Vertrag von Lissabon
Im Folgenden werden Hintergrund und wichtige Bestimmungen des Vertrags von Lissabon erläutert. Ziel ist es, die Entstehung dieses jüngsten Grundlagentextes der EU in einen geschichtlichen Zusammenhang mit den vorangegangenen Vertragstexten zu stellen. Die einzelnen Bestimmungen (mit Angabe der Artikel) und ihre Auswirkungen auf die Politikbereiche der Europäischen Union werden in den Kurzdarstellungen erläutert, die sich ausführlicher mit einzelnen Politikbereichen und Themen beschäftigen.
Rechtsgrundlage
Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl. C 306 vom 17.12.2007), der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat.
Historischer Rückblick
Der Vertrag von Lissabon geht auf das Verfassungsprojekt zurück, das Ende 2001 ins Leben gerufen wurde (Erklärung des Europäischen Rates zur Zukunft der Europäischen Union bzw. Erklärung von Laeken). 2002 und 2003 folgte dann der Europäische Konvent, in dessen Rahmen der Vertrag über eine Verfassung für Europa ausgearbeitet wurde (Verfassungsvertrag) (1.1.4). Der Vertrag von Lissabon ist das Ergebnis eines Prozesses. An dessen Anfang stand der negative Ausgang zweier Referenden zum Verfassungsvertrag, die im Mai und im Juni 2005 abgehalten wurden. Als Reaktion auf die Ablehnung beschloss der Europäische Rat, eine zweijährige „Bedenkzeit“ einzulegen. Auf der Grundlage der Berliner Erklärung vom März 2007 nahm der Europäische Rat auf der Tagung vom 21. bis 23. Juni 2007 schließlich ein detailliertes Mandat für eine anschließende Regierungskonferenz unter portugiesischem Vorsitz an. Die Regierungskonferenz schloss ihre Tätigkeit im Oktober 2007 ab. Der Vertrag wurde vom Europäischen Rat am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet und von allen Mitgliedstaaten ratifiziert.
Inhalt
A. Ziele und Rechtsgrundsätze
Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft wird in „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (AEUV) umbenannt und der Begriff „Gemeinschaft“ im gesamten Text durch „Union“ ersetzt. Die Union tritt an die Stelle der Gemeinschaft und ist ihr Rechtsnachfolger. Der Vertrag von Lissabon verzichtet auf staatstypische Symbole für die Union wie beispielsweise eine Flagge oder eine Hymne. Obwohl der neue Text schon vom Namen her kein Verfassungsvertrag mehr ist, sind doch dessen wesentliche Errungenschaften bewahrt worden.
Mit dem Vertrag von Lissabon werden der Union keine zusätzlichen ausschließlichen Zuständigkeiten übertragen. Allerdings ändert er die Art und Weise, in der die Union ihre bisherigen und einige neue (geteilte) Befugnisse wahrnimmt, indem er die Beteiligung und den Schutz der Bürger ausweitet, einen neuen institutionellen Rahmen schafft und die Entscheidungsprozesse im Interesse einer höheren Effizienz und Transparenz verändert. Dadurch wird für ein höheres Maß an parlamentarischer Kontrolle und demokratischer Rechenschaftspflicht gesorgt.
Anders als der Verfassungsvertrag enthält der Vertrag von Lissabon keinen Artikel, der den Vorrang des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht förmlich festschreibt. Dem Vertrag wurde jedoch eine entsprechende Erklärung beigefügt (Erklärung Nr. 17), in der erläutert wird, wie das EU-Recht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Vorrang vor nationalem Recht hat.
Im Vertrag von Lissabon werden die Zuständigkeiten der Europäischen Union erstmals geklärt. Es werden drei Arten von Zuständigkeiten unterschieden: die ausschließliche Zuständigkeit, bei der nur die Union Rechtsakte erlassen kann, die dann von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden; die geteilte Zuständigkeit, bei der die Mitgliedstaaten verbindliche Rechtsakte erlassen und verabschieden können, sofern die Union dies nicht tut; sowie die unterstützende Zuständigkeit, bei der die EU Maßnahmen zur Unterstützung oder Ergänzung der Politik der Mitgliedstaaten erlassen kann. Zuständigkeiten der EU können nunmehr im Rahmen einer Vertragsrevision auf die Mitgliedstaaten zurückübertragen werden.
