Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2019 zur öffentlichen Diskriminierung von und Hetze gegen LGBTI-Personen sowie zu LGBTI-freien Zonen (2019/2933(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und anderer Menschenrechtsverträge und -instrumente der Vereinten Nationen, insbesondere auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR), die beide am 16. Dezember 1966 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York angenommen wurden,
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: „Charta“),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,
– unter Hinweis auf die Artikel 2, 3, 8, 21 und 23 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– unter Hinweis auf Artikel 207 sowie Dritter Teil Titel IV und V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf Artikel 45 der Charta,
– unter Hinweis auf die 2013 vom Rat angenommenen Leitlinien der EU für die Förderung und den Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen (LGBTI),
– unter Hinweis auf die im November 2006 verabschiedeten Yogyakarta-Prinzipien (zur Anwendung internationaler Menschenrechtsnormen und -standards in Bezug auf sexuelle Ausrichtung und geschlechtliche Identität) und die am 10. November 2017 angenommenen zehn ergänzenden Prinzipien (YP+10, Zusätzliche Prinzipien und staatliche Verpflichtungen zur Anwendung internationaler Menschenrechtsnormen in Bezug auf sexuelle Ausrichtung, Geschlechtsidentität, Ausdruck der Geschlechtlichkeit und Geschlechtsmerkmale),
– unter Hinweis auf die am 31. März 2010 angenommene Empfehlung CM/Rec(2010)5 des Ministerkomitees des Europarates über Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Februar 2014 zu dem EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Februar 2019 zur Zukunft der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen (2019–2024)(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2019 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2017(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2019 zu den Rechten des Kindes anlässlich des 30. Jahrestags des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zur Erfahrung von Gegenreaktionen gegen die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter in der EU(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2019 zur Kriminalisierung der Sexualerziehung in Polen(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2018 zur Gleichstellung der Geschlechter in der Medienbranche in der EU(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2009 zu dem litauischen Gesetz zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen,(9)
– unter Hinweis auf die Ergebnisse der von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) 2012 veranstalteten LGBT-Erhebung,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein in den Verträgen und der Charta verankertes Grundrecht ist und uneingeschränkt geachtet werden sollte;
B. in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten im Rahmen des Völkerrechts und der EU-Verträge Verpflichtungen zur Achtung, zur Gewährleistung, zum Schutz und zur Durchsetzung der Grundrechte eingegangen sind;
C. in der Erwägung, dass aus wissenschaftlichen Untersuchungen, Erhebungen und Berichten(10) hervorgeht, dass öffentliche Diskriminierung und Hetze gegen LGBTI-Personen EU-weit zunehmen; in der Erwägung, dass durch LGBTI-Feindlichkeit angeregte Hassverbrechen EU-weit ansteigen; in der Erwägung, dass mit diesen Angriffen die Grundrechte von LGBTI-Personen verletzt werden und die Reaktionen der Behörden nach wie vor allzu oft unzulänglich sind;
D. in der Erwägung, dass Angriffe gegen die Grundrechte von LGBTI-Personen eine ernsthafte Bedrohung der Achtung der Grundrechte in der EU darstellen und dass diese Angriffe oft mit Angriffen gegen Frauenrechte und Minderheitenrechte einhergehen;
E. in der Erwägung, dass Hetze gegen LGBTI-Personen seitens der Behörden eine breitere Auswirkung hat, da dadurch Verfolgung, Gewalt und Diskriminierung gegen LGBTI-Personen in der Gesellschaft insgesamt legitimiert und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden;
F. in der Erwägung, dass die Sicherheit der LGBTI-Gemeinschaft nicht getrennt von der Sicherheit aller, die in Europa leben, steht und dass die Erosion dieser Sicherheit ein Anzeichen für die Erosion aller Grundrechte ist; in der Erwägung, dass xenophobe Rhetorik auch dazu beigetragen hat, ein zunehmend unsicheres und nicht nachhaltiges Umfeld für Organisationen und Menschenrechtsverteidiger, die sich für LGBTI-Rechte einsetzen, zu schaffen;
