Die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind seit 2014 infolge der rechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland, der seiner Unterstützung von Separatisten im Osten der Ukraine, der von Russland in seiner Nachbarschaft betriebenen Destabilisierungspolitik, der Desinformations- und Einmischungskampagnen Russlands und der Menschenrechtsverletzungen in dem Land stark belastet. Nachdem Russland am 24. Februar 2022 einen grundlosen, ungerechtfertigten und rechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, wurde die verbliebene politische, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit eingestellt.
Rechtsgrundlage
- Titel V des Vertrags über die Europäische Union: „Auswärtiges Handeln“;
- Artikel 206 und 207 (Handel) sowie Artikel 216 bis 219 (internationale Übereinkünfte) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV);
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (bilaterale Beziehungen).
Beziehungen zwischen der EU und Russland
Bis zu den Protesten der Euromajdan-Bewegung in der Ukraine im November 2013 hatten die EU und Russland eine strategische Partnerschaft (im Rahmen einer 2010 eingeleiteten „Partnerschaft für Modernisierung“) aufgebaut und über ein neues Abkommen zur Vertiefung der Zusammenarbeit verhandelt, die unter anderem Themenbereiche wie Handel, Wirtschaft, Energie, Klimawandel, Forschung, Bildung, Kultur und Sicherheit, darunter die Terrorismusbekämpfung, die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die Konfliktlösung im Nahen Osten, umfasste. Den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO), der im Jahr 2012 vollzogen wurde, hatte die EU nachdrücklich befürwortet. Die rechtswidrige Annexion der Krim durch Russland im März 2014, die offensichtliche Unterstützung militanter Separatisten in der Ostukraine durch Russland und die Versuche Russlands, den Zugang zum Asowschen Meer zu behindern, waren der Auslöser für eine umfassende Überprüfung der Politik der EU gegenüber Russland.
Die EU hat – wie auch die USA, Kanada, Australien und andere westliche Länder – seit März 2014 schrittweise restriktive Maßnahmen gegen Russland verhängt. Ursprünglich umfassten die Sanktionen der EU gegen Russland im Jahr 2014 individuelle Restriktionen wie das Einfrieren von Vermögenswerten und Einreiseverbote, die sich gegen Angehörige der Elite Russlands, ukrainische Separatisten und mit ihnen verbundenen Organisationen richten, sowie diplomatische Sanktionen, zu denen die förmliche Aussetzung der Gipfeltreffen zwischen der EU und Russland und der Verhandlungen über das neue Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland sowie der Ausschluss Russlands aus der G8 gehören. Später folgten darauf umfassendere Wirtschaftssanktionen gegen Russland mit den anfänglichen Beschränkungen des Handels mit der Krim und branchenbezogenen Sanktionen, die den Waffenhandel, Energielieferungen und die finanzielle Zusammenarbeit mit Russland betreffen. Daraufhin verhängte Russland im August 2014 Gegensanktionen, mit denen zahlreiche Agrar- und Lebensmittel aus der EU verboten wurden (43 % der gesamten Agrar- und Lebensmittelausfuhren der EU nach Russland und 4,2 % der gesamten Agrar- und Lebensmittelausfuhren der EU in die Welt im Jahr 2013). Trotz der Sanktionen und Gegensanktionen blieb die EU weiterhin Russlands wichtigster Handelspartner, und Russland war der fünftwichtigste Handelspartner der EU.
Darüber hinaus hat die EU ihre Beziehungen zu Russland im Rahmen der globalen Sicherheitsstrategie der EU von 2016 neu bewertet und diese Beziehungen als „eine zentrale strategische Herausforderung“ eingestuft. Im März 2016 legte der Rat fünf Grundsätze für die Beziehungen zwischen der EU und Russland fest: 1) Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zum Konflikt in der Ostukraine als wesentliche Voraussetzung für jedwede grundlegende Änderung des Standpunkts der EU gegenüber Russland, 2) Stärkung der Beziehungen zu den östlichen Partnern und anderen Nachbarn der EU, darunter auch Zentralasien, 3) Stärkung der Widerstandsfähigkeit der EU (z. B. im Hinblick auf die Energieversorgungssicherheit, hybride Bedrohungen oder strategische Kommunikation), 4) selektives Engagement mit Russland bei Themen, die für die EU von Interesse sind, und 5) notwendige zwischenmenschliche Kontakte und Unterstützung der Zivilgesellschaft in Russland.
