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Verfahren : 2017/2723(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B8-0419/2017

Aussprachen :

PV 15/06/2017 - 4.2
CRE 15/06/2017 - 4.2

Abstimmungen :

PV 15/06/2017 - 7.3

Angenommene Texte :

P8_TA(2017)0268

Angenommene Texte
PDF 264kWORD 48k
Donnerstag, 15. Juni 2017 - Straßburg
Pakistan, insbesondere die Lage von Menschenrechtsaktivisten und die Todesstrafe
P8_TA(2017)0268RC-B8-0419/2017

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Juni 2017 zu dem Thema „Pakistan, insbesondere die Lage von Menschenrechtsverteidigern und die Todesstrafe“ (2017/2723(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Pakistan,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Juli 2016 zu Pakistan,

–  unter Hinweis auf fünfjährigen Maßnahmenplan EU-Pakistan,

–  unter Hinweis auf den Aktionsplan Pakistans zu Menschenrechten,

–  unter Hinweis auf das Mehrjahresrichtprogramm EU-Pakistan 2014–2020,

–  unter Hinweis auf die Empfehlungen in den Berichten der EU-Wahlbeobachtungsmission in Pakistan,

–  unter Hinweis auf die Erklärungen der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und ihres Sprechers zu Pakistan,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, insbesondere Artikel 18,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakistan unterzeichnet hat,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes,

–  unter Hinweis auf die Verfassung Pakistans,

–  unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit, zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und zur Todesstrafe sowie den Strategischen Rahmen der EU für Menschenrechte und Demokratie von 2012,

–  gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass in Pakistan bis 2015 ein Moratorium für die Todesstrafe galt, dass sie jedoch im Anschluss an das Massaker an der vom Militär betriebenen öffentlichen Schule in Peschawar im Dezember 2014 wiedereingeführt wurde; in der Erwägung, dass das Moratorium ursprünglich nur für terroristische Aktivitäten aufgehoben wurde, dies jedoch später auf alle Kapitalverbrechen ausgeweitet wurde;

B.  in der Erwägung, dass Pakistan nun weltweit zu den Ländern gehört, in denen die meisten Menschen in Todeszellen sitzen; in der Erwägung, dass von Fällen berichtet wurde, in denen Hinrichtungen durchgeführt wurden, während das Berufungsverfahren noch lief;

C.  in der Erwägung, dass auf Verstöße gegen Pakistans „Blasphemiegesetz“ (Paragraph 295‑C des Strafgesetzbuches) zwingend die Todesstrafe steht; in der Erwägung, dass derzeit Hunderte von Menschen auf ihr Verfahren warten und eine Reihe von Personen wegen „Blasphemie“ in Todeszellen sitzt; in der Erwägung, dass die Ansicht vertreten wird, dass das Gesetz vage Definitionen enthält, die sehr anfällig für Missbrauch sind, um gegen politische Dissidenten vorzugehen oder legitime Kritik an staatlichen Institutionen und anderen Stellen zum Schweigen zu bringen;

D.  in der Erwägung, dass der Premierminister im März 2017 ein Verbot aller „blasphemischen“ Inhalte im Internet angeordnet hat und dass die pakistanischen staatlichen Stellen Unternehmen im Bereich der sozialen Medien aufgefordert haben, der „Blasphemie“ verdächtigte pakistanische Staatsbürger ausfindig zu machen; in der Erwägung, dass Mashal Khan, ein Student an der Abdul-Wali-Khan-Universität, am 14. April 2017 von einem Mob von Kommilitonen gelyncht wurde, nachdem er beschuldigt worden war, „blasphemische“ Inhalte im Internet zu veröffentlichen; in der Erwägung, dass ein pakistanisches Gericht zur Terrorismusbekämpfung am 10. Juni 2017 Taimoor Raza zum Tode verurteilt hat, weil er angeblich auf Facebook „Blasphemie“ begangen hatte; in der Erwägung, dass der Aktivist Baba Jan und 12 weitere Demonstranten zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wurden, das strengste Urteil, das je wegen Demonstrationen verhängt wurde;

