jede der in den Ausschreibungsunterlagen genannten Zielgruppen erreichen wollen.

Anzahl und Qualität der Ausbildungsplätze/Ausbildungsmöglichkeiten, die im Rahmen der Auftragsausführung geschaffen werden. Die Bieter müssen ihr Konzept für die Einstellung und Ausbildung im Einzelnen darlegen, eine beispielhafte Stellenbeschreibung für Ausbildungsplätze vorlegen und die zu schaffenden Unterstützungsstrukturen beschreiben.

Drittzertifizierung der ethischen Beschaffung der unter den Auftrag fallenden Produkte. Punkte werden auf der Grundlage des prozentualen Anteils der Produkte mit Fair-Trade-Zertifizierung oder gleichwertiger Zertifizierung vergeben. Falls Sie nicht über eine Zertifizierung durch Dritte verfügen, geben Sie den Grund dafür an und beschreiben Sie alle internen Maßnahmen, die zur Sicherstellung einer ethischen Beschaffung von Produkten ergriffen wurden (123).

Maßnahmen zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung. Punkte werden auf der Grundlage spezifischer Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter vergeben (z. B. Schulung des Personals, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, flexible Arbeitszeiten usw.).

Zusätzliche Zugänglichkeitserfordernisse. Punkte werden auf der Grundlage spezifischer Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit vergeben, die über die in den technischen Spezifikationen festgelegten Anforderungen hinausgehen (124).

Verbindung mit dem Auftragsgegenstand und Zuschlagskriterien

Die Zuschlagskriterien müssen in Verbindung stehen mit den jeweils beschafften Waren, Dienstleistungen oder Bauleistungen. Dies bedeutet, dass Punkte nicht allein aufgrund des Vorhandenseins (oder Fehlens) einer Politik der sozialen Unternehmensverantwortung vergeben (oder abgezogen) werden sollten. Eine solche Politik kann jedoch als Nachweis für eine spezifische Verpflichtung der Bieter im Hinblick auf die Zuschlagskriterien dienen.

Ist beispielsweise ein Zuschlagskriterium darauf ausgerichtet, wie das Wohlbefinden älterer Menschen im Rahmen eines Auftrags verbessert werden soll, so können sich die Bieter teilweise auf eine Strategie stützen, in der ihr Konzept für die Einbindung der Dienstleistungsnutzer und für die Schulung des Personals festgelegt ist. Es wäre allerdings nicht angebracht, Punkte auf der Grundlage von Tätigkeiten zu vergeben, die Bieter im Rahmen anderer Aufträge durchführen.

Für eine wirksame Anwendung sozialer Zuschlagskriterien sollten Sie sich überlegen, wie Sie sie formulieren, wie sie gewichtet werden und wie Sie sie bewerten.

Für die Formulierung sozialer Zuschlagskriterien gelten dieselben Transparenzanforderungen wie für andere Zuschlagskriterien. Sie sind zusammen mit ihrer Gewichtung und etwaigen Unterkriterien in der Bekanntmachung bzw. den Ausschreibungsunterlagen anzugeben. Sie müssen so klar sein, dass alle „durchschnittlich fachkundigen“ Bieter sie „bei Anwendung der üblichen Sorgfalt“ verstehen können (125). Sie müssen die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleisten und eine wirksame Überprüfung der von den Bietern übermittelten Informationen ermöglichen (126). Schließlich müssen sie, wie im Textfeld erläutert, mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen.

Was die Gewichtung anbelangt, so gibt es für soziale Zuschlagskriterien keine Höchst- oder Mindestpunktzahl. Bei Aufträgen, bei denen entweder die sozialen Risiken (z. B. Menschenrechtsverletzungen) oder der potenzielle soziale Nutzen (z. B. messbare Verbesserungen des Wohlergehens einer schutzbedürftigen Gruppe oder der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) hoch sind, kann es sinnvoll sein, soziale Zuschlagskriterien mit hoher Gewichtung festzulegen. Dies hängt auch davon ab, ob soziale Aspekte in den technischen Spezifikationen oder an anderer Stelle in der Ausschreibung angesprochen werden.

Beispiele für soziale Zuschlagskriterien, die mit anderen Kriterien kombiniert werden

Beispiel 1

Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Arbeitnehmer

Auswahlkriterium: Die Bieter müssen nachweisen, dass sie in der Lage sind, Arbeitskräfte aus einer oder mehreren der definierten benachteiligten Gruppen einzustellen, auszubilden und zu halten. Diese Erfahrung kann sich auf frühere Aufträge beziehen, die in einem beliebigen Sektor durchgeführt wurden. Es muss nachgewiesen werden, dass die Bieter und/oder ihre Unterauftragnehmer in der Lage sind, solche Arbeitskräfte für einen Zeitraum einzustellen, zu schulen und zu halten, der dem jeweiligen Auftragszeitraum entspricht.

Zuschlagskriterium: Je nach Anzahl und Qualität der Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Arbeitnehmer werden bis zu 15 % der verfügbaren Punkte vergeben. Diese Punkte werden auf der Grundlage der spezifischen Pläne vergeben, die in Bezug auf die Einstellung, Ausbildung und Bindung benachteiligter Arbeitnehmer vorgelegt wurden.

Beispiel 2

Lebensmittel, die als fair gehandelt zertifiziert sind

Zuschlagskriterium: Bis zu 10 % der verfügbaren Punkte werden für Angebote vergeben, die ein oder mehrere Produkte umfassen, die von Fairtrade International zertifiziert sind oder ein gleichwertiges Gütezeichen tragen. Beim Vergleich der Angebote werden der Wert und die Menge des (der) mit dieser Zertifizierung versehenen Produkts (Produkte), das (die) im Rahmen des Vertrags geliefert werden soll(en), berücksichtigt. Wenn Bieter aus Gründen, die sie nicht zu verantworten haben, nicht über eine Fairtrade-Zertifizierung verfügen, sollte das Angebot eine entsprechende Erklärung enthalten.

Bedingungen für die Auftragsausführung: Während des Auftragszeitraums wird der Anbieter darauf hinarbeiten, zusätzliche Produkte mit Fairtrade-Zertifizierung oder gleichwertigem Gütezeichen in sein Angebot aufzunehmen. Ein Teil des Vertragspreises wird an die Erfüllung dieser Bedingung geknüpft, wobei eine Zahlung in Höhe der zusätzlichen Großhandelskosten für die Lieferung fair gehandelter Produkte zur Verfügung gestellt wird, sobald diese Produkte in das Angebot aufgenommen werden.

Schließlich bestimmt der Bewertungsansatz die potenzielle Wirksamkeit sozialer Vergabekriterien. Auch wenn ein soziales Zuschlagskriterium keine besonders hohe Gewichtung hat, können Sie einen Schwellenwert festlegen (z. B. 60 % der für dieses Kriterium verfügbaren Punkte), den der Bieter erreichen muss, damit sein Angebot für eine weitere Bewertung infrage kommt (127). Ferner ist es für eine angemessene Unterscheidung zwischen der sozialen Leistung der einzelnen Angebote wichtig, alle für das Kriterium verfügbaren Punkte zu nutzen.

Rechtssache C-368/10, Kommission/Königreich der Niederlande

In diesem Fall ging es um die Vergabe eines Auftrags für Tee und Kaffee durch einen öffentlichen Auftraggeber in den Niederlanden, der eine Reihe von Kriterien für die ökologische und soziale Verantwortung umfasste. Der Gerichtshof nahm eine eingehende Prüfung dieser Kriterien vor und stellte fest, dass es einigen von ihnen an der erforderlichen Transparenz mangelte (dies galt etwa für die Anforderung ohne nähere Angaben, dass Bieter die „Kriterien der Nachhaltigkeit der Einkäufe und des gesellschaftlich verantwortlichen Verhaltens“ erfüllen müssen).

Er hat jedoch auch entschieden, dass auf Kriterien des fairen Handels beruhende Gütezeichen als mit dem Vertragsgegenstand in Verbindung stehend angesehen werden könnten. Mit Artikel 43 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 61 der Richtlinie 2014/25/EU wurden die in diesem Urteil formulierten Grundsätze kodifiziert und präzisiert. Für weitere Informationen über die Verwendung von Gütezeichen siehe Abschnitt 4.8.

Die Zuschlagskriterien können die größte Wirksamkeit entfalten, wenn sie mit anderen SRPP-Maßnahmen in Bezug auf die Auswahlkriterien, technischen Spezifikationen und Bedingungen für die Auftragsausführung kombiniert werden, wie die nachstehenden Beispiele veranschaulichen.

Bewährte Verfahren

Mithilfe sozialer Zuschlagskriterien kann der Markt dazu angeregt werden, sozial verträglichere Ergebnisse zu erzielen. Für maximale Wirkung sollten sie sorgfältig formuliert und gewichtet werden.

Überlegen Sie, wie Sie die von den Bietern auf der Grundlage der Zuschlagskriterien gemachten Angaben bewerten und überprüfen wollen, gegebenenfalls einschließlich der Verwendung von Zertifizierungen und Gütezeichen Dritter.

Kombinieren Sie Zuschlagskriterien mit technischen Spezifikationen, Auswahlkriterien und Auftragsausführungsklauseln, um sozialen Risiken zu begegnen und die sozialen Ergebnisse zu verbessern.

Aufstellung sozialer Zuschlagskriterien für die Beschaffung von IT-Hardware und -Dienstleistungen in Deutschland

Beschaffungsziel

Dataport beschafft IT-Hardware und IT-Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen sowie IT-Dienstleistungen für die Steuerverwaltungen der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Der Auftrag umfasste die Lieferung von IT-Hardware (Computer und Notebooks, Monitore, Tastaturen, PC-Mäuse und Komponenten) für 60 000 Arbeitsplätze und IT-Dienstleistungen für 30 000 Arbeitsplätze. Ziel war es, ausschließlich IT-Hardwareprodukte bzw. IT-Dienstleistungen zu beschaffen, die in Übereinstimmung mit den Standards der IAO produziert bzw. erbracht werden.

Ansatz

Der Auftrag wurde im Jahr 2013 vergeben. Die Bieter wurden aufgefordert, ein Konzept in Bezug auf soziale Kriterien vorzulegen, einschließlich Maßnahmen zur Gewährleistung, dass ihre Lieferanten und Unterlieferanten die acht grundlegenden IAO-Übereinkommen einhalten. Um auf spezifische soziale Fragen in der weltweiten IT-Produktion einzugehen, wurde in den Zuschlagskriterien auch auf die zusätzlichen IAO-Übereinkommen Nr. 1, 30, 102, 115, 131, 135, 155, 158, 169 und 170 verwiesen. Punkte wurden auf der Grundlage von drei Aspekten des Konzepts vergeben:

Umfang der abgedeckten Arbeits- und Sozialstandards,

Plausibilität des Konzepts zur Einhaltung sozialer Standards,

beigebrachte Nachweise.

Da die Bieter eine breite Palette von Möglichkeiten anboten, wurden zwei Schritte unternommen, um die Qualität des Kontrollmechanismus sicherzustellen. Erstens enthielten die Ausschreibungsunterlagen ein mögliches Nachweisschema, eine Reihe von Beispielen für Maßnahmen, die von den Bietern ergriffen werden könnten, und mögliche Fragen, die in einem Bericht beantwortet werden sollten. Zweitens wurde der Plausibilität des Konzepts (50 % der Punktzahl) und den beigebrachten Nachweisen (40 % der Punktzahl) bei den Zuschlagskriterien besonders hohe Priorität eingeräumt. Die Bieter mussten einer regelmäßigen Überprüfung der in ihrem Konzept dargestellten Maßnahmen während des Auftragszeitraums zustimmen. Das Konzept und die darin festgelegten Verpflichtungen wurden Teil der neuen Rahmenvereinbarung.

Ergebnisse

Alle Bieter legten ein Konzept dafür vor, wie faire Arbeitsbedingungen in ihrer Lieferkette sichergestellt werden können. Das Ziel dabei war, im IT-Sektor für faire Arbeitsbedingungen in der Lieferkette (einschließlich Rohstoffgewinnung) zu sensibilisieren. Ein spezialisierter Sachverständiger bewertete die Konzepte der sozial verantwortlichen Auftragsvergabe anhand des Ausmaßes, in dem der Bieter nachweisen konnte, dass seine Verfahren die oben genannten IAO-Übereinkommen umfassend abdecken und dass seine Methode die erforderliche Qualität aufweist. Die Kriterien des sozialen Konzepts waren maßgeblich für die Auftragsvergabe, da sie 10 % der für die Qualität vergebenen Punkte ausmachten. Der erfolgreiche Bieter entwickelte einen Verhaltenskodex für Lieferanten und stimmte zu, einer Arbeitsgruppe zweimal jährlich über die Einhaltung der IAO-Übereinkommen Bericht zu erstatten.

Erkenntnisse

Trotz schwieriger Marktlage und komplexer globaler Lieferketten war die Reaktion der Bieter positiv. Nachhaltigkeitskriterien gewinnen für Bieter in wettbewerblichen Ausschreibungen mehr und mehr an Bedeutung, da sich ihre Produkte in Preis und Leistung immer weniger unterscheiden. Die Transparenz über die Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette, die in den Produktionsstätten durchgeführten Kontrollen, die dabei festgestellten Mängel und die entsprechenden Korrekturmaßnahmen nimmt zu. Bis dato gibt es kein IT-Gerät, das vollständig unter fairen Handelsbedingungen hergestellt wird. Dataport konzentriert sich auf den Dialog zwischen Kunden, Dienstleistern und Herstellern während und nach der Ausschreibung. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema.

4.8   Bewertung der Angebote und Überprüfung der Verpflichtungen

Der Ansatz zur Bewertung und Überprüfung der SRPP-Verpflichtungen ist genauso wichtig wie die von Ihnen gewählten Kriterien. Sie müssen sorgfältig erwägen, wie Sie die Angaben der Bieter und ihre Angebote bewertet wollen. Die Vergaberichtlinien schreiben keine bestimmte Bewertungsmethode vor. Dennoch gilt es, die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung anzuwenden. Bei Aufträgen mit besonderen sozialen Risiken oder besonderem beabsichtigtem sozialem Nutzen kann es zweckmäßig sein, bei der Bewertung einen anderen Ansatz zugrunde zu legen als bei „Standard-Aufträgen“. Sie können beispielsweise Sozialpartner, Vertreter der Nutzer oder andere Sachverständige in das Bewertungsgremium einbeziehen (vorausgesetzt, es besteht kein Interessenkonflikt).