Seit dem 24. Februar 2024, als die Russische Föderation mit der illegalen, unprovozierten und ungerechtfertigten militärische Aggression gegen die Ukraine begonnen hat, gilt Russland als Aggressor gegen die Ukraine, und die EU hat ihre Strategie gegenüber der Russischen Föderation neu ausgerichtet.
Im März 2022 hat die EU ihren Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung angenommen und festgestellt, dass Russland eine „langfristige und unmittelbare Bedrohung für die europäische Sicherheit“ darstellt, wodurch sich die Beziehungen zwischen der EU und Russland seit 2016 erheblich verändert haben. Dieser Ansatz wurde im strategischen Konzept der NATO vom Juni 2022 weiter untermauert, in dem es heißt: „Die Russische Föderation ist die größte und unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten sowie für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“.
Dementsprechend lässt sich die EU bei ihrem Ansatz gegenüber Russland seit 2022 von den folgenden Grundsätzen leiten: 1) Russland muss international isoliert werden, und es müssen Sanktionen gegen Russland verhängt werden, um zu verhindern, dass es Krieg führen kann. 2) Die internationale Gemeinschaft muss für Rechenschaftspflicht sorgen, indem sie Russland, einzelne Täter und Mittäter wegen in der Ukraine begangener Verstöße gegen das Völkerrecht und Kriegsverbrechen zur Verantwortung zieht. 3) Die Nachbarn der EU müssen unterstützt werden, unter anderem durch die Erweiterungspolitik der EU, und die Partner in der ganzen Welt haben dabei geholfen, die Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine zu bewältigen. 4) Eine enge Zusammenarbeit mit der NATO und Partnern in der ganzen Welt sollte unterstützt werden, um die regelbasierte internationale Ordnung zu verteidigen. 5) Die Widerstandsfähigkeit der EU muss gestärkt werden, insbesondere in Bezug auf die Energieversorgungssicherheit und kritische Infrastruktur, und Russlands Cyberbedrohungen und hybriden Bedrohungen, Informationsmanipulation und Einmischung muss entgegengewirkt werden. 6) Die Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Medien müssen innerhalb und außerhalb Russlands unterstützt und gleichzeitig Bedrohungen für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung in der EU angegangen werden.
Die EU verurteilt erneut aufs Allerschärfste den unrechtmäßigen, unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowie die Angriffe gegen Zivilisten und die zivile Infrastruktur. Die EU hat den sofortigen und bedingungslosen Abzug aller russischen Truppen aus dem gesamten Hoheitsgebiet der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen gefordert. Sie hat darauf hingewiesen, dass dieser Angriffskrieg einen eklatanten und offenkundigen Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und die Grundprinzipien des Völkerrechts darstellt und dass die Russische Föderation die volle Verantwortung dafür trägt. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, hat ebenfalls auf die Konsequenzen dieses Angriffskriegs für die Weltordnung hingewiesen und am 1. März 2022 erklärt: „Es ist nicht nur die Ukraine, die angegriffen wird. Auch das Völkerrecht, die regelbasierte internationale Ordnung, die Demokratie und die Menschenwürde werden angegriffen. Es handelt sich schlichtweg um geopolitischen Terrorismus“. Darüber hinaus haben die Staats- und Regierungschefs der EU betont, dass man Russland, Belarus und alle für Kriegsverbrechen und andere schwerste Verbrechen Verantwortlichen wegen ihrer Taten gemäß dem Völkerrecht zur Rechenschaft ziehen wird. Die EU hat außerdem Russlands Instrumentalisierung von Nahrungsmitteln im Krieg gegen die Ukraine und die damit ausgelöste weltweite Krise der Ernährungssicherheit verurteilt. Die EU betrachtet auch die von Russland im September 2022 abgehaltenen in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine als rechtswidrig und unrechtmäßig und lehnt diesen Versuch Russlands, seine rechtswidrige militärische Kontrolle zu legitimieren oder normalisieren, und den Versuch der Annexion von Teilen des Hoheitsgebiets der Ukraine entschieden ab.