E.  in der Erwägung, dass die pakistanische Nationalversammlung am 18. April 2017 eine Resolution verabschiedet hat, in der der Lynchmord an Mashal Khan durch einen gewalttätigen Mob wegen angeblicher „Blasphemie“ verurteilt wurde; in der Erwägung, dass der Senat über Reformen berät, um Missbrauch einzudämmen;

F.  in der Erwägung, dass Militärgerichte zwei Jahre lang erlaubt waren, während eigentlich die zivile Justiz gestärkt werden sollte; in der Erwägung, dass bei der Entwicklung der Justiz kaum Fortschritte erzielt wurden und die Militärgerichte am 22. März 2017 in einer umstrittenen Entscheidung für einen weiteren Zeitraum von zwei Jahren wiedereingesetzt wurden;

G.  in der Erwägung, dass in Pakistan zahlreiche Fälle bekannt geworden sind, in denen Menschenrechtsverteidiger, politische Dissidenten und Mitglieder von religiösen Minderheiten oder Gruppen wie den Ahmadija Opfer von Einschüchterung, Übergriffen, Inhaftierung, Gewalt und Schikanierung geworden oder umgebracht worden sind; in der Erwägung, dass von der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur Frage des Verschwindenlassens von Personen und von nichtstaatlichen Organisationen gesammelte Informationen aufzeigen, dass für Fälle von Verschwindenlassen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einschließlich der Polizei und der Nachrichtendienste verantwortlich sind; in der Erwägung, dass nicht ein einziger Täter erfolgreich zur Rechenschaft gezogen wurde;

H.  in der Erwägung, dass der indische Staatsangehörige Kulbhushan Jadhav im April 2017 von einem Militärgericht für schuldig befunden und zum Tode verurteilt wurde; in der Erwägung, dass der Fall sich derzeit vor dem Internationalen Gerichtshof befindet, weil ihm das Recht auf konsularischen Zugang verweigert wurde; in der Erwägung, dass am 4. Mai 2017 beim Angriff eines Mobs auf eine Polizeistation in Belutschistan, von dem angenommen wird, dass er durch „Blasphemie“-Vorwürfe ausgelöst wurde, ein 10jähriger Junge ermordet wurde und fünf weitere Menschen verletzt wurden; in der Erwägung, dass am 30. Mai 2017 die mutmaßliche Vergewaltigung einer Jugendlichen (die in den lokalen Medien nur als „Shumaila“ bezeichnet wurde) durch ein Familienmitglied in Rajanpur dazu geführt hat, dass das Opfer durch ein Stammesgericht zum Tode verurteilt wurde; in der Erwägung, dass es sich bei diesen Fällen nicht um Einzelfälle handelt;

I.  in der Erwägung, dass der Fall von Aasiya Noreen, besser bekannt als Asia Bibi, im Rahmen der Menschenrechtsanliegen in Pakistan weiterhin eine äußerst wichtige Angelegenheit ist; in der Erwägung, dass Asia Bibi, eine pakistanische Christin, 2010 von einem pakistanischen Gericht wegen Blasphemie zum Tod durch Erhängen verurteilt wurde; in der Erwägung, dass für den Fall, dass die Strafe vollstreckt werden sollte, Asia Bibi die erste Frau wäre, die in Pakistan wegen Blasphemie rechtmäßig hingerichtet würde; in der Erwägung, dass mittels verschiedener internationaler Petitionen ihre Freilassung gefordert wird, da sie wegen ihrer Religion verfolgt wird; in der Erwägung, dass Shahbaz Bhatti, dem Christentum angehörender Minister für religiöse Minderheiten, und der muslimische Politiker Salmaan Taseer von Bürgerwehren ermordet wurden, weil sie sich für Asia Bibi eingesetzt und gegen die „Blasphemiegesetze“ ausgesprochen haben; in der Erwägung, dass Asia Bibi trotz der vorübergehenden Aussetzung des gegen sie verhängten Todesurteils bis zum heutigen Tag inhaftiert und ihre Familie nach wie vor untergetaucht ist;

J.  in der Erwägung, dass das harte Vorgehen gegen nichtstaatliche Organisationen unvermindert anhält; in der Erwägung, dass zahlreiche nichtstaatliche Organisationen unter dem Vorwand der Umsetzung des nationalen Plans zur Terrorismusbekämpfung eingeschüchtert und schikaniert und ihre Büros teilweise versiegelt wurden;