Cork (Irland) bietet erschwingliche Sozialwohnungen durch wettbewerblichen Dialog

Beschaffungsziel

Zur Verbesserung des Angebots an erschwinglichen Sozialwohnungen nutzte der Stadtrat von Cork (Irland) den wettbewerblichen Dialog, um Innovationen auszulösen und seine Möglichkeiten in Bezug auf die Standorte und die Gestaltung der Sozialwohnungen auszuweiten.

Ansatz

Der wettbewerbliche Dialog lief in mehreren Phasen ab. Zunächst wurden die Wohnungsbaugesellschaften aufgefordert, Projektvorschläge einzureichen, die z. B. nach Standort, Zugang zu Einrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Besitzverhältnissen und der Wahrscheinlichkeit des Erhalts einer Baugenehmigung bewertet wurden. Der Stadtrat von Cork nutzte den wettbewerblichen Dialog, um Lösungen zu verbessern bzw. Lösungen gemeinsam zu erarbeiten, die dem städtischen Bedarf an Sozialwohnungen am besten gerecht werden. Nach mehreren Runden immer ausführlicherer Gespräche wurde der Dialog abgeschlossen, und die Träger der in die engere Wahl gezogenen Projekte wurden aufgefordert, ein Angebot zwecks Bewertung einzureichen.

Ergebnisse

Der wettbewerbliche Dialog führte zur Vergabe von Aufträgen für 11 soziale Wohnungsbauprojekte mit gemischter Dichte und gemischten Besitzverhältnissen, in deren Rahmen 215 neue Wohnungen bereitgestellt wurden. Durch die Erschließung von Brachflächen tragen die neuen Projekte zur Stadterneuerung bei, und Familien und Personen, die auf der Warteliste für eine Wohnung standen, wurden mit angemessenem Wohnraum versorgt.

Erkenntnisse

Auch wenn im Vorfeld mehr Ressourcen benötigt wurden, trug der kooperative Ansatz, der durch den wettbewerblichen Dialog unterstützt wurde, dazu bei, dass die Wohnungsbaugesellschaften besser über den städtischen Bedarf Bescheid wussten, dass Lösungen sicherer waren und Streitigkeiten vermieden werden konnten und dass Möglichkeiten geschaffen wurden, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und eine bessere Risikoverteilung zu erreichen.

Durch die Anwendung von Verfahren, die eine direktere Interaktion mit den Bietern ermöglichen, kann, sofern die Bedingungen für deren Anwendung erfüllt sind (128), ebenfalls ein Beitrag zur Umsetzung der SRPP geleistet werden. So bietet Ihnen der wettbewerbliche Dialog etwa die Möglichkeit, mit den Bietern zusammen zu kommen und die Lösungen schrittweise zu verfeinern, wodurch die sozialen Inhalte der Angebote verbessert werden können. Für Aufträge, die auf die Lieferung eines völlig neuen Produkts oder die Erbringung einer völlig neuen Dienstleistung abzielen, kann die Innovationspartnerschaft ein geeignetes Instrument sein. Bedenken Sie, dass diese Verfahren Zeit und Ressourcen für die Verwaltung und die Teilnahme der Bieter an ihnen erfordern. Dies kann gut investierte Zeit sein, wenn das Ergebnis ein Auftrag ist, der einen messbaren sozialen Nutzen bringt.

Bei allen Verfahren, bei denen Sie soziale Kriterien festgelegt haben, müssen Sie überlegen, wie die Angaben der Bieter überprüft werden sollen. Eine Möglichkeit besteht darin, Zertifizierungen oder Gütezeichen Dritter als Nachweis zu fordern. Gemäß den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU ist dies in den technischen Spezifikationen, den Zuschlagskriterien und den Auftragsausführungsklauseln möglich (129). Beispiele für Gütezeichen Dritter, die soziale Belange betreffen, sind:

Zertifizierungen von Fairtrade International,

TCO Certified,

SA 8000,

Fair for Life,

Zertifizierungen der World Fair Trade Organization,

Stufe „AAA“ der WCAG 2.1 der WAI und/oder Gütezeichen anderer Behindertenorganisationen,

DALCO- (auch: MGLC-) Barrierefreiheitsanforderungen der Norm UNE 170001-1:2007 an die bauliche Umwelt.

Damit in den Ausschreibungsunterlagen spezifische Gütezeichen verlangt werden können, müssen sie verschiedenen Bedingungen entsprechen, wodurch sichergestellt werden soll, dass sie objektiv und für alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer zugänglich sind. Die Gütezeichen

1.

dürfen lediglich Kriterien betreffen, die in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen,

2.

müssen auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen,

3.

müssen im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens eingeführt werden, an dem alle relevanten Interessenträger, z. B. staatliche Stellen, Verbraucher, Sozialpartner, Hersteller, Händler und Nichtregierungsorganisationen, teilnehmen können,

4.

müssen allen interessierten Parteien zugänglich sein und

5.

müssen von einem Dritten stammen, auf den der Wirtschaftsteilnehmer, der das Gütezeichen beantragt, keinen ausschlaggebenden Einfluss ausüben kann (130).

Wenn alle Gütezeichen-Kriterien diesen Anforderungen entsprechen und Sie sich dafür entscheiden, sich bei Ihrer Beschaffung auf das gesamte Gütezeichen zu beziehen, sollten die Ausschreibungsunterlagen einen genauen und eindeutigen Verweis darauf enthalten (z. B. einen Verweis auf den entsprechenden Rechtsakt, mit dem das Gütezeichen angenommen wurde, oder auf die zugehörige Dokumentation), um vollständige Transparenz zu gewährleisten. Selbst wenn Sie sich auf ein Gütezeichen beziehen, das alle diese Anforderungen erfüllt, müssen Sie dennoch Gütezeichen mit gleichwertigen Kriterien berücksichtigen. Die Gleichwertigkeit ist auf Einzelfallbasis zu beurteilen, doch im Allgemeinen können Anforderungen als gleichwertig angesehen werden, wenn sie mindestens so ehrgeizig sind wie die in der Ausschreibungsunterlage genannten Anforderungen. In Fällen, in denen Bieter aus Gründen, die sie nicht zu verantworten haben, nicht in der Lage sind, innerhalb der vorgesehenen Fristen ein Gütezeichen zu erhalten, müssen Sie andere geeignete Formen des Nachweises (z. B. technische Dossiers) in Betracht ziehen.

Bei Gütezeichen, die eine oder mehrere der oben genannten Anforderungen nicht erfüllen, können Sie sich auf einzelne Gütezeichen-Kriterien beziehen, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, ohne das Gütezeichen an sich zu verlangen. Betreffen die Gütezeichen-Anforderungen Kriterien, die für Ihren Auftrag relevant sind, aber auch solche, die nicht in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen, z. B. Kriterien, die sich auf allgemeine Managementpraktiken beziehen, können Sie sich nur auf die spezifischen Gütezeichen-Kriterien beziehen, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, ohne das Gütezeichen an sich zu verlangen (131). Die eindeutige Angabe der einschlägigen Gütezeichen-Kriterien in den Ausschreibungsunterlagen (z. B. durch Kopien) hilft potenziellen Bietern und erleichtert das Verständnis und die Transparenz der Ausschreibungsbedingungen.

Lebensmittel aus fairem Handel für Münchens Schulen (Deutschland)

Beschaffungsziel

Im Jahr 2017 startete die Stadt München eine Ausschreibung für eine Rahmenvereinbarung über die Bereitstellung von Mahlzeiten für mehr als 300 Schulen. Die Stadt München ist schon seit Langem auf dem Gebiet der sozial verantwortlichen Auftragsvergabe tätig. Bereits 2002 beschloss die Stadt, keine Produkte zu beschaffen, die mit Kinderarbeit verbunden sind (oder bei denen gegen das IAO-Übereinkommen Nr. 182 verstoßen wird), und seither wurden Maßnahmen zur Förderung des fairen Handels bei der Beschaffung von Textilien und Lebensmitteln ergriffen.

Ansatz

Die Ausschreibung war in vier Lose unterteilt und enthielt Anforderungen in Bezug auf den prozentualen Anteil der zu liefernden Bio-Lebensmittel und in Bezug auf die Schulung des Küchenpersonals. Darüber hinaus waren 5 % der Vergabekriterien weiteren sozialen und ökologischen Aspekten vorbehalten, etwa dem Vorhandensein von Rohstoffen, die von Fairtrade International oder der World Fairtrade Organization zertifiziert wurden oder über eine gleichwertige Zertifizierung verfügen.

Ergebnisse

Für jedes Los gingen drei Angebote ein – alle von KMU. Insgesamt erhielten drei Anbieter den Zuschlag für die vier Lose. Insgesamt werden durch diese Aufträge mehr als 300 Einrichtungen abgedeckt und 490 000 Schulkinder versorgt.

Erkenntnisse

Es ist wichtig, das Engagement aller Beteiligten (d. h. der Verwaltung, der Mitarbeiter, der Eltern, der Kinder usw.) sicherzustellen, um ein Gefühl der Eigenverantwortung zu fördern und den Erfolg des Projekts zu gewährleisten sowie gute Ideen zusammenzutragen.

Bewährte Verfahren

Überlegen Sie, wie Sie die SRPP-bezogenen Angaben der Bieter bewerten, indem Sie einschlägige Sachverständige in das Bewertungsgremium einbeziehen und Gütezeichen oder Zertifizierungen Dritter anfordern.

Sofern die Voraussetzungen für ihre Einführung gegeben sind, können Verfahren, die eine direkte Interaktion mit den Bietern ermöglichen, wie der wettbewerbliche Dialog, dazu beitragen, wirksame Ansätze für soziale Ziele zu entwickeln und zu verbessern.

Überprüfen Sie die Kriterien und Anforderungen, die dem jeweiligen Gütezeichen zugrunde liegen, auf das Sie in den Ausschreibungsunterlagen Bezug nehmen möchten, um sicherzustellen, dass sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen sowie objektiv und nicht diskriminierend sind.

Sie müssen gleichwertige Gütezeichen oder Zertifizierungen akzeptieren, die sich auf dieselben Kriterien beziehen, und in Fällen, in denen der Bieter aus Gründen, die er nicht zu verantworten hat, nicht in der Lage ist, innerhalb der vorgeschriebenen Fristen ein Gütezeichen oder eine Zertifizierung zu erhalten, müssen Sie andere geeignete Formen des Nachweises akzeptieren.

4.9   Ungewöhnlich niedrige Angebote

In einigen Fällen gibt die Preisgestaltung bei einer Ausschreibung Anlass zur Sorge, dass der Bieter nicht in der Lage sein wird, soziale Anforderungen, z. B. die Gewährleistung der Einhaltung der geltenden Vorschriften für die Sicherheit am Arbeitsplatz, zu erfüllen. Solche Situationen sind Gegenstand der Vorschriften über ungewöhnlich niedrige Angebote (132). Gemäß diesen Vorschriften müssen Sie alle Angebote prüfen, die ungewöhnlich niedrig erscheinen, und eine Erklärung des Bieters zu seiner Preisgestaltung einholen. Einige Beispiele für Faktoren, die darauf hindeuten können, dass ein Angebot geprüft werden sollte, sind:

Preise, mit denen die Grundkosten für die Erfüllung der Ausschreibungsanforderungen scheinbar nicht gedeckt werden,

Preise, die deutlich unter den Durchschnittskosten anderer Angebote liegen, oder

Preise, die deutlich unter dem nächstplatzierten Angebot liegen.

Die Erläuterungen des Bieters können sich auf seinen besonderen Herstellungs- oder Bereitstellungsprozess oder auf günstige Bedingungen beziehen, die ihm zur Verfügung stehen. In diesem Fall sollte das Angebot nicht abgelehnt werden, wenn es alle rechtlichen Anforderungen erfüllt. Der Bieter sollte jedoch auch aufgefordert werden, die Einhaltung der geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften und Tarifverträge gemäß der „Sozial- und Umweltklausel“ (133) zu bestätigen. Im Falle der Nichteinhaltung muss das Angebot abgelehnt werden (134). Stellen Sie fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so dürfen Sie das Angebot allein aus diesem Grund ablehnen, jedoch nur nach Rücksprache mit dem Bieter, sofern dieser binnen einer ausreichenden Frist nicht nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar war (135).

Ungewöhnlich niedrige Preise können auch bei Ausschreibungen vorkommen, bei denen Angebote aus Ländern außerhalb der EU eingehen. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung. Bieter aus Drittländern können legitimerweise niedrigere Preise anbieten, aber es ist wichtig, die Einhaltung aller geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften zu überprüfen (für weitere Informationen zur Anwendung der sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie von Tarifverträgen in öffentlichen Aufträgen siehe die Abschnitte 4.5 und 5.2). Weiterführende Informationen über die Bewertung von Angeboten aus Drittländern, einschließlich der Möglichkeit ungewöhnlich niedriger Angebote, finden sich in einem speziellen Leitliniendokument der Europäischen Kommission (136).

Bei der Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote ist Vorsicht geboten – es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein kohärenter und objektiver Ansatz verfolgt wird und den Bietern ein Recht auf Gegendarstellung eingeräumt wird. Es obliegt jedoch dem öffentlichen Auftraggeber zu entscheiden, ob die gelieferten Erläuterungen ausreichen, um Vertrauen in das Angebot herzustellen, oder ob das Angebot abgelehnt werden sollte. Denken Sie daran, dass andere Bieter, die soziale Anforderungen einhalten, benachteiligt werden können, wenn Sie ein ungewöhnlich niedriges Angebot ungeprüft lassen.

Analyse ungewöhnlich niedriger Angebote in Wallonien

Im Rahmen ihres Aktionsplans für verantwortungsvolle Beschaffung hat die wallonische Kommission für die Vergabe öffentlicher Aufträge eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit dem Thema ungewöhnlich niedriger Angebote befasst. Im Rahmen der Arbeitsgruppe kommen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge spezialisierte Vertreter der regionalen Verwaltung, der lokalen Behörden, des wallonischen Verbands der Bauunternehmen, der Gewerkschaften sowie der externen Kontrollorgane wie des Rechnungshofes und des Finanzinspektors zusammen.

Nach einer Analyse der einschlägigen Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung schlug die Arbeitsgruppe eine Methodik für die Untersuchung ungewöhnlich niedriger Angebote vor. Die Methodik umfasst fünf Schritte:

1.

Korrektur von Rechenfehlern,

2.

Prüfung und Verifizierung der Preise,

3.

Ersuchen um Begründung für anscheinend ungewöhnlich niedrige Preise,

4.