Mit dem Vertrag von Lissabon wird der EU uneingeschränkte Rechtspersönlichkeit verliehen. Dadurch wird die Union in die Lage versetzt, im Bereich der ihr zugewiesenen Befugnisse internationale Verträge zu unterzeichnen oder internationalen Organisationen beizutreten. Die Mitgliedstaaten dürfen nur internationale Übereinkünfte schließen, die mit dem EU-Recht vereinbar sind.
Mit dem Vertrag wird erstmals ein formales Verfahren für Mitgliedstaaten geschaffen, die im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften aus der Europäischen Union austreten möchten. Dabei handelt sich um Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union (EUV).
Mit dem Vertrag von Lissabon werden die verbleibenden Aspekte des dritten Pfeilers aus dem Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht, d. h. die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, in den ersten Pfeiler eingegliedert. Die frühere intergouvernementale Struktur entfällt vollständig: Die in diesem Bereich verabschiedeten Rechtsakte unterliegen nunmehr dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (qualifizierte Mehrheit und Mitentscheidung), und es kommen die Rechtsinstrumente der Gemeinschaftsmethode (Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse) zur Anwendung, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon kann das Parlament ebenso Änderungen der Verträge vorschlagen, wie zuvor schon der Rat, die Regierungen der Mitgliedstaaten oder die Kommission. Eine solche Änderung erfordert normalerweise die Einberufung eines Konvents, der eine Empfehlung bezüglich der Änderungen an eine Regierungskonferenz richtet (wobei der Europäische Rat nach Zustimmung des Parlaments jedoch auch beschließen kann, keinen Konvent einzuberufen (Artikel 48 Absatz 3 zweiter Unterabsatz EUV)). Es würde dann eine Regierungskonferenz einberufen, um im gegenseitigen Einvernehmen die an den Verträgen vorzunehmenden Änderungen zu vereinbaren. Die Verträge können jedoch ohne Einberufung einer Regierungskonferenz geändert werden, und zwar mittels vereinfachter Änderungsverfahren, sofern die Änderung interne Politikbereiche und Maßnahmen der Union betrifft (Artikel 48 Absatz 6 und Absatz 7 EUV). Eine solche Änderung wird dann im Wege eines Beschlusses des Europäischen Rates erlassen, wobei jedoch eine Ratifizierung entsprechend den einzelstaatlichen Ratifizierungsvorschriften erforderlich sein könnte.
B. Ausbau der Demokratie und verbesserter Schutz der Grundrechte
Im Vertrag von Lissabon kommen die drei grundlegenden Prinzipien der demokratischen Gleichheit, der repräsentativen Demokratie und der partizipativen Demokratie zum Ausdruck. Die partizipative Demokratie erhält mit der Europäischen Bürgerinitiative ein neues Instrument (4.1.5).
Die Charta der Grundrechte wurde nicht direkt in den Vertrag von Lissabon aufgenommen, erhält aber durch Artikel 6 Absatz 1 EUV rechtsverbindlichen Charakter und hat den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge (4.1.2).
Mit dem Inkrafttreten des 14. Protokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) am 1. Juni 2010 wurde der Weg für den Beitritt der EU geebnet. Mit dem Protokoll wurde die Möglichkeit geschaffen, dass nicht nur Staaten, sondern auch internationale Organisationen wie die Europäische Union der EMRK beitreten können. Für einen Beitritt ist es allerdings noch immer erforderlich, dass alle Unterzeichnerstaaten und auch die EU selbst die EMRK ratifizieren. Die Verhandlungen zwischen dem Europarat und den Vertretern der EU haben dazu geführt, dass im April 2013 ein endgültiger Entwurf für eine Übereinkunft vorgelegt wurde. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat jedoch in seinem Gutachten 2/13 festgestellt, dass der Entwurf nicht mit Artikel 6 EUV vereinbar ist. Vor einem möglichen Beitritt sind daher weitere Verhandlungen erforderlich.
C. Ein neuer institutioneller Aufbau
1. Das Europäische Parlament
Gemäß Artikel 14 Absatz 2 EUV gilt nunmehr, dass das Parlament sich „aus Vertretern der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger“ zusammensetzt, während zuvor von den Vertretern der Völker der Staaten die Rede war.