K.  in der Erwägung, dass 12 Millionen Frauen keine nationalen Personalausweise besitzen und ihnen daher das Recht verwehrt wird, sich für die Stimmabgabe bei Wahlen registrieren zu lassen; in der Erwägung, dass mehrere EU-Wahlbeobachtungsmissionen Empfehlungen abgegeben haben, wie das Wahlverfahren bei den nächsten, für 2018 anberaumten Wahlen verbessert werden kann;

L.  in der Erwägung, dass Pakistan am 1. Januar 2014 dem Allgemeinen Präferenzsystem APS+ beigetreten ist; in der Erwägung, dass dieses Regelwerk einen starken Anreiz bieten sollte, grundlegende Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu achten, die Umwelt zu schützen und sich nach Grundsätzen einer verantwortungsvollen Staatsführung zu richten;

M.  in der Erwägung, dass sich die EU weiterhin uneingeschränkt dafür einsetzt, dass ihr Dialog und ihre Zusammenarbeit mit Pakistan im Rahmen des fünfjährigen Maßnahmenplans und von dessen Folgeplan fortgesetzt wird;

1.  bekräftigt, dass die EU die Todesstrafe in allen Fällen und ausnahmslos vehement ablehnt; fordert, dass die Todesstrafe weltweit abgeschafft wird; äußert sich zutiefst besorgt über den Beschluss Pakistans, das Moratorium aufzuheben, sodass die Hinrichtungen nunmehr in alarmierender Anzahl fortgesetzt werden; fordert Pakistan auf, das Moratorium wieder in Kraft zu setzen und dabei das längerfristige Ziel zu verfolgen, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen;

2.  ist zutiefst besorgt über Berichte, wonach in Pakistan die Todesstrafe nach fehlerhaften Verfahren verhängt wird und Minderjährige und Personen mit psychischen Störungen hingerichtet und Foltervorwürfe erhoben werden; fordert die Regierung auf, die Bestimmungen über die Todesstrafe in den nationalen Rechtsvorschriften mit dem Völkerrecht und den internationalen Normen in Einklang zu bringen, einschließlich einer Einstellung der Hinrichtungen bei allen Straftaten ausgenommen bei vorsätzlicher Tötung, eines Verbots der Hinrichtung von jugendlichen Straftätern und Personen mit psychischen Störungen und eines Moratoriums bei der Vollstreckung von Hinrichtungen, falls Rechtsmittel anhängig sind;

3.  bedauert die in Pakistan zu beobachtenden Rückschritte bei der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit und insbesondere die Häufung außergerichtlicher Tötungen sowie die Einschüchterung von und die Gewaltanwendung gegenüber Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, nichtstaatlichen Organisationen und Regierungskritikern; weist auf die von der pakistanischen Regierung eingegangenen Verpflichtungen hin, die Achtung der Grundrechte sicherzustellen; begrüßt, dass Pakistan einen Aktionsplan für Menschenrechte verabschiedet hat, und fordert, dass dieser sich in spürbaren Fortschritten niederschlägt; warnt in diesem Zusammenhang, dass die EU äußerst besorgt sein wird, falls Aktivisten weiterhin solchen Praktiken zum Opfer fallen und keine Fortschritte zu beobachten sind;

4.  zeigt sich besorgt über den breiten Handlungsspielraum, der den Sicherheitskräften eingeräumt wird, und fordert die pakistanische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass deren Vorgehen besser überwacht wird; fordert die zuständigen staatlichen Stellen eindringlich auf, Todesfälle in der Haft und durch Sicherheitskräfte verübte Tötungen sowie Foltervorwürfe umgehend und unparteiisch zu untersuchen und Personen, die für außergerichtliche Tötungen und Folter verantwortlich sind, strafrechtlich zu verfolgen;