Entscheidung über die Angemessenheit der Preise,

5.

Unterrichtung des Bieters.

Zur Ermittlung ungewöhnlich niedriger Angebote sollten Informationen wie die eigenen Kostenschätzungen des öffentlichen Auftraggebers, die von anderen Abteilungen oder Agenturen gezahlten Preise, statistische Marktinformationen, die unterschiedliche Qualität der Angebote und die Erläuterungen des Bieters herangezogen werden. Für Bauaufträge und betrugsanfällige Dienstleistungen ist in den Leitlinien eine spezifischere Methodik auf der Grundlage der Abweichung vom bereinigten Durchschnittspreis der anderen Angebote festgelegt.

Bewährte Verfahren

Die Aufdeckung und Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote ist ein wesentlicher Bestandteil der SRPP. Es kann hilfreich sein, die Löhne und Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge und andere Kosten zu kennen, die im betreffenden Sektor gelten.

Den Bietern muss die Möglichkeit eingeräumt werden, scheinbar ungewöhnlich niedrige Preise zu erläutern – ein Ausschluss kann nicht automatisch erfolgen.

Sind ungewöhnlich niedrige Preise auf die Nichteinhaltung der geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Tarifverträge zurückzuführen, ist das Angebot zwingend abzulehnen.

KAPITEL 5

Festlegung und Durchsetzung von Vertragsbedingungen

Während der Ausführung eines Auftrags werden die SRPP-Verpflichtungen wirklich auf die Probe gestellt. Ohne angemessene Vertragsbedingungen – und ohne die Mittel zu ihrer Überwachung und Durchsetzung – ist die SRPP nicht wirksam. In diesem Kapitel wird eingehend untersucht, wie Verträge so gestaltet und umgesetzt werden können, dass ein maximaler sozialer Wert erreicht wird. Neben der Erläuterung der einschlägigen Bestimmungen der Vergaberichtlinien werden verschiedene Ansätze von öffentlichen Auftraggebern in ganz Europa vorgestellt.

5.1   Umsetzung der Verpflichtungen im Rahmen der SRPP

Die SRPP erfordert besonderes Augenmerk auf die Vertragsbedingungen, da die Parteien in der Regel außerhalb des „Business as usual“-Szenarios agieren müssen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Bieter auf die sozialen Vertragsbedingungen sowie auf die Überwachung und die Konsequenzen bei Nichteinhaltung aufmerksam zu machen. Die Verwendung von Standardvorschriften und -bedingungen ohne zusätzliche spezifische Sozialklauseln ist für die SRPP nur selten geeignet. Wenn Vertragsbedingungen nur eine nachträgliche Überlegung sind, kann dies die Umsetzung der SRPP, welche die Berücksichtigung von Vertragsbedingungen von Beginn eines geplanten Verfahrens an erfordert, untergraben.

Während eines Ausschreibungsverfahrens können Sie die vorgeschlagenen Vertragsbedingungen in die Auftragsunterlagen aufnehmen. Diese können in Entwurfsform vorliegen, wobei die Bieter aufgefordert werden, zu den Bedingungen Stellung zu nehmen. In jedem Fall sollte der Vertrag relevante Aspekte für ein erfolgreiches Angebot enthalten, z. B. den Preis und alle aufgrund der Zuschlagskriterien eingegangenen Verpflichtungen, einschließlich derer im Zusammenhang mit der SRPP. Gehen die im Rahmen des Angebots eingegangenen Verpflichtungen über die im Vertrag festgelegten Basisbedingungen hinaus, müssen Sie die Vertragsbestimmungen anpassen. Wenn etwa in Ihrem Vertragsentwurf festgelegt ist, dass im ersten Vertragsjahr mindestens fünf Ausbildungsplätze geschaffen werden müssen, das Angebot des erfolgreichen Bieters jedoch acht Ausbildungsplätze vorsieht, ist die letztere Zahl in den Vertrag aufzunehmen.

Im Gegensatz zu technischen Spezifikationen, Auswahl- und Zuschlagskriterien wird die Einhaltung der Vertragsbedingungen in einem Ausschreibungsverfahren in der Regel nicht ausdrücklich bewertet. Auch wenn sich die Praktiken je nach Land und Organisation unterscheiden, ist es üblich, dass Bieter entweder ihr Einverständnis mit den Vertragsbedingungen erklären oder konkrete Vorbehalte angeben, über die (je nach Verfahren) verhandelt werden kann. Auch hier kann bei der SRPP ein anderer Ansatz erforderlich sein, da Sie sicher gehen wollen, dass die Bieter alle spezifischen sozialen Aspekte des Auftrags erfüllen können und dass diese Bedingungen gegebenenfalls auch an Unterauftragnehmer weitergegeben werden. Wenn beispielsweise Ihr Vertragsentwurf die Verpflichtung enthält, die Einhaltung der IAO-Kernübereinkommen in der gesamten Lieferkette sicherzustellen, müssen Sie wissen, dass der erfolgreiche Bieter über geeignete Systeme zur Überwachung seiner Unterauftragnehmer verfügt. Um die Leistungsfähigkeit und die Verpflichtungen der Bieter in diesem Bereich umfassend bewerten zu können und Transparenz und Gleichbehandlung zu gewährleisten, sollten diese Erwägungen entweder in den Auswahl- oder in den Zuschlagskriterien sowie in den Vertragsbedingungen angemessen berücksichtigt werden. Wenn der Bieter eine spezifische Methode zur Überwachung seiner Unterauftragnehmer vorschlägt, sollten Sie dafür sorgen, dass dies in den Vertrag aufgenommen wird. Sie können auch festlegen, dass die Klausel über die Einhaltung der IAO-Übereinkommen Teil jedes Unterauftrags ist, wobei die Haftung des Hauptauftragnehmers für die Einhaltung in der gesamten Lieferkette bestehen bleibt.

Ein letzter Schritt bei der Umsetzung der SRPP-Verpflichtungen besteht darin sicherzustellen, dass die unmittelbar an der Vertragserfüllung Beteiligten – auf beiden Seiten – die Sozialklauseln kennen. Innerhalb Ihrer Organisation kann der Auftrag von einer Person verwaltet werden, die nicht unmittelbar an der Auftragsvergabe beteiligt ist. Es ist wesentlich, dass diese Person über die Zeit, die Informationen und die Motivation verfügt, um die Einhaltung der Sozialklauseln wirksam zu überwachen. Alternativ kann es zweckdienlich sein, einen Ausschuss einzusetzen, der sich aus Vertretern Ihrer Organisation und allen Dritten zusammensetzt, die ein unmittelbares Interesse an der Durchsetzung der sozialen Verpflichtungen haben, wie Gewerkschaften, Behindertenrechtsorganisationen, Experten für Barrierefreiheit, NRO oder Bürger/Nutzer. Auf Seite des Auftragnehmers können Sie verlangen, dass dieser eine Person benennt, die unmittelbar dafür verantwortlich ist, dass die sozialen Verpflichtungen erfüllt werden, und dass diese Person an den Sitzungen zur Vertragsüberprüfung teilnimmt.

Bewährte Verfahren

Soziale Bedingungen sollten in den Vertragsentwurf aufgenommen und zu Beginn des Ausschreibungsverfahrens veröffentlicht werden, wobei die Bieter auf diese Bedingungen aufmerksam zu machen sind.

Standardverträge sind für die SRPP möglicherweise nicht geeignet, und alle Bedingungen sollten sorgfältig überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie nicht im Widerspruch zu den Ausschreibungsanforderungen stehen.

Die Bieter können aufgefordert werden, im Rahmen des Verfahrens zum Vertragsentwurf Stellung zu nehmen. Die endgültige Fassung sollte alle spezifischen Verpflichtungen für das erfolgreiche Angebot widerspiegeln.

Sorgen Sie dafür, dass die Person bzw. Personen, die auf beiden Seiten für die Verwaltung des Vertrags verantwortlich ist bzw. sind, die SRPP-Bestimmungen kennen und in der Lage sind, deren Anwendung sicherzustellen.

Verträge und Dokumente sollten in barrierefreien Formaten verfügbar sein.

5.2   Bedingungen für die Auftragsausführung

In den Bedingungen für die Auftragsausführung ist beschrieben, wie der betreffende Auftrag durchzuführen ist. Gemäß den Vergaberichtlinien können die Auftragsbedingungen wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange umfassen (137). Wie die Auswahl- und Zuschlagskriterien müssen diese Bedingungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und in der Bekanntmachung oder den Auftragsunterlagen angegeben werden. Die Bedeutung der Anforderung der Verbindung mit dem Auftragsgegenstand wird im Textfeld rechts erläutert. Die Auftragsausführungsklauseln müssen mit dem EU-Recht, einschließlich der in Kapitel 1 genannten Rechtsvorschriften über die europäische Säule sozialer Rechte, in Einklang stehen.

Um wirksam zu sein, sollten die Bedingungen für die Auftragsausführung wie folgt beschaffen sein:

klar formuliert (kein unnötiger Rechtsjargon),

angemessen spezifisch, mit genauer Angabe der Fristen und der Ergebnisse,

einer bestimmten Partei oder Person zugeordnet,

begleitet von geeigneten Rechtsmitteln bei Nichteinhaltung, z. B. finanzielle Sanktionen oder Abhilfemaßnahmen.

Auftragsbedingungen und Verbindung mit dem Auftragsgegenstand

Auftragsbedingungen stehen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Weise und in irgendeiner Phase ihres Lebenszyklus auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen, einschließlich Faktoren, die zusammenhängen mit

a)

dem spezifischen Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung solcher Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen oder des Handels damit oder

b)

einem bestimmten Prozess in Bezug auf eine andere Phase des Lebenszyklus,

auch wenn derartige Faktoren nicht materielle Bestandteile von ihnen sind (Artikel 67 Absatz 3). Dies bedeutet, dass Sie Bedingungen etwa in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferkette, fairen Handel oder spezifische soziale Ergebnisse des Auftrags aufnehmen können. Sie können keine allgemeinen Anforderungen im Hinblick auf die soziale Verantwortung der Unternehmen aufnehmen, es sei denn, es handelt sich um rechtliche Verpflichtungen, die für den Auftragnehmer gelten. Ein Beispiel für eine Auftragsbedingung, die nicht in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand steht, ist die Anforderung, dass ein Unternehmen jährlich einen bestimmten Prozentsatz seiner Gewinne an Wohltätigkeitsorganisationen spenden muss.

In Abschnitt 5.6 wird ferner die Rolle von Sanktionen und Anreizen bei der Umsetzung der SRPP weiter untersucht. Tabelle 5.1 enthält Beispiele für soziale Bedingungen, die den oben genannten Kriterien entsprechen und verschiedene Aspekte der SRPP betreffen. Diese Bedingungen sind für sich genommen nicht vollständig; sie erfordern Definitionen sowie Überwachungs- und Durchsetzungsklauseln, um wirksam zu sein.

Tabelle 5.1

Beispiele für SRPP-Vertragsklauseln

Thema

Beispiel für einen Entwurf einer Auftragsbedingung (138)

Zugänglichkeit (im Rahmen eines Vertrags über Büro-IKT-Ausstattung)

Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die angegebene barrierefreie Ausstattung bereitzustellen, die für die Nutzung durch Menschen mit Behinderungen konfiguriert ist. Während der Vertragslaufzeit werden Schulungen für Nutzer mit Behinderungen zu Terminen angeboten, die mit dem öffentlichen Auftraggeber vereinbart werden, und über einen speziellen Helpdesk wird nachfassende Unterstützung bereitgestellt.

Soziale Inklusion (Auftrag für Werbung für staatliche Dienstleistungen)

Der Auftragnehmer ist dafür verantwortlich, dass die einzelnen in den Spezifikationen genannten Zielgruppen erreicht und die in seinem Angebot enthaltenen Sondermaßnahmen zum Erreichen älterer Nutzer, von sozialer Isolation Betroffener und von Personen ohne Internetzugang umgesetzt werden. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird nach drei Monaten überprüft, wobei der Auftragnehmer verpflichtet ist, alle vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Abhilfemaßnahmen durchzuführen.

Beschäftigung (Auftrag für Bauleistungen)

Der Auftragnehmer ist dafür verantwortlich, im Rahmen des betreffenden Auftrags mindestens X [im Angebot angegebene Zahl] Personen einzustellen, zu schulen und zu beschäftigen, die unter eine oder mehrere der definierten Kategorien von benachteiligten Arbeitnehmern fallen. Die Beschäftigungsbedingungen sind in einem Anhang zum Vertrag festgelegt. Es sind monatliche Berichte vorzulegen, aus denen die Zahl der beschäftigten benachteiligten Arbeitnehmer, die angebotenen Schulungen, die geleisteten Arbeitsstunden und die Lohneinnahmen hervorgehen.

Gleichstellung der Geschlechter

Der Auftragnehmer stellt sicher, dass alle Vorgesetzten der mit der Auftragsausführung betrauten Mitarbeiter eine Schulung zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung bei der Einstellung und Beschäftigung absolvieren, einschließlich Schwangerschaft und Mutterschaft, Menopause, sexuelle Belästigung und Urlaub aus familiären Gründen, z. B. Elternurlaub und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben usw.

Mindestlohnsätze

Der Auftragnehmer und alle Unterauftragnehmer, die in dem Land tätig sind, in dem der Auftrag ausgeführt wird, halten die [in einschlägigen Rechtsvorschriften oder im jeweiligen Tarifvertrag] festgelegten Mindestlohnsätze ein und führen Aufzeichnungen über alle geleisteten Arbeitsstunden und Arbeitsentgelte. Der öffentliche Auftraggeber kann jederzeit Einsicht in diese Aufzeichnungen und die Belege über die geleisteten Arbeitsentgelte verlangen.

Menschen- und Arbeitnehmerrechte (Auftrag für Uniformen)

Der Auftragnehmer stellt sicher, dass es bei der Ausführung dieses Auftrags zu keiner Verletzung der Menschenrechte und der acht Kernübereinkommen der IAO kommt. Die Namen und Geschäftssitze aller an diesem Auftrag beteiligten Lieferanten und Unterlieferanten sind in einem Anhang zum Vertrag angegeben, und der Auftragnehmer bestätigt, dass er ein geeignetes System eingerichtet hat, das von einem unabhängigen Dritten geprüft wird, um sicherzustellen, dass während der gesamten Vertragslaufzeit genaue Informationen über die Arbeitsbedingungen aller an der Auftragsausführung beteiligten Personen verfügbar sind.