Als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg haben die EU-Mitgliedstaaten in enger Zusammenarbeit mit Partnern wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Australien und Japan rasch beispiellos harte Sanktionen verhängt. Seit dem 24. Februar 2022 hat die EU die restriktiven sektorbezogenen Maßnahmen durch 13 aufeinanderfolgende Sanktionspakete (bis April 2024) massiv ausgeweitet und eine beträchtliche Zahl von Personen und Organisationen in die Sanktionsliste aufgenommen, um damit den Druck auf Russland weiter zu erhöhen, den Krieg zu beenden. Die restriktiven Maßnahmen zielen darauf ab, die wirtschaftliche Grundlage Russlands zu schwächen, es von wesentlichen Technologien und Märkten abzuschneiden und die Fähigkeit des Landes, Krieg zu führen, in erheblichem Maße zu verringern. Derzeit wird über ein 14. Sanktionspaket verhandelt.
Die rasch nacheinander verhängten 13 Pakete von EU-Sanktionen, die bereits als „Sanktionsrevolution“ bezeichnet wurden, hat Maßnahmen zur Folge, die sich in bislang ungekanntem Ausmaß gegen Schlüsselbereiche der Wirtschaft und die politischen Eliten Russlands richten. Mit jedem Paket wurde der Anwendungsbereich der ab 2014 angenommenen Sanktionsregelungen schrittweise ergänzt und ausgeweitet, wobei außerdem zusätzlich ein Verbot der Einfuhr von Waren mit Ursprung in den rechtswidrig annektierten Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja in die EU ausgesprochen wurde. Die Sanktionspakete sollen eine große Wirkung entfalten und weitreichende Konsequenzen für die Bereiche Finanzen, Energietransport und Luftraum, Technologie, Beratung, Rundfunk sowie Metall, Luxusgüter und andere Waren haben. Die Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen decken mehr als 50 % des Handels zwischen der EU und Russland vor dem Ausbruch des Krieges ab.
Zusätzlich zu den individuellen und wirtschaftlichen Sanktionen wurde eine Reihe diplomatischer Sanktionen verhängt, darunter die Aussetzung der Visaerleichterungen zwischen der EU und Russland. Zusammen mit anderen Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) kam die EU überein, Waren und Dienstleistungen aus Russland auf den EU-Märkten die Meistbegünstigung zu entziehen.
Ende Juni 2024 umfassten die Sanktionslisten über 2 100 Personen und Organisationen. Zu den Personen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, gehören der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin, Außenminister Sergei Lawrow, die 351 Mitglieder der Staatsduma, die der Anerkennung der vorübergehend besetzten Gebiete Donezk und Luhansk zugestimmt haben, hochrangige Beamte und Militärangehörige, an Desinformationskampagnen beteiligte Personen sowie die für Raketenangriffe auf Zivilisten und die kritische zivile Infrastruktur und für die Verschleppung und anschließende rechtswidrige Adoption ukrainischer Kinder verantwortlichen Personen und viele andere. Mehrere ranghohe Angehörige der Söldnerorganisation „Gruppe Wagner“ wurden in die Sanktionsliste aufgenommen. Im Juni 2023 hat der Rat Sanktionen gegen neun Personen verhängt, nachdem der russische Oppositionspolitiker, Demokratieverfechter und Kremlkritiker Wladimir Kara-Mursa aufgrund politisch motivierter und falscher Anschuldigungen zu einer Gefängnisstrafe von 25 Jahren verurteilt worden ist. In jüngerer Zeit wurden auch russische Strafvollzugs- und Justizbeamte, die mit dem Tod von Alexei Nawalny in Verbindung stehen, in die Sanktionsliste aufgenommen.
