Polizeiliche Zusammenarbeit
Die EU-Agentur für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) ist ein Kernstück der erweiterten europäischen Architektur der inneren Sicherheit. Die Zusammenarbeit und die Politik im Bereich der Strafverfolgung entwickeln sich weiter, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Terrorismus, Cyberkriminalität und anderen schweren und organisierten Formen der Kriminalität gelegt wird. Das Hauptziel besteht darin, zum Nutzen aller in der EU ein sichereres Europa zu schaffen, in dem die Grundrechte und die Datenschutzbestimmungen geachtet werden, wie es das Europäische Parlament mehrfach gefordert hat.
Rechtsgrundlage
Artikel 33 (Zusammenarbeit im Zollwesen) sowie Artikel 87, 88 und 89 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
Ziele
Die wirksame polizeiliche Zusammenarbeit ist ein Schlüsselelement, wenn es darum geht, die EU zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu machen, in dem die Grundrechte konsequent geachtet werden. Mit der grenzübergreifenden Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, an der Polizei, Zollbehörden und sonstige Strafverfolgungsbehörden mitwirken, sollen EU-weit Straftaten verhindert und aufgedeckt sowie Ermittlungen im Zusammenhang mit Straftaten durchgeführt werden. In der Praxis betrifft diese Zusammenarbeit hauptsächlich die Schwerkriminalität (wie organisiertes Verbrechen, Drogenhandel, Geldwäsche, Fälschung des Euro, Menschenhandel und Internetkriminalität) und den Terrorismus. Europol ist die Strafverfolgungsbehörde der EU.
Errungenschaften
A. Anfänge
Die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten begann im Jahr 1976 mit der sogenannten „TREVI-Gruppe“, einem zwischenstaatlichen Netzwerk von Vertretern der Justiz- und Innenministerien. Später wurden im Vertrag von Maastricht jene Fragen von gemeinsamem Interesse festgehalten, die eine polizeiliche Zusammenarbeit rechtfertigten (Terrorismus, Drogen und andere Formen des internationalen Verbrechens). Ferner wurde die Schaffung eines „Europäischen Polizeiamts“ (Europol), das zunächst nur als „Europol-Drogeneinheit“ Gestalt annahm, im Grundsatz vereinbart. Am 26. Juli 1995 wurde das Europol-Übereinkommen unterzeichnet. Offiziell nahm das Amt seine Tätigkeit jedoch erst am 1. Juli 1999 auf, und zwar mit erweiterten Zuständigkeiten, die ihm durch den (am 2. Oktober 1997 unterzeichneten) Vertrag von Amsterdam zugewiesen worden waren. Doch schon vor der Schaffung von Europol wurden Fortschritte auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit erzielt. Mit der Errichtung des „Schengen-Raums“ im Jahr 1985, dem zunächst nur eine begrenzte Zahl von Mitgliedstaaten angehörte, war die grenzübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit bereits Wirklichkeit geworden (siehe auch 4.2.4). Der „Schengen-Besitzstand“ und dessen Aspekte der polizeilichen Zusammenarbeit wurden mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam – wenn auch im Rahmen der „dritten Säule“ (zwischenstaatliche Zusammenarbeit) – in die EU-Rechtsvorschriften übernommen. Der gleiche zwischenstaatliche Ansatz kam für die Maßnahmen der polizeilichen Zusammenarbeit zur Anwendung, die im Rahmen des Prümer Vertrags von einem engeren Kreis von Mitgliedstaaten vereinbart worden waren. Dieser Vertrag enthält Bestimmungen über den Datenaustausch in Bezug auf DNS, Fingerabdrücke und Fahrzeugzulassungen. Durch den Beschluss 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 ist der Prümer Vertrag für die gesamte EU übernommen worden.