Ethischer Handel (Auftrag für Catering-Dienste)

Lebensmittel und Getränke mit einem Wert von mindestens 5 % des jährlichen Vertragspreises erhalten eine Fairtrade-Zertifizierung oder eine gleichwertige Zertifizierung. Im Rahmen der vierteljährlichen Speisekartenplanung gibt der Auftragnehmer an, welche Produkte aus fairem Handel er auf die Speisekarte zu setzen gedenkt und wie hoch ihr geschätzter Wert ist. Am Ende jedes Vertragsjahres wird der Wert der fair gehandelten Produkte überprüft und zusätzliche zertifizierte Produkte für das folgende Vertragsjahr aufgenommen.

Fortlaufende Einhaltung der Ausschlussgründe

Die Rolle bestimmter zwingender Gründe und Ermessensgründe für den Ausschluss (z. B. im Zusammenhang mit Kinderarbeit/Menschenhandel und der Einhaltung der sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften) bei der SRPP wird in Abschnitt 4.6 erläutert. Die Einhaltung dieser grundlegenden Verpflichtungen sollte sich nicht auf eine Momentaufnahme während des Ausschreibungsverfahrens beschränken.

Die Auftragsbedingungen sollten die laufende Einhaltung aller zwingenden Gründe und Ermessensgründe für den Ausschluss, die bei der Ausschreibung Anwendung finden, während der Auftragsausführung vorschreiben, wobei der Auftragnehmer und die Unterauftragnehmer für die regelmäßige Aktualisierung der Erklärungen verantwortlich sind. Wie in Abschnitt 5.6 dargelegt, muss es möglich sein, den Vertrag zu kündigen, wenn neue Informationen über die Einhaltung der zwingenden Ausschlussgründe bekannt werden.

Die Bedingungen für die Auftragsausführung können während der Laufzeit des Vertrags überprüft werden. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, die Zielvorgaben im Laufe der Zeit zu erhöhen (139). Denn dadurch dass der Auftragnehmer in Bezug auf die Erfüllung der sozialen Bedingungen an Erfahrung und Vertrauen gewinnt, sollte auch seine Leistungsfähigkeit steigen. Überlegen Sie, wie Sie den Auftragnehmer am besten dazu motivieren können, einen noch größeren sozialen Wert zu erzielen – sei es durch die Knüpfung an zusätzliche Zahlungen im Rahmen des Vertrags (140), durch die Vereinbarung, die positiven Ergebnisse zu veröffentlichen, oder die Knüpfung der sozialen Leistung an Vertragserneuerungen bzw. -verlängerungen, wie in der Ausschreibung festgelegt.

Bewährte Verfahren

Nehmen Sie Bedingungen für die Auftragsausführung auf, die auf soziale und beschäftigungsbezogene Überlegungen abzielen und die in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen.

Achten Sie auf eine sorgfältige Formulierung der Vertragsklauseln (kein unnötiger Jargon), machen Sie genaue Angaben zu den Fristen und Ergebnissen, weisen Sie Verantwortlichkeiten zu und sehen Sie geeignete Abhilfemaßnahmen bei Nichteinhaltung vor.

Überlegen Sie, ob die sozialen Verpflichtungen im Laufe des Vertrags angehoben werden sollten und wie bei dem Auftragnehmer mehr Ehrgeiz geweckt werden kann.

Region Wallonien: Verwendung von Vertragsklauseln zur beruflichen Eingliederung

Beschaffungsziele

Die Region Wallonien hat sich zum Ziel gesetzt, die öffentliche Auftragsvergabe bis 2020 zu 100 % verantwortungsvoll zu gestalten. Zu diesem Zweck hat sie eine Reihe von Beschaffungsmaßnahmen umgesetzt, die darauf abzielen, die berufliche Eingliederung zu fördern, Sozialdumping zu vermeiden, KMU zu unterstützen, die Ressourceneffizienz zu verbessern und die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren.

Ansatz

Zur Förderung der beruflichen Eingliederung hat die Region Wallonien Standard-Sozialklauseln entwickelt, die in Ausschreibungen aufgenommen werden sollen und mit denen Unternehmen verpflichtet werden, bei der Durchführung öffentlicher Arbeiten Ausbildungsmöglichkeiten für Arbeitslose zu unterstützen. Die Klausel wurde flexibel gestaltet, d. h., die Unternehmen können entscheiden, ob sie Ausbildungsplätze direkt im eigenen Unternehmen anbieten oder stattdessen bestimmte Arbeiten (wie z. B. Tischler-, Maler-, Abbrucharbeiten usw.) an Sozialunternehmen vergeben, bei denen mindestens 50 % der Beschäftigten als Menschen mit Behinderungen oder als benachteiligt (z. B. Langzeitarbeitslose) eingestuft sind. Das Ergebnis ist ein partnerschaftlicher Ansatz für die berufliche Eingliederung zwischen öffentlichen Auftraggebern, Unternehmen, Sozialunternehmen und Ausbildungseinrichtungen. Die Region Wallonien hat ferner einen Helpdesk eingerichtet, um öffentliche Auftraggeber bei der Aufnahme der Klauseln in Ausschreibungen und Unternehmen bei deren Umsetzung zu unterstützen. Überdies sind online verschiedene Leitfäden und Instrumente verfügbar.

Ergebnisse

Bis Dezember 2018 wurden in 442 Verträge (mit einem Gesamtwert von fast 400 Mio. EUR) Sozialklauseln aufgenommen. In der Folge wurden 410 Ausbildungsplätze geschaffen und 70 Verträge mit Unterauftragnehmern von Sozialunternehmen geschlossen. Von 129 Verträgen mit Sozialklauseln wurden 78 % vollständig ausgeführt, 9 % teilweise ausgeführt und 13 % nicht ausgeführt. Von den geschaffenen Ausbildungsplätzen entfielen 83 % auf Bereiche, in denen Fachkräftemangel herrscht (darunter Elektrotechnik, Schreinerei und Bau). Nach der Ausbildung erhielten 60 % der Langzeit-Auszubildenden einen unbefristeten oder befristeten Vertrag (29 % bzw. 31 %). Schließlich erhielten 30 Unterauftragnehmer von Sozialunternehmen Unteraufträge in Höhe von mehr als 3,5 Mio. EUR.

Erkenntnisse

Fünf Jahre nach Vergabe der ersten öffentlichen Aufträge mit Sozialklauseln ist die Bilanz positiv: Die öffentliche Auftragsvergabe hat sich als gutes Instrument zur Förderung der beruflichen Ausbildung und zum Aufbau von Partnerschaften zwischen Unternehmen und Sozialunternehmen erwiesen. Ausschlaggebend für den Erfolg waren ein starkes politisches Engagement und die Einbeziehung aller relevanten Interessenträger in das Projekt. In Zukunft wird die Region Wallonien stärkere Anstrengungen unternehmen, um die Verfahren zu vereinfachen und so den Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Umsetzung und Überwachung der Sozialklauseln zu reduzieren.

5.3   An sozialen Ergebnissen orientierte Auftragsvergabe

Bei traditionellen Aufträgen erfolgt die Zahlung auf der Grundlage der Ausführung einer bestimmten Tätigkeit durch den Auftragnehmer. Unabhängig davon, ob es sich um die Bereitstellung von Büromaterial, den Bau einer Straße oder die Erbringung von Sozialdienstleistungen handelt, erhält der Auftragnehmer eine Vergütung auf der Grundlage der Durchführung der definierten Tätigkeit. Bei vielen Arten öffentlicher Aufträge ist der öffentliche Auftraggeber jedoch eher am Ergebnis einer Tätigkeit interessiert als an der eigentlichen Tätigkeit. Dies kann insbesondere bei Verträgen mit sozialer Dimension der Fall sein. Wenn Sie zum Beispiel eine Ausschreibung für Dienstleister für die Arbeit mit ehemaligen Straftätern durchführen, sind Sie vielleicht daran interessiert, die Rückfälligkeitsrate zu senken. Bei einem an sozialen Ergebnissen orientierten Auftrag könnte eine Zielrate für die Rückfälligkeit (niedriger als der Ausgangswert) festgelegt werden und ein Teil der Vertragszahlung könnte an die erfolgreiche Erfüllung dieses Ziels gebunden werden.

In öffentlichen Aufträgen in ganz Europa und weltweit sind verschiedene Formen der „ergebnisorientierten Zahlung“ zu beobachten, die sich als Reaktion auf die Notwendigkeit einer größeren Effektivität bei der Erbringung von Dienstleistungen und der Darstellung des Preis-Leistungs-Verhältnisses entwickelt haben. Bisweilen wurde kritisiert, dass dadurch Dienstleister einem übermäßigen Risiko ausgesetzt werden, insbesondere wenn die Dienstleistung von kleinen Unternehmen, Wohltätigkeitsorganisationen oder Sozialunternehmen erbracht wird, die nur begrenzt in der Lage sind, finanzielle Risiken einzugehen. Aus diesem Grund wurden mehrere Modelle von an sozialen Ergebnissen orientierten Aufträgen entwickelt, die das Risiko für den Dienstleister verringern. Ein Modell sieht vor, dass dem Dienstleister eine Prämie für soziale Ergebnisse gezahlt wird, die über die grundlegenden Erwartungen des öffentlichen Auftraggebers hinausgehen, z. B. wenn mehr Arbeitslose als erwartet in Arbeit gebracht werden. Diese Arten von Aufträgen erfordern eine sorgfältige Vorgehensweise bei der Definition der gewünschten Ergebnisse, der Festlegung der Ausgangswerte und der Bestimmung der Höhe zusätzlicher Zahlungen, können aber ein wirksames Mittel sein, um Leistungsanreize zu schaffen. Erfolgreiche an sozialen Ergebnissen orientierte Aufträge umfassen häufig Partnerschaften mit Sozialunternehmen und die gemeinsame Gestaltung von Dienstleistungen (141).

Ein weiteres Modell ist der Social Investment Bond (SIB) – auch als Development Impact Bond (DIB) bezeichnet, wenn er im Kontext von Entwicklungsländern eingesetzt wird. An einem SIB sind mindestens drei Parteien beteiligt: ein öffentlicher Auftraggeber, ein Dienstleister und ein privater Investor (Risikoträger). Der öffentliche Auftraggeber benennt einen Bereich, der für einen SIB geeignet ist (z. B. Kampagnen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Schulungen, aktive Arbeitsmarktmaßnahmen) und legt die Ergebnisse fest, die erreicht werden sollen (z. B. Anzahl der Personen in prekären Situationen oder Menschen mit Behinderungen, die beschäftigt werden, Gesundheitsergebnisse, Verbleib im Bildungssystem). Der private Investor stellt das Kapital zur Bezahlung des Dienstleisters zur Verfügung und erhält vom öffentlichen Auftraggeber nur dann eine Rückzahlung, wenn die definierten Ergebnisse erreicht werden. Der Dienstleister erbringt die Dienstleistung und kann auf der Grundlage der Ergebnisse zusätzliche Zahlungen erhalten. Eine zentrale Frage beim SIB ist die Bewertung der Ergebnisse, die teilweise von einem unabhängigen Dritten durchgeführt wird. Je nach Struktur der Aufträge und des Auswahlverfahrens für den Dienstleister kann der SIB unter die Vergaberichtlinien fallen oder nicht.

Nutzung von Social Impact Bonds zur Verbesserung der Lernergebnisse in Lissabon

Beschaffungsziel

Im Jahr 2015 richtete die Stadtverwaltung von Lissabon einen Junior Code Academy Social Impact Bond ein, der darauf abzielte, die Zahl der Kinder, die Schuljahre wiederholen oder die Schule abbrechen, zu verringern. Ein weiteres Ziel bestand darin, Erkenntnisse über die Auswirkungen der Computerprogrammierung auf die kognitiven Fähigkeiten, einschließlich schulischer Leistungen und Problemlösungsfähigkeiten, zu gewinnen, die in die öffentliche Politik einfließen sollten.

Ansatz

Der Junior Code Academy Social Impact Bond war auf drei öffentliche Schulen in Lissabon ausgerichtet. In jeder Schule wurde eine Klasse ausgewählt, die ein Jahr lang zwei Unterrichtsstunden pro Woche in Computerprogrammierung erhielt. Zusätzlich wurde in jeder Schule eine Kontrollgruppe gebildet. Die Leistungen der Kinder, die Unterricht in Computerprogrammierung erhielten, wurden mit den Leistungen dieser Kontrollgruppe verglichen. Konkret wurden dabei die Verbesserungen gemessen, die in den Bereichen Portugiesisch, Mathematik, logisches Denken und Problemlösung erzielt wurden. Um das Risiko dieses Pilotprojekts zu reduzieren, ging die Stadtverwaltung von Lissabon einen SIB mit der Fundação Calouste Gulbenkian (Calouste-Gulbenkian-Stiftung) ein, die eine Vorfinanzierung in Höhe von 120 000 EUR bereitstellte, die von der Stadtverwaltung zurückgezahlt werden sollte, falls und sobald die vereinbarten Projektergebnisse erreicht werden (die Bewertung der Ergebnisse sollte durch einen unabhängigen Gutachter erfolgen).

Ergebnisse

Am Ende des Pilotprojekts wurde festgestellt, dass sich die Fähigkeiten der Schüler, die am Unterricht in Computerprogrammierung teilgenommen hatten, in den Bereichen Mathematik und logisches Denken verbessert hatten. Allerdings wurden nicht alle vereinbarten SIB-Parameter erreicht, sodass die Stadtverwaltung von Lissabon der Calouste-Gulbenkian-Stifung rund 25 % der Vorfinanzierung zurückzahlte.

Erkenntnisse

SIB können genutzt werden, um das Finanzierungsrisiko bei innovativen Pilotprojekten zu verringern. Es kann jedoch einige Zeit dauern, bis sich Ergebnisse einstellen, und die Laufzeit der Pilotprojekte sollte lang genug sein, damit die gewünschte Wirkung erzielt werden kann. In diesem Fall zeigte die Überwachung, dass sich die Leistung im Laufe der Zeit verbesserte, was darauf hindeutet, dass die gewünschten Ergebnisse mit mehr Zeit hätten erreicht werden können.