Neben dem breiten Spektrum von Sanktionen hat die EU auch die Maßnahmen gegen die Umgehung dieser Sanktionen durch Russland verstärkt. Um zu verhindern, dass die Wirksamkeit der EU-Sanktionen durch Ausfuhren über Drittländer untergraben wird, hat die EU neue Maßnahmen eingeführt, damit verhindert wird, dass ihre Ausfuhrverbote für bestimmte Güter und Technologien, insbesondere Güter mit doppeltem Verwendungszweck, kritische Komponenten und fortgeschrittene Technologien, umgangen werden.
Außerdem wurde der Verstoß gegen restriktive Maßnahmen in die Liste der „EU-Straftaten“ aufgenommen, und der Rat hat am 9. Juni 2023 beschlossen, Straftaten und Strafen für Verstöße gegen EU-Sanktionen einzuführen und damit die Untersuchung, Verfolgung und Bestrafung von Verstößen gegen Sanktionsmaßnahmen in der gesamten EU zu erleichtern.
Die EU-Mitgliedstaaten haben am 12. September 2022 das Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Russland von 2007 vollständig aufgehoben, wobei die Kommission Leitlinien eingeführt hat, mit denen sichergestellt werden soll, dass sich diese Maßnahme nicht negativ auf schutzbedürftige und solche Personen auswirkt, die aus zwingenden Gründen in die EU reisen möchten, wie Journalisten, Dissidenten oder Vertreter der Zivilgesellschaft.
Als Vergeltungsmaßnahmen gegen die von der EU verhängten und anderen internationalen Sanktionen, mit denen Russland nach seinem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 belegt wurde, veröffentlichte die Regierung Russlands eine Liste „unfreundlicher“ ausländischer Länder, zu der die EU-Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich, die USA und andere Länder gehören, die sich an Sanktionsregelungen gegen Russland halten. Die Menschen aus diesen Ländern unterliegen nun einem immer komplexeren System von Gegenmaßnahmen, die verschiedene Geschäfts- und Finanzvereinbarungen mit Verbindungen zu Russland betreffen. Am 31. März 2022 beschlossen die Staatsorgane Russlands ferner, ihre Sanktionsliste erheblich zu erweitern, in die „die führenden Vertreter der EU, mehrere Mitglieder der Europäischen Kommission und leitende Militärangehörige in der EU sowie die überwältigende Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments“ aufgenommen wurden, denen die Einreise in russisches Hoheitsgebiet verweigert wird. Die Liste wird nicht offiziell veröffentlicht, weshalb es im Gegensatz zum Reiseverbot der EU keine Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gibt. Auf Russlands schwarzer Liste stehen auch hochrangige Regierungsbeamte einiger EU-Mitgliedstaaten und Abgeordnete nationaler Parlamente sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Medienvertreter.
In Anbetracht der Tatsache, dass der grundlose und ungerechtfertigte Einmarsch Russlands in die Ukraine eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen darstellt, hat die EU die ukrainischen und internationalen Bemühungen unterstützt, die darauf abzielen, dass die für Kriegsverbrechen, andere schwere Verbrechen, einschließlich des Verbrechens der Aggression, sowie für die verursachten massiven Schäden Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Europäische Kommission unterstützt weiterhin die Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, bekundete jedoch auch ihre Bereitschaft, mit der internationalen Gemeinschaft an der Einrichtung eines internationalen Ad-hoc-Sondergerichtshofs oder eines „hybriden“ Sondergerichts zusammenzuarbeiten, um die von der politischen und militärischen Führung der Russischen Föderation und ihren Verbündeten, insbesondere Belarus, begangenen Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen. Im Mai 2023 wurde Eurojust mit neuen Befugnissen zur Sicherung, Analyse und Speicherung von Beweismitteln ausgestattet, um die weitere Untersuchung von im Hoheitsgebiet der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ermöglichen. Im Juli 2023 wurde bei Eurojust das Internationale Zentrum für die strafrechtliche Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine (ICPA) unter Beteiligung von Mitgliedern der gemeinsamen Ermittlungsgruppe der EU eingerichtet.
