Der Gerichtshof der Europäischen Union
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist eines der sieben Organe der EU. Er umfasst zwei Gerichte: den eigentlichen Gerichtshof und das Gericht. Er ist für die Rechtsprechung in der Europäischen Union zuständig. Die Gerichte tragen dafür Sorge, dass das primäre und sekundäre Unionsrecht auf dem Gebiet der Union richtig ausgelegt und angewandt werden. Sie prüfen, ob die Rechtsakte der Unionsorgane im Einklang mit dem geltenden Recht stehen, und überwachen die Einhaltung der sich aus dem primären und sekundären Recht ergebenden Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten. Auf Ersuchen nationaler Gerichte legt der Gerichtshof darüber hinaus das Unionsrecht aus.
Gerichtshof
A. Rechtsgrundlage
- Artikel 19 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), Artikel 251 bis 281 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Artikel 136 des Euratom-Vertrags (EAGV) und Protokoll Nr. 3 des Vertragswerks über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: „Satzung“),
- Verordnung (EU, Euratom) 2019/629 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung des Protokolls Nr. 3 über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union,
- EU-Haushalt (Einzelplan 4).
B. Zusammensetzung und Satzung
1. Zusammensetzung
a. Anzahl der Mitglieder (Artikel 19 EUV und Artikel 252 AEUV)
Es gibt einen Richter je Mitgliedstaat (27). Der Gerichtshof wird von elf Generalanwälten unterstützt. Die Richter des Gerichtshofs wählen für jeweils drei Jahre aus ihrer Mitte einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten, wobei die Wiederwahl zulässig ist.
b. Voraussetzungen (Artikel 19 EUV und Artikel 253 AEUV)
- Die Richter und Generalanwälte müssen in ihrem Staat die für die höchsten richterlichen Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen oder anerkannte Rechtsexperten sein.
- Sie müssen jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten.
c. Ernennungsverfahren (Artikel 253 AEUV)
Gegen Ende der Amtszeit der Richter und Generalanwälte des Gerichtshofs konsultieren die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zunächst ein Gremium, das eine Stellungnahme zur Eignung der Bewerber abgibt, um dann die freien Stellen im gegenseitigen Einvernehmen neu zu besetzen (Artikel 255 AEUV).
2. Merkmale des Amtes
a. Dauer (Artikel 253 AEUV und Satzung)
Sechs Jahre. Alle drei Jahre wird jeweils die Hälfte der Richter und Generalanwälte ausgetauscht. Die Wiederernennung ausscheidender Richter und Generalanwälte ist zulässig.
b. Vorrechte und Befreiungen (Satzung)
Die Richter und Generalanwälte sind keiner Gerichtsbarkeit unterworfen. Hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen steht ihnen diese Befreiung auch nach Ende ihrer Amtstätigkeit zu. Sie können nur durch einstimmigen Beschluss des Gerichtshofs ihres Amtes enthoben werden.
c. Pflichten (Satzung)
Richter und Generalanwälte
- leisten vor Aufnahme ihrer Amtstätigkeit den Eid, ihr Amt unparteiisch und gewissenhaft auszuüben und das Beratungsgeheimnis zu wahren;
- dürfen weder ein politisches Amt noch ein Amt in der Verwaltung und auch keine andere Berufstätigkeit ausüben;
- verpflichten sich, die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen.
C. Organisation und Arbeitsweise (Artikel 253 AEUV und Satzung)
1. Institutionelle Struktur
Die Satzung wird in einem besonderen Protokoll festgelegt, das den Verträgen beigefügt wird (Artikel 281 AEUV). Der Gerichtshof wählt für jeweils drei Jahre aus seiner Mitte den Präsidenten und einen Vizepräsidenten, wobei die Wiederwahl zulässig ist (Artikel 9a von Protokoll Nr. 3). Der Präsident leitet die Arbeit des Gerichtshofs und führt den Vorsitz in mündlichen Verhandlungen und Beratungen des Plenums und der Großen Kammer. Der Gerichtshof ernennt seinen Kanzler. Der Kanzler ist der Generalsekretär des Organs und leitet dessen Abteilungen unter der Aufsicht des Präsidenten des Gerichtshofs.
2. Arbeitsweise
Der Gerichtshof erlässt seine Verfahrensordnung. Sie bedarf der Genehmigung des Rates, der darüber mit qualifizierter Mehrheit entscheidet. Der Gerichtshof tagt als Plenum mit 27 Richtern, als Große Kammer mit 15 Richtern oder in Kammern mit drei oder fünf Richtern. Die Finanzierung des Organs erfolgt aus dem EU-Haushalt im Rahmen eines eigenen Einzelplans (Einzelplan 4).
