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Artikel - Leitbild Soziale Marktwirtschaft

Die sozial-ökologische Marktwirtschaft ist Leitbild und Rahmen für die Wirtschaftspolitik von heute

Einleitung

Einleitung

Die Soziale Marktwirtschaft ist seit über 75 Jahren Grundlage unserer freiheitlichen, offenen und solidarischen Gesellschaft. Ihre Eckpfeiler sind verfassungsrechtlich verankert. Die zentrale Idee der Sozialen Marktwirtschaft besteht darin, die wirtschaftliche Freiheit im Rahmen eines funktionierenden Wettbewerbes zu schützen und als Grundlage für breiten Wohlstand und sozialen Fortschritt zu nutzen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft deutlich weiterentwickelt. Die Grundsätze wurden und werden immer wieder durch faktische Entwicklungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf den Prüfstand gestellt. So bestehen heute Herausforderungen, auf die die ursprüngliche Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft nur bedingt konkrete Antworten geben kann. Darunter fallen der Schutz globaler Umweltgüter, die Bedeutung ökologischer Grenzen und des Klimawandels, aber auch Erwartungen an sozialen Ausgleich. Hinzu kommen gesamtwirtschaftliche Herausforderungen, insbesondere aus geopolitischen Entwicklungen, aus der Digitalisierung und aus der demografischen Alterung.

„Die ordnungspolitischen Leitplanken weiterzuentwickeln und aus der Sozialen eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft zu schaffen, das wird die große Aufgabe unserer Zeit sein." Robert Habeck

Die Sozial-ökologische Marktwirtschaft ist die Grundlage, um das Wohlstands- und Sicherheitsversprechen für die Menschen zu erneuern. Die Soziale Marktwirtschaft muss dafür nicht neu erfunden, aber „zukunftsfest“ gemacht werden.

Wettbewerb sichern, Privilegien abbauen, Preissignale stärken

Kern der Sozialen Marktwirtschaft ist ein funktionierender Wettbewerb zwischen privaten Unternehmen – sowohl als Motor für Innovationen als auch zur Vemeidung von wirtschaftlicher Machtkonzentration und staatlichem Machtmissbrauchs. Die permanente Sicherung eines wirksamen Wettbewerbs ist daher seit den Anfängen der Sozialen Marktwirtschaft eine zentrale Aufgabe von Wirtschaftspolitik.
(https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/0-9/10-punkte-papier-wettbewerbsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=1)

Monopolisierungstendenzen haben sich insbesondere mit der Digitalisierung verstärkt. Auch die Krisen der letzten Jahre haben es Unternehmen auf vermachteten oder abgeschotteten Märkten ermöglicht, ihre Gewinnmargen aufgrund fehlenden Wettbewerbs erheblich zu steigern. Gleichzeitig konnten organisierte Interessengruppen über Jahrzehnte Privilegien und Subventionen durchsetzen. Das Erbe der Sozialen Marktwirtschaft ernst zu nehmen bedeutet, diesen Entwicklungen entgegenzutreten und die Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit des Staates gegenüber Partikularinteressen sicherzustellen. Um den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern, hat der Staat die Aufgabe, den Wettbewerb zu schützen. Er gibt Spielregeln vor, die dafür sorgen, dass Märkte offen bleiben und der Wettbewerb funktioniert. Die Rolle von Preisen als dezentral wirkende, lenkende Signale ist und bleibt dabei zentral. Voraussetzung dafür, dass Märkte dem Gemeinwohl dienen, ist jedoch, dass Preise die wahren Knappheiten widerspiegeln. Unter anderem vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Diskussion ökologischer Grenzen hat die Aufgabe an Bedeutung gewonnen, externe (gesellschaftliche und nicht über den Marktmechanismus selbst erfasste) Kosten und Nutzen möglichst umfassend in den Preisen abzubilden.

Technologischen Fortschritt und Innovation nutzen

Technologischer Fortschritt ist grundlegend für das Produktivitätswachstum und damit für steigenden Wohlstand, einen niedrigeren Ressourcenverbrauch oder effektivere Klimaanpassung. Erfindungen ebenso wie die Optimierung von Prozessen haben in der Vergangenheit zu einer unvorstellbaren Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen geführt. Entsprechend gilt es, die Kapazitäten für Forschung und Entwicklung weiter zu stärken und auf die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen auszurichten. Pfadabhängigkeiten bei privaten Innovationen und Investitionen, die auf bestehenden Fähigkeiten und Erfahrungen beruhen und Entscheidungen in Richtung traditioneller Technologien verzerren, sind dabei zu vermeiden.