Die Europäische Kommission hat auch geprüft, wie eingefrorene russische Vermögenswerte für die wirtschaftliche Erholung und den Wiederaufbau der Ukraine in Abstimmung mit internationalen Partnern im Einklang mit dem EU-Recht und dem Völkerrecht genutzt werden können. Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine wurden 260 Mrd. EUR an Vermögenswerte der russischen Zentralbank in den G7-Ländern eingefroren, von denen sich zwei Drittel in der EU befinden. Auf dem G7-Gipfel im Juni 2024 wird erörtert, wie die Ansätze zwischen den Strategien der internationalen Partner aufeinander abgestimmt werden können.
Wie vom Europäischen Rat vereinbart, erörtern die Mitgliedstaaten nun die Möglichkeit, die außerordentlichen Einnahmen aus den in der EU eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank zu verwenden. Am 12. Februar 2024 nahm der Rat einen Rechtsrahmen für die Verwendung dieser Zufallsgewinne an. Am 18. März wurde ein zweiter Vorschlag vorgelegt, 90 % dieser Einnahmen für die Europäische Friedensfazilität bereitzustellen, um die militärische Unterstützung für die Ukraine zu erhöhen, und 10 %, um den Bedarf für den Wiederaufbau zu decken und die Kapazitäten der ukrainischen Verteidigungsindustrie zu unterstützen. Es wurde noch keine Einigung erzielt, doch wurden Fortschritte gemeldet.
Unter Wladimir Putin wurde der individuelle und kollektive Handlungsspielraum vor allem ab 2012 durch gesetzliche Beschränkungen und die gezielte Einschüchterung von kritischen Stimmen immer mehr eingeengt. Im Laufe der Jahre haben die Staatsorgane Russlands weitreichende rechtliche Restriktionen für „ausländische Agenten“ sowie „unerwünschte“ und „extremistische“ Organisationen eingeführt, die sich gegen Hunderte nichtstaatlicher Organisationen richten, und gleichzeitig wurde die Zensur der Medien, des Internets und der sozialen Medien in erheblichem Maße verschärft. Immer mehr Akteure der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten wurden als „ausländische Agenten“ eingestuft, schikaniert und inhaftiert, Menschenrechtsorganisationen wurden geschlossen und die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit beschnitten. Zudem wurden der investigative Journalismus und der Datenjournalismus ins Visier genommen, während die staatlich kontrollierten Medien unablässig das Bild einer „belagerten Festung“ heraufbeschwören, die vom „gesamten Westen“ angegriffen wird. Hinzu kam, dass die Parlamentswahlen von 2016 und 2021 sowie die Regional- und Kommunalwahlen vom September 2022 in einem restriktiven politischen und medialen Umfeld stattfanden, was Präsident Putins Partei „Einiges Russland“ einen deutlichen Wahlsieg bescherte. Wahlbeobachter und unabhängige Medien stellten (bis 2016) fest, dass die Wahlen wie bereits in der Vergangenheit nicht den internationalen Standards entsprachen und durch Betrug, die Mobilisierung von Wählern an ihrem Arbeitsplatz, den systematischen Ausschluss der Opposition und andere Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet waren. Im September 2023 fanden in der Russischen Föderation auch in den besetzten Gebieten der Ukraine Regionalwahlen statt, die von der EU verurteilt und als illegal und unrechtmäßig eingestuft worden sind. Sachverständige haben festgestellt, dass diese Wahlen im September noch weniger fair und frei waren als die vorangegangenen Wahlen. Das Wahlrecht der Bürger Russlands wurde inzwischen so stark eingeschränkt, dass diese Wahlen als Urnengang ohne jegliche echte demokratische Grundsätze angesehen werden können.