B. Derzeitiger institutioneller Rahmen
Durch den Vertrag von Lissabon (AEUV) wurde der institutionelle Rahmen erheblich vereinfacht: Die meisten Maßnahmen der polizeilichen Zusammenarbeit werden nun nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Mitentscheidung) angenommen und unterliegen der gerichtlichen Überprüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Gleichwohl wurde der Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und mit ihm auch die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen nicht vollständig in den EU-Rahmen integriert und hat sich einige ihrer ursprünglichen Merkmale bewahrt, selbst wenn man von den Besonderheiten des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Ausnahmeregelungen für Irland und Dänemark, siehe Protokolle Nr. 21 und 22 zum AEUV; hervorgehobene Rolle der nationalen Parlamente, siehe Protokolle Nr. 1 und 2) absieht:
- Die Kommission teilt ihr Vorschlagsrecht mit den Mitgliedstaaten, sofern diese ein Viertel der Ratsmitglieder repräsentieren (Artikel 76 AEUV).
- Hinsichtlich der operativen Maßnahmen der Zusammenarbeit wird das Parlament nur angehört; sie werden vom Rat einstimmig angenommen. Bei fehlender Einstimmigkeit im Rat kann eine Gruppe von mindestens neun Mitgliedstaaten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit tätig werden. In diesem Fall setzt der Europäische Rat das Verfahren aus, damit ein Konsens gefunden werden kann (Mechanismus für eine „Notbremse“ nach Artikel 87 Absatz 3 AEUV).
C. Das sind die wichtigsten Gesetzgebungsakte zur polizeilichen Zusammenarbeit, die nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommen wurden:
- Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates („Richtlinie zur Bekämpfung der Cyberkriminalität“), wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 4. September 2015 in einzelstaatliches Recht umzusetzen hatten,
- Verordnung (EU) 2015/2219 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (EPA) und zur Ersetzung sowie Aufhebung des Beschlusses 2005/681/JI des Rates, die seit dem 1. Juli 2016 gilt,
- Richtlinie (EU) 2016/681 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität, wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 25. Mai 2018 in einzelstaatliches Recht umzusetzen hatten,
- Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union, wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 9. Mai 2018 in einzelstaatliches Recht umzusetzen hatten,
- Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 8. September 2018 in einzelstaatliches Recht umzusetzen hatten,
- Richtlinie (EU) 2021/555 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. März 2021 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen,
- Verordnung (EU) 2018/1726 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über die Agentur der Europäischen Union für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA), zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 und des Beschlusses 2007/533/JI des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011, die seit dem 11. Dezember 2018 gilt,
- Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission, die spätestens ab dem 28. Dezember 2021 gelten wird,
- Verordnung (EU) 2019/818 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen (polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, Asyl und Migration) und zur Änderung der Verordnungen (EU) 2018/1726, (EU) 2018/1862 und (EU) 2019/816,
- Richtlinie (EU) 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung von Vorschriften zur Erleichterung der Nutzung von Finanz- und sonstigen Informationen für die Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung bestimmter Straftaten und zur Aufhebung des Beschlusses 2000/642/JI des Rates, wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 1. August 2021 in einzelstaatliches Recht umzusetzen hatten,
- Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte, die ab dem 7. Juni 2022 gilt,
- Verordnung (EU) 2022/991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/794 in Bezug auf die Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Europol zur Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen und die Rolle von Europol in Forschung und Innovation, die ab dem 28. Juni 2022 gilt,
- Richtlinie (EU) 2022/2555 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 und der Richtlinie (EU) 2018/1972 sowie zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2016/1148 (NIS-2-Richtlinie), wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 18. Oktober 2024 in einzelstaatliches Recht umzusetzen haben,
- Richtlinie (EU) 2022/2557 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über die Resilienz kritischer Einrichtungen und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/114/EG des Rates (ABl. L 333 vom 27.12.2022, S. 164), wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 18. Oktober 2024 in einzelstaatliches Recht umzusetzen haben,
- Richtlinie (EU) 2023/977 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über den Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates, wobei die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 12. Dezember 2024 in einzelstaatliches Recht umzusetzen haben,
- Verordnung (EU) 2023/2131 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Oktober 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1727 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie des Beschlusses 2005/671/JI des Rates im Hinblick auf digitalen Informationsaustausch in Terrorismusfällen, gültig ab 31. Oktober 2023,
- Verordnung (EU) 2024/982 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2024 über die automatisierte Abfrage und den Austausch von Daten für die polizeiliche Zusammenarbeit (Prüm-II-Verordnung), die ab dem 25. April 2024 gilt.
