Entschließungsantrag - B6-0412/2008Entschließungsantrag
B6-0412/2008

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

1.9.2008

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Joseph Daul, Elmar Brok, Othmar Karas, Gunnar Hökmark, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Charles Tannock, Stefano Zappalà, Karl von Wogau, Jean-Pierre Audy, Tunne Kelam, Marian-Jean Marinescu, Ria Oomen-Ruijten
im Namen der PPE-DE-Fraktion
zur Lage in Georgien

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B6-0402/2008

Verfahren : 2008/2622(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0412/2008
Eingereichte Texte :
B6-0412/2008
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B6‑0412/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Georgien

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Georgien, insbesondere diejenigen vom 26. Oktober 2006[1], 29. November 2007[2] und 5. Juni 2008[3],

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2008 zu einer wirkungsvolleren EU-Politik für den Südkaukasus[4] und seine Entschließung vom 15. November 2007 zur Stärkung der Europäischen Nachbarschaftspolitik[5],

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland, insbesondere seine Entschließung vom 19. Juni 2008 zum Gipfeltreffen EU-Russland[6],

–  unter Hinweis auf die am 13. August 2008 angenommenen Schlussfolgerungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ zur Lage in Georgien,

–  unter Hinweis auf die Gemeinsame Aktion 2008/450/GASP des Rates vom 16. Juni 2008[7] über einen weiteren Beitrag der Europäischen Union zum Konfliktbeilegungsprozess in Georgien/Südossetien und weitere frühere diesbezügliche Gemeinsame Aktionen des Rates,

–  unter Hinweis auf die anlässlich des Sondergipfels des Europäischen Rates vom 1. September 2008 angenommenen Schlussfolgerungen[8] zur Lage in Georgien,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Ausgabe russischer Pässe an die Bürger in Südossetien und die Unterstützung der separatistischen Bewegung zusammen mit der Ausweitung der militärischen Aktivitäten von Separatisten gegen Dörfer mit georgischer Bevölkerung in Kombination mit umfangreichen russischen Militärmanövern in der Nähe der georgischen Grenze im Juli die Spannungen in Südossetien verschärft haben,

B.  in der Erwägung, dass es am 8. August 2008 in Zchinwali, der Hauptstadt der abtrünnigen georgischen Region Südossetien, zu Zusammenstößen von Streitkräften der Republik Georgien mit russischen Streitkräften kam, die ihre Offensive am 11. August 2008 auf Georgien selbst ausdehnten,

C.  in der Erwägung, dass sich die Präsidenten Georgiens und Russlands am 12. August 2008 auf der Grundlage von Vermittlungsbemühungen der EU auf ein Abkommen verpflichteten, das einen unverzüglichen Waffenstillstand, den Rückzug der georgischen und russischen Streitkräfte auf ihre Positionen vor dem 7. August 2008 und die Aufnahme internationaler Gespräche über einen rasch zu schaffenden internationalen Mechanismus zur Vorbereitung einer friedlichen und dauerhaften Konfliktlösung vorsieht,

D.  in der Erwägung, dass die NATO am 19. August 2008 die regelmäßigen Verbindungen mit Russland auf höchster Ebene mit der Begründung aussetzte, die Militäraktion Russlands sei unverhältnismäßig und mit seiner friedenserhaltenden Rolle in Teilen Georgiens nicht vereinbar und es könne nicht zur Tagesordnung übergegangen werden, solange russische Truppen in Georgien verblieben,

E.  in der Erwägung, dass Russland am 22. August 2008 Panzer, Artillerie und Hunderte von Truppen von den am weitesten nach Georgien vorgeschobenen Stellungen abzog, aber nach wie vor den Zugang zur Hafenstadt Poti südlich von Abchasien kontrolliert und weitere Kontrollpunkte um Südossetien und Abchasien eingerichtet hat,

F.  in der Erwägung, dass das russische Oberhaus am 25. August 2008 eine Resolution verabschiedete, in der der Präsident aufgefordert wurde, die Unabhängigkeit der abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien anzuerkennen, worauf am 26. August 2008 die offizielle Anerkennung der beiden Regionen als unabhängige Staaten durch Präsident Medwedjew folgte,

1.  fordert Russland auf, die Souveränität, die territoriale Integrität und die Unverletzlichkeit der international anerkannten Grenzen der Republik Georgien zu achten, und weist die Anerkennung der Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien durch die Russische Föderation daher als einen Verstoß gegen das Völkerrecht zurück;

2.  betont, dass für Russland kein legitimer Grund für eine Invasion Georgiens, Besetzung von Teilen dieses Landes und Drohungen, die Regierung eines demokratischen Landes zu stürzen, existiert und dass darüber hinaus kein legitimes russisches Interesse in anderen souveränen Staaten gegeben ist;