5.  bedauert, dass in Pakistan Militärgerichte zum Einsatz kommen, die Geheimverhandlungen führen und die Zivilgerichtsbarkeit übernehmen; besteht darauf, dass die staatlichen Stellen Pakistans internationalen Beobachtern und Menschenrechtsorganisationen Zugang gewähren, damit diese den Einsatz von Militärgerichten beobachten können; fordert zudem, dass im Einklang mit den internationalen Normen für Gerichtsverfahren eine umgehende und transparente Umstellung auf unabhängige Zivilgerichte vorgenommen wird; unterstreicht, dass Drittstaatsangehörige, die vor Gericht gestellt werden, Zugang zu konsularischen Diensten und konsularischem Schutz haben müssen;

6.  ist zutiefst besorgt über die fortgesetzte Anwendung des „Blasphemiegesetzes“ und ist davon überzeugt, dass dadurch das Klima religiöser Intoleranz angeheizt wird; weist auf die Feststellungen des Obersten Gerichtshofs Pakistans hin, dass Einzelpersonen, die wegen „Blasphemie“ angeklagt wurden, unverhältnismäßig oder über die Maßen Leid zugefügt wird, da es keine geeigneten Schutzmaßnahmen gegen die Fehlanwendung oder den Missbrauch solcher Gesetze gibt; fordert daher die pakistanische Regierung auf, die Paragraphen 295-A, 295-B und 295-C des Strafgesetzbuchs aufzuheben und wirksame verfahrensrechtliche und institutionelle Schutzmechanismen in Kraft zu setzen, um den Missbrauch der Anklagen wegen „Blasphemie“ zu unterbinden; verlangt von der Regierung überdies, einen entschlosseneren Standpunkt bei der Verurteilung von Denunziation bei mutmaßlicher „Blasphemie“ einzunehmen, und fordert mit Nachdruck, dass sie selbst nicht von der Rhetorik der „Blasphemie“ Gebrauch macht;

7.  fordert die pakistanische Regierung auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben und die Rechte von Journalisten und Bloggern zu schützen; zeigt sich besorgt über die Forderung der staatlichen Stellen Pakistans gegenüber Twitter and Facebook, Informationen über deren Nutzer offenzulegen, um Einzelpersonen zu identifizieren, die der „Blasphemie“ verdächtigt werden; fordert die Regierung und das Parlament Pakistans auf, das Gesetz über die Verhinderung elektronischer Straftaten von 2016 zu ändern und die allzu weitreichenden Bestimmungen über die Überwachung und Aufzeichnung von Daten und die Schließung von Websites anhand vager Kriterien zu beseitigen; fordert ferner, dass alle Todesurteile, die wegen „Blasphemie“ oder politischem Dissidententum verhängt wurden, umgewandelt werden, darunter das Urteil gegen Taimoor Raza; fordert den Präsidenten Pakistans in diesem Zusammenhang auf, von seinem Recht auf Begnadigung Gebrauch zu machen;

8.  nimmt die Fortschritte zur Kenntnis, die bei der Umsetzung des fünfjährigen Maßnahmenplans EU-Pakistan erzielt wurden, und gibt zudem seiner Hoffnung Ausdruck, dass der neue, im Jahr 2017 abzuschließende strategische Maßnahmenplan ehrgeizig und dabei behilflich sein wird, die Beziehungen zwischen der EU und Pakistan zu stärken;

9.  fordert die Regierung Pakistans eindringlich auf, das laufende Verfahren gegen Asia Bibi möglichst konstruktiv und zügig beizulegen; empfiehlt, dass Schritte unternommen werden, um für die Sicherheit von Asia Bibi und ihrer Familie zu sorgen, zumal es zu bedenken gilt, wie Bürgerwehren und außergerichtliche Akteure seit jeher mit Opfern umgehen, die der Blasphemie beschuldigt werden;

10.  weist darauf hin, dass die Gewährung des APS+-Status an Bedingungen geknüpft ist und dass die wirksame Umsetzung der internationalen Übereinkommen eine unabdingbare Voraussetzung im Rahmen des Regelwerks darstellt; fordert die pakistanische Regierung nachdrücklich auf, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die 27 grundlegenden Übereinkommen umzusetzen und Fortschritte vorzuweisen;

11.  fordert die Kommission und den EAD auf, diese Themen gegenüber den staatlichen Stellen Pakistans bei dem regelmäßigen Menschenrechtsdialog zur Sprache zu bringen;

12.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament Pakistans zu übermitteln.

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