Quellen:http://www.oecd.org/cfe/leed/SIBsExpertSeminar-SummaryReport-FINAL.pdfhttps://maze-impact.com/report-sib-junior-code-academy/

Innovative Ansätze zur Vergabe und Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen werden ständig weiterentwickelt, und es ist lohnenswert, ihre Vor- und Nachteile in der Planungsphase zu berücksichtigen. Die oben genannten Modelle können dazu beitragen, Anreize für die Erzielung sozialer Ergebnisse zu schaffen, eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Sektors und zwischen dem öffentlichen Sektor und anderen Interessenträgern, einschließlich Sozialunternehmen und der Zivilgesellschaft, zu fördern und durch private Finanzierungen neue Ressourcen freizusetzen. Sie bergen jedoch eigene Kosten und Risiken. Die Konsultation anderer öffentlicher Auftraggeber, die Erfahrung mit diesen Modellen haben, kann Ihnen dabei helfen festzustellen, ob sie für Ihren Bedarf geeignet sind.

Bewährte Verfahren

Überlegen Sie, ob Ihr Vertrag Zahlungen enthalten sollte, die an definierte soziale Ergebnisse geknüpft sind, und arbeiten Sie bei der Festlegung geeigneter Ziele sowie von Messgrößen und unterstützenden Zahlungsbedingungen mit den Dienstleistern zusammen.

Stellen Sie sicher, dass Ihr Konzept so konzipiert ist, dass alle Zielgruppen proportional erreicht werden. Vermeiden Sie Situationen, in denen die Behandlung von Begünstigten mit leichter zu lösenden sozialen Problemen die Behandlung der am meisten gefährdeten Gruppen finanziell überschatten könnte.

Wenn Risiken und der Mangel an Kapital Ihre Fähigkeit, soziale Ergebnisse zu erzielen, einschränken, können Sie SIB als Mittel zur Mobilisierung privater Investitionen in Betracht ziehen.

Wägen Sie die Vor- und Nachteile dieser Ansätze sorgfältig ab und konsultieren Sie vor ihrer Übernahme nach Möglichkeit andere öffentliche Auftraggeber, die Erfahrung mit ähnlichen Modellen haben. Berücksichtigen Sie potenzielle positive und negative Ergebnisse, z. B. indem Sie den möglicherweise hohen Kosten für Vorleistungen, der für die an sozialen Ergebnissen orientierte Auftragsvergabe und SIB erforderlich ist, sowie der Kosteneffizienz Rechnung tragen.

5.4   Überwachung der Einhaltung

Die Umsetzung von Sozialklauseln kann für den Auftragnehmer eine Herausforderung darstellen, insbesondere wenn sie neu sind. Sie können davon ausgehen, dass auf beiden Seiten ein gewisser zusätzlicher Zeit- und Ressourcenaufwand für die Verwaltung des Vertrags erforderlich ist, und es ist von Vorteil, eine offene Kommunikation zwischen den Parteien aufrechtzuerhalten, um etwaige Probleme zu erkennen und zu lösen. Ihr Vertrag sollte zudem formellere Mechanismen zur Überwachung der Einhaltung umfassen. Welche Form der Überwachung geeignet ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

der Art der Sozialklauseln, z. B. ob sie sich auf die Lieferkette oder die Endnutzer beziehen,

der Erfahrung beider Parteien bei der Anwendung dieser Klauseln,

dem Grad an Vertrauen und Kommunikation zwischen den Parteien,

den Ressourcen und Kapazitäten für eine wirksame Leistungsüberwachung,

die Verfügbarkeit geeigneter Dritter, die bei der Überwachung helfen.

Im Großen und Ganzen gibt es vier Formen der Vertragsüberwachung: Überwachung durch den Auftraggeber, Überwachung durch den Auftragnehmer, gemeinsame Überwachung und Überwachung durch Dritte. In der nachstehenden Tabelle sind die wichtigsten Merkmale dieser vier Ansätze zusammengefasst.

Art der Überwachung

Hauptmerkmale

Auftraggeber

Der öffentliche Auftraggeber ist für die Überwachung der Einhaltung der Sozialklauseln verantwortlich und kann bei Nichteinhaltung Sanktionen verhängen.

Auftragnehmer

Der Auftragnehmer ist für die Erhebung und Meldung von Informationen über die Einhaltung der Sozialklauseln selbst verantwortlich (Selbstauskunft).

Gemeinsame Überwachung

Der Auftragnehmer ist für die Erhebung und Meldung von Informationen verantwortlich, wobei der öffentliche Auftraggeber diese Informationen überprüft oder verifiziert. Alternativ können der Auftragnehmer und der öffentliche Auftraggeber jeweils für die Überwachung bestimmter Aspekte verantwortlich sein.

Überwachung durch Dritte

Für die Überwachung der Einhaltung der Sozialklauseln und die Berichterstattung ist eine Drittpartei verantwortlich, z. B. eine Prüf- oder eine Zertifizierungsstelle.

Unabhängig vom gewählten Modell ist es wichtig, dass im Vertrag die Zuständigkeit für die Überwachung zugewiesen wird, die durchzuführenden Tätigkeiten (z. B. Fragebögen, Sitzungen, Inspektionen, Berichte, Audits) und deren Häufigkeit festgelegt und die Eskalations- und Mediationsmaßnahmen spezifiziert werden, die bei auftretenden Problemen greifen. Bei der Festlegung von Überwachungsmechanismen, die den Bieter zur Meldung von Informationen verpflichten, sind die Art und der Detaillierungsgrad der Nachweise zu berücksichtigen, die für eine sachgemäße Überwachung der Auftragsausführung erforderlich sind. Sie sollten abwägen, welche Informationen wirklich relevant und der Art und den Risiken des Auftrags angemessen sind, und die Fähigkeit Ihrer Organisation prüfen, diese Informationen zu bewerten und zu verifizieren. Beispielsweise wäre es bei der Überwachung der Zugänglichkeit eines Dienstes nützlich, durch Anforderung einschlägiger Zertifikate zum Nachweis der Fachkenntnisse die Profile derjenigen zu ermitteln, die die Überwachung durchführen. Abschnitt 5.6 befasst sich mit den Rechtsmitteln, die bei einem Verstoß gegen die Sozialklauseln womöglich zur Verfügung stehen. Um die Anwendung von Rechtsmitteln zu unterstützen, ist es besonders wichtig, über sämtliche Überwachungstätigkeiten genaue Aufzeichnungen zu führen.

Bewährte Verfahren

Rechnen Sie mit zusätzlichem Zeit- und Ressourcenbedarf für die Überwachung der Einhaltung von Sozialklauseln.

Eine Mischung aus informeller, offener Kommunikation und formellerer Überwachung kann sehr wirksam sein.

Überlegen Sie anhand der Art der Sozialklauseln und anderer Faktoren, welche Art der Überwachung für Ihren Auftrag am besten geeignet ist (Überwachung durch den Auftraggeber, Überwachung durch den Auftragnehmer, gemeinsame Überwachung oder Überwachung durch Dritte).

Legen Sie im Vertrag eindeutig fest, wer für die Überwachung zuständig ist, welche Tätigkeiten durchzuführen sind, einschließlich ihrer Häufigkeit, und welche Eskalations- und Mediationsmaßnahmen greifen sollen.

5.5   Vergabe von Unteraufträgen

Die Vergabe von Unteraufträgen ist Teil vieler öffentlicher Aufträge und muss bei der Ausarbeitung und Durchsetzung von SRPP-Bestimmungen berücksichtigt werden. Gemäß den Vergaberichtlinien können Sie die Bieter verpflichten, in ihren Angeboten den Anteil des Auftrags, den sie gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenken, sowie die gegebenenfalls vorgeschlagenen Unterauftragnehmer anzugeben (142). Darüber hinaus können Sie überprüfen oder nach nationalem Recht gar verpflichtet sein zu überprüfen, ob Gründe für den Ausschluss eines angegebenen Unterauftragnehmers vorliegen (143). Ist dies der Fall, müssen Sie von den Bietern verlangen, den betreffenden Unterauftragnehmer zu ersetzen.

Sie sollten den Auftragnehmer auffordern, Ihnen nach der Vergabe des Auftrags die Namen, Kontaktdaten und gesetzlichen Vertreter seiner Unterauftragnehmer mitzuteilen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bekannt sind. Ferner sollten Sie festlegen, dass der Auftragnehmer Ihnen alle Änderungen dieser Angaben sowie die erforderlichen Informationen in Bezug auf etwaige neue Unterauftragnehmer mitteilt. Gemäß den Vergaberichtlinien gelten diese Mitteilungspflichten verbindlich für Bauaufträge und Dienstleistungen, die in einer Einrichtung des öffentlichen Auftraggebers unter dessen direkter Aufsicht zu erbringen sind (144). Für andere Aufträge wie Lieferaufträge sind sie nicht zwingend vorgeschrieben (145), werden für die Zwecke der SRPP jedoch dringend empfohlen. Ohne grundlegende Informationen über die Identität und den Standort der Unterauftragnehmer kann sich die Durchsetzung von Sozialklauseln als sehr schwierig erweisen. Diese Mitteilungspflichten sollten auch auf Unterlieferanten und andere Akteure in der Lieferkette ausgedehnt werden.

Neben den Informationen über die Identität der Unterauftragnehmer sollten Sie vertraglich sicherstellen, dass die grundlegenden sozialen Verpflichtungen, die in den Richtlinien festgelegt sind, auf Unterauftragnehmer Anwendung finden. Dazu gehören die zwingenden Gründe und Ermessensgründe für den Ausschluss (einschließlich des Verbots von Kinderarbeit und Menschenhandel, der Verpflichtung zur Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen usw.) der Verpflichtung zur Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen usw.) sowie die Verpflichtung zur Einhaltung der geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften bei der Ausführung des Auftrags, wie in der „Sozial- und Umweltklausel“ (146) festgelegt (siehe Abschnitt 4.5). Wie in Abschnitt 5.2 dargelegt, sollte in den Vertragsbedingungen die fortlaufende Einhaltung aller zwingenden Gründe und Ermessensgründe für den Ausschluss vorgeschrieben sein. Sie sollten von allen Unterauftragnehmern verlangen, dass sie eine Erklärung über die Einhaltung vorlegen und diese regelmäßig aktualisieren.

Die Haftung für Verstöße gegen die Sozial- und Umweltklausel kann gemeinsam (oder gesamtschuldnerisch) zwischen dem Auftragnehmer und den Unterauftragnehmern erfolgen, sofern die nationalen Rechtsvorschriften dies vorsehen. Im Hauptvertrag kann auch festgelegt werden, dass Sozialklauseln in alle Unteraufträge aufzunehmen sind, dass aber der Hauptauftragnehmer die Gesamtverantwortung für die Einhaltung im gesamten Produktions- oder Bereitstellungsprozess trägt. Beachten Sie, dass die in der Sozial- und Umweltklausel festgelegten „geltenden“ Rechtsvorschriften und Tarifverträge je nach Sitz des Unterauftragnehmers unterschiedlich sein werden. Es ist sinnvoll, anhand der Informationen, die Ihnen über den Standort aller Unterauftragnehmer vorliegen, festzulegen, welche Rechtsvorschriften gelten.

Ein Aspekt der Vergabe von Unteraufträgen, der ebenfalls wirtschaftliche und soziale Folgen hat, ist die rechtzeitige Bezahlung der Unterauftragnehmer durch den Hauptauftragnehmer. Verzögerungen bei der Bezahlung der Unterauftragnehmer können gefährliche Kettenreaktionen auslösen, die die Belastbarkeit der gesamten Lieferkette gefährden, da Zahlungsverzögerungen von einem Anbieter zum nächsten weitergegeben werden. Sie können dazu beitragen, diese Auswirkungen zu verhindern, und zügige Zahlungen unterstützen. So können Sie beispielsweise Vertragsklauseln nutzen, um den Hauptauftragnehmer zu verpflichten, rechtzeitig eingegangene Zahlungen an Unterauftragnehmer zu melden, insbesondere wenn es sich dabei um KMU handelt. Bei einem Zahlungsverzug sollte der Hauptauftragnehmer nachweisen, dass er Zinsen zum gesetzlichen Satz gezahlt hat. Die Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU sehen zudem die Möglichkeit vor, auf Wunsch des Unterauftragnehmers Zahlungen direkt an den Unterauftragnehmer zu leisten (147). Bitte beachten Sie, dass Sie die Modalitäten für diese Zahlungsweise in den Auftragsunterlagen angeben müssen.

Bewährte Verfahren

Führen Sie ein Register aller Unterauftragnehmer und Zulieferer, die an Ihrem Auftrag beteiligt sind. Der Hauptauftragnehmer sollte dafür verantwortlich sein, dieses Register im Falle von Änderungen zu aktualisieren.

Verlangen Sie vom Hauptauftragnehmer, dass er grundlegende soziale Verpflichtungen an alle Unterauftragnehmer weitergibt, einschließlich der zwingenden Gründe und Ermessensgründe für den Ausschluss und der Einhaltung geltender Rechtsvorschriften, wie in der Sozial- und Umweltklausel festgelegt.

Im Falle eines Verstoße gegen soziale Verpflichtungen durch den Unterauftragnehmer muss der Hauptauftragnehmer den Unterauftragnehmer ersetzen.

Überlegen Sie, wie die gemeinsame bzw. gesamtschuldnerische Haftung im Falle eines Verstoßes gegen soziale Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag ergeben, unter Beachtung der in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Anforderungen am besten angewendet werden kann.

Öffentliche Auftragsvergabe und Menschenrechte – Anwendung der Sorgfaltspflicht bei Unterauftragnehmern in Schweden

Beschaffungsziel

Die Region Stockholm (ehemals Bezirksrat Stockholm) ist seit September 2010, als sie erstmals einen Vertrag mit Dell über die Lieferung von Computern und Laptops für ihre Mitarbeiter im öffentlichen Dienst abschloss, Vorreiter bei der Einbeziehung von Umwelt- und Sozialkriterien in die Beschaffung von IKT. Im September 2014 unterzeichnete die Region einen neuen vierjährigen Rahmenvertrag für Computer im Wert von 156 Mio. SEK (17 Mio. EUR) mit dem Wiederverkäufer Atea, der auch Dell-Computer liefert. Dell war als Unterauftragnehmer an diesem Auftrag beteiligt.

Ansatz

Im November 2013 veröffentlichte die dänische NRO DanWatch einen Bericht über Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte und Sicherheitsverletzungen in vier Elektronikfabriken in China, die eine Reihe von Elektronikmarken, darunter auch Dell, beliefern. Der Bericht lieferte Beweise für schwere Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte und Sicherheitsverletzungen, darunter: überlange Arbeitszeiten (bis zu 74 Stunden pro Woche); erzwungene Überstunden und Löhne unterhalb des lokalen gesetzlichen Mindestlohns; mangelhafte Zustände in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Als das schwedische Netzwerk der Bezirksräte für die sozial verantwortliche Auftragsvergabe Anfang 2014 Kenntnis von diesem Bericht erlangte, kontaktierte es Dell und leitete einen langfristigen Engagementprozess ein, um sicherzustellen, dass das Unternehmen seinen vollen Einfluss und seine Kapazitäten nutzt, um die Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte abzustellen und erneute Verstöße zu verhindern.