D. Agenturen und andere Organe der polizeilichen Zusammenarbeit
1. Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol)
Europol ist eine Agentur, deren Hauptzweck es ist, Europa sicherer zu machen. Sie unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Terrorismus, Cyberkriminalität und anderen schweren und organisierten Formen der Kriminalität. Europol arbeitet außerdem mit vielen Partnerstaaten außerhalb der EU und internationalen Organisationen zusammen. Europol dient als Zentrum zur Unterstützung von Strafverfolgungsmaßnahmen und als zentrale Schaltstelle für Informationen über kriminelle Aktivitäten.
Große kriminelle und terroristische Netzwerke stellen eine erhebliche Bedrohung der inneren Sicherheit der EU dar. Die größten Sicherheitsbedrohungen gehen vom Terrorismus, dem internationalen Drogenhandel, der Geldwäsche, dem organisierten Betrug, der Fälschung des Euro und dem Menschenhandel aus.
Europol hat mehrere Sondereinheiten eingerichtet, um auf diese Bedrohungen zu reagieren:
- Das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität stärkt die Reaktion der Strafverfolgungsbehörden auf Cyberkriminalität in der EU und trägt auf diese Weise dazu bei, die Einwohner der EU, die europäischen Unternehmen und Regierungen vor Internet-Kriminalität zu schützen.
- Das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung und Zerschlagung der komplexen und hochentwickelten kriminellen Netze, die an der Schleusung von Migranten beteiligt sind.
- Das Europäische Zentrum zur Terrorismusbekämpfung ist ein Einsatzzentrum und ein Hort des Expertenwissens, das die wachsende Notwendigkeit widerspiegelt, die Abwehrmaßnahmen der EU gegen den Terrorismus zu verstärken.
- Das Europäische Zentrum für schwere organisierte Kriminalität leistet operative Unterstützung für Ermittlungen der Mitgliedstaaten in vorrangigen Fällen im Zusammenhang mit schwerer und organisierter Kriminalität.
- Die koordinierte Koalition gegen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums bietet Strafverfolgungsbehörden und anderen Partnern operative und technische Unterstützung.
- Das Europäische Zentrum für Finanz- und Wirtschaftskriminalität ist eine operative Plattform zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in laufenden Fällen im Bereich Finanz- und Wirtschaftskriminalität.
- FIU.net ist ein dezentrales und hochentwickeltes Computernetzwerk, das die zentralen Meldestellen in der EU bei der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung unterstützt.
- Die EU-Meldestelle für Internetinhalte dient zur Erkennung und Untersuchung bösartiger Inhalte im Internet und in sozialen Netzwerken.
Europol wurde mit der Europol-Verordnung gegründet. Ihr Sitz befindet sich in Den Haag (Niederlande). Europol erstellt mehrere Berichte, wie den Tendenz- und Lagebericht über den Terrorismus in der EU (TE-SAT), die Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität (SOCTA), die Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der organisierten Kriminalität im Internet (IOCTA) und einen Jahresbericht. Europol veröffentlichte seine jüngste SOCTA im April 2021, den jüngsten TE-SAT im Juni 2023 und die jüngste IOCTA im Juli 2023. Am 5. April 2024 legte Europol seinen ersten Bericht mit dem Titel „Decoding the EU’s most threat criminal networks“ (Entwirrung der bedrohlichsten kriminellen Netzwerke in der EU) vor.
