ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union und zur Anwendung der Konditionalitätsverordnung (EU, Euratom) 2020/2092
4.6.2021 - (2021/2711(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Nicolas Bay, Jaak Madison, Harald Vilimsky, Gerolf Annemans, Laura Huhtasaari, Nicolaus Fest, Teuvo Hakkarainen
im Namen der ID-Fraktion
B9-0317/2021
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union und zur Anwendung der Konditionalitätsverordnung (EU, Euratom) 2020/2092
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf die Artikel 2, 4, 5, 7 und 15 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Rates und der Kommission vom 8. Juni 2021 zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union und zur Anwendung der Konditionalitätsverordnung (EU, Euratom) 2020/2092,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union[1],
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Rechnungshofs Nr. 1/2018 zu dem Vorschlag vom 2. Mai 2018 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11. Dezember 2020,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass es sich bei den Werten, auf die sich die Union gründet, um die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte handelt; in der Erwägung, dass sie auch die Gleichheit der Mitgliedstaaten gemäß den Verträgen sowie deren jeweilige nationale Identität und deren eigene rechtliche, konstitutionelle und kulturelle Traditionen achten muss;
B. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten eine gemeinsame, aber keine einheitliche Vision verfolgen, und in der Erwägung, dass ihre Zusammenarbeit in erster Linie auf dem Grundsatz der Subsidiarität und des gegenseitigen Vertrauens beruht, aber auch unterschiedlichen nationalen Besonderheiten Rechnung trägt;
C. in der Erwägung, dass die Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit unter anderem in Bezug auf die gesetzlich festgelegten Grenzen, die Kontrolle unabhängiger und unparteiischer Gerichte, die transparente, rechenschaftspflichtige, demokratische und pluralistische Rechtsetzung und die Rechtssicherheit für die EU-Organe und die Behörden der Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten müssen;
D. in der Erwägung, dass die Unabhängigkeit der Justiz unter anderem voraussetzt, dass das betreffende Justizorgan in der Lage ist, seine richterlichen Funktionen sowohl nach den geltenden Vorschriften als auch in der Praxis völlig autonom auszuüben, ohne dass es irgendeinem hierarchischen Verhältnis oder einer Unterordnung unter eine Person unterliegt und ohne Weisungen oder Weisungen von irgendeiner Stelle entgegenzunehmen;
1. betont, dass die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts derzeit Gegenstand eines Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ist und daher weder endgültig noch rechtsverbindlich ist, worauf der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 11. Dezember 2020 erneut hingewiesen hat;
2. weist erneut darauf hin, dass die Rechtsvorschriften in Bezug auf alle Mitgliedstaaten gleichermaßen objektiv und unparteiisch und ohne politische Zielsetzung angewendet werden müssen; weist darauf hin, dass es in den Mitgliedstaaten viele Beispiele für politische Einflussnahme bei der Ernennung von Richtern, einschließlich der Richter an obersten Gerichtshöfen oder gleichwertigen Gerichten, und für fehlende Unabhängigkeit von Zeilen der Justiz gibt;
3. ist besorgt über den Wunsch der Kommission, eine einheitliche Definition des Begriffs der Rechtsstaatlichkeit unter Missachtung der unterschiedlichen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten festzulegen; ist der Auffassung, dass dieser Wunsch Ausdruck einer politischen Instrumentalisierung der Rechtsstaatlichkeit ist, die darauf abzielt, demokratisch gewählte Regierungen zu untergraben und mittels des Rechts eine Vereinheitlichung der Lebensweisen in der Europäischen Union zu verfügen;
4. betont, dass das Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV das einzige legitime Verfahren zur Behandlung mutmaßlicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit ist; weist darauf hin, dass derzeit allein der Rat befugt ist, in den gegenwärtig laufenden Verfahren tätig zu werden;
5. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- [1] ABl. L 433I vom 22.12.2020, S. 1.