D. Errungenschaften
Der Gerichtshof hat sich als treibende Kraft für den europäischen Integrationsprozess erwiesen.
1. Allgemeine Praxis
Das Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache Costa/ENEL war von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Gemeinschaftsrechts als eigenständige, den nationalen Rechtsvorschriften vorrangige Rechtsordnung, also für die Begründung des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts[1]. Durch sein Urteil vom 5. Februar 1963 in der Rechtssache Van Gend & Loos wurde zudem der Grundsatz der unmittelbaren Geltung des Gemeinschaftsrechts vor den Gerichten der Mitgliedstaaten etabliert. Als bedeutsam sind weiterhin bestimmte Urteile im Bereich des Schutzes der Menschenrechte anzusehen, wie das Urteil vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache Nold, in der der Gerichtshof feststellte, dass grundlegende Menschenrechte ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze sind, für deren Einhaltung er Sorge trägt (4.1.2).
2. Zu einzelnen Rechtsfragen
- Niederlassungsrecht: Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache Royer, in der der Gerichtshof das Recht eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats bestätigte, sich unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Hoheitsgebiet eines anderen Staates aufzuhalten.
- Freier Warenverkehr: Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache Cassis de Dijon, in der der Gerichtshof befand, dass jedes in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und in Verkehr gebrachte Erzeugnis grundsätzlich in jedem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht werden darf.
- Außenpolitische Befugnisse der Gemeinschaft: Urteil vom 31. März 1971 in der Rechtssache Kommission/Rat in Bezug auf das Europäische Übereinkommen über Straßenverkehr, in der der Gemeinschaft das Recht zuerkannt wurde, in durch gemeinschaftliche Regelungen abgedeckten Bereichen internationale Übereinkommen zu schließen.
- In neuerer Zeit gefällte Urteile, in denen festgestellt wurde, dass Mitgliedstaaten, die Richtlinien nicht oder nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt haben, schadensersatzpflichtig sind.
- Verschiedene Urteile im Bereich der sozialen Sicherheit und des Wettbewerbs.
- Rechtsprechung zu Verstößen der Mitgliedstaaten gegen das Unionsrecht; diese Rechtsprechung ist für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts von grundlegender Bedeutung.
- Datenschutz: Urteile zum Safe-Harbour-Abkommen in der Rechtssache Schrems I (2015) und zum EU-US-Datenschutzschild in der Rechtssache Schrems II (2020), mit denen die Angemessenheitsbeschlüsse der Kommission in Bezug auf die USA für ungültig erklärt wurden, um die Grundprinzipien des Unionsrechts zu schützen und für strenge Datenschutzanforderungen zu sorgen.
Zu erwähnen ist auch, dass eines der Hauptverdienste des Gerichtshofs in der Aufstellung des Grundsatzes besteht, wonach die Verträge nicht starr, sondern vor dem Hintergrund des Standes der Integration und der in den Verträgen selbst festgelegten Ziele auszulegen sind. Durch diesen Grundsatz ist es für die EU möglich geworden, in bestimmten Bereichen Rechtsvorschriften zu erlassen, die nicht durch besondere Bestimmungen der Verträge geregelt sind, wie beispielsweise die Bekämpfung der Umweltverschmutzung (in einem Urteil vom 13. September 2005 (Rechtssache C-176/03) hat der Gerichtshof es der EU gestattet, Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht zu ergreifen, wenn diese „erforderlich“ sind, um die für den Umweltschutz gesetzten Ziele zu erreichen).
Im Jahr 2022 wurden 806 Rechtssachen beim Gerichtshof anhängig gemacht, davon 546 Vorabentscheidungsverfahren, 37 direkte Klagen und 209 Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Gerichts. Es wurden 808 Rechtssachen erledigt, darunter 564 Vorabentscheidungsverfahren, 36 direkte Klagen und 196 Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Gerichts. Die meisten Vorabentscheidungsersuchen stammten aus Deutschland (98), Italien (63), Bulgarien (43) und Spanien (41). Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 16,4 Monate[2]. Zum 31. Dezember 2022 waren 1 111 Rechtssachen anhängig.
