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Verfahren : 2021/2712(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B9-0324/2021

Aussprachen :

PV 08/06/2021 - 12
CRE 08/06/2021 - 12

Abstimmungen :

PV 10/06/2021 - 9
PV 10/06/2021 - 15

Angenommene Texte :

P9_TA(2021)0294

Angenommene Texte
PDF 142kWORD 53k
Donnerstag, 10. Juni 2021 - Straßburg
Lage in Afghanistan
P9_TA(2021)0294RC-B9-0324/2021

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Juni 2021 zur Lage in Afghanistan (2021/2712(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Afghanistan,

–  unter Hinweis auf den Plan für ein gemeinsames Vorgehen Afghanistans und der EU in Migrationsfragen vom 2. Oktober 2016,

–  unter Hinweis auf das am 18. Februar 2017 unterzeichnete Kooperationsabkommen über Partnerschaft und Entwicklung zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Islamischen Republik Afghanistan andererseits,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Nordatlantikrats vom 9. Dezember 2020 zu den Friedensverhandlungen in Afghanistan,

–  unter Hinweis auf die Ausführungen von Präsident Biden vom 14. April 2021 zum weiteren Vorgehen in Afghanistan,

–  unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarung über Eigenständigkeit durch gegenseitige Rechenschaft, die auf der Brüsseler Afghanistan-Konferenz vom 4. und 5. Oktober 2016 getroffen wurde,

–  unter Hinweis auf die internationale Geberkonferenz auf Ministerebene 2020 (Afghanistan-Konferenz) vom 23. und 24. November 2020,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) und des indischen Außenministers vom 4. Mai 2021 zur Lage in Afghanistan,

–  unter Hinweis auf das Kommuniqué der Sondergesandten und Sonderbeauftragten der Europäischen Union, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, der NATO, Norwegens, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten vom 7. Mai 2021 zum afghanischen Friedensprozess,

–  unter Hinweis auf die Erhebung zu Opium in Afghanistan von 2020, die im April 2021 gemeinsam von der afghanischen nationalen Behörde für Statistik und Information und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung veröffentlicht wurde,

–  unter Hinweis auf die Leitlinien der EU für die Förderung und den Schutz der Rechte des Kindes, die EU-Leitlinien zu Kindern und bewaffneten Konflikten und die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,

–  unter Hinweis auf die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu Afghanistan,

–  unter Hinweis auf die Resolutionen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen zu Afghanistan,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,

–  gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

–  gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die USA und die Taliban im Februar 2020 ein Abkommen unterzeichnet haben, das den Weg für die ersten direkten Gespräche zwischen den Taliban und Vertretern der Islamischen Republik Afghanistan seit 2001 ebnet;

B.  in der Erwägung, dass Antony Blinken, Außenminister der Vereinigten Staaten, am 14. April 2021 den einseitigen Abzug der Truppen der Vereinigten Staaten bis zum 11. September 2021 angekündigt hat; in der Erwägung, dass die NATO-Verbündeten dem Grundsatz der gemeinsamen Durchführung („in together, out together“) folgen und ihre Truppen ebenfalls zu diesem Zeitpunkt abziehen werden;

C.  in der Erwägung, dass die afghanischen Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban 2020 in Doha aufgenommen wurden; in der Erwägung, dass die Waffenstillstandsvereinbarung nicht eingehalten wurde und sich die Friedensgespräche derzeit in einer Sackgasse befinden und die Taliban auf den Abzug der Verbündeten warten;

D.  in der Erwägung, dass die EU seit 2001 aktiv in Afghanistan präsent ist, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die internationale Unterstützung zu koordinieren; in der Erwägung, dass viele EU-Mitgliedstaaten, NATO-Partner und verbündete Länder mit militärischen und zivilen Ressourcen zur Stabilisierung und Entwicklung Afghanistans beigetragen haben und dabei zahlreiche Opfer und schwere Verluste zu beklagen hatten; in der Erwägung, dass ein stabiles, unabhängiges Afghanistan, das für sich selbst sorgen kann und terroristischen Gruppen keine Zuflucht bietet, noch immer ein wesentliches sicherheitspolitisches Interesse der EU, der NATO und ihrer Mitgliedstaaten darstellt;

