Zunächst hatte ich diese E-Mail als fragwürdigen Spam abgetan, danach war ich allerdings froh über diese Nachricht – sie ist eine kleine Überraschung aus der Vergangenheit.
Manche Menschen stellen sich sicher folgende Fragen, ich jedenfalls tue das: "Wenn ich einen Eins-zu-eins-Klon hätte, was würde er mir erzählen?" Oder: "Was würde ich mir sagen, wenn ich mit einer Zeitmaschine in eine andere Etappe meines Lebens reisen könnte?" Der Webdienst FutureMe schlägt in eine so eine Kerbe und ermöglicht es, zeitgesteuert eine Botschaft an sich selbst (oder an andere Personen) per E-Mail zu senden. Das hatte ich 2018 ausprobiert, nachdem ich in einer bei Ebay Kleinanzeigen gebraucht gekauften CoBi-Ausgabe (Heft 2/2006, datiert auf den 9. Januar 2006, Seite 14: "Post in die Zukunft") in einem Artikel davon las. Es passierte wie erwartet: Ich hatte meine Botschaft vergessen und war später von ihr überrascht.

E-Mail zeitversetzt senden per Cloud-Dienst

Das zeitversetzte Verschicken von E-Mails ist beispielsweise denkbar, um sich selbst oder andere Menschen an etwas zu erinnern. Dafür gibt es aber bereits Kalender-Software – diese ist installierbar oder aber in einem Browser aus der Cloud heraus lauffähig, ein Beispiel ist der Google Calendar. Vielfach bieten solche Anwendungen eine Erinnern-Funktion, die auf ein eingetragenes Ereignis rechtzeitig aufmerksam macht. Insofern sah ich FutureMe nur als ein Spaß-Tool an – das ich 2018 darauf testen wollte, ob es funktioniert. Das tut es, wie sich ein Jahr später zeigte. Und das Webware-Tool macht Spaß, weil meine Vergangenheits-Ich-Botschaft mein Gegenwarts-Ich überrascht hat.
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Am Tag des Maileingangs dachte ich: "Was ist das denn? – Spam, kann das weg?" Im nächsten Moment öffnete ich aber doch die Mail – und die Erinnerung kam rasch zurück, dass ich den Dienst vor gut einem Jahr genutzt hatte; die Botschaft hätte ich mir allerdings nicht mehr zusammenreimen können. Ich dachte zwar zwischen dem Absende- und dem Empfangstag mehrmals an die Zeitmaschinen-Mail, doch am Stichtag 2019 nicht. Ich wusste zwischenzeitlich nur, dass ich darin Tagesereignisse kurz zusammengefasst hatte. Im Gedächtnis hatte ich hierzu nichts Konkretes. Wohingegen nun Erinnerungen aufkeimen, wem ich 2018 vom zeitgesteuerten Mailversand erzählte – und wie die Reaktion eines Kollegen hierzu ausfiel: "Du bist echt für jeden Schei* zu haben." Ja, dem stimme ich zu. Inhaltlich enthält meine Botschaft nichts Wichtiges.
E-Mail-Versand vom 17. Juni 2018 – zugestellt am 16. Juni 2019.
So funktioniert der Dienst FutureMe: In einem Formular im Webbrowser trägt der Nutzer eine Nachricht und darunter (über [Drop-down-]Menüs) den Zeitpunkt des E-Mail-Versands ein. Per Klick auf den Button "Send to the future" schickt man die Botschaft anschließend ab. Dabei sind bis zu 50 Jahre Versatz möglich. Der Test erfolgte mit einem Jahr Leerlaufzeit. 50 Jahre wären wenig sinnvoll, da voraussichtlich das Rentenalter des Artikel-Autors erreicht wäre, ehe die Langzeitrecherche zum Ende kommt.
Was bringt die Zukunft? Zumindest ein Aspekt des Bevorstehenden ist in der Gegenwart schon bekannt: Man vergisst ziemlich sicher, was man sich zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen will. Das Versenden so einer E-Mail funktioniert jedenfalls, nachdem der Nutzer in einer wiederum sofort versandten E-Mail-Nachricht auf einen Bestätigungslink geklickt hat.

Tipps: E-Mails in die Zukunft schicken

Wollen Sie sich mit einer Botschaft beglücken, um sie erst in etlichen Jahren zu sehen? Es sind mehrere Voraussetzungen zu erfüllen, damit Sie Ihre Impressionen etwa in 50 Jahren zu Gesicht bekommen: So ist es nötig, dass Sie zu diesem späteren Zeitpunkt noch leben – und dass Sie außerdem einen Internetzugang haben. Auf technischer Seite muss Ihr E-Mail-Konto ferner weiterhin in Betrieb sein; der Anbieter darf weder pleitegehen noch Ihren Account sperren. Darüber hinaus sollte der FutureMe-Dienst noch existieren. Ein regelmäßiger Blick in den Spam-Ordner lohnt sich zudem, denn so eine datierte FutureMe-Nachricht landet möglicherweise versehentlich (aufgrund von Junk-Identifikation) dort. Falls nicht schon geschehen, sollten Sie sich einen regelmäßigen (etwa täglichen) Blick in Ihren Spam-Ordner angewöhnen, denn gezielt in beispielsweise 50 Jahren gucken Sie darin kaum nach, weil Ihre getimt-datierte Mail nach so langer Zeit wohl vergessen ist. Ist das Sichten des Spam-Ordners aber zur Routine geworden, entdecken Sie Ihre Mail dort ohne besonderes Erinnerungsvermögen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, dass Zukunftsmails einen erreichen, sollte mehrere solcher Dienste nutzen. zukunftsmail.com etwa ermöglicht es, 100 Jahre im Voraus zu planen – im Test funktionierte zumindest der eintägig versetzte Versand. Beim Ausreizen des maximal möglichen Timings stellen sich jedoch ganz logische Probleme: Wer garantiert, dass etwa 2119 das Internet noch existiert? Und wer tut dies im Hinblick darauf, dass Strom und Endgeräte, mit denen wir darauf zugreifen, bereitstehen?