Seit seiner vierten Amtszeit als Präsident im Jahr 2018 hat Wladimir Putin zwei Jahre später Verfassungsänderungen durchgesetzt, die es ihm ermöglichen, über 2024 (theoretisch bis 2036) im Amt zu bleiben. Im März 2024 gewann Wladimir Putin die als undemokratisch geltende Präsidentschaftswahl mit 87,28 % der Stimmen und einer Wahlbeteiligung von 77,44 %, was ihm eine fünfte Amtszeit ermöglicht Diese Präsidentschaftswahl fand vom 15. bis 17. März in einem äußerst eingeschränkten Umfeld mit starker Propaganda statt. Die EU hat in einer Stellungnahme bekräftigt, dass sie weder die Abhaltung dieser sogenannten „Wahlen“ in den Gebieten der Ukraine noch deren Ergebnisse anerkennt und auch niemals anerkennen wird. Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Kommission (HR/VP), Josep Borrell, erklärte, dass die Wahl auf repressiven Gesetzen fußte, die durch das Fehlen eines glaubwürdigen Wettbewerbs und unabhängiger Medien sowie durch willkürliche Verhaftungen von führenden Oppositionellen, Vertretern der Zivilgesellschaft und Journalisten und durch den plötzlichen Tod des russischen Oppositionsführers und Sacharow-Preisträgers Alexei Nawalny gekennzeichnet war, der sich in einer der Strafkolonien Russlands mit den härtesten Bedingungen in Haft befunden hatte. Josep Borrell erklärte in einer Debatte im Europäischen Parlament am 10. April 2024, dass man unter solchen Rahmenbedingungen nicht von „Wahlen“ sprechen könne. Darüber hinaus war es der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zum zweiten Mal in Folge (nach der Parlamentswahl 2021) nicht möglich gewesen, Wahlen im Land zu beobachten.
Nach einem Jahrzehnt, in dem der öffentliche Raum unter der Herrschaft Wladimir Putins immer weiter geschrumpft war, wurde nach der Rückkehr von Alexei Nawalny nach Russland im Januar 2021 eine neue Spirale der innenpolitischen Unterdrückung in Gang gesetzt, die seit dem groß angelegten Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 in dramatischem Maße Fahrt aufgenommen hat. Jede anderslautende Meinung oder Abweichung von der offiziellen Version der Ereignisse wird bestraft, und kritische Stimmen in der Gesellschaft werden immer mehr kriminalisiert. Gemäß dem EIU Democracy Index 2023 ist Russland als „autoritäres Regime“ einzustufen, und das Land belegt Platz 144 (von insgesamt unter 167 Ländern) hinter Nicaragua, Venezuela und Niger. In der Rangliste der Pressefreiheit fiel Russland nach dem Einmarsch in die Ukraine auf Platz 167 von 180 Plätzen zurück, wobei die Situation darin als „sehr ernst“ bezeichnet wird. Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Lage der Menschenrechte in der Russischen Föderation, Mariana Kazarowa, hob mehrfach hervor, dass sich die Menschenrechtslage in Russland seit dem Einmarsch in die Ukraine erheblich verschlechtert hat, wobei die bürgerlichen und politischen Rechte systematisch unterdrückt werden.
Seit dem 24. Februar 2022 wurden in Russland 20 000 Personen, die gegen den Krieg demonstriert haben, festgenommen, und laut OVD-Info gibt es derzeit mehr als 1 000 politische Gefangene in dem Land. Die EU hat das systematische harte Vorgehen gegen nichtstaatliche Organisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten in Russland und auch im Ausland verurteilt und unterstützt weiterhin Russen, die sich gegen den Krieg in der Ukraine ausgesprochen oder dagegen protestiert haben. Die EU hat wiederholt ihre Solidarität mit Wladimir Kara-Mursa, Alexei Nawalny, Ilja Jaschin, Oleg Orlow und allen anderen Bürgern Russlands bekräftigt, die verfolgt, inhaftiert oder eingeschüchtert werden, weil sie weiterhin für die Menschenrechte eintreten und die Wahrheit über die rechtswidrigen Handlungen des Regimes aussprechen.