E.  in der Erwägung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, die Fortschritte der letzten beiden Jahrzehnte in Afghanistan, insbesondere in Bezug auf die Menschenrechte und Grundfreiheiten, aufrechtzuerhalten;

F.  in der Erwägung, dass die Vertretung von Frauen und ihren Rechten in den afghanischen Friedensgesprächen nicht verhältnismäßig ist und ein engagierteres Vorgehen der Verhandlungsparteien in dieser Frage erforderlich ist;

G.  in der Erwägung, dass Frauen, Kinder und ethnische Minderheiten am stärksten von dem Scheitern der afghanischen Friedensgespräche und den Bemühungen um eine militärische Lösung des Konflikts betroffen sein werden; in der Erwägung, dass afghanische Frauen bereits damit begonnen haben, ihre Bewegungsfreiheit nur noch eingeschränkt wahrzunehmen, um Risiken zu verringern, und dass der Zugang von Kindern zu Bildung und Spiel durch drohende Gewalt behindert wird;

H.  in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan allmählich verschlechtert und die Zahl der Angriffe auf afghanische Streitkräfte sowie gezielte Morde an afghanischen Aktivisten, Medienschaffenden, Erziehern, Ärzten, Richtern und Regierungsbeamten zunehmen; in der Erwägung, dass die Zahl der Taliban-Angriffe seit Beginn der afghanischen Friedensgespräche erheblich zugenommen hat, mit dem Ziel, die Kontrolle über die von der Regierung kontrollierten Gebiete zu übernehmen; in der Erwägung, dass Afghanistan dem Globalen Terrorismusindex 2020 zufolge das am stärksten betroffene Land ist; in der Erwägung, dass vier Millionen der 36 Millionen Einwohner des Landes Vertriebene sind; in der Erwägung, dass drei Millionen Menschen aufgrund von Gewalt und zusätzlich eine Million Menschen aufgrund von Naturkatastrophen zu Binnenvertriebenen wurden; in der Erwägung, dass bereits 2,5 Millionen Afghanen auf der Suche nach Sicherheit aus dem Land geflohen sind, wobei sich die Mehrheit im Iran und in Pakistan niedergelassen hat;

I.  in der Erwägung, dass Afghanistan das Empfängerland ist, das weltweit die meiste Entwicklungshilfe von der EU erhält; in der Erwägung, dass der Beitrag der EU zu Afghanistan in den letzten 20 Jahren zu erheblichen Verbesserungen in Bezug auf die Lebenserwartung, die Lese- und Schreibfähigkeit, die Mütter- und Kindersterblichkeit und die Frauenrechte geführt hat; in der Erwägung, dass die EU zwischen 2002 und 2020 mehr als 4 Mrd. EUR bereitgestellt und für den Zeitraum 2021–2025 Mittel in Höhe von 1,2 Mrd. EUR für langfristige Hilfe und Soforthilfe zugesagt hat; in der Erwägung, dass diese Zusage mit einer Mitteilung der EU und von Ländern einherging, auf die zusammen etwa 80 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe für Afghanistan entfallen, in der die wichtigsten Voraussetzungen hervorgehoben werden, die das Land erfüllen muss, damit es weiterhin Unterstützung erhält, darunter ein anhaltendes Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten;

J.  in der Erwägung, dass in Afghanistan die Verantwortlichen für Angriffe und Tötungen häufig nicht zur Verantwortung gezogen werden; in der Erwägung, dass die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am 12. März 2021 die alarmierende Zahl der gezielten Angriffe auf Zivilpersonen in Afghanistan verurteilt haben;

K.  in der Erwägung, dass der jüngste Anstieg der Gewalt vor dem Hintergrund langjähriger, weit verbreiteter Menschenrechtsverletzungen im Land durch Terroristen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte stattgefunden hat, darunter außergerichtliche Tötungen, Folter und sexuelle Gewalt; in der Erwägung, dass in dem zwanzig Jahre währenden Krieg schätzungsweise 150 000 Menschen ihr Leben verloren haben, darunter 35 000 Zivilisten;