Die Gesetzgebungsbefugnisse des Parlaments wurden durch das neue „ordentliche Gesetzgebungsverfahren“, das das frühere Mitentscheidungsverfahren ersetzt, erweitert. Dieses Verfahren gilt für mehr als 40 neue Politikbereiche, womit sich die Gesamtzahl auf 85 erhöht. Das Verfahren der Zustimmung bleibt unter dem Stichwort „Zustimmung“ erhalten, während sich am Konsultationsverfahren nichts ändert. Bei dem neuen Haushaltsverfahren sind Parlament und Rat jetzt gleichgestellt, wenn es um die Verabschiedung des jährlichen Haushaltsplans geht. Der mehrjährige Finanzrahmen bedarf der Zustimmung des Parlaments.
Das Parlament wählt nunmehr den Präsidenten der Kommission mit der Mehrheit seiner Mitglieder, und zwar auf Vorschlag des Europäischen Rates, der verpflichtet ist, einen Kandidaten mit qualifizierter Mehrheit auszuwählen und dabei das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament zu berücksichtigen. Die Kommission muss sich weiterhin als Kollegium einem Zustimmungsvotum des Parlaments stellen.
Die Zahl der Mitglieder des Parlaments wurde auf maximal 751 festgelegt, wobei die Bürger degressiv proportional vertreten sind. Die Höchstzahl der Sitze pro Mitgliedstaat wurde auf 96 Sitze verringert und die Mindestanzahl auf sechs heraufgesetzt. Am 7. Februar 2018 stimmte das Parlament dafür, die Zahl seiner Sitze von 751 auf 705 zu senken, wenn das Vereinigte Königreich die EU verlässt, und einige der frei werdenden Sitze unter den Ländern, die leicht unterrepräsentiert sind, neu zu verteilen (1.3.3).
Das Vereinigte Königreich ist am 1. Februar 2020 aus der EU ausgetreten. Seitdem gilt die neue Mitgliederzahl von 705 MdEP. Von den 73 der durch den Austritt des Vereinigten Königreichs freigewordenen Sitze wurden 27 wurden umverteilt, um dem Grundsatz der degressiven Proportionalität besser Rechnung zu tragen: Die 27 Sitze wurden Frankreich (+5), Spanien (+5), Italien (+3), den Niederlanden (+3), Irland (+2), Schweden (+1), Österreich (+1), Dänemark (+1), Finnland (+1), der Slowakei (+1), Kroatien (+1), Estland (+1), Polen (+1) und Rumänien (+1) zugeteilt. Kein Mitgliedstaat hat Sitze verloren.
2. Der Europäische Rat
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der Europäische Rat offiziell als Organ der Europäischen Union anerkannt, dessen Hauptaufgabe darin besteht, der Union „die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse“ zu geben und die „allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten“ hierfür festzulegen. Er wird nicht gesetzgeberisch tätig. Eine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Ratspräsidentschaft löste das zuvor bestehende sechsmonatige Rotationssystem ab. Der Präsident wird vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit für eine verlängerbare Amtszeit von 30 Monaten gewählt. Dadurch soll der Arbeit des Europäischen Rates mehr Kontinuität und Kohärenz verliehen werden. Der Präsident nimmt darüber hinaus die Außenvertretung der Union wahr, ohne dass dies die Pflichten des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (siehe unten) berührt.
3. Der Vizepräsident der Kommission und Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP)
Der HR/VP wird vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission ernannt. Er ist für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zuständig und hat das Recht, Vorschläge zu unterbreiten. Der HR/VP führt den Vorsitz im Rat (Auswärtige Angelegenheiten) und bekleidet darüber hinaus die Funktion eines Vizepräsidenten der Kommission. Ihm steht der Europäische Auswärtige Dienst, der Mitarbeiter des Rates und der Kommission sowie der diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten umfasst, zur Seite.
4. Der Rat
Der Grundsatz der doppelten Mehrheit (Bevölkerung und Mitgliedstaaten) wurde im Vertrag von Lissabon beibehalten. Die vorherigen Abstimmungsregeln blieben bis November 2014 in Kraft. Seit 1. November 2014 kommen die neuen Regeln zur Anwendung.