G. in der Erwägung, dass es in der EU Gegenreaktionen gegen die Gleichstellung der Geschlechter in der EU und darüber hinaus gibt, die neben Frauen allgemein auch direkt auf die LGBTI-Personen abzielen und sich auf sie auswirken; in der Erwägung, dass diese Gegenreaktionen durch Populismus und Rechtsextremismus angefeuert worden sind;
H. in der Erwägung, dass eine Stigmatisierung wegen tatsächlicher oder vermeintlicher sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsmerkmale nach wie vor in der gesamten EU besteht;
I. in der Erwägung, dass ein ernsthafter Mangel an systematischer Überwachung, Dokumentation und Datenerhebung über Hass und Gewalt gegen LGBTI-Personen herrscht;
J. in der Erwägung, dass allzu viele LGBTI-feindliche Verbrechen nicht gemeldet werden; in der Erwägung, dass eine Meldung das Risiko und die Angst vor einer Aufdeckung der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsmerkmale und des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit mit sich bringt;
K. in der Erwägung, dass rechtliche Maßnahmen gegen Diskriminierung und Gewalt in den allermeisten Mitgliedstaaten vorhanden sind; jedoch in der Erwägung, dass die Anwendung weiterhin unzureichend ist, wodurch LGBTI-Personen immer noch für Hassverbrechen, Hetze und Diskriminierung anfällig sind, besonders in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung, Beschäftigung und Wohnungswesen;
L. in der Erwägung, dass sich viele Angriffe seitens der Behörden gegen LGBTI-Personen gegen Bildungseinrichtungen und Schulen richten; in der Erwägung, dass dies für junge LGBTI-Personen besonders schädlich ist;
M. in der Erwägung, dass die sexuelle Ausrichtung und Geschlechtsidentität zum Bereich des durch internationale, europäische und einzelstaatliche Menschenrechtsvorschriften garantierten Rechts des Einzelnen auf Privatsphäre gehören und dass die Behörden Gleichheit und Nichtdiskriminierung fördern sollten(11);
N. in der Erwägung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung offline und online für Medien, Kulturorganisationen, nichtstaatliche Organisationen (NGOs) und Einzelpersonen gewährleistet sein sollte, insbesondere in Anbetracht des besorgniserregenden Trends zur Entfernung und zum Verbot von LGBTI-Inhalten in sozialen Netzen;
O. in der Erwägung, dass Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI-Personen vielfache Formen angenommen haben; zu den jüngsten Beispielen gehören homophobe Äußerungen während der Kampagne für ein Referendum über die Einengung der Definition des Begriffs der Familie in Rumänien, Angriffe auf soziale LGBTI-Einrichtungen in mehreren Mitgliedstaaten wie etwa Ungarn und Slowenien, homophobe Äußerungen und Hetze gegen LGBTI-Personen, wie sie kürzlich in Estland, Spanien, dem Vereinigten Königreich, Ungarn und Polen zu beobachten waren, insbesondere im Zusammenhang mit Wahlen, und Rechtsinstrumente, die angewandt werden könnten, um Medien, die Kultur, die Bildung und den Zugang zu anderen Inhaltsformen so einzuschränken, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf LGBTI-Fragen unangemessen eingeschränkt wird, wie etwa in Litauen und Lettland;
P. in der Erwägung, dass es in Polen seit Anfang 2019 über 80 Fälle gegeben hat, in denen Woiwodschaften, Landkreise oder Gemeinden Entschließungen, in denen sie sich für von der sogenannten LGBT-Ideologie frei erklären, oder sogenannte regionale Familienrechtechartas bzw. wichtige Vorschriften aus solchen Chartas angenommen haben, in denen sie insbesondere Alleinerziehende und LGBTI-Familien diskriminieren; in der Erwägung, dass in diesen Entschließungen die lokalen Gebietskörperschaften aufgefordert werden, auf jegliche Aktion zur Förderung der Toleranz für LGBTI-Personen zu verzichten, mit der sie etwa nichtstaatlichen Organisationen, die daran arbeiten, gleiche Rechte zu fördern, Bildungsmaßnahmen gegen Diskriminierung veranstalten oder auf andere Weise LGBTI-Personen unterstützen, finanzielle Hilfe zukommen lassen; in der Erwägung, dass die Einrichtung LGBTI-freier Zonen zwar nicht in der Einführung einer physischen Grenze besteht, aber eine extrem diskriminierende Maßnahme darstellt, durch die die Freizügigkeit der Unionsbürger eingeschränkt wird; in der Erwägung, dass diese Entschließungen Teil eines umfassenderen Kontexts von Angriffen gegen die LGBTI-Gemeinschaft in Polen sind, zu denen Hetze öffentlicher und gewählter Amtsträger und der öffentlichen Medien sowie Angriffe und Verbote von Pride-Märschen und Sensibilisierungsprogrammen und -aktionen wie etwa Regenbogen-Freitag gehören;