Ergebnisse

Um die Sorgfaltspflicht von Atea und des Unterauftragnehmers Dell zu stärken und so sicherzustellen, dass der vom Bezirksrat aufgestellte Katalog von Arbeitsstandards in der mit dem jeweiligen Auftrag verbundenen Lieferkette eingehalten wird, nahm die Region Stockholm zusätzlich vier Bedingungen für die Einhaltung auf. Dabei wurde der Auftragnehmer Atea zu Folgendem verpflichtet: Verbesserung der Risikoermittlung und Risikominderung; Verbesserung der Transparenz in der Lieferkette; Verbesserung der Qualität des Sozialaudits; Ausarbeitung eines kurz- und langfristigen Plans zur Einhaltung. Die schwedischen Bezirksräte haben einen wesentlichen Beitrag zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte in globalen Lieferketten geleistet und dazu beigetragen, die Kapazitäten sowohl des Hauptauftragnehmers (ein IT-Wiederverkäufer) als auch einer globalen Computermarke zur verantwortungsvollen Verwaltung ihrer Lieferketten zu verbessern.

Erkenntnisse

Rechtsverbindliche Auftragsausführungsklauseln sind notwendig, um Auftragnehmer und Unterauftragnehmer für Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte zur Rechenschaft zu ziehen. Die Wirksamkeit der Klauseln kann durch ein langfristiges Engagement von Auftragnehmer und Unterauftragnehmer sowie durch die Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Auftraggebern verbessert werden, um deren Einfluss zu erhöhen. Die Erfahrung der Region Stockholm zeigt, dass Wiederverkäufer und Händler in der Lage sind, ihrer Sorgfaltspflicht wirksam nachzukommen, und dass öffentliche Auftraggeber interne Kapazitäten aufbauen sollten, um die Auftragnehmer zur Rechenschaft ziehen zu können. Transparenz ist ein notwendiger Schritt zur Verbesserung der Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte, und öffentliche Auftraggeber sollten bestrebt sein, die Einhaltung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten unabhängig zu überprüfen, zum Beispiel durch die Einbeziehung der Arbeitnehmer (was in diesem Fall durch einen NRO-Partner erleichtert wurde).

Quelle:Public Procurement and Human Rights – Due Diligence to Achieve Respect for Labour Rights Standards in Electronics Factories: A Case Study of the Swedish County Councils and the Dell Computer Corporation (Öffentliche Auftragsvergabe und Menschenrechte – Sorgfaltspflicht zur Einhaltung von Arbeitsrechtsstandards in Elektronikfabriken: Eine Fallstudie der schwedischen Bezirksräte und der Dell Computer Corporation).

5.6   Problembehandlung

Auch bei einem optimal verwalteten Auftrag kann es in der Ausführungsphase bisweilen zu Problemen kommen. Wenn sich diese auf SRPP-Klauseln beziehen, ist es ratsam, gewisse Lösungswerkzeuge zu Ihrer Verfügung zu haben. Während die genauen Vorschriften für Vertragsstrafen und Rechtsmittel von Land zu Land unterschiedlich sind, gelten ähnliche Grundprinzipien. Zunächst sollte der Auftragnehmer auf Probleme hingewiesen werden und er sollte Gelegenheit erhalten, innerhalb einer bestimmten Frist zu reagieren. Diese Frist ist abhängig von der Schwere des Problems. Zum Beispiel erfordert die Meldung des Einsatzes illegaler Arbeitskräfte bei einem Auftrag eine Reaktion innerhalb von ein oder zwei Tagen, während für Probleme mit einer Online-Datenbank, in der die Standorte der Unterauftragnehmer erfasst sind, eine längere Frist gesetzt wird. Auch wenn Sie nicht alle etwaigen Probleme vorhersehen können, sollten Sie sich dennoch Gedanken über die wichtigsten möglichen Szenarien machen und entsprechende Klauseln ausarbeiten.

Wird ein Problem nicht innerhalb der festgelegten Frist gelöst, muss es eskaliert werden – entweder an eine höhere Managementebene, an ein für die Verwaltung des Auftrags zuständiges Gremium oder an eine objektive dritte Partei wie einen Mediator. Wird das Problem auf dieser Ebene nicht gelöst, kann dies konkrete Sanktionen nach sich ziehen, z. B. Geldstrafen, Verkürzung eines Vertrags oder sogar Kündigung. In den Vergaberichtlinien ist festgelegt, dass öffentliche Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag kündigen können, wenn festgestellt wird, dass einer der zwingenden Ausschlussgründe zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung auf den Auftragnehmer zutrifft (148). Diese Bestimmung kann auf Verstöße gegen andere Sozialklauseln ausgedehnt werden und es kann gestattet werden, dass der Auftrag an einen anderen qualifizierten Bieter übertragen wird oder dass der öffentliche Auftraggeber „einspringt“ und Unteraufträge direkt verwaltet (149). Solche Klauseln sollten Sie nicht daran hindern, andere Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen, die nach nationalem Recht zur Verfügung stehen.

Bewährte Verfahren

Verträge sollten mehrere Instrumente und Verfahren zur Lösung von Problemen bei der Umsetzung von Sozialklauseln enthalten.

Sie sollten eine Klausel aufnehmen, die es Ihnen ermöglicht, den Vertrag zu kündigen, wenn einer der zwingenden Ausschlussgründe zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung auf den Auftragnehmer zutrifft.

Verordnung des Stadtrates von Oslo gegen Kinderarbeit (Norwegen)

Beschaffungsziel

Die Verordnung des Stadtrates von Oslo gegen Kinderarbeit fand seit 1996 nur auf bestimmte Aufträge Anwendung, wurde 2005 jedoch auf alle Standardaufträge ausgedehnt. Die Strategie wurde vom Stadtrat von Oslo in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Unternehmensbeschaffung entwickelt. Seitdem hat der Stadtrat, insbesondere im Hinblick auf Menschenrechte und Kinderarbeit, neue Leitlinien und Vertragsklauseln für die SRPP angenommen (Oslo-Modell).

Ansatz

Die Anbieter müssen garantieren, dass alle gelieferten Produkte im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, dem IAO-Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter sowie den übrigen Kernübereinkommen der IAO hergestellt werden.

Ergebnisse

Die nationalen und lokalen Behörden in den Produktionsländern werden dazu angeregt, sich durch die Umsetzung der Verordnung des Stadtrates gegen Kinderarbeit aktiv gegen diese einzusetzen. Ein Verstoß gegen die Verordnung gegen Kinderarbeit während der Vertragslaufzeit gilt als schwere Vertragsverletzung und kann zur Kündigung des Vertrags führen.

Erkenntnisse

Unter den bisherigen Vertragsklauseln hat der Stadtrat zweimal mit einer Kündigung des Vertrags gedroht: das erste Mal infolge einer Prüfung durch Dritte in einer Produktionsstätte für Arbeitskleidung in China und das zweite Mal infolge einer Prüfung durch Dritte im Hauptsitz eines ehemaligen Anbieters von medizinischer Ausrüstung in Norwegen. In beiden Fällen haben die Anbieter jedoch Korrekturmaßnahmen ergriffen, die gut dokumentiert und vom Stadtrat genehmigt wurden. Ein Vertrag musste daher nie allein aufgrund eines Verstoßes gegen soziale Vertragsklauseln im Zusammenhang mit globalen Lieferketten gekündigt werden. Die sozialen Vertragsklauseln ermöglichen es dem Stadtrat jedoch, einen Vertrag aufgrund eines Verstoßes gegen die Verordnung gegen Kinderarbeit oder andere grundlegende Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer- und Menschenrechte zu kündigen, selbst wenn die Anbieter Korrekturmaßnahmen ergreifen.

5.7   Erkenntnisse für künftige Aufträge

Für eine erfolgreiche SRPP müssen öffentliche Auftraggeber Erkenntnisse aus ihren eigenen Erfahrungen und den Erfahrungen anderer ziehen. Dies ist nur möglich, wenn die Ergebnisse der SRPP - auch im Falle von Problemen – dokumentiert und kommuniziert werden. In diesem Leitfaden werden zahlreiche Beispiele angeführt, einschließlich der aus dem jeweiligen Fall gewonnenen Erkenntnisse. Überlegen Sie, wie Sie innerhalb Ihrer Organisation Informationen über die Umsetzung von SRPP-Maßnahmen sammeln und wie diese ausgetauscht werden können. Einige Möglichkeiten sind die Organisation von Veranstaltungen für andere Auftragnehmer und Anbieter, die Teilnahme an nationalen oder europäischen Netzwerken und Projekten oder die Veröffentlichung von Berichten oder Fallstudien. Sie können auch Feedback von Nutzern und Nutzerverbänden einholen, um mehr darüber zu erfahren, wie der Auftrag ihren Bedürfnissen insgesamt gerecht wurde und ob die getroffenen Maßnahmen ausreichend waren. Diese Aktivitäten dienen nicht nur dazu, anderen zu helfen, sondern auch dazu, die Ergebnisse Ihrer Bemühungen intern bekannt zu machen und ein Verständnis dafür zu entwickeln, was funktioniert hat und was nicht. Wenn möglich, sollten Sie den Auftragnehmer aktiv in diese Bemühungen einbeziehen, um seine Rolle bei der Umsetzung der SRPP zu würdigen.

Prüfung bei Anbietern von Reinigungsdiensten im Hinblick auf die Einhaltung sozialer Kriterien in Katalonien (Spanien)

Beschaffungsziele

Im Jahr 2018 vergab die katalanische Regionalregierung eine Rahmenvereinbarung im Wert von 75 Mio. EUR für die Reinigung sämtlicher Gebäude, Räumlichkeiten und Einrichtungen. Die Ausschreibung enthielt soziale und ökologische Kriterien und Klauseln. Um den Zugang zur Ausschreibung für KMU und Sozialunternehmen zu verbessern, unterteilte die katalanische Regionalregierung den Auftrag in neun Lose, wobei ein Los speziellen Beschäftigungszentren und Wiedereingliederungsunternehmen vorbehalten war, die auch Angebote in den anderen Losen abgeben konnten.

Ansatz

Infolge einer umfangreichen Marktkonsultation legte die katalanische Regionalregierung in der Ausschreibung eine Reihe sozialer Kriterien fest, darunter Aspekte der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Berufsleben und Familien- und Privatleben, ein Verfahren zur Behebung von Zwischenfällen und Beschränkungen der Verwendung gefährlicher Stoffe bei der Herstellung der Uniformen. Die Bieter wurden aufgefordert, einen Überwachungsplan vorzulegen, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, die Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen.

Ergebnisse

Von den insgesamt 39 Unternehmen, die für die Rahmenvereinbarung infrage kamen, wurde bei 16 Unternehmen (d. h. allen Unternehmen mit derzeit laufenden Verträgen) eine Prüfung auf Einhaltung der sozialen Kriterien durchgeführt. Das Prüfteam, das aus Technikern der Generaldirektion für Arbeitsbeziehungen und Qualität am Arbeitsplatz (Ministerium für Beschäftigung, Soziales und Familie) bestand, wertete die Ansichten und Meinungen der Beschäftigten aus und analysierte die Gehaltslisten, Arbeitsverträge und Arbeitszeitregistrierungen, um zu überprüfen, ob die Kriterien eingehalten wurden. Es wurden einige Verstöße festgestellt, und die katalanische Regionalregierung konnte mit den Anbietern zusammenarbeiten, um die soziale Leistungsfähigkeit der Dienste zu verbessern. Die Ergebnisse dieser Prüfung sowie eine neue Runde von Marktkonsultationen dienten als Grundlage für die nächste Rahmenvereinbarung (Januar 2018 bis Januar 2020).

Erkenntnisse

Umfassende Marktforschung und vorherige Marktkonsultationen sollten Priorität haben. Bei der Einbeziehung von Sozial- und Umweltklauseln müssen die Auftragnehmer vorab darauf hingewiesen werden, dass sie sicherstellen müssen, dass sie diese Klauseln auch umsetzen können, und dass Sie einen Überwachungsplan unter Angabe der personellen und wirtschaftlichen Ressourcen für die Umsetzung dieses Plans erstellen müssen. Darüber hinaus sollten angemessene Sanktionen für Verstöße in den Vertrag aufgenommen werden.

Die Bewertung der SRPP, ob formell oder informell, schafft eine Grundlage für zukünftige Aufträge. Im Laufe der Zeit sollten Sie die Zielvorgaben erhöhen und inspirierende Ergebnisse erkennen können.

Bewährte Verfahren

Dokumentieren Sie die Ergebnisse der SRPP und nutzen Sie diese Informationen als Grundlage, um das Anspruchsniveau innerhalb Ihrer Organisation schrittweise zu erhöhen.

Die SRPP-Ergebnisse können anderen Organisationen wertvolle Erkenntnisse liefern, auch wenn Sie nicht alle Ihre Ziele erreicht haben. Das Teilen Ihres Ansatzes und Ihrer Ergebnisse durch Veranstaltungen oder Fallstudien oder über die sozialen Medien trägt zur Förderung der Anerkennung, des Verständnisses und der Übernahme der SRPP bei.


(1)  Einschließlich der Einhaltung der im Vertrag und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Verpflichtungen und Grundsätze, darunter Gleichheit vor dem Gesetz und Nichtdiskriminierung.

(2)  Diese grundlegende Anforderung an die SRPP wird in Abschnitt 4.1 erläutert, mit konkreten Beispielen im gesamten Leitfaden.

(3)  Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1); Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65); Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243). Im Folgenden werden diese drei Richtlinien als die „Vergaberichtlinien“ bezeichnet.