L.  in der Erwägung, dass in Afghanistan seit 2001 nachweislich Fortschritte bei den Rechten von Frauen und Mädchen erzielt wurden, unter anderem in Bezug auf den Zugang Bildung, die Gesundheitsversorgung und die Teilhabe am staatsbürgerlichen und politischen Leben; in der Erwägung, dass diese Verbesserungen die wohl größte Errungenschaft in der jüngsten Entwicklung des Landes sind; in der Erwägung, dass dieser teilweise Fortschritt nun bedroht ist und dringend erhalten und gestärkt werden muss;

M.  in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen trotz dieser Verbesserungen täglich mit entsetzlichen Bedrohungen konfrontiert sind, einschließlich Hindernissen beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und Angriffen, darunter häusliche, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt; in der Erwägung, dass Afghanistan nach dem Index für Frauen, Frieden und Sicherheit 2019/2020 als zweitschlechtestes Land für Frauen eingestuft wurde; in der Erwägung, dass bei der Bombardierung der Mädchenschule Sajed al-Schuhada in Kabul am 8. Mai 2021 mindestens 85 Menschen getötet und 147 verletzt wurden, die meisten davon Schülerinnen; in der Erwägung, dass am 2. März 2021 in Dschalalabad drei Journalistinnen getötet wurden;

N.  in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie die Armutsquote in Afghanistan dramatisch erhöht hat; in der Erwägung, dass COVID-19-bezogene Maßnahmen und die sich verschlechternde Sicherheitslage zu Einschränkungen des Zugangs der afghanischen Bevölkerung zu humanitärer Hilfe geführt haben;

O.  in der Erwägung, dass Afghanistan 2021 mit einer Dürre rechnet und die Zahl der derzeit 5,5 Millionen Menschen, die von Ernährungsunsicherheit auf Krisen- und Notstandsniveau betroffen sind, dadurch erhöht wird und weitere 17,6 Millionen Menschen mit akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert sein dürften;

P.  in der Erwägung, dass die wirtschaftlichen Kosten des Terrorismus in Afghanistan im Jahr 2018 fast 20 % seines BIP entsprachen und afghanischen Kindern ihre Zukunft, die Möglichkeit, eine Ausbildung zu erhalten, die Aussichten auf eine stabile Beschäftigung und Dienstleistungen wie die Gesundheitsversorgung durch den Staat genommen werden;

Q.  in der Erwägung, dass afghanische Unternehmen unter Erpressung durch die Taliban leiden, die die Landwirte zum Opiumanbau und illegalen Bergbauaktivitäten zwingen;

1.  ist der Auffassung, dass sich Afghanistan in einer kritischen Situation befindet, da eine instabile innerstaatliche Situation, eine sich verschlechternde Sicherheitslage, innerafghanische Friedensgespräche, die de facto zum Stillstand gekommen sind, und die Entscheidung, die Truppen der Vereinigten Staaten und der NATO bis zum 11. September 2021 abzuziehen, aufeinandertreffen, was zu neuer Unsicherheit, geringerer Stabilität, der Gefahr einer Zuspitzung interner Konflikte und einem Vakuum, das im schlimmsten Fall von den Taliban gefüllt wird, führen kann; ist besorgt darüber, dass dies eine äußerst besorgniserregende Perspektive für das Land und für die Dauerhaftigkeit der soziopolitischen Errungenschaften und Fortschritte der letzten 20 Jahre wäre;

2.  bringt seine tiefe Besorgnis zum Ausdruck und verurteilt auf das Schärfste den alarmierenden Anstieg der Gewalt in Afghanistan, einschließlich der gezielten Ermordungen von Kindern, weiblichen Berufstätigen, Journalisten und Medienschaffenden, Pädagogen, Menschenrechtsverteidigern, Angehörigen der Zivilgesellschaft, Aktivisten, Ärzten, Regierungsbeamten und Angehörigen der Justiz; fordert alle Seiten nachdrücklich auf, unverzüglich einen dauerhaften und umfassenden Waffenstillstand zu vereinbaren;