3.  unterstreicht, dass die Partnerschaft zwischen Europa und Russland auf der Achtung der grundlegenden Regeln für die Zusammenarbeit in Europa basieren muss, die nicht nur verkündet, sondern in die Tat umgesetzt werden müssen; begrüßt daher die nachdrückliche Verurteilung der russischen Vorgehensweise, einschließlich der Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens durch Moskau, seitens des Europäischen Rates;

4.  bekräftigt seine tiefe Überzeugung, dass prinzipiell kein Drittland über ein Veto gegen die souveräne Entscheidung eines anderen Landes verfügt, sich einer internationalen Organisation oder Allianz anzuschließen, oder das Recht hat, eine demokratisch gewählte Regierung zu destabilisieren; äußert daher Sorge bezüglich des russischen Ziels, den demokratisch gewählten Präsidenten Michail Saakaschwili zu stürzen und ihn durch einen der russischen Regierung freundlich gesinnten Präsidenten zu ersetzen;

5.  bekundet seine tiefe Sorge über die Auswirkungen der russischen Minen auf die sozialen Aktivitäten und die Wirtschaftstätigkeit in Georgien, insbesondere vor dem Hintergrund der Sprengung einer Eisenbahnbrücke in der Nähe von Kaspi am 16. August 2008, die die wichtigste Eisenbahnverbindung von Tiflis nach Poti betraf, sowie der Explosion eines Zugs in der Nähe von Gori am 24. August 2008, der für den Export bestimmten Treibstoff aus Kasachstan durch Poti transportierte; betont, dass mit beiden Aktionen gegen die Waffenstillstandsverpflichtung verstoßen wurde;

6.  verurteilt die anhaltende Zwangsumsiedlung der georgischen Bevölkerung aus ihren Unterkünften in Südossetien noch nach der Verständigung auf den Waffenstillstand und fordert die staatlichen Stellen Russlands und Südossetiens auf, die Rückkehr dieser Menschen zu gewährleisten;

7.  fordert Russland nachdrücklich auf, alle Verpflichtungen des auf der Grundlage der diplomatischen Bemühungen der EU erzielten und unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens einzuhalten, beginnend mit dem vollständigen und sofortigen Rückzug seiner Truppen aus Georgien selbst und der Einschränkung seiner militärischen Präsenz in Südossetien und Abchasien auf die russischen Truppen, die im Rahmen friedenserhaltender Maßnahmen in beiden Provinzen stationiert waren, bevor der Konflikt ausbrach; verurteilt die umfangreichen Plünderungen durch die russischen Invasionstruppen und die sie begleitenden Söldner;

8.  begrüßt in diesem Zusammenhang den Beschluss des Europäischen Rates, seinen Präsidenten zu beauftragen, am 8. September 2008 in Begleitung des Kommissionspräsidenten und des Hohen Vertreters nach Moskau zu reisen und die Gespräche mit Russland im Hinblick auf die umfassende Anwendung des Sechs-Punkte-Abkommens fortzusetzen;

9.  fordert die EU und die NATO und ihre Mitgliedstaaten auf, auf der Grundlage eines gemeinsamen Standpunkts alle verfügbaren Mittel zu nutzen, um die russische Regierung zu überzeugen, das Völkerrecht zu beachten, was die notwendige Voraussetzung ist, um in der internationalen Gemeinschaft eine verantwortliche Rolle zu spielen; erinnert Russland an seine Verantwortung für eine globale Friedensordnung als VN-Vetomacht;

10.  fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Politik gegenüber Russland zu überprüfen, falls Russland seine Verpflichtungen im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens nicht einhält; begrüßt deshalb den Beschluss des Europäischen Rates, die Verhandlungen über das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen bis zum Rückzug der russischen Truppen auf ihre Positionen vor dem 7. August 2008 zu vertagen;

11.  fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Ausgabe von Visa für wirtschaftliche Aktivitäten in Südossetien und Abchasien zu überprüfen;

12.  fordert den Rat und die Kommission auf, ihre nachdrückliche politische Entschlossenheit im Konflikt unter Beweis zu stellen, insbesondere gegenüber Russland, und die derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der EU zu nutzen; unterstreicht die Notwendigkeit, dass die EU diesbezüglich einen gemeinsamen Standpunkt vertreten muss;

13.  spricht der französischen EU-Präsidentschaft seinen Dank für den raschen Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens aus;

14.  fordert einen nachhaltigen Beitrag der Europäischen Union zu dem vorgesehenen internationalen Mechanismus für die Konfliktbeilegung auf der Grundlage der OSZE-Beschlüsse, was zum Rückzug der russischen Truppen und zur nachfolgenden Stationierung einer internationalen Friedenstruppe einschließlich einer klar ausgewiesenen ESVP-Mission führen sollte;