(4)  Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

(5)  Die EU hat sich im Rahmen mehrerer internationaler Übereinkommen verpflichtet, für bestimmte Bauleistungen, Lieferungen, Dienstleistungen und Wirtschaftsteilnehmer aus mehreren Drittländern den Zugang zu ihrem Beschaffungsmarkt zu gewähren. Das einzige plurilaterale internationale Übereinkommen der WTO ist das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA), das den Beschaffungsmarkt der EU für die anderen Vertragsparteien des Abkommens öffnet. Darüber hinaus enthalten einige der Freihandelsabkommen (FHA) der EU Kapitel über die Auftragsvergabe. In Artikel 25 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 43 der Richtlinie 2014/25/EU wird unterstrichen, dass öffentliche Auftraggeber in der EU auf Bauleistungen, Lieferungen, Dienstleistungen und Wirtschaftsteilnehmer aus den Unterzeichnerstaaten dieser Übereinkommen keine ungünstigeren Bedingungen anwenden als die Bedingungen für die Bauleistungen, Lieferungen, Dienstleistungen und Wirtschaftsteilnehmer aus der EU, sofern diese durch die genannten Übereinkommen abgedeckt sind. Über diese Verpflichtung hinaus wird Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern, die keine Vereinbarung über die Öffnung des EU-Beschaffungsmarkts geschlossen haben oder deren Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen nicht unter eine solche Vereinbarung fallen, kein Zugang zu Vergabeverfahren in der EU zugestanden und sie dürfen ausgeschlossen werden. Weitere Informationen über die Beteiligung von Drittländern an Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber in der EU finden sich in den Leitlinien der Europäischen Kommission zur Teilnahme von Bietern und Waren aus Drittländern am EU-Beschaffungsmarkt (C(2019) 5494 vom 24.7.2019, https://ec.europa.eu/growth/content/new-guidance-participation-third-country-bidders-eu-procurement-market_de

(6)  https://www.un.org/development/desa/disabilities/convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities.html

(7)  Für Leitlinien zur umweltorientierten öffentlichen Beschaffung siehe das Dokument Buying green! – A Handbook on Green Public Procurement (Umweltorientierte Beschaffung – Ein Handbuch zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung) aus dem Jahr 2016 (https://ec.europa.eu/environment/gpp/pdf/handbook_2016_de.pdf

(8)  Für Leitlinien zum Kreislaufbeschaffungswesen siehe das Dokument Public Procurement for a Circular Economy (Öffentliche Beschaffung für eine Kreislaufwirtschaft) (http://ec.europa.eu/environment/gpp/circular_procurement_en.htm

(9)  Für Leitlinien zur innovationsfördernden öffentlichen Beschaffung siehe die Mitteilung der Kommission „Leitfaden für eine innovationsfördernde öffentliche Auftragsvergabe“ (https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/3/2018/DE/C-2018-3051-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF

(10)  In der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Eine funktionierende öffentliche Auftragsvergabe in und für Europa“ wird auf die „Möglichkeiten, die die Vergabe öffentlicher Aufträge als strategisches Werkzeug zur Erreichung der Ziele einer nachhaltigen, sozialen Politik und zur Förderung der Innovation bietet“ verwiesen. Für weitere Informationen siehe die Mitteilung unter: https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2017/DE/COM-2017-572-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF

(11)  Für weitere Informationen zur Professionalisierung des öffentlichen Auftragswesens siehe die Empfehlung (EU) 2017/1805 der Kommission vom 3. Oktober 2017 zur Professionalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe – Errichtung einer Architektur für die Professionalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe und den Europäischen Kompetenzrahmen für Fachkräfte des öffentlichen Beschaffungswesens ProcurComp EU: https://ec.europa.eu/growth/content/european-commission-unveils-procurcompeu-

(12)  https://ec.europa.eu/growth/content/making-socially-responsible-public-procurement-work-71-good-practice-cases_de

(13)  https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/3498035f-5137-11ea-aece-01aa75ed71a1

(14)  https://ec.europa.eu/info/policies/public-procurement/support-tools-public-buyers_de

(15)  Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 36 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU. Im Folgenden werden diese Bestimmungen als „Sozial- und Umweltklausel“ bezeichnet. Für weitere Einzelheiten zu diesem Punkt siehe Abschnitt 4.5.

(16)  Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Grundwert der EU, ein Grundrecht und ein Grundprinzip der europäischen Säule sozialer Rechte. Es ist Aufgabe der Union, bei all ihren in den Verträgen vorgesehenen Tätigkeiten die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Dazu gehört beispielsweise das Konzept der ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern, das nicht nur die Unterrepräsentation von Frauen in von Männern dominierten Bereichen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) abdeckt, sondern auch die Unterrepräsentation von Männern in Bereichen wie Gesundheit, Soziales, Kinderbetreuung und Grundschulbildung.

(17)  Die Sozialwirtschaft umfasst Vereine, Stiftungen, Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und soziale Unternehmen. Soziale Unternehmen sind Organisationen, die unabhängig von ihrer Rechtsform unternehmerisches Handeln mit einem sozialen Zweck verbinden. Ihr Hauptziel besteht darin, soziale Auswirkungen zu erzielen, anstatt den Gewinn für Eigentümer oder Anteilseigner zu maximieren. Weitere Informationen unter https://ec.europa.eu/growth/sectors/social-economy_de

(18)  Artikel 20 und 77 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 38 und 94 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 34 der Richtlinie 2014/23/EU. Siehe Abschnitt 4.3 für weitere Ausführungen zu Vorbehalten.

(19)  Artikel 46 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 65 der Richtlinie 2014/25/EU.

(20)  https://www.ilo.org/global/topics/decent-work/lang--en/index.htm

(21)  https://ec.europa.eu/info/strategy/international-strategies/sustainable-development-goals/eu-holistic-approach-sustainable-development_en

(22)  https://ec.europa.eu/international-partnerships/topics/employment-and-decent-work_en

(23)  https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=157&langId=de

(24)  Siehe Artikel 157 AEUV und die Richtlinie 2006/54/EG.

(25)  Die Bedeutung der Geschlechtergleichstellung wird in den politischen Leitlinien der Präsidentin der Europäischen Kommission und in allen Mandatsschreiben an die Kommissionsmitglieder der Europäischen Kommission hervorgehoben, https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/political-guidelines-next-commission_de.pdf

(26)  Die Allgemeine Bemerkung Nr. 2 des VN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen lautet: „Im Rahmen ihrer Überprüfung der Gesetze zur Zugänglichkeit müssen die Vertragsstaaten auch ihre Gesetze über öffentliche Vergaben berücksichtigen, um sicherzustellen, dass ihre öffentlichen Vergabeverfahren Zugänglichkeitsanforderungen enthalten. Es ist nicht akzeptabel, öffentliche Mittel einzusetzen, um die Ungleichbehandlung, die zwangsläufig aus nicht zugänglichen Dienstleistungen und Einrichtungen resultiert, zu erzeugen oder fortzusetzen. Öffentliche Vergabeverfahren sollten verwendet werden, um gezielte Fördermaßnahmen gemäß Artikel 5 Absatz 4 des Übereinkommens umzusetzen, um die Zugänglichkeit und die De-facto-Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen.“

(27)  Siehe Artikel 9 der VN-Behindertenrechtskonvention bzw. die Allgemeine Bemerkung Nr. 2 des VN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

(28)  https://www.un.org/development/desa/disabilities/convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities.html

(29)  Hinsichtlich öffentlicher Aufträge und Versorgungsleistungen Siehe jeweils Artikel 42 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 60 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU.

(30)  Dazu gehört auch die Einhaltung der im Vertrag und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Verpflichtungen und Grundsätze sowie der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, der Internationalen Charta der Menschenrechte und der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker.

(31)  Die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte umfassen eine Reihe von Leitlinien, die Staaten und Unternehmen dabei helfen sollen, Menschenrechtsverletzungen im Rahmen von Geschäftstätigkeiten zu verhindern bzw. anzugehen und abzustellen. Sie wurden im Juni 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gebilligt und sind abrufbar unter: https://www.business-humanrights.org/de/schwerpunkt-themen/un-leitprinzipien/

(32)  Urteil des Gerichtshofs, Kommission/Königreich der Niederlande, C-368/10, Rn. 91 und 92.

(33)  Erwägungsgrund 97 und Artikel 67 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU, Erwägungsgrund 102 und Artikel 82 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2014/25/EU sowie Erwägungsgrund 64 und Artikel 41 der Richtlinie 2014/23/EU.

(34)  Der Ausdruck „öffentliche Beschaffungsaufträge“ wird in diesem Dokument unterschiedslos für öffentliche Aufträge und Konzessionen verwendet.

(35)  Artikel 7 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

(36)  Titel III (Artikel 74-77) der Richtlinie 2014/24/EU, Titel III (Artikel 91-94) der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 19 der Richtlinie 2014/23/EU.

(37)  Artikel 76 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 93 der Richtlinie 2014/25/EU.

(38)  A Voluntary European Quality Framework for Social Services, SPC/2010/10/8 final (Ein freiwilliger europäischer Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen).

(39)  Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 36 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU.

(40)  Erklärung 22 des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte.

(41)  Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union.

(42)  Siehe https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals.html „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030“ (COM(2019) 22 vom 30. Januar 2019).

(43)  In der Erklärung 22 zum Vertrag von Amsterdam heißt es betreffend Menschen mit einer Behinderung: Die Konferenz kommt überein, dass die Organe der Gemeinschaft bei der Ausarbeitung von Maßnahmen nach Artikel 100a (nunmehr Artikel 95) des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft den Bedürfnissen von Menschen mit einer Behinderung Rechnung tragen sollen.

(44)  Für den Beschäftigungsbereich siehe die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23), die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22) sowie die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16).

(45)  Siehe unter anderem die Richtlinie 92/85/EWG des Rates 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1) sowie die Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates (ABl. L 180 vom 15.7.2010, S. 1).

(46)  Siehe u. a. Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 9), Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175 vom 10.7.1999, S. 43).

(47)  Für einen Überblick über den sozialen Besitzstand der EU siehe die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2016)50 final vom 8. März 2016. Weitere nach diesem Datum entwickelte Initiativen werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt.

(48)  Choosing best value in contracting food services (Auswahl des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses bei der Auftragsvergabe an Cateringdienste): https://contract-catering-guide.org/wp-content/uploads/2019/09/Catering-Services_Best-Value-Guide_EN_Web.pdf

(49)  Buying quality private security services (Beschaffung hochwertiger privater Sicherheitsdienste): http://www.securebestvalue.org/wp-content/uploads/2014/11/Best-Value-Manual_Final.pd

(50)  Selecting Best Value – A guide for public and private organisations awarding contracts for cleaning services (Auswahl des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses – Ein Leitfaden für öffentliche und private Organisationen, die Aufträge für Reinigungsdienste vergeben) http://www.cleaningbestvalue.eu/the-guide.html

(51)  How to derive MEAT criteria – Introducing quality criteria into public procurement (Möglichkeiten zur Aufstellung von Kriterien zur Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots – Einführung von Qualitätskriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe) https://www.efcanet.org/sites/default/files/2020-01/MEAT%20booklet_final.pdf

(52)  https://ec.europa.eu/info/european-pillar-social-rights_de

(53)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ vom 14. Januar 2020 (COM(2020) 14 final).

(54)  Vorschlag vom 28. Oktober 2020 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (COM(2020) 682 final). Dieser Legislativvorschlag wird die Annahme durch die EU-Mitgesetzgeber sowie die Umsetzung auf nationaler Ebene erfordern.

(55)  Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 70).

(56)  Artikel 2 der Richtlinie (EU) 2019/882.

(57)  Die Richtlinie sieht Ausnahmen für Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste sowie für Dienstleistungen von Kleinstunternehmen vor (d. h. von Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Mio. EUR beläuft).

(58)  Erwägungsgrund 49, Artikel 4 Absatz 4 und Anhang III der Richtlinie (EU) 2019/882.

(59)  Artikel 2 der Richtlinie 96/71/EG.

(60)  Quelle: Posting of workers – Report on A1 Portable Documents issued in 2018 (Entsendung von Arbeitnehmern – Bericht über die im Jahr 2018 ausgestellten portablen Dokumente A1“), Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission, November 2019, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=22302&langId=en

(61)  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1) in der durch die Richtlinie (EU) 2018/957 geänderten Fassung.

(62)  Die Richtlinie (EU) 2018/957 muss bis zum 30. Juli 2020 in nationales Recht umgesetzt werden und kann nicht vor diesem Datum angewandt werden. Für den Straßenverkehrssektor gelten bis zur Annahme einer neuen Durchsetzungsrichtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EU die Bestimmungen der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern aus dem Jahr 1996. Für weitere Informationen siehe das Dokument der Europäischen Kommission Practical Guide on Posting (Praktischer Leitfaden zur Entsendung von Arbeitnehmern) aus dem Jahr 2019: https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=21472&langId=en

(63)  Durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche festgelegt.

(64)  Anhang X der Richtlinie 2014/24/EU, Anhang XIV der Richtlinie 2014/25/EU und Anhang X der Richtlinie 2014/23/EU.

(65)  Für weitere Informationen siehe https://ec.europa.eu/growth/smes/sme-strategy/late-payment_en

(66)  Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 48 vom 23.2.2011, S. 1).

(67)  Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2011/7.

(68)  Siehe https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-consumption-production/

(69)  Electronics Watch ist eine unabhängige Organisation, deren Ziel es ist, öffentliche Auftraggeber und Organisationen der Zivilgesellschaft in Regionen mit Elektronikproduktion mit Experten für Menschenrechte und globale Lieferketten zusammenzubringen. Weitere Informationen: http://electronicswatch.org/en

(70)  SwedWatch ist eine unabhängige Organisation, die sich auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße in verschiedenen Sektoren, z. B. Lebensmittel, Metalle, Holzeinschlag, Mineralien und Textilien, spezialisiert hat. Weitere Informationen: https://swedwatch.org/en/teman/public-procurement/

(71)  Die aktuellen Schwellenwerte sind abrufbar unter: https://ec.europa.eu/growth/single-market/public-procurement/rules-implementation/thresholds_en

(72)  Die Bedarfsermittlung kann sich auch auf eine geschlechtsspezifische Analyse stützen. Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (European Institute for Gender Equality, EIGE) definiert die geschlechtsspezifische Analyse als eine kritische Untersuchung, wie sich Unterschiede in den geschlechtsspezifischen Rollen, Aktivitäten, Bedürfnissen, Möglichkeiten und Rechten bzw. Ansprüchen auf Männer, Frauen, Mädchen und Jungen in einer bestimmten Situation oder einem bestimmten Kontext auswirken. In der geschlechtsspezifischen Analyse werden die Beziehungen zwischen Frauen und Männern sowie ihr Zugang zu und ihre Kontrolle über Ressourcen und die Einschränkungen, denen sie im Verhältnis zueinander ausgesetzt sind, untersucht. Siehe: EIGE, Gender Mainstreaming – Concepts and definitions (EIGE, Gender Mainstreaming – Konzepte und Definitionen).