3.  ist besorgt über die Brüchigkeit und mangelnde Stabilität der afghanischen Regierung und über deren mangelnde Kontrolle über einen großen Teil des Landes, aufgrund derer sich die Auswirkungen der Gewalt auf die Zivilbevölkerung verschärfen; fordert die Taliban dazu auf, ihre Angriffe gegen Zivilisten und die nationalen Streitkräfte unverzüglich einzustellen und das humanitäre Völkerrecht uneingeschränkt zu achten; spricht den Opfern von Terroranschlägen und ihren Familien sein tiefes Mitgefühl und seine Unterstützung aus;

4.  betont, dass das Szenario eines „gescheiterten Staates“ vermieden werden muss, und bekräftigt sein Engagement für einen Friedens- und Aussöhnungsprozess und Wiederaufbau nach dem Konflikt unter afghanischer Führung und Verantwortung, die der einzige glaubwürdige Weg zu umfassendem, langfristigem Frieden, Sicherheit und Entwicklung sind; betont, dass dies nun wichtiger denn je ist, da das Datum des Abzugs der Truppen der Vereinigten Staaten und der NATO schnell näher rückt; fordert den Rat, den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Kommission nachdrücklich auf, so bald wie möglich eine umfassende Strategie für die künftige Zusammenarbeit mit Afghanistan nach dem Abzug der Truppen der NATO-Bündnispartner auszuarbeiten und diese dem Parlament vorzulegen, und fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten, die NATO und die USA auf, sich weiterhin für dieses Ziel einzusetzen;

5.  unterstützt in diesem Zusammenhang die sofortige Wiederaufnahme der Friedensgespräche in Doha, um eine politische Konfliktbeilegung und einen dauerhaften, landesweit ausgehandelten Waffenstillstand zu erreichen; unterstreicht, dass nur eine politische Lösung Hoffnung auf dauerhaften Frieden bietet, und empfiehlt den Parteien, die Hilfe eines unabhängigen Vermittlers, z. B. der Vereinten Nationen, in Anspruch zu nehmen, um zu einer Einigung über einen politischen Fahrplan für ein prosperierendes Afghanistan beizutragen; fordert den EAD und die Kommission auf, eine stärkere Rolle dabei zu übernehmen, beide Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen, und Unterstützung bei der Vermittlung und Mediation anzubieten, wenn die Afghanen dies wünschen;

6.  bekräftigt, dass eine ausgehandelte politische Lösung, mit der für Frieden gesorgt werden soll, auf den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Errungenschaften der letzten 20 Jahre aufbauen muss; betont, dass die langfristige Entwicklung Afghanistans von der Rechenschaftspflicht, der verantwortungsvollen Staatsführung und dauerhaft sicheren Lebensverhältnissen für die Menschen abhängen wird, einschließlich der Verringerung der Armut und der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten, des Zugangs zu Sozial- und Gesundheitsdiensten sowie Bildung und des Schutzes der Grundfreiheiten und Menschenrechte;

7.  fordert die afghanische Regierung nachdrücklich auf, das afghanische Parlament aktiv in alle einschlägigen Prozesse einzubinden, alle Maßnahmen zu beenden, die eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament verhindern, und die parlamentarischen Kontrollrechte zu verbessern, wobei das afghanische Parlament die afghanische Bevölkerung in ihrer Vielfalt repräsentieren sollte; erachtet es als notwendig, die Abhaltung freier und fairer Wahlen im Einklang mit internationalen Standards und die Wahlbeobachtungsmissionen im Land sowie die Verbesserung der Transparenz bei den Staatsausgaben weiterhin zu unterstützen, damit die afghanische Regierung ihren Bürgern gegenüber uneingeschränkt rechenschaftspflichtig ist;

8.  weist darauf hin, dass sich der afghanische Staat, um auf den Errungenschaften der letzten 20 Jahre aufbauen zu können, ernsthaft dazu verpflichten sollte, Terrorismus und bewaffnete Gruppen, Drogenproduktion und Drogenhandel zu bekämpfen und zu verhüten, gegen die Ursachen der irregulären Migration und der Zwangsmigration vorzugehen und diese zu steuern, die regionale Instabilität zu überwinden, Anstrengungen zur Beseitigung der Armut zu unternehmen, Radikalisierung entgegenzuwirken, die zu gewaltbereitem Extremismus führt, und gegen die Straflosigkeit bei Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts vorzugehen;