Eine qualifizierte Mehrheit ist erreicht, wenn 55 % der Mitglieder des Rates (in der Praxis sind dies 15 der 27 Mitgliedstaaten), die mindestens 65 % der Bevölkerung repräsentieren, einen Vorschlag unterstützen (Artikel 16 Absatz 4 EUV). Beschließt der Rat nicht auf Vorschlag der Kommission oder des HR/VP, erhöht sich die erforderliche Mehrheit der Mitgliedstaaten auf 72 % (Artikel 238 Absatz 2 AEUV). Um ein Gesetzesvorhaben zu verhindern, müssen mindestens vier Mitgliedstaaten gegen den Vorschlag stimmen. Ein neues, durch den „Kompromiss von Ioannina“ inspiriertes System ermöglicht es, dass 55 % (bis 1. April 2017: 75 %) der für eine Sperrminorität erforderlichen Mitgliedstaaten eine Prüfung eines Vorschlags innerhalb einer „angemessenen Zeit“ beantragen können (Erklärung Nr. 7).
Der Rat tagt öffentlich, wenn er über Entwürfe von Gesetzgebungsakten berät oder abstimmt. Zu diesem Zweck wird jede Ratstagung in zwei Teile unterteilt, von denen der eine den Beratungen über die Gesetzgebungsakte der Union und der andere den nicht die Gesetzgebung betreffenden Tätigkeiten gewidmet ist. Der Vorsitz des Rates wechselt weiterhin nach dem Rotationsprinzip jeweils nach sechs Monaten. Allerdings wird der Vorsitz im Rat von Gruppen von drei Mitgliedstaaten jeweils 18 Monate lang wahrgenommen, um eine größere Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten. Aufgrund einer Ausnahmeregelung steht der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) unter dem ständigen Vorsitz des HR/VP.
5. Die Kommission
Da der Präsident der Kommission unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Wahlen zum Europäischen Parlament gewählt wird, erhöht sich die politische Legitimität des Amtes. Der Präsident ist für die interne Organisation des Kollegiums (Ernennung von Kommissionsmitgliedern, Verteilung der Aufgabenbereiche, Rücktrittsersuchen unter besonderen Umständen) zuständig.
6. Der Gerichtshof der Europäischen Union
Die Rechtsprechung des Gerichtshofs erstreckt sich auf alle Tätigkeiten der Union mit Ausnahme der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Die Bürger können sich nun leichter an den Gerichtshof wenden.
D. Effizientere und demokratischere Politikgestaltung mit neuen Politik- und Zuständigkeitsbereichen
Mehrere Passerelle-Klauseln ermöglichen den Übergang von der einstimmigen Beschlussfassung zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und vom Konsultationsverfahren zum Mitentscheidungsverfahren (Artikel 31 Absatz 3 EUV, Artikel 81, 153, 192, 312 und 333 AEUV und mehrere Überleitungsverfahren für die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) (1.2.4). In seiner Rede zur Lage der Union 2017 kündigte der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, Initiativen an, die auf ein Abrücken von der Einstimmigkeitsregel in einer Reihe von Bereichen ausgerichtet sind. Dabei sollten die Überleitungsklauseln Anwendung finden. In der Folge nahm die Kommission vier Mitteilungen an, in denen sie vorschlug, in den Bereichen GASP (September 2018), Steuerpolitik (Januar 2019), Energie und Klima (April 2019) sowie Sozialpolitik (April 2019) statt Einstimmigkeit zunehmend die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit anzuwenden. Ziel dieser Mitteilungen ist es, die Beschlussfassung in den Bereichen, in denen die EU bereits über Zuständigkeiten verfügt, zügiger, flexibler und effizienter zu gestalten.
In Bereichen, in denen die Union keine ausschließliche Zuständigkeit besitzt, können mindestens neun Mitgliedstaaten untereinander vereinbaren, dass sie verstärkt zusammenarbeiten. Eine verstärkte Zusammenarbeit erfordert eine Ermächtigung durch den Rat, der diese nach Zustimmung des Parlaments erteilt. Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik muss der Rat eine verstärkte Zusammenarbeit einstimmig billigen.
Mit dem Vertrag von Lissabon wird das Subsidiaritätsprinzip erheblich ausgeweitet, indem die nationalen Parlamente in den Entscheidungsprozess der EU einbezogen werden (1.2.2) (1.3.5).
In der Umweltpolitik wurden Politikbereiche erweitert bzw. einige neue Politikbereiche aufgenommen, darunter auch die Bekämpfung des Klimawandels. Dies gilt auch für die Energiepolitik, die sich nunmehr mit Fragen der Solidarität, der Energieversorgungssicherheit und der entsprechenden Vernetzung beschäftigt. Darüber hinaus können die Rechte des geistigen Eigentums, Sport, Raumfahrt, Tourismus, Katastrophenschutz und Verwaltungszusammenarbeit Gegenstand der Rechtsetzung der EU werden.
Im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik (5.1.2) ist in den Vertrag von Lissabon eine Klausel über gegenseitige Verteidigung aufgenommen worden, in der festgelegt wird, dass alle Mitgliedstaaten verpflichtet sind, einem Mitgliedstaat, der angegriffen wird, zu helfen. Eine Solidaritätsklausel sieht vor, dass die Union und alle ihre Mitgliedstaaten einem Mitgliedstaat, der von einer Naturkatastrophe, einer von Menschen verursachten Katastrophe oder einem Terroranschlag betroffen wurde, jede erdenkliche Hilfe leisten. Eine „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ steht allen Mitgliedstaaten offen, die sich an europäischen Militärausrüstungsprogrammen beteiligen und Kampfeinheiten stellen wollen, die für den sofortigen Einsatz bereitstehen. Für die Einrichtung einer solchen Zusammenarbeit ist eine qualifizierte Mehrheit im Rat nach Anhörung des VP/HR erforderlich.
Rolle des Europäischen Parlaments
Siehe 1.1.4 über die Beiträge des Parlaments zum Europäischen Konvent und seine Beteiligung an früheren Regierungskonferenzen. Zur Regierungskonferenz 2007, die unter portugiesischem Ratsvorsitz stattfand und zur Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon führte, entsandte das Parlament zum ersten Mal drei Vertreter.
Fast ein Jahrzehnt nach der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon stellte das Parlament fest, dass einige seiner Bestimmungen nicht voll ausgeschöpft werden. Deshalb nahm es am 16. Februar 2017 eine Entschließung zur Verbesserung der Funktionsweise der Europäischen Union durch Ausschöpfung des Potenzials des Vertrags von Lissabon an. Diese Entschließung umfasst eine Reihe von Empfehlungen dazu, wie dieses Potenzial genutzt werden kann, um die Fähigkeit der Union zur Bewältigung der globalen Herausforderungen von heute zu stärken.
Am gleichen Tag nahm das Parlament eine weitere Entschließung zu möglichen Entwicklungen und Anpassungen der derzeitigen institutionellen Struktur der Europäischen Union an, die konkrete Vorschläge für Vertragsreformen enthält.
Die EU ist zuletzt mit mehreren Krisen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Brexit, der Rechtsstaatlichkeit, dem mehrjährigen Finanzrahmen, der COVID-19-Pandemie und dem Überfall Russlands auf die Ukraine konfrontiert gewesen bzw. immer noch konfrontiert. Der Umgang mit diesen Krisen ließ erneut Mängel im derzeitigen Verwaltungssystem zutage treten, und die mangelnde Effizienz der Entscheidungsprozesse ist einer der Gründe dafür, dass die Unterstützung der Öffentlichkeit für das europäische Projekt schwindet. Als Reaktion auf die aktuellen Herausforderungen riefen die EU-Organe am 10. März 2021 die Konferenz zur Zukunft Europas ins Leben, die den Bürgern ein Mitspracherecht bei der Umgestaltung der EU und der Steigerung der Wirksamkeit und Transparenz ihrer Beschlussfassungsverfahren geben sollte. Am 9. Mai 2022 hat die Konferenz ihre Arbeit abgeschlossen, aus der 49 Vorschläge hervorgegangen sind, von denen einige Änderungen der EU-Verträge erfordern. Infolgedessen nahm das Europäische Parlament am 9. Juni 2022 eine Entschließung zu der „Forderung nach einem Konvent zur Überarbeitung der Verträge“, am 11. Juli 2023 eine Entschließung zur Umsetzung von Passerelle-Klauseln in den EU-Verträgen und am 22. November 2023 eine Entschließung zu Vorschlägen zur Änderung der Verträge an. Indem es den Europäischen Rat nachdrücklich aufgefordert hat, einen Konvent zur Überarbeitung der Verträge einzuberufen, möchte das Parlament die Gesetzgebungsverfahren modernisieren, um die derzeitigen Herausforderungen anzugehen und der EU mehr Wirksamkeit zu verleihen.
Eeva Pavy