Q. in der Erwägung, dass sich der FRA-Erhebung(12) zufolge 32 % der Antwortenden in Bereichen außerhalb der Beschäftigung diskriminiert fühlten, etwa in der Bildung; in der Erwägung, dass das Selbstmordrisiko unter LGBTI-Kindern höher ist als bei Nicht-LGBTI-Kindern; in der Erwägung, dass inklusive Bildung der Schlüssel zum Aufbau von schulischen Umfeldern ist, die sicher sind und in denen alle Kinder gedeihen können, sogar diejenigen, die zu Minderheiten gehören, wie etwa LGBTI-Kinder und Kinder aus LGBTI-Familien; in der Erwägung, dass die ersten Opfer von Angriffen gegen die LGBTI-Rechte Kinder und Jugendliche sind, die in ländlichen Gebieten und kleineren Ballungsräumen leben, die besonders durch Gewalt gefährdet sind, oft Ablehnung und Ungewissheit erfahren und daher besonderer Förderung und Unterstützung seitens staatlicher und kommunaler Organe oder nichtstaatlicher Organisationen bedürfen;
R. in der Erwägung, dass dadurch, dass es in vielen Mitgliedstaaten keine Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung gibt, die am stärksten marginalisierten Bevölkerungsgruppen der Gefahr von Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass die horizontale Richtlinie über Nichtdiskriminierung diese Lücke im Schutz schließen würde, aber seit elf Jahren im Rat blockiert wird; in der Erwägung, dass es beim Schutz vor Verbrechen, die ihre Ursache in Vorurteilen wegen der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität haben, in der EU und in vielen Mitgliedstaaten eine Rechtslücke gibt;
S. in der Erwägung, dass Menschen mehrfachen und intersektionellen Formen der Diskriminierung ausgesetzt sein können; in der Erwägung, dass Maßnahmen zur Bekämpfung eines Diskriminierungsgrunds der Lage bestimmter Gruppen, die vermutlich Opfer mehrfacher Diskriminierung, unter anderem aus Gründen des Alters, der Rasse, der Religion, der sexuellen Ausrichtung, des Geschlechts oder einer Behinderung, sind, Rechnung tragen sollten;
T. in der Erwägung, dass LGBTI-Personen weltweit Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind;
1. weist darauf hin, dass die Rechte der LGBTI-Personen Grundrechte sind, und dass die Organe der EU und die Mitgliedstaaten daher verpflichtet sind, diese Rechte im Einklang mit den Verträgen und der Charta sowie dem Völkerrecht zu wahren und zu schützen;
2. bekundet seine tiefe Besorgnis über die zunehmende Zahl von Angriffen auf die LGBTI-Gemeinschaft, die in der EU zu beobachten sind und von Staaten, Staatsbeamten, Regierungsstellen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie von Politikern verübt werden;
3. verurteilt aufs Schärfste jede Art von Diskriminierung von LGBTI-Personen und ihren Grundrechten durch öffentliche Stellen, einschließlich Hetze von öffentlichen Stellen und gewählten Amtsträgern im Zusammenhang mit Wahlen, sowie die jüngsten Erklärungen zu Zonen in Polen, die frei von der sogenannten „LGBT-Ideologie“ sind, und fordert die Kommission auf, diese öffentlichen Diskriminierungen entschieden zu verurteilen;
4. bedauert, dass LGBTI-Personen bereits in der Schule Mobbing und Belästigung erfahren, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um der Diskriminierung von LGBTI-Personen ein Ende zu setzen, die zu Mobbing, Missbrauch oder Isolation, insbesondere in Bildungseinrichtungen, führen kann; verurteilt nachdrücklich den Umstand, dass die Schulen in einigen Mitgliedstaaten von den öffentlichen Stellen daran gehindert werden, ihrer Rolle bei der Förderung der Grundrechte und dem Schutz der LGBTI-Personen nachzukommen, und weist darauf hin, dass Schulen nicht nur sichere Orte sein sollten, sondern auch Orte, an denen die Grundrechte aller Kinder gestärkt und geschützt werden; hält Gesundheits- und Sexualaufklärung in erster Linie für Mädchen und junge LGBTI-Personen für geboten, die besonders stark unter ungerechten Geschlechternormen leiden; hebt hervor, dass Jugendliche im Rahmen dieser Aufklärung auch über Beziehungen, die auf Gleichberechtigung, Einverständnis und gegenseitiger Achtung beruhen, als einen Weg, um Geschlechterstereotype, LGBTI-Feindlichkeit und geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen, unterrichtet werden müssen;
5. weist darauf hin, dass die LGBTI-Feindlichkeit bei Sportveranstaltungen nach wie vor verbreitet ist und dass es keine Maßnahmen gibt, um dem entgegenzuwirken; fordert die Mitgliedstaaten auf, besonders darauf zu achten, wie sich Homophobie im Sport auf junge LGBTI-Personen auswirkt, um die Integration zu verbessern und das Bewusstsein zu schärfen;
6. fordert die Kommission auf, im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs der EU vom Juni 2018 in der Rechtssache Coman(13) konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Freizügigkeit aller Familien einschließlich der LGBTI-Familien sicherzustellen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Rechtsvorschriften für gleichberechtigte Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen und Partnerschaften einzuführen, um zu gewährleisten; dass das Recht auf Privat- und Familienleben uneingeschränkt und ohne jegliche Diskriminierung geachtet wird;
7. ist besorgt angesichts des zunehmenden Rassismus und der wachsenden Fremdenfeindlichkeit; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Austausch über bewährte Verfahren intensiver zu betreiben und verstärkt beim Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Transphobie und andere Formen der Intoleranz zusammenzuarbeiten und dabei die Zivilgesellschaft und den Beitrag einschlägiger Interessenträger wie der FRA vollständig miteinzubeziehen;
8. verurteilt die täglich in der EU sowohl offline als auch online vorkommenden Fälle von Hassverbrechen und Hetze, die durch Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder religiöse Intoleranz oder durch Vorurteile aufgrund einer Behinderung, der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, der Geschlechtsmerkmale oder der Zugehörigkeit eines Menschen zu einer Minderheit sowie durch den Trend zur Entfernung und zum Verbot von LGBTI-Inhalten in sozialen Netzen motiviert sind; bedauert, dass Hetze von bestimmten öffentlichen Stellen, politischen Parteien und Medien zunimmt; fordert die EU auf, bei der Bekämpfung von Hetze in ihren Organen mit gutem Beispiel voranzugehen; ist besorgt angesichts des zunehmenden Erscheinens von Hetze im Internet und empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten einfache Verfahren einführen, mit denen die Bürgerinnen und Bürger hasserfüllte Inhalte im Internet melden können;
9. ist besorgt darüber, dass Hassverbrechen von den Opfern kaum jemals zur Anzeige gebracht werden, da ihnen nur unzulänglicher Schutz geboten wird und die Behörden in den Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, ordnungsgemäß zu ermitteln und die Täter wegen Hassverbrechen gerichtlich zu belangen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Instrumente und Verfahren zu entwickeln und zu verbreiten, mit denen Hassverbrechen und Hetze angezeigt werden können, und dafür Sorge zu tragen, dass mutmaßliche Hassverbrechen bzw. Fälle von Hetze ausnahmslos und konsequent aufgeklärt und geahndet und die Täter vor Gericht gestellt werden;
10. fordert die Kommission auf, Schulungsprogramme für Strafverfolgungs- und Justizbehörden und die einschlägigen Stellen der EU zu unterstützen, um diskriminierenden Verhaltensweisen und Hassverbrechen vorzubeugen und dagegen vorzugehen;
11. räumt ein, dass das volle Ausmaß der mangelnden Gleichstellung in der EU weiterhin unbeachtet bleibt, da von den Mitgliedstaaten keine vergleichbaren und entsprechend aufgeschlüsselten Gleichstellungsdaten erhoben wurden; erachtet die Erhebung dieser Daten durch die Mitgliedstaaten als grundlegend für die Ausarbeitung aussagekräftiger politischer Maßnahmen zur Durchsetzung der EU-Rechtsvorschriften zur Gleichstellung; fordert die Kommission und den Rat auf, anzuerkennen, dass verlässliche und vergleichbare Gleichstellungsdaten erforderlich sind, aus denen nach Diskriminierungsgründen aufgeschlüsselte Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung abgeleitet werden können, um politische Entscheidungen in voller Kenntnis der Sachlage zu ermöglichen; fordert beide Organe auf, konsistente Grundsätze für die Erhebung von Gleichstellungsdaten aufzustellen, die auf Selbstwahrnehmung, EU-Datenschutzstandards und der Konsultation der einschlägigen Gemeinschaften basieren;
12. verurteilt jegliche Form von Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität oder der Geschlechtsmerkmale; fordert die Kommission auf, eine Agenda vorzulegen, mit der unter Beachtung der Befugnisse der Mitgliedstaaten für gleiche Rechte und Chancen für alle Bürger gesorgt wird, und über die ordnungsgemäße Umsetzung und Durchführung der EU-Rechtsvorschriften zu wachen, die für LGBTI-Personen von Belang sind; begrüßt in diesem Zusammenhang die von der Kommission ausgearbeitete Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen, die auch ihre Informationskampagne zum Abbau von Stereotypen und zur Verbesserung der sozialen Akzeptanz von LGBTI-Personen umfasst; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, eng mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenzuarbeiten, die sich für die Rechte von LGBTI-Personen einsetzen; fordert die Kommission auf, angemessene Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, um solche Organisationen, die sich auf nationaler und lokaler Ebene betätigen, zu unterstützen, insbesondere mittels des Programms „Rechte und Werte“; weist darauf hin, dass die Feldforschung der FRA ergeben hat, dass öffentliche Bedienstete das Unionsrecht und die Unionspolitik als die treibenden Kräfte für die Bemühungen der einzelnen Staaten um die Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen betrachten;
13. weist auf die Rechtsprechung des EGMR hinsichtlich der Rechte von LGBTI-Personen hin; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, bewährte Verfahren zum Schutz der Grundrechte auszutauschen, und legt den Mitgliedstaaten nahe, LGBTI-Personen lückenlos über ihre Rechte aufzuklären;
14. bekräftigt seine Forderung nach einem umfassenden, dauerhaften und objektiven EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, der auch den Schutz der Rechte von LGBTI-Personen umfasst; betont, dass ein solcher Mechanismus heute dringender denn je benötigt wird; bekräftigt, dass in allen Mitgliedstaaten eine unparteiische und regelmäßige Bewertung der Lage der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte durchgeführt werden muss, und fordert die Kommission auf, Verstöße gegen die Grundrechte im Rahmen ihres angekündigten Zyklus zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit zu überwachen;
15. fordert die Kommission und den Rat auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente und Verfahren zu nutzen, um die uneingeschränkte und ordnungsgemäße Anwendung der Grundsätze und Werte des Vertrags wie Vertragsverletzungsverfahren, Haushaltsverfahren, den Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und das Verfahren nach Artikel 7, auch im Falle laufender Verfahren, zu gewährleisten;
16. fordert die Kommission auf zu prüfen, ob die Einrichtung LGBTI-freier Zonen eine Verletzung der Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit in der EU darstellt, mit der gegen Artikel 3 Absatz 2 EUV, Artikel 21 AEUV, Dritter Teil Titel IV und V AEUV und Artikel 45 der Charta verstoßen wird; fordert die Kommission auf zu prüfen, ob Polen gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat und ob es hierzu gemäß Artikel 258 AEUV eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgeben sollte;
17. fordert die Kommission auf, die Nutzung aller Finanzierungsströme der EU einschließlich der europäischen Struktur- und Investitionsfonds zu überwachen und in regelmäßigen Dialogen mit den nationalen, regionalen und lokalen Behörden die Interessenträger darauf hinzuweisen, dass sie sich der Nichtdiskriminierung verpflichtet haben und dass diese Fonds unter keinen Umständen für diskriminierende Zwecke verwendet werden dürfen; fordert die Kommission auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um eindeutigen und direkten Verstößen gegen die Antidiskriminierungsvorschriften, insbesondere gegen das Verbot der Anweisung zur Diskriminierung gemäß der Richtlinie 2000/78/EG, durch Gemeinderäte, die Vorschriften zur Untergrabung der Rechte von LGBTI-Personen erlassen, entgegenzutreten;
18. bekräftigt seine Forderung an die Kommission, eine EU-Strategie für LGBTI-Personen anzunehmen, in der den früheren Forderungen des Parlaments Rechnung getragen wird und mit der die Kontinuität und eine konsequente Weiterverfolgung der Arbeit der vorherigen Kommission mit der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen sichergestellt wird;
19. fordert die Kommission auf, der wirksamen Gewährleistung eines gleichwertigen und soliden Rechtsschutzes für alle Menschen aus allen in Artikel 19 AEUV genannten Gründen Vorrang einzuräumen; fordert den Rat auf, die Verhandlungen über die horizontale Richtlinie über Nichtdiskriminierung unverzüglich aus der Sackgasse zu führen und abzuschließen, und begrüßt die neuen Zusagen der Kommission in diesem Bereich;
20. fordert die Kommission auf, weiterhin mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um die Aufklärung von Hassverbrechen, beispielsweise Verbrechen aufgrund der LGBTI-Feindlichkeit, zu verbessern und die Unterstützung von Opfern zu verstärken; weist darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit den Schutz auf Opfer von Diskriminierungen aus unterschiedlichen Gründen wie z. B. der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität oder der Geschlechtsmerkmale ausgeweitet haben, und befürwortet solche Ausweitungen; bekräftigt seine Forderung an die Kommission, den derzeit geltenden Rahmenbeschluss im Anschluss an eine Folgenabschätzung zu überarbeiten, damit er sich auch auf Aufstachelung zum Hass aus Gründen des Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität und der Geschlechtsmerkmale erstreckt;
21. fordert den Ausschuss der Regionen auf, als Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der EU in Betracht zu ziehen, im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs Maßnahmen zu ergreifen, um auf die Schaffung von Zonen in Polen zu reagieren, die frei von der sogenannten „LGBT-Ideologie“ sind;
22. unterstützt die Arbeit der EU, in ihrem auswärtigen Handeln die Menschenrechte einschließlich der Rechte von LGBTI-Personen zu verteidigen und zu fördern; fordert, dass im Rahmen des in Kürze zu verabschiedenden EU-Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie den festen Verpflichtungen in Bezug auf die LGBTI-Themen nachgekommen sowie in den nächsten fünf Jahren – wie im Zeitraum von 2015 bis 2019 – der Schwerpunkt auf diese Themen gelegt wird;
23. fordert alle Mitgliedstaaten auf, ihrer Pflicht nachzukommen, auf nationaler und lokaler Ebene die Grundrechte und ‑freiheiten aller Unionsbürger, einschließlich der LGBTI-Personen, ausnahmslos zu schützen; ersucht die Mitgliedstaaten, begrüßenswerte Maßnahmen zu ergreifen, um die soziale Akzeptanz gegenüber der LGBTI-Gemeinschaft zu erhöhen;
24. fordert Polen auf, die Diskriminierung von LGBTI-Personen, auch wenn sie von lokalen Stellen ausgeht, entschieden zu verurteilen und im Einklang mit seinem innerstaatlichen Recht sowie seinen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht und Völkerrecht Entschließungen, in denen die Rechte von LGBTI-Personen angegriffen werden, einschließlich lokaler Bestimmungen gegen die „LGBT-Ideologie“ aufzuheben;
25. verurteilt den Missbrauch von Gesetzen über für Minderjährige zugängliche Informationen, insbesondere im Bereich der Bildung und der Medien, um LGBTI-bezogene Inhalte und Materialien zu zensieren, insbesondere Paragraf 4 Absatz 2 Unterabsatz 16 des Gesetzes zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen in Litauen und Paragraf 10.1 des Bildungsgesetzes in Lettland; fordert die Mitgliedstaaten auf, solche Rechtsvorschriften so abzuändern, dass die im Unionsrecht und im Völkerrecht verankerten Grundrechte uneingeschränkt geachtet werden; fordert die Kommission auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um dafür zu sorgen, dass diese Rechte geachtet werden;
26. fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Hetze von öffentlichen Stellen und gewählten Amtsträgern sowie bei kommunalen, regionalen und nationalen Wahlen zu überwachen und strikte und konkrete Maßnahmen und Sanktionen dagegen zu ergreifen;
27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung den Regierungen und Parlamenten der darpin genannten Mitgliedstaaten, dem Rat, der Kommission und dem Ausschuss der Regionen zu übermitteln.
EGMR-Rechtssache S. und Marper gegen das Vereinigte Königreich, 4. Dezember 2008 (Beschwerden Nr. 30562/04 und 30566/04), Rn. 66, https://hudoc.echr.coe.int/eng#{“itemid”:[“001-90051”]}; Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 17. Juli 2014 zu den verbundenen Rechtssachen C-148/13, C-149/13 und C-150/13, Rn. 38 und 39, http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=%2522gender%2Bidentity%2522&docid=155164&pageIndex=0&doclang=de&mode=req