9.  bedauert, dass die Kommission vor der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit im Bereich der Migration dem Parlament die Erklärung nicht vorgelegt hat und dass das Parlament keine Gelegenheit hatte, seine Meinung dazu zu äußern; fordert die Kommission auf, für die Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit im Bereich Migration eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Menschenrechte durchzuführen;

10.  erklärt sich besorgt über die Bedrohung, die der Terrorismus für Afghanistan und die Region bedeutet, insbesondere über die anhaltende Präsenz des Islamischen Staats im Irak und der Levante (ISIL – Da'esh) und seiner Verbündeten, insbesondere ISIL in der Provinz Khorasan und Al-Qaida; weist darauf hin, dass die terroristischen Straftaten in Afghanistan von mehreren Akteuren, einschließlich der Taliban, Al-Qaida und des sogenannten Islamischen Staates, begangen werden; hebt hervor, dass die reale Gefahr besteht, dass die Instabilität und die Gewalt nach dem Abzug der Truppen der Vereinigten Staaten und der NATO zunehmen; bekräftigt daher, dass es dringend erforderlich ist, dass die EU sich mit Interessenträgern, einschließlich der afghanischen Regierung und der Sicherheitskräfte, der Vereinigten Staaten, der NATO und der Vereinten Nationen, abstimmt, um einen möglichst reibungslosen Übergang sicherzustellen;

11.  verurteilt sämtliche terroristischen Aktivitäten und alle Terroranschläge in Afghanistan; betont, dass die wirksame Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und die Auflösung von Finanznetzen, durch die der Terrorismus unterstützt wird, wichtig sind; ist sehr besorgt über die Ergebnisse des Berichts des Überwachungsteams der Vereinten Nationen, aus dem hervorgeht, dass sich die Beziehungen zwischen den Taliban und Al-Qaida vertieft haben, und die darin enthaltene Warnung, dass die Taliban Friedensgespräche ablehnen und eine militärische Übernahme vorziehen würden; nimmt ferner die Berichte zur Kenntnis, aus denen hervorgeht, dass die Taliban 2021 aktiv Militäroperationen vorbereiten;

12.  weist darauf hin, dass eine nachhaltige Entwicklung ohne Sicherheit nicht möglich ist, was auch umgekehrt gilt; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei der internationalen Unterstützung für Afghanistan nach dem Abzug der Truppen ein ganzheitlicher Ansatz sichergestellt werden muss, um die finanzielle und technische Unterstützung für die nationalen afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, die Reformen in den Bereichen Sicherheit, Politik, Wirtschaft und Entwicklung, mit besonderem Augenmerk auf der Stärkung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, insbesondere für Frauen, junge Menschen und Minderheiten, fortzusetzen;

13.  erkennt die Arbeit lokaler und internationaler nichtstaatlicher Organisationen an, die der afghanischen Bevölkerung trotz der Sicherheitsrisiken Dienstleistungen anbieten sowie Hilfe und Unterstützung leisten; ist weiterhin besorgt über das gefährliche Umfeld, in dem zivilgesellschaftliche Organisationen, einschließlich Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, tätig sind; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, weiterhin umfassende Unterstützung für die Zivilgesellschaft bereitzustellen und den Dialog mit der afghanischen Regierung fortzusetzen, um dringend die Hindernisse für die Tätigkeiten regierungsunabhängiger Organisationen zu verringern; fordert die staatlichen Stellen Afghanistans, die Taliban und alle anderen einschlägigen Akteure nachdrücklich auf, für die Sicherheit lokaler und internationaler zivilgesellschaftlicher, nichtstaatlicher und humanitärer Organisationen zu sorgen;

14.  fordert – unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen – eine glaubwürdige und transparente Untersuchung des jüngsten Angriffs auf eine Mädchenschule, bei dem 85 Personen, zumeist Mädchen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren, getötet wurden, sowie den Anschlag vom 12. Mai 2020 auf die Entbindungsstation des Krankenhauses Dasht-e Barchi in Kabul, die von Ärzte ohne Grenzen unterstützt wird; fordert den EAD, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zu erwägen, den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen nachdrücklich aufzufordern, einen Untersuchungsausschuss zu schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in Afghanistan einzusetzen;