(73)  Artikel 40 der Richtlinie (EU) 2014/24. Eine ähnliche Bestimmung für Aufträge für Versorgungsleistungen ist in Artikel 58 der Richtlinie 2014/25/EU verankert.

(74)  In einigen Fällen kann eine Marktkonsultation vor der Veröffentlichung der Ausschreibung zwar für die Beschaffungsvorbereitung von Vorteil sein, aber zu unvermeidlichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich für einen oder mehrere Wettbewerber aufgrund der Marktkonsultation bestimmte Vorteile gegenüber potenziellen Bietern ergeben, die nicht an der Konsultation teilgenommen haben. Wenn unter diesen Umständen keine anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen ergriffen werden können, um einen gleichberechtigten Wettbewerb zu gewährleisten (z. B. die Weitergabe bestimmter Informationen an alle Bieter oder eine angemessene Formulierung der Ausschreibungsbedingungen), kann es erforderlich sein, Bewerber oder Bieter, die in die Beschaffungsvorbereitung eingebunden waren, auszuschließen, um derartige Verzerrungen zu beseitigen.

(75)  Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie 2014/23/EU.

(76)  Erwägungsgrund 78 und Artikel 46 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU sowie Erwägungsgrund 87 und Artikel 65 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU. Die nationalen Regierungen können auch beschließen, die Unterteilung von Aufträgen in Lose für bestimmte Arten von Aufträgen verbindlich vorzuschreiben.

(77)  Artikel 46 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 65 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU.

(78)  Siehe Kapitel I der Richtlinie 2014/24/EU (insbesondere Artikel 26-31) sowie Kapitel I der Richtlinie 2014/25/EU (insbesondere Artikel 44-49).

(79)  Artikel 26 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU. Gemäß der Richtlinie 2014/25/EU können der wettbewerbliche Dialog und das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Veröffentlichung ohne besondere Begründung angewandt werden.

(80)  Artikel 65 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 46 der Richtlinie 2014/25/EU.

(81)  Artikel 47 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 66 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 39 der Richtlinie 2014/23/EU.

(82)  Artikel 26 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU. Gemäß der Sektorenrichtlinie können der wettbewerbliche Dialog und das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Veröffentlichung ohne besondere Begründung angewandt werden.

(83)  Die vorkommerzielle Auftragsvergabe ist vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien ausgenommen (siehe Artikel 14 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 32 der Richtlinie 2014/25/EU). Sie umfasst nicht die großmaßstäbliche Produktion für kommerzielle Mengen von Endprodukten, die in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fällt. Weitere Informationen zur vorkommerziellen Auftragsvergabe, zu ihren Vorteilen und zu ihren Begrenzungen finden Sie unter https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/pre-commercial-procurement

(84)  Für ein konkretes Beispiel, wie die vorkommerzielle Auftragsvergabe zur Erbringung von Pflegediensten für mehr Nutzer angewandt werden kann, siehe https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/bioservo-technologies-gives-humans-robotic-super-strength-cyborgs

(85)  Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 der Kommission vom 23. September 2019 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen für öffentliche Aufträge und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 (ABl. L 272 vom 25.10.2019, S. 7) (elektronische Formulare – eForms).

(86)  Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/growth/single-market/public-procurement/digital/eforms_en

(87)  Dienstleistungen beispielsweise in den Bereichen Polizei, Justiz und gesetzliche Sozialversicherungssysteme unterliegen weder spezifischen europäischen Rechtsvorschriften noch den Binnenmarktvorschriften und Wettbewerbsregeln.

(88)  Titel III (Artikel 74-77) der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 91-94 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 19 der Richtlinie 2014/23/EU. Siehe Abschnitt 4.2.

(89)  Titel III (Artikel 74-77) der Richtlinie 2014/24/EU sowie Artikel 91-94 der Richtlinie 2014/25/EU. Gemäß Artikel 19 der Richtlinie 2014/23/EU unterliegen Konzessionen für soziale und andere besondere Dienstleistungen nur den Vorschriften über die Veröffentlichung einer Vorinformation und die Zuschlagsbekanntmachung sowie den Vorschriften über Rechtsmittel.

(90)  Es ist wichtig, in der Bekanntmachung anzugeben, ob Sie eines der regulären Verfahren anwenden oder ob Sie es für die Zwecke der Vergabe eines unter die Sonderregelung fallenden Auftrags angepasst haben.

(91)  Siehe Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2014/24/EU: „... gelten die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe in der Regel nicht für die bloße Finanzierung, insbesondere durch Finanzhilfen, von Tätigkeiten, die häufig mit der Verpflichtung verbunden ist, erhaltene Beträge bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung zurückzuzahlen.“ Siehe auch Erwägungsgrund 114 der Richtlinie 2014/24/EU und Erwägungsgrund 120 der Richtlinie 2014/25/EU.

(92)  In diesem Fall finden die Vorschriften über öffentliche Aufträge und Konzessionen zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors Anwendung, die in Artikel 12 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 17 der Richtlinie 2014/23/EU festgelegt sind. Die Artikel 28 bis 30 der Richtlinie 2014/25/EU enthalten Vorschriften, die für besondere Beziehungen bei der Beschaffung von Versorgungsleistungen gelten.

(93)  Für weitere Informationen siehe http://ec.europa.eu/competition/state_aid/overview/index_en.html

(94)  Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU, Anhang XVII der Richtlinie 2014/25/EU und Anhang IV der Richtlinie 2014/23/EU.

(95)  Diese Dienstleistungen unterliegen nicht der Richtlinie, wenn sie als nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse organisiert werden. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen sozialen Dienstleistungen oder anderen Dienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem Interesse oder als nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu organisieren.

(96)  Artikel 20 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 38 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 24 der Richtlinie 2014/23/EU.

(97)  Die nachstehenden Listen sind indikativ und orientieren sich an Artikel 1 der VN-Behindertenrechtskonvention und (mit einigen Ergänzungen) Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 651 der Kommission aus dem Jahr 2014 (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung).

(98)  Artikel 77 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 94 der Richtlinie 2014/25/EU. Die betreffenden Dienstleistungen sind in Tabelle 4.2 fett gedruckt.

(99)  Diese Bedingungen sind in Artikel 77 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 94 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU festgelegt.

(100)  Die Verpflichtung, Angebote abzulehnen, die nicht den Spezifikationen entsprechen, wurde vom Gerichtshof in seinen Urteilen in den Rechtssachen C-243/89, Kommission/Königreich Dänemark (Storebaelt) und C-561/12, Nordecon AS und Ramboll Eesti AS/Rahandusministeerium (Nordecon) hervorgehoben.

(101)  Varianten können verwendet werden, um bei Bedarf mehr Flexibilität bei den Spezifikationen zu ermöglichen. Artikel 45 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 64 der Richtlinie 2014/25/EU enthalten die entsprechenden Vorschriften.

(102)  Für Konzessionen, die unter die Richtlinie 2014/23/EU fallen, gibt es keine entsprechende Bestimmung.

(103)  Die Richtlinie sieht Ausnahmen für Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste sowie für Dienstleistungen von Kleinstunternehmen vor (d. h. von Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Mio. EUR beläuft).

(104)  Siehe https://www.etsi.org/deliver/etsi_en/301500_301599/301549/03.01.01_60/en_301549v030101p.pdf

(105)  Siehe https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/mandates/index.cfm?fuseaction=search.detail&id=392https://standards.cen.eu/dyn/www/f?p=204:110:0::::FSP_PROJECT,FSP_LANG_ID:65077.25&cs=1B1F504D7DCF7711690E22BAE7CED456A.

(106)  Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 36 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU.

(107)  Anhang X der Richtlinie 2014/24/EU, Anhang XIV der Richtlinie 2014/25/EU und Anhang X der Richtlinie 2014/23/EU.

(108)  Artikel 56 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 76 Absatz 6 der Richtlinie 2014/25/EU.

(109)  Artikel 57 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 80 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 38 Absatz 7 Buchstabe a der Richtlinie 2014/23/EU.

(110)  Artikel 69 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 Absatz 3 der Richtlinie 2014/25/EU.

(111)  Artikel 71 Absatz 6 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 88 Absatz 6 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 42 Absatz 4 der Richtlinie 2014/23/EU.

(112)  Artikel 57 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 80 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 38 der Richtlinie 2014/23/EU.

(113)  Artikel 57 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU. Siehe auch Artikel 80 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU und für Konzessionen Artikel 38 Absätze 4 und 5 der Richtlinie 2014/23/EU.

(114)  Artikel 57 Absatz 2, Artikel 57 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 38 Absatz 7 der Richtlinie 2014/23/EU. Bei Aufträgen für Versorgungsleistungen kann die Anwendbarkeit von Ermessensgründen je nach den nationalen Vorschriften variieren (siehe Artikel 80 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU).

(115)  Artikel 59 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU. Ferner kann ein Auftrag gekündigt werden, wenn der Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung einen der Tatbestände erfüllt, die zu einem zwingenden Ausschluss führen (Artikel 73 Buchstabe b der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 90 Buchstabe b der Richtlinie 2014/25/EU, Artikel 44 Buchstabe b der Richtlinie 2014/23/EU).

(116)  Artikel 57 Absatz 7 der Richtlinie 2014/24/EU, der auch für Versorgungsunternehmen gelten kann (siehe Artikel 80 der Richtlinie 2014/25/EU), sowie Artikel 38 Absatz 10 der Richtlinie 2014/23/EU. In den nationalen Rechtsvorschriften können auch kürzere Ausschlusszeiträume festgelegt sein.

(117)  Artikel 57 Absatz 6 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 80 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 38 Absatz 9 der Richtlinie 2014/23/EU.

(118)  Artikel 58 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 80 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 38 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2014/23/EU.

(119)  Gemäß Anhang XII Teil II Buchstabe d der Richtlinie 2014/24/EU.

(120)  Siehe https://standards.cen.eu/dyn/www/f?p=204:110:0::::FSP_PROJECT:62323&cs=13275480BC8D2104048D1E2104EAD11A2

(121)  eCertis ist ein Informationssystem, mit dessen Hilfe Sie in Erfahrung bringen können, welche Bescheinigungen im Rahmen von Ausschreibungsverfahren in der EU verwendet werden. Die Suchfunktion steht in allen EU-Amtssprachen zur Verfügung. Sie können das System über folgenden Link konsultieren: https://ec.europa.eu/tools/ecertis/#/search

(122)  Artikel 67 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 41 Absatz 2 der Richtlinie 2014/23/EU. Der Ausdruck „Handel sowie die damit verbundenen Bedingungen“ kann Erwägungen des fairen Handels umfassen, wie der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache C-368/10 dargelegt hat (siehe Textfeld).

(123)  Die Anforderungen in Bezug auf Gütezeichen/Zertifizierungen Dritter werden in Abschnitt 4.8 erörtert.

(124)  Ist in den technischen Spezifikationen zum Beispiel festgelegt, dass Webinhalte der Stufe „AA“ der WCAG 2.1 entsprechen müssen, könnten zusätzliche Punkte für jedes Angebot mit Konformität der Stufe „AAA“ vergeben werden.

(125)  Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 18. Oktober 2001, SIAC Construction Ltd/County Council of the County of Mayo, C-19/00, Rn. 42.

(126)  Artikel 67 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 82 Absatz 4 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 41 Absatz 2 der Richtlinie 2014/23/EU.

(127)  Der Gerichtshof hat diesen Ansatz in der Rechtssache C-546/16, Montte SL/Musikene gebilligt.

(128)  Siehe Abschnitt 3.4.

(129)  Artikel 43 und 44 der Richtlinie 2014/24/EU sowie Artikel 61 und 62 der Richtlinie 2014/25/EU.

(130)  Artikel 43 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 61 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU.

(131)  Artikel 43 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 61 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU.

(132)  Artikel 69 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 der Richtlinie 2014/25/EU.

(133)  Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 36 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU. Für weitere Informationen siehe Abschnitt 4.5.

(134)  Artikel 69 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 Absatz 3 der Richtlinie 2014/25/EU.

(135)  Artikel 69 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 Absatz 4 der Richtlinie 2014/25/EU. Weitere Informationen über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen finden Sie unter: https://ec.europa.eu/competition/state_aid/overview/index_en.html

(136)  Europäische Kommission (2019), Leitlinien zur Teilnahme von Bietern und Waren aus Drittländern am EU-Beschaffungsmarkt (C(2019) 5494 vom 24. Juli 2019), abrufbar unter: https://ec.europa.eu/growth/content/new-guidance-participation-third-country-bidders-eu-procurement-market_en

(137)  Artikel 70 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 87 der Richtlinie 2014/25/EU und Erwägungsgründe 64-66 der Richtlinie 2014/23/EU.

(138)  Diese Entwürfe haben rein indikativen Charakter und müssten den besonderen Umständen Rechnung tragen und an sie angepasst werden.

(139)  Jede Änderung von Aufträgen nach ihrer Vergabe muss den Bestimmungen über Auftragsänderungen (Artikel 72 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 89 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 43 der Richtlinie 2014/23/EU) entsprechen.

(140)  Diese Möglichkeit sollte natürlich bereits in den ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen enthalten sein; andernfalls müssten vergleichbare Auftragsänderungen die in den Bestimmungen über Auftragsänderungen enthaltenen Bedingungen erfüllen (siehe Fußnote 144).

(141)  Weitere Informationen über die an sozialen Ergebnissen orientierte Auftragsvergabe finden Sie unter: https://golab.bsg.ox.ac.uk/the-basics

(142)  Artikel 71 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 88 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 42 Absatz 2 der Richtlinie 2014/23/EU.

(143)  Artikel 71 Absatz 5 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 88 Absatz 5 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 42 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU.

(144)  Artikel 71 Absatz 5 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 88 Absatz 5 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 42 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU.

(145)  Sofern nicht nach nationalem Recht zwingend vorgeschrieben, wie in Artikel 71 Absatz 5 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. Artikel 88 Absatz 5 der Richtlinie 2014/25/EU vorgesehen.

(146)  Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 36 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU.

(147)  Artikel 71 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 88 Absatz 3 der Richtlinie 2014/25/EU.

(148)  Artikel 73 Buchstabe b der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 90 Buchstabe b der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 44 Buchstabe b der Richtlinie 2014/23/EU.

(149)  Die Übertragung des Auftrags an einen anderen qualifizierten Bieter und die Möglichkeit, dass der öffentliche Auftraggeber einspringt und Unteraufträge direkt verwaltet, stellen vertragliche Änderungen dar, die den Bedingungen entsprechen müssen, die in den Vorschriften über Auftragsänderungen (Artikel 72 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 89 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 2014/23/EU) festgelegt sind.