Um eine größere Rechenschaftspflicht der Agentur zu erreichen, wurde im Rahmen der Europol-Verordnung ein Gemeinsamer parlamentarischer Kontrollausschuss (GPKA) für Europol eingerichtet. Artikel 88 AEUV sieht vor, dass das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente die Tätigkeiten von Europol kontrollieren. In Artikel 51 der Europol-Verordnung heißt es: „Der Gemeinsame parlamentarische Kontrollausschuss führt die politische Kontrolle der Tätigkeiten Europols bei der Erfüllung ihres Auftrags durch, einschließlich hinsichtlich der Auswirkungen dieser Tätigkeiten auf die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen“. Die 14. Sitzung des GPKA fand am 18. und 19. Februar 2024 in Gent statt.
Im Mai 2022 erließen das Parlament und der Rat eine neue Verordnung zur Änderung des Mandats von Europol, die am 28. Juni 2022 in Kraft trat. Die neue Europol-Verordnung umfasst die Verbesserungen zur Forschung und Innovation, die Verarbeitung von großen Datensätzen, die Zusammenarbeit mit privaten Parteien und Drittländern, die Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft und in ihr ist geregelt, wie neue Ausschreibungen auf der Grundlage von Informationen aus Drittländern in das Schengener Informationssystem eingegeben werden können; da Europol nun vorschlagen kann, dass Mitgliedstaaten Ausschreibungen eingeben. Die Exekutivdirektorin von Europol kann auch bei Straftaten, die nicht grenzüberschreitend sind, aber ein gemeinsames Interesse verletzen, das Gegenstand einer Politik der EU ist, die Einleitung von innerstaatlichen Ermittlungen vorschlagen.
2. Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL)
CEPOL ist eine Agentur, die sich der Konzipierung, Durchführung und Koordinierung von Schulungen von Bediensteten der Strafverfolgungsbehörden widmet. CEPOL trägt zu einem sichereren Europa bei, indem sie die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und in gewissem Maße auch mit Drittstaaten zu Themen erleichtert, die sich aus den Prioritäten der EU im Bereich der Sicherheit ergeben, insbesondere aus dem EU-Politikzyklus zur Bekämpfung der organisierten und schweren Kriminalität. Die Agentur für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung wurde mittels der CEPOL-Verordnung eingerichtet. Sie hat ihren Sitz in Budapest (Ungarn).
3. Ständiger Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI)
Gemäß Artikel 71 AEUV wird im Rat „ein ständiger Ausschuss eingesetzt, um sicherzustellen, dass innerhalb der Union die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit gefördert und verstärkt wird. Er fördert unbeschadet des Artikels 240 die Koordinierung der Maßnahmen der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Die Vertreter der betroffenen Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU können an den Arbeiten des Ausschusses beteiligt werden. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente werden über die Arbeiten des Ausschusses auf dem Laufenden gehalten.“ Der COSI wurde durch den Beschluss des Rates vom 25. Februar 2010 zur Einsetzung des Ständigen Ausschusses für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (2010/131/EU) eingerichtet.
4. EU-Zentrum für Informationsgewinnung und Lageerfassung
Das EU-Zentrum für Informationsgewinnung und Lageerfassung (EU INTCEN) ist kein Organ der polizeilichen Zusammenarbeit im eigentlichen Sinne, da es ein Organ des Europäischen Auswärtigen Dienstes und ausschließlich mit strategischen Analysen befasst ist. Es trägt jedoch zu dieser Zusammenarbeit bei, indem es Einschätzungen der Bedrohungslage gibt und sich dabei auf Quellen stützt, die ihm von den Nachrichtendiensten, dem Militär, den Diplomaten und den Polizeibehörden geliefert werden. Das INTCEN kann auch Beiträge leisten, die aus operativer Sicht nützlich sind; so liefert es beispielsweise EU-weite Informationen zu Zielen, Motiven und Bewegungen von Terroristen.
Rolle des Europäischen Parlaments
Das Parlament hat bei der Gestaltung der EU-Rechtsvorschriften im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit eine Schlüsselrolle gespielt, indem es die Sicherheit der EU-Bevölkerung zu einer politischen Priorität erklärt hat. Darüber hinaus arbeitet es im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gleichberechtigt mit dem Rat an der Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit.
Das wichtigste Instrument für polizeiliche Zusammenarbeit ist Europol als Kernstück der erweiterten europäischen Infrastruktur der inneren Sicherheit. Im Rahmen der Reform von Europol hat sich das Parlament aktiv für eine stärkere parlamentarische Kontrolle und für bessere Datenschutzbestimmungen eingesetzt. Das Parlament beteiligte sich (im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens) an der Stärkung des Mandats von Europol, nachdem am 9. Dezember 2020 der Vorschlag der Kommission angenommen wurde. Mit dem neuen Mandat hat man es Europol ermöglicht, große Datensätze zu verarbeiten und neue Technologien zu entwickeln, die den Erfordernissen der Strafverfolgung gerecht werden. Außerdem wurden dadurch der Datenschutzrahmen und die parlamentarische Kontrolle von Europol gestärkt. Die überarbeitete Europol-Verordnung trat im Juni 2022 in Kraft.
In verschiedenen Debatten über die Bekämpfung des Terrorismus und das Recht auf freie Meinungsäußerung verurteilte das Parlament in Europa und der ganzen Welt verübte Terroranschläge und forderte Geschlossenheit und eine entschiedene Reaktion. Das Parlament forderte außerdem zusätzliche Anstrengungen zur Förderung der Grundfreiheiten und wies darauf hin, dass die Aspekte der Radikalisierung und Hetze im Internet dringend angegangen werden müssen.
Am 17. Dezember 2020 nahm das Parlament eine Entschließung zur EU-Strategie für eine Sicherheitsunion für den Zeitraum 2020-2025 an, die von der Kommission am 24. Juli 2020 vorgeschlagen worden war. In der Strategie wird die Entwicklung von Werkzeugen und Maßnahmen in den nächsten fünf Jahren vorgeschlagen, um für Sicherheit im physischen und digitalen Umfeld zu sorgen. Sie reichen von der Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen über die Prävention und Aufdeckung hybrider Bedrohungen sowie die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der kritischen Infrastrukturen der EU bis hin zur Förderung von Cybersicherheit sowie von Forschung und Innovation.
Am 6. Oktober 2021 hat das Parlament eine Entschließung zu künstlicher Intelligenz im Strafrecht und ihrer Verwendung durch die Polizei und Justizbehörden in Strafsachen angenommen. Die MdEP weisen in der Entschließung auf das Risiko algorithmischer Verzerrungen bei KI-Anwendungen hin und betonen die Notwendigkeit menschlicher Aufsicht, um Diskriminierung zu verhindern. Sie fordern außerdem ein Moratorium für den Einsatz von Gesichtserkennungssystemen für Strafverfolgungszwecke. Am 13. März 2024 nahm das Parlament eine legislative Entschließung zu dem Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (Gesetz über künstliche Intelligenz) an. In der Verordnung werden Verpflichtungen für KI-Systeme und -Anbieter festgelegt, die auf den potenziellen Risiken und Folgen von KI beruhen und mit denen gleichzeitig für die Sicherheit und die Einhaltung der Grundrechte gesorgt werden soll. Grundsätzlich ist die Nutzung von biometrischen Fernidentifizierungssystemen durch Strafverfolgungsbehörden verboten. Es gibt jedoch bestimmte ausführlich beschriebene und eng abgegrenzte Ausnahmefälle.
Das Parlament ist in die Bewertung und Kontrolle der folgenden Aspekte einbezogen, und prüft derzeit diese einschlägigen Gesetzgebungsvorschläge:
- die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Eine EU-Agenda für Terrorismusbekämpfung: antizipieren, verhindern, schützen und reagieren“, angenommen am 9. Dezember 2020,
- die am 16. Dezember 2020 von der Kommission veröffentlichte neue Cybersicherheitsstrategie der EU, in der neue Vorschriften zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit kritischer physischer und digitaler Einrichtungen vorgeschlagen werden,
- die „Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität 2021-2025“ der Kommission, vorgelegt am 14. April 2021 und
- die Mitteilung der Kommission über den EU-Fahrplan zur Bekämpfung des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität, angenommen am 18. Oktober 2023,
- die Mitteilung der Kommission über den sechsten Fortschrittsbericht über die EU-Strategie für eine Sicherheitsunion, angenommen am 18. Oktober 2023.
Um sicherzustellen, dass die Strafverfolgungsbehörden in der gesamten EU im Rahmen eines modernen Regelwerks besser zusammenarbeiten können, hat die Kommission einen EU-Kodex für die polizeiliche Zusammenarbeitvorgeschlagen, mit dem der derzeitige Flickenteppich aus verschiedenen EU-Instrumenten und multilateralen Kooperationsabkommen vereinfacht werden soll. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zählen Empfehlungen zur operativen polizeilichen Zusammenarbeit, neue Vorschriften für Informationsaustausch zwischen den Justizbehörden der verschiedenen Mitgliedstaaten und überarbeitete Vorschriften für den automatisierten Datenaustausch für die polizeiliche Zusammenarbeit gemäß dem Prüm-Rahmen. Das Parlament war an der Billigung der vorgeschlagenen Maßnahmen beteiligt.
Das Parlament hat vor Kurzem Berichte und Entschließungen zu den folgenden Themen ausgearbeitet: die Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und der Schutz von Opfern von Menschenhandel Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Gewalt im Internet, sexueller Missbrauch von Kindern im Internet, Cyberkriminalität und Cybersicherheit, Geldwäsche und Finanzierung des Terrorismus Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen, Reform des Datenschutzes im Internet und der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation, die Überarbeitung des Schengener Grenzkodexes, die Digitalisierung der Verfahren für die Visaerteilung, Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, Erhebung und Übermittlung vorab übermittelter Fluggastdaten, Terrorismus und gewaltbereite Radikalisierung, intrusive Spähsoftware, Einflussnahme aus dem Ausland und Desinformation und der Austausch von Informationen und Datenflüssen mit den Vereinigten Staaten.
Die polizeiliche Zusammenarbeit und die entsprechenden politischen Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit befinden sich noch im Entwicklungsstadium, wobei der Schwerpunkt auf wirksameren Maßnahmen gegen EU-weite Bedrohungen und Kriminalität und – insbesondere für das Europäische Parlament – auf der Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit Grundrechten und Datenschutzvorschriften liegt. Zwar wurden die Vorschriften für die für polizeiliche Zusammenarbeit zuständigen EU-Agenturen grundlegend überarbeitet, doch bedarf es noch konzertierter Anstrengungen, um die Maßnahmen zur polizeilichen Zusammenarbeit weiter zu verstärken, insbesondere in Bezug auf den Austausch von Daten und Beweismitteln zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und zwischen diesen Behörden und den EU-Agenturen. Das Parlament hat die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert, die erforderlichen technischen Verbesserungen bei der Standardisierung im Hinblick auf die Datenqualität vorzunehmen und einen Rechtsrahmen für den künftigen Ansatz auf der Grundlage eines „standardmäßigen Informationsaustauschs“ zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird sich die EU sorgfältig mit den Herausforderungen im Bereich neuer Technologien, künstlicher Intelligenz, der Verschlüsselung und der Interoperabilität von Informationssystemen für Grenzen, Sicherheit und Migration auseinandersetzen müssen.
Mit den zunehmenden Aufgaben und wachsenden Erwartungen müssen angemessene finanzielle und personelle Ressourcen für die EU-Agenturen bereitgestellt werden.
Das Parlament ist heute ein vollwertiger institutioneller Akteur im Bereich der inneren Sicherheitspolitik und sollte eine größere Rolle bei der Bewertung und Festlegung der Maßnahmen im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit spielen.
Alessandro Davoli