15.  betont, dass Straflosigkeit und Korruption weiterhin ernsthafte Hindernisse für die Verbesserung der Sicherheitskoordinierung, die Bereitstellung öffentlicher Dienste und die Wirtschaftsreform sind; begrüßt, dass in Afghanistan im November 2020 eine Kommission für die Bekämpfung der Korruption eingesetzt wurde, um die neu angenommene Strategie zur Bekämpfung der Korruption umzusetzen, und fordert den EAD und die Kommission nachdrücklich auf, weiterhin ein hohes Maß an Unterstützung der EU bereitzustellen, um gegen die Korruption in dem Land vorzugehen;

16.  weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Unterstützung durch die EU weiterhin an die Bedingung geknüpft ist, dass die Errungenschaften der letzten 20 Jahre erhalten bleiben und darauf aufgebaut wird, die inklusive und verantwortungsvolle Staatsführung effektiv verbessert wird, die Institutionen, der demokratische Pluralismus und die Rechtsstaatlichkeit gestärkt werden, die Korruption bekämpft wird, die unabhängigen Medien gestärkt werden und die Menschenrechte und Grundfreiheiten sämtlicher Afghanen, insbesondere der Frauen, Kinder und aller Angehörigen von Minderheiten und gefährdeten Gruppen, geachtet werden; weist darauf hin, dass das Recht von Mädchen auf Bildung, das eine große Errungenschaft der letzten 20 Jahre darstellt, nicht infrage gestellt werden darf; betont, dass klare Vorgaben und Überwachungsmechanismen erforderlich sind, um die erzielten Fortschritte und die effiziente und transparente Verwendung der EU-Mittel zu messen;

17.  betont, dass es unbedingt notwendig ist, die Fortschritte, die im Bereich der Rechte der Frauen in Afghanistan in den vergangenen 20 Jahren erzielt wurden, zu erhalten; verweist auf die Beteiligung von Frauen an den Friedensgesprächen aufseiten der afghanischen Regierung und betont, dass im Friedensprozess keine Kompromisse in Bezug auf die Rechte der Frauen eingegangen werden dürfen; betont, dass Fortschritte in Bezug auf die Rechte der Frauen in Gebieten, die nicht der Kontrolle der Regierung unterstehen, in den Verhandlungen ebenfalls behandelt werden müssen; spricht sich nachdrücklich für eine stärkere Vertretung und umfassende Konsultation von Frauenorganisationen während der gesamten Gespräche aus; betont, dass eine umfassende Teilhabe von Frauen in der Phase nach dem Wiederaufbau und ihre Beteiligung am politischen und staatsbürgerlichen Leben in Afghanistan eine grundlegende Voraussetzung für die Schaffung von dauerhaftem Frieden, Sicherheit und Entwicklung sind; fordert den EAD, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Stärkung der Stellung von Frauen weiterhin zu unterstützen und zu einer Schlüsselvoraussetzung für eine kontinuierliche finanzielle Unterstützung des Landes zu machen;

18.  bedauert zutiefst, dass Frauen weiterhin erheblichen Herausforderungen gegenüberstehen, darunter häusliche, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangsheirat und ein eingeschränkter Zugang zu Gesundheitsversorgung; betont, dass Fortschritte in diesen Bereichen für die EU weiterhin hohe Priorität haben müssen; begrüßt die von der EU finanzierten Projekte, mit denen die Stärkung der Stellung der Frauen und ihre Beteiligung an der Beschlussfassung unterstützt werden;

19.  bekräftigt, dass die EU kontinuierlich Unterstützung leisten muss, um Afghanistan bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu unterstützen, den Afghanen Impfstoffe zur Verfügung zu stellen und bei der Organisation von Impfkampagnen behilflich zu sein;