Der (regulatorische) Umgang mit Künstlicher Intelligenz als übergreifender Schlüsseltechnologie ist in diesem Kontext wesentlich, sowohl für die Entwicklung künftigen Wohlstands als auch für den Schutz der freiheitlichen Ordnung.

Arbeit und Anstrengung honorieren, Chancengerechtigkeit gewährleisten

Gesamtgesellschaftlicher Wohlstand basiert auf dem Einsatz und Engagement der Einzelnen in einer Gesellschaft. Deshalb muss sich Leistungsbereitschaft für jeden und jede auszahlen. Unabhängig von ihrer Qualifikation, ob im Rahmen der Erwerbsarbeit, durch unbezahlte Sorgearbeit oder als Selbständige, sollten alle, die sich einbringen, in ihrem Tun bestärkt werden. Über den sozialen Ausgleich trägt die Solidargemeinschaft für diejenigen Sorge, die aufgrund von Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit keine oder nur sehr geringe Einkommen am Markt erzielen können.

Während das „Soziale“ gemäß der ursprünglichen Konzepte der Sozialen Marktwirtschaft zu einem wesentlichen Teil aus dem wettbewerblichen und offenen Marktgeschehen selbst resultieren sollte, ist die Soziale Marktwirtschaft in der Realität durch ein immer größer werdendes Volumen an Sozial- und Transferleistungen gekennzeichnet. Gleichzeitig divergieren die privaten Vermögen heute stärker als in früheren Jahrzehnten und auch die Chancengerechtigkeit ist nur in unzureichendem Maße hergestellt. Diese Entwicklungen gilt es im Rahmen einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu korrigieren. Dabei sollte die Zahl von Haushalten und Personen, die staatliche Transferzahlen empfangen wieder zurückgehen. Mit jeder Person, die nicht länger auf staatliche Transferleistungen angewiesen ist, nimmt auch der Grad an Selbstbestimmung und Freiheit in einer Gesellschaft zu. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte sprechen für eine stärker präventiv ausgerichtete Politik zur Begrenzung materieller Ungleichheit. Damit Ungleichheit und Transferabhängigkeit strukturell abnehmen, sollten die Ursachen für Armut noch stärker in den Blick genommen und der Aufstieg aus Armut erleichtert werden.

Handhabbare Regeln und ein handlungsfähiger Staat als Grundlage der Modernisierung

Im Ideal der Sozialen Marktwirtschaft nimmt der Staat vor allem die Rolle eines starken Schiedsrichters wahr, der Regeln im Interesse eines „fairen Spiels“ im Rahmen des offenen Marktgeschehens durchsetzt und weiterentwickelt. Allerdings ist in diesem Regelsystem in den letzten Jahrzehnten die Regelungsdichte und damit auch die Bürokratie erheblich angewachsen. Hierdurch werden wertvolle Ressourcen sowohl in den Unternehmen als auch innerhalb des Staates gebunden. Nicht zuletzt die Erneuerung des Wohlstandes im Zuge der Dekarbonisierung erfordert jedoch enorme privatwirtschaftliche Investitionen und einen handlungsfähigen Staat. Gerade für eine beschleunigte ökologische Transformation und die damit notwendigerweise verbundene erhöhte Investitionsdynamik muss überbordende Bürokratie konsequent abgebaut und auf eine möglichst belastungsarme Umsetzung von Vorschriften geachtet werden

Generationengerechtigkeit bieten, junge Generation hören

Eine Stärkung der Interessen künftiger Generationen erfordert es, deren Interessen heute Geltung zu verschaffen, auch dann, wenn sie Gegenwartsinteressen mitunter zuwiderlaufen. Die Entstehung eines nachhaltigen Ordnungsrahmens ist wichtig, steht jedoch noch immer am Anfang. Die Sozial- ökologische Marktwirtschaft steht für eine Rahmenordnung, die etwa sicherstellt, dass es zu keiner exzessiven öffentlichen Verschuldung kommt und die ökologischen Grenzen künftig nicht mehr überschritten werden.

Letztlich hängt die Zukunft an den Fähigkeiten und Werten der jungen Generation. Die Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft ist für viele der Nachkriegsgeneration eine Geschichte des materiellen Aufstiegs durch Bildung und Qualifikation und zunehmender Selbstbestimmung. Die jüngere Generation blickt nicht nur aufgrund der ökologischen Herausforderungen weniger optimistisch in die Zukunft, als frühere Generationen. Auch die mit der demografischen Alterung verbundenen Lasten werden zunehmend konkret. Zur Sozial-ökologischen Marktwirtschaft in Deutschland gehört daher, die Förderung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wieder stärker zu priorisieren.

Klimaschutz und weitere ökologische Grenzen ernst nehmen

Der Klimawandel, der massive Verlust an tierischen und pflanzlichen Lebensformen sowie die zunehmende weltweite Verschmutzung lassen inzwischen keinen Zweifel daran: Zukünftiger Wohlstand erfordert weltweit eine Abkehr insbesondere vom Verbrauch fossiler Energie sowie einen tiefgreifenderen Wandel in Produktion und Ressourcennutzung. Eine Ökonomie innerhalb ökologischer Grenzen kann dabei nur mit internationaler Koordination gelingen. Der EU kommt als einem der größten Wirtschaftsräume der Welt beim Aufbau einer internationalen Ordnung zum Schutz globaler Umweltgüter und bei der Einbindung klimapolitischer Ziele in die Handelspolitik eine zentrale Rolle zu. Die Entwicklung tragfähiger, d.h. anreizkompatibler Strukturen für einen effektiven Schutz globaler Umweltgüter muss heute jenen gleichen Stellenwert einnehmen wie die Entwicklung integrierter, internationaler Märkte in den Anfängen der Sozialen Marktwirtschaft.

Zugleich sind die Wahrung ökologischer Grenzen und die Reduktion von Ungleichheit als sich positiv bedingende Notwendigkeiten zu sehen. So kann eine adäquate Bepreisung von Umweltverbräuchen bspw. in Kombination mit einem vergünstigten Basisverbrauch den Anspruch der Sozial-ökologischen Marktwirtschaft auf der Instrumentenebene in besonderem Maße erfüllen. Damit einher geht der Übergang in eine zirkuläre Wirtschaft, in der Abfälle auf ein Minimum reduziert werden und die Rohstoffproduktivität kontinuierlich erhöht wird. Die damit verbundene Senkung des Rohstoffverbrauchs senkt den ökologischen Fußabdruck und reduziert geoökonomische Abhängigkeiten.

Arbeiter in einem Unternehmen zu den Schwerpunkten der Wirtschaftspolitik

© Getty Images/Daniel Ingold

Video-Reihe Gespräche zur Transformation

EU-Flagge vor der Europäischen Zentralbank für Europäische Wirtschaftspolitik; Quelle: iStock.com/instamatics

© iStock.com/instamatics

Europäische Wirtschaftspolitik

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Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft

Ludwig Erhard führt die Soziale Marktwirtschaft ein

Die deutsche Wirtschaftspolitik orientiert sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts am Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Sie ist damit zu einem Erfolgsmodell geworden, das Deutschland bis heute prägt - und nun weiterentwickelt wird zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft.

Die so genannten "Wirtschaftswunderjahre" der jungen Bundesrepublik Deutschland wurden maßgeblich durch Ludwig Erhard geprägt. Er war von 1949 bis 1963 der erste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland und hat die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft maßgeblich bestimmt. Als "Direktor der Verwaltung für Wirtschaft" der drei westlichen Besatzungszonen verband Erhard die Währungsreform 1948 mit der Aufhebung der Zwangswirtschaft. Begünstigt durch den Marshallplan bescherte sein Reformprogramm Nachkriegsdeutschland einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung.

In den 1960er Jahren traten neue Herausforderungen dabei auf, Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit durch aktive Wirtschaftspolitik zu bekämpfen, was zum sogenannten Stabilitäts- und Wachstumsgesetz führte. Das anhand von kurzfristigen makroökonomischen Größen formulierte „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“ gab danach Orientierung für die Stabilisierung von Konjunkturschwankungen.

Bildergalerien Historische Ereignisse 1949 bis heute

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Arbeiter beim Bau eines Hauses symbolisiert Soziale Marktwirtschaft

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