Gericht
A. Rechtsgrundlage
Artikel 254 bis 257 AEUV, Artikel 40 des Euratom-Vertrags und Titel IV des Protokolls Nr. 3 zum Vertragswerk über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union
B. Zusammensetzung und Satzung (Artikel 254 AEUV)
1. Zusammensetzung
a. Anzahl (Artikel 19 EUV und Artikel 254 AEUV)
Die Zahl der Richter wird gemäß Artikel 254 AEUV in der Satzung festgelegt. Nach Artikel 48 von Protokoll Nr. 3 über diese Satzung, geändert durch die Verordnung (EU, Euratom) 2016/1192 vom 6. Juli 2016 setzt sich das Gericht aus zwei Richtern je Mitgliedstaat (derzeit 54) zusammen. Die Richter werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen nach Anhörung eines Ausschusses ernannt, der die Aufgabe hat, eine Stellungnahme zur Eignung der Bewerber für die Ausübung des Amts eines Richters abzugeben. Ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre und kann verlängert werden. Die Richter können dazu bestellt werden, die Tätigkeit eines Generalanwalts auszuüben, da das Gericht im Gegensatz zum Gerichtshof über keine ständigen Generalanwälte verfügt.
b. Anforderungen
Entsprechend der Regelung des Gerichtshofs (Artikel 19 EUV). Um für ein Amt beim Gericht ernannt werden zu können, müssen die Kandidaten über die Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten verfügen.
c. Ernennungsverfahren
Entsprechend der Regelung des Gerichtshofs.
2. Merkmale des Amtes
Entsprechend der Regelung des Gerichtshofs.
C. Organisation und Arbeitsweise
Die Richter wählen aus ihrer Mitte einen Präsidenten für eine Amtszeit von drei Jahren und einen Kanzler für eine Amtszeit von sechs Jahren, wobei das Gericht die Dienststellen des Gerichtshofs für seine verwaltungs- und sprachenbezogenen Bedürfnisse in Anspruch nimmt.
Seine Verfahrensordnung erlässt das Gericht im Einvernehmen mit dem Gerichtshof (Artikel 254 Absatz 5 AEUV). Das Gericht tagt in Kammern mit drei oder fünf Richtern. Das Gericht kann als Plenum, als Große Kammer oder in Einzelrichterbesetzung tagen. Mehr als 80 % der vor dem Gericht verhandelten Rechtssachen werden vor einer aus drei Richtern bestehenden Kammer verhandelt.
Gemäß der jüngsten Änderung des Protokolls Nr. 3 (Artikel 49a) wird das Gericht ebenso wie der Gerichtshof bei der Behandlung von Vorabentscheidungsersuchen von einem oder mehreren Generalanwälten unterstützt. Daher wählen die Richter des Gerichts unter ihnen einen oder mehrere Generalanwälte für eine Amtszeit von drei Jahren (eine Wiederwahl ist möglich).
Nach den neuesten Änderungen der Verfahrensordnung (April 2023) ist die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen per Videokonferenz zulässig (Artikel 107a der Verfahrensordnung). Mit den Änderungen wurde auch das Konzept von „Pilotrechtssachen“ eingeführt (Artikel 71a der Verfahrensordnung). Wird in mehreren Rechtssachen die gleiche Rechtsfrage aufgeworfen und sind die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, kann eine der Rechtssachen zur „Pilotrechtssache“ bestimmt, während die anderen ausgesetzt werden.
Vornehmlich werden vor dem Gericht Verfahren im ersten Rechtszug zu direkten Klagen natürlicher oder juristischer Personen abgewickelt, wenn diese unmittelbar und individuell betroffen sind, ferner zu direkten Klagen von Mitgliedstaaten gegen Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der EU sowie zu direkten Schadensersatzklagen in Bezug auf Schäden, die von Organen oder ihren Mitarbeitern verursacht wurden. Gegen Entscheidungen des Gerichts können auf Rechtsfragen beschränkte Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden. Durchschnittlich werden rund 30 % der Entscheidungen des Gerichts angefochten.
Das Parlament und der Rat können dem Gericht beigeordnete Fachgerichte einsetzen, die für Entscheidungen im ersten Rechtszug über bestimmte Kategorien von Klagen zuständig sind, die in besonderen Sachgebieten erhoben werden. Bei der Einsetzung dieser Gerichte handeln das Parlament und der Rat im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens.
Im Jahr 2022 wurden 904 Rechtssachen beim Gericht anhängig gemacht, von denen 858 Rechtssachen abgeschlossen wurden. Bei 792 dieser Rechtssachen handelte es sich um direkte Klagen (270 zum geistigen und gewerblichen Eigentum, 76 zu staatlichen Beihilfen und Wettbewerb, 66 zum öffentlichen Dienst der EU und 380 andere direkte Klagen). Eine Partei, die nicht in der Lage ist, die Verfahrenskosten zu tragen, kann einen Antrag auf unentgeltliche Prozesskostenhilfe stellen (54 Fälle im Jahr 2022). Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 16,2 Monate. Zum 31. Dezember 2022 waren 1 474 Rechtssachen anhängig[3].