20.  betont, dass es wichtig ist, die dringenden Bedrohungen in Bezug auf die Ernährungssicherheit infolge des Klimawandels, von Dürren und der COVID-19-Pandemie anzugehen; fordert die EU auf, ihren auf der Afghanistan-Konferenz 2020 eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, und fordert den EAD und die GD ECHO der Kommission (Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe) nachdrücklich auf, eine Führungsrolle zu übernehmen und die Finanzierungslücke zu schließen, damit sichergestellt wird, dass Nahrungsmittelhilfe rasch mobilisiert und koordiniert wird, um gegen die drohende Ernährungsunsicherheit vorzugehen; fordert alle Geber nachdrücklich auf, ihre humanitäre Hilfe aufrechtzuerhalten oder aufzustocken, insbesondere ihre Unterstützung für das afghanische Gesundheitssystem und die Förderung des Zugangs afghanischer Frauen und Mädchen zur Gesundheitsversorgung;

21.  weist darauf hin, dass der Anbau von Opiummohn auch über die Grenzen Afghanistans hinaus Folgen hat und sich auf die Nachbarländer und Europa, das der Hauptbestimmungsort für in Afghanistan hergestelltes Heroin ist, auswirkt; betont, dass die afghanische Regierung ihre Anstrengungen zum Vorgehen gegen diese Bedrohung verstärken muss, und betont, dass eine längerfristige Entwicklung und Unterstützung der Landwirtschaft notwendig sind, um verlässliche Arbeitsplätze und alternative Einkommensmöglichkeiten zum Opiumanbau zu schaffen; weist darauf hin, dass dies ein notwendiger Schritt ist, um gegen illegalen Drogenhandel, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzugehen;

22.  weist auf das Potenzial für wirtschaftliches Wachstum in Afghanistan durch die nachhaltige Entwicklung seiner natürlichen Ressourcen hin; betont, dass die Hilfe der EU für den Ausbau der Infrastruktur der afghanischen Bevölkerung zugutekommen könnte, indem durch sie Arbeitsplätze und Ressourcen für wichtige öffentliche Dienstleistungen bereitgestellt werden und für Umweltschutz gesorgt wird;

23.  betont, dass EU-Mittel eingesetzt werden müssen, um in die Verbesserung der regionalen Vernetzung zu investieren, damit Handel und Transit erleichtert werden, wodurch Afghanistan die Mittel erhalten würde, um wirtschaftlich zu wachsen;

24.  weist darauf hin, dass Afghanistan ein Binnenland im Übergangsbereich zwischen Asien und dem Nahen Osten ist, und stellt fest, dass die Unterstützung von und die positive Zusammenarbeit mit zentralasiatischen Nachbarländern und regionalen Mächten, insbesondere China, dem Iran, Indien, Russland und Pakistan, für die Stabilisierung, Entwicklung und wirtschaftliche Lebensfähigkeit Afghanistans wesentlich sind; fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, ihren Dialog mit den Nachbarstaaten Afghanistans zu intensivieren; betont, dass diesen Ländern eine wesentliche Rolle bei der Stabilisierung Afghanistans zukommt, sowie dabei, zu verhindern, dass das Land im Chaos versinkt, wenn die ausländischen Truppen abziehen; betont, dass sich die EU und die Vereinigten Staaten in Bezug auf Afghanistan stärker abstimmen müssen, damit sie in Afghanistan – soweit dies möglich ist – weiterhin eine wichtige Rolle spielen;

25.  weist erneut auf die Verantwortung der Regierungen der Länder, die ihre Truppen aus Afghanistan abziehen, für den Schutz, die Erteilung von Visa und die Rückführung des einheimischen Personals hin, insbesondere der Übersetzer, die sie bei ihren Bemühungen unterstützt haben und deren Leben nun möglicherweise in großer Gefahr ist; fordert, dass dem eine gründliche individuelle Bewertung vorausgeht, bei der alle Gewährungs- und Sicherheitsaspekte umfassend berücksichtigt werden;

26.  fordert den EAD, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für die Sicherheit der europäischen Streitkräfte und des Personals in Afghanistan sowie der örtlichen Bediensteten, die für die Vertretungen der Mitgliedstaaten oder die EU-Delegation im Land tätig sind oder gearbeitet haben, zu sorgen; fordert den EAD und die Kommission auf, Mittel für eine verstärkte Sicherheitszone bereitzustellen, um eine diplomatische Präsenz nach dem Abzug der Truppen zu gewährleisten;

27.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Sondergesandten der EU für Afghanistan, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament der Islamischen Republik Afghanistan zu übermitteln.

Letzte Aktualisierung: 8. Oktober 2021Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen