Hintergrund: Wer zuletzt lacht: Die Zukunft des DC-Filmuniversums
Außer Achtungserfolgen hatte DC Konkurrent Marvel in den letzten Jahren nicht viel entgegenzusetzen. Mit einer neuen Strategie wollen die "Batman"- und "Superman"-Macher das nun ändern.
Da steht er auf der Bühne, etwas fahrig und mehr um den verheerenden Zustand der Welt besorgt als von Stolz für seine Darbietung beseelt, die ihm jetzt den Oscar einbrachte. Dabei ist Joaquin Phoenix mit seiner Performance als "Joker" etwas gelungen, das als Blaupause für alle kommenden Comic-Verfilmungen aus dem Hause DC gewertet werden könnte. So löste der 45-Jährige den titelgebenden Psychopathen trotz der Bezüge zu Batman nicht nur kassenträchtig aus DCs Comic-Universum heraus, sondern machte dieses auch fit für die Award-Season. Das MCU mag Milliarden von Dollar eingespielt haben, mit bedeutenden Preisen wurden seine Darsteller nicht ausgezeichnet. Die Karten werden also neu gemischt. Und das produzierende Studio Warner Bros. nutzt diesen Vorteil nun an gleich zwei Fronten aus.
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Schwarzmaler DC
Nach dem weltweiten Einspielergebnis von "Joker" mit über einer Milliarde Dollar wird Todd Phillips’ Idee eines Kosmos namens DC Black – Filmemacher realisieren für ein verhältnismäßig kleines Budget ihre (gegen den Strich) gebürsteten Filme über berühmte Comic-Figuren – weiter vorangetrieben. Ein kluger Ansatz, der auch Filmfans anspricht, die von Weltenretter-Eskapaden die Schnauze voll haben. "Joker" ist das Porträt eines Ausgestoßenen, der als tickende Zeitbombe eine Großstadt in einen anarchischen Moloch verwandelte und dessen Leid unter die Haut ging.
Mit diesem Wagnis hat sich DC auf seinen eigenen Comic-Kosmos besonnen, anstatt Marvel zu kopieren. Denn seien wir mal ehrlich: Liest man sich die gezeichneten Storys rund um Batman und die Justice League durch, wimmelt es dort nur so von Durchgeknallten und Schizophrenen. Auf beiden Seiten. Christopher Nolan war sich dessen stets bewusst, entschied sich in seiner "Dark Knight"-Trilogie (2005–2012) aber für eine Mischung aus knallharter Realität und Reminiszenzen an Batmans Comic-Historie. Dafür gab es am Ende insgesamt zwei Oscars (inklusive der postumen Auszeichnung für Heath Ledger).
DC traut dem Braten noch nicht
Zack Snyder verfolgte einen ähnlichen Ansatz, verpulverte die dramatischen Potenziale der Figuren und Geschichten aber im CGI-Bombast. Seine in Regen und Finsternis gehüllten Over-the-top-Kopien von "Marvel’s Avengers" (2012), "Batman v Superman: Dawn of Justice" (2016) und "Justice League" (2017), konnten den Originalen trotz hochkarätiger Besetzung qualitativ nicht das Wasser reichen.
Aber auch wenn DC mit "Joker" 2019 einen Überraschungserfolg feiern konnte, verlassen will man sich auf das prestigeträchtige DC Black nicht. Die Angst davor, das Publikum zu überfordern, zu verstören und womöglich nicht unterhalten zu können, sitzt tief. An den Erfolg von "Joker", in dem der einzige wirklich zu erkennende Special Effect eine riesige Ratte im Hintergrund ist, hat schließlich keiner so richtig geglaubt. Dabei scheint das Publikum gerade in Zeiten von Effektgewittern wie "Avengers: Endgame" (2019) nach Entschleunigung zu suchen. Wer kann sich bei aller Zerstreuung noch an die Handlungsstränge, Figuren und Actionsequenzen der einzelnen MCU-Abenteuer erinnern?
Neue Hochkaliber für DC
Um dem Verwässern ihrer kommenden Blockbuster vorzubeugen, setzt DC auf unterschiedliche dramaturgische wie visuelle Konzepte und kreative Köpfe hinter den Kameras. In den nächsten Jahren feiern gleich drei Männer ihren DC-Einstand, die nicht nur bewiesen haben, dass sie schwächelnde Franchise reanimieren können, sondern auch, dass sie etablierten Helden und Heldinnen neue (Mainstream-)Facetten abgewinnen können. Die Verpflichtung von Dwayne Johnson als "Black Adam" (2021) ist da noch die kleinste Überraschung. Schließlich verhandelte der Hüne schon lange über eine Mission im DCEU. Nun gibt er also sowohl in einem Solofilm als auch in "Shazam! 2" (2022) den Antihelden mit den übermenschlichen Kräften. Und wer Johnson kennt, weiß: Wenn der Ex-Wrestler ein Projekt pushen will, dann entkommt ihm keiner seiner über 238 Millionen Follower auf Instagram, Facebook und Twitter.
Ein Filmemacher, der eigentlich eng mit Marvels Superhelden in Verbindung steht, ist James Gunn, der mit seinen "Guardians of the Galaxy"-Spektakeln nicht nur zwei Kassenschlager ins Kino brachte, sondern auch gezeigt hat, wie man Helden aus der zweiten Reihe zu Megastars macht: mit schnoddrigem Humor, exzentrischen Charakteren und einem Soundtrack, der den Compilations von Quentin Tarantino in nichts nachsteht. Nachdem er wegen einer Reihe von Jahre zurückliegenden, ebenso provokanten wie geschmacklosen Tweets 2018 von Disney gefeuert wurde, heuerte der heute 53-Jährige bei Warner Bros. an – und bereitet nun "The Suicide Squad" – die Fortsetzung des durchwachsenden DC-Pendants zu "Guardians" von 2016 – vor. Der US-Kinostart ist für den 6. August 2021 geplant. Ironischerweise überdachte Disney Gunns Rauswurf wenige Monate später wieder – auch weil der Cast Druck machte und Gunn sich entschuldigte – und verpflichtete ihn (wieder) für das Drehbuch und die Regie für "Guardians of the Galaxy Vol. 3" (2021). Wenn es um Geld geht, vergibt niemand so schnell wie Hollywood.
DC Black v Marvel
Ein Name, der im Zusammenhang mit Warner Bros. und DC allerdings am meisten für Furore sorgte, ist J. J. Abrams. Im September 2019 unterzeichnete er mit seiner Produktionsfirma Bad Robot einen Fünf-Jahres-Vertrag mit Warner Media. Dieser sieht die Entwicklung diverser Serien- und Filmprojekte für die unterschiedlichen Sparten des Unterhaltungskonzerns vor. Gerüchten zufolge beschäftigt sich Abrams im Zuge dessen schon mit der Umsetzung erster DC-Stoffe – allen voran "Superman" und "Green Lantern". Ein Glücksfall.
Denn auch wenn viele "Star Wars"-Fans etwa die kreativen Entscheidungen des "Lost"-Schöpfers in der Weltraumsaga kritisierten, eine visionäre Haltung als Regisseur kann man ihm nicht absprechen. (Zuletzt kamen Meldungen auf, nach denen Lucasfilm den 53-Jährigen aufgefordert hatte, einige seiner Ideen für "Star Wars: Episode IX – Der Aufstieg Skywalkers" herauszuschneiden, was dem Film viele mutige Wendungen genommen haben sollte.) Unter seiner Ägide würden die Superhelden von DC im Vergleich zu früher eine neue Leichtigkeit verliehen bekommen. In Zusammenspiel mit dem davon losgelösten, wesentlich erwachseneren DC Black-Universum wäre das eine Strategie, die Marvel ins Schwitzen bringen könnte.
Weitere DC-Projekte
Um Marvel weiterhin Paroli bieten zu können, lässt DC seiner Vielfalt in den nächsten Jahren freien Lauf und bringt weitere Schurken und Superhelden jeglicher Couleur auf die große Leinwand: "The Flash" soll am 1. Juli 2022 unter der Regie von Andy Muschietti ("Es") an den Start gehen. Die Comic-Storyline "Flashpoint" – ein verschwurbeltes Zeitreiseszenario – scheint aber vom Tisch zu sein. Ein Abenteuer über Batmans Mündel Robin alias "Nightwing" steht auf der To-do-Liste von Chris McKay ("The Lego Batman Movie"). In einem noch sehr frühen Stadium befindet sich "Justice League Dark" mit den Charakteren John Constantine, Swamp Thing, Deadman, Zatanna und Etrigan, dem Dämon.