Das frühere Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union
Das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (eingerichtet 2004) befasste sich mit Streitigkeiten zwischen den Organen der Union und ihren Bediensteten, wenn hierfür kein nationales Gericht zuständig war. Im Zuge der Erhöhung der Gesamtzahl der Richter des Gerichtshofs wurde das Gericht für den öffentlichen Dienst am 1. September 2016 aufgelöst und mit der Verordnung (EU, Euratom) 2016/1192 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung im ersten Rechtszug über die Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Bediensteten in das Gericht eingegliedert. Rechtssachen, die am 31. August 2016 beim Gericht für den öffentlichen Dienst anhängig waren, wurden mit Wirkung vom 1. September 2016 auf das Gericht übertragen. Diese Rechtssachen werden vom Gericht in dem Stadium weiterbearbeitet, in dem sie sich zu dem Zeitpunkt befanden, wobei vom früheren Gericht für den öffentlichen Dienst im Rahmen dieser Rechtssachen getroffene Verfahrensmaßnahmen fortgelten.
Rolle des Europäischen Parlaments
Mit seinem bereits 1990 gefällten Urteil, in dem der Gerichtshof über eine Klage des Parlaments zum Rechtsetzungsverfahren zur Verabschiedung von Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach dem Nuklearunfall von Tschernobyl befand, wurde dem Parlament das Recht zuerkannt, zur Wahrung seiner Rechte im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens Nichtigkeitsklage beim Gerichtshof zu erheben.
Nach Artikel 257 AEUV können das Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren dem Gericht beigeordnete Fachgerichte bilden, die für Entscheidungen im ersten Rechtszug über bestimmte Kategorien von Klagen zuständig sind, die auf besonderen Sachgebieten erhoben werden. Das Parlament und der Rat sind gehalten, durch Verordnungen entweder auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Gerichtshofs oder auf Antrag des Gerichtshofs nach Anhörung der Kommission zu handeln.
Nach Artikel 281 Absatz 2 AEUV wird die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom Parlament und vom Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (in Form einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates) geändert. Ein Beispiel für die Beteiligung des Parlaments ist der Vorschlag des Gerichtshofs vom 30. November 2022 zur Änderung seiner Satzung.
Das Parlament ist eines der in Artikel 263 AEUV genannten Organe, die (als Partei) beim Gerichtshof Klage erheben können.
Gemäß Artikel 218 Absatz 11 AEUV kann das Parlament den Gerichtshof um ein Gutachten darüber ersuchen, ob eine geplante internationale Übereinkunft mit den Verträgen vereinbar ist. Ist das Gutachten des Gerichtshofs ablehnend, so kann die geplante Übereinkunft nur in Kraft treten, wenn sie oder die Verträge geändert werden. So ersuchte das Parlament beispielsweise im Juli 2019 um ein Rechtsgutachten darüber, ob die Vorschläge für den Beitritt der EU zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul) mit den Verträgen vereinbar sind (Gutachten 1/19).
Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werden Bewerber für die Ausübung des Amtes eines Richters oder Generalanwalts nun zunächst von einem aus sieben Personen bestehenden Ausschuss begutachtet, von denen eine vom Parlament im Wege einer Entschließung im Plenum vorgeschlagen wird (Artikel 255 Absatz 2 AEUV und Artikel 128 der Geschäftsordnung des Parlaments).
Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2015/2422 legte der Gerichtshof am 21. Dezember 2020 einen Bericht über die Arbeitsweise des Gerichts vor, der von einem externen Berater erstellt wurde. Der Schwerpunkt sollte in diesem Bericht gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2015/2422 insbesondere auf die Effizienz des Gerichts, die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Erhöhung der Zahl der Richter auf 56, den Nutzen und die Wirksamkeit der Mittel sowie die weitere Einsetzung von Fachkammern bzw. sonstige strukturelle Änderungen gelegt werden.
Am 19. September 2023 nahm der Rechtsausschuss einen Entwurf eines Berichts über einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung des Protokolls Nr. 3 über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) an, der darauf abzielte, die Zuständigkeit für Vorabentscheidungen in einigen besonderen Sachgebieten vom Gerichtshof auf das Gericht zu übertragen und die Anforderung, die Zulassung eines Rechtsmittels zu beantragen, im Falle von Rechtsmitteln gegen bestimmte Entscheidungen des Gerichts auszuweiten. Am 11. April 2024 wurde der Rechtsakt nach der ersten Lesung im Parlament vom Rat angenommen. Der vereinbarte Text enthält Bestimmungen über die Wahl ständiger Generalanwälte für eine Amtszeit von drei Jahren durch das Gericht.
Alexandru-George Moș / Udo Bux / Mariusz Maciejewski