15.  fordert rasche internationale humanitäre Maßnahmen und verlangt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ausreichende Soforthilfemittel für die Opfer der Krise bereitstellen, wobei die zuvor für die Russische Föderation bestimmten Haushaltsmittel der EU teilweise für diesen Zweck verwendet werden sollten; betont, dass Russland für die Hilfsleistungen den uneingeschränkten Zugang zu allen Teilen Georgiens gewährleisten muss, auch zu denjenigen, in denen sich derzeit russische Truppen befinden;

16.  fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, den Wiederaufbau der georgischen Infrastrukturen rasch zu unterstützen;

17.  fordert alle Konfliktparteien auf, einen umfassenden und ungehinderten Zugang für die humanitäre Unterstützung der Opfer, einschließlich Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, sicherzustellen;

18.  fordert eine unabhängige internationale Untersuchung der mutmaßlichen, von den Konfliktparteien in Georgien seit den ersten Vorfällen in und um Zchinwali vom 1. bis 7. August 2008 bis zu den späteren ethnischen Säuberungen in Südossetien und Abchasien verübten Verbrechen;

19.  fordert den Rat und die Kommission auf, die Europäische Nachbarschaftspolitik im Sinne einer besseren Anpassung an die Erfordernisse der Partner im Osten auszuweiten, einschließlich eines verstärkten Engagements der EU am Schwarzen Meer, den Vorschlag des Europäischen Parlaments für einen „Europäischen Wirtschaftsraum Plus“ oder den schwedisch-polnischen Vorschlag aufzugreifen und insbesondere in Bezug auf Georgien, die Ukraine und die Republik Moldau die Errichtung einer Freihandelszone zu beschleunigen; weist darauf hin, dass bei der Liberalisierung der EU-Visumspolitik gegenüber diesen Ländern zu berücksichtigen ist, dass Russland diesbezüglich bessere Bedingungen eingeräumt wurden als diesen Ländern;

20.  fordert den Rat und die Kommission auf, in Tiflis eine Konferenz über die Europäische Nachbarschaftspolitik einzuberufen;

21.  fordert den Rat und die Kommission auf, sich aktiv für die Ermittlung neuer effizienter Mechanismen zur Konfliktregelung in der Region zu engagieren;

22.  fordert den Rat und die Kommission auf, eine internationale Geberkonferenz für den Wiederaufbau in Georgien einzuberufen, die Möglichkeit eines umfangreichen EU-Plans zu prüfen, den Wiederaufbau in den georgischen Regionen, die vom Krieg betroffen sind, finanziell zu unterstützen und eine stärkere politische Präsenz der EU in Georgien sowie in der gesamten Region sicherzustellen;

23.  bekräftigt in seiner Eigenschaft als Vertretung der Völker Europas, dass die europäischen Bürger über ihre Vertreter an der Regelung der betreffenden Situation beteiligt werden sollten; empfiehlt in diesem Zusammenhang, je nach Entwicklung der Komplexität der Lage in Georgien eine Sondersitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments und der entsprechenden Ausschüsse der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten in Betracht zu ziehen;

24.  unterstreicht die Bedeutung Georgiens für die Verbesserung der Energiesicherheit der EU, da es für den Energietransit eine Alternative zu Russland bietet; erachtet es als entscheidend, die bestehenden Infrastrukturen wie die BTC-Pipeline wirksam zu schützen, und fordert die Kommission auf, Georgien diesbezüglich alle erforderliche Unterstützung zu leisten; erwartet ein nachhaltiges Engagement der EU in Bezug auf das Nabucco-Pipeline-Projekt, das als prioritäres Projekt der EU, das georgisches Territorium durchqueren würde, anerkannt ist;

25.  betont die Bedeutung gleichberechtigter Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA für Sicherheit und Stabilität im euroatlantischen Raum und unterstreicht nachdrücklich, dass eine gemeinsame Politik der transatlantischen Partner das wirksamste Mittel ist, mit Problemen umzugehen, die beide Seiten des Atlantiks betreffen;

26.  weist darauf hin, dass die NATO auf dem Gipfeltreffen vom 3. April 2008 in Bukarest zugestimmt hat, dass Georgien Mitglied des Bündnisses werden soll, und vertritt die Auffassung, dass Georgien nach wie vor schließlich Mitglied des Bündnisses werden kann;

27.  vertritt die Auffassung, dass die Rolle der EU in der gegenwärtigen Krise durch die Stärkung einer europäischen Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik hätte ausgeweitet werden können, und ist der Ansicht, dass der Vertrag von Lissabon, einschließlich der Schaffung der Position des Hohen Vertreters, der Solidaritätsklausel und der Energiesicherheitspolitik der EU, dazu das richtige Mittel ist;

28.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, den Präsidenten der Parlamente der Mitgliedstaaten, den Präsidenten und Parlamenten Georgiens und der Russischen Föderation, der NATO, der OSZE und dem Europarat zu übermitteln.