Geltende Vereinbarungen
Rechtsgrundlage der Beziehungen zwischen der EU und Russland ist das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) vom Juni 1994. Es trat zunächst für die Dauer von zehn Jahren in Kraft und wurde dann jedes Jahr automatisch verlängert. Das Abkommen enthält die wichtigsten gemeinsamen Ziele und bestimmt den institutionellen Rahmen für bilaterale Kontakte – einschließlich regelmäßiger Konsultationen zu Menschenrechtsfragen und der zweimal jährlich stattfindenden Gipfeltreffen auf Präsidentenebene –, die derzeit auf Eis gelegt worden sind.
Auf dem Gipfeltreffen von 2003 in Sankt Petersburg hatten die EU und Russland ihre Zusammenarbeit intensiviert, indem sie vier „Gemeinsame Räume“ schufen: einen Raum der Wirtschaft, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, einen Raum für äußere Sicherheit und einen Raum der Forschung, Bildung und Kultur. Auf regionaler Ebene riefen die EU und Russland gemeinsam mit Norwegen und Island im Jahr 2007 die neue Politik der Nördlichen Dimension ins Leben, in deren Mittelpunkt die länderübergreifende Zusammenarbeit im Ostsee- und Barentsseeraum steht. Im Juli 2008 wurden Verhandlungen über ein neues Abkommen aufgenommen, das „rechtlich bindende Zusagen“ unter anderem für die Bereiche politischer Dialog, Recht, Freiheit, Sicherheit, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Forschung, Bildung, Kultur, Handel, Investitionen und Energie enthalten sollte. 2010 wurde eine „Partnerschaft für Modernisierung“ geschaffen. Die Verhandlungen über ein Abkommen über Erleichterungen bei der Erteilung von Visa wurden 2011 abgeschlossen. Allerdings hat die Intervention Russlands auf der Krim dazu geführt, dass all diese Gespräche und Verfahren ausgesetzt wurden. Im Jahr 2014 legte der Europäische Rat die Zusammenarbeit (mit Ausnahme der länderübergreifenden Zusammenarbeit und der direkten persönlichen Kontakte) mit Russland sowie EU-Finanzierungen für das Land über internationale Finanzinstitutionen auf Eis. Die Beziehungen zwischen der EU und Russland waren bereits seit der rechtswidrigen Annexion der Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland im Jahr 2014 und den destabilisierenden Handlungen Russlands in der Ostukraine angespannt. Nachdem Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen hat, wurde die verbleibende politische, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit eingestellt.
Rolle des Europäischen Parlaments
Im Jahr 1997 billigte das Europäische Parlament das PKA im Rahmen des Zustimmungsverfahrens.
Das Europäische Parlament hat eine Reihe von Entschließungen zur Ukraine angenommen, in denen die rechtswidrige Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und dessen Rolle bei der Destabilisierung der Ostukraine verurteilt werden. Im Juni 2015 und März 2019 nahm das Europäische Parlament Entschließungen zum Stand der Beziehungen zwischen der EU und Russland an, in denen die EU-Sanktionen befürwortet werden und betont wird, dass für die Zivilgesellschaft Russlands ambitioniertere EU-Finanzhilfen bereitgestellt und persönliche Kontakte trotz der schwierigen Beziehungen gefördert werden müssen. In der Entschließung von 2019 äußert es sich zutiefst besorgt angesichts des außenpolitischen Auftretens von Russland, insbesondere in den Ländern der Östlichen Partnerschaft. Außerdem wird in der Entschließung die Verschlechterung der Lage der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Russland kritisiert und vorgeschlagen, Russland nicht mehr als „strategischen Partner“ der EU zu betrachten. Im September 2021 nahm das Europäische Parlament eine Empfehlung zur Ausrichtung der politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland an, in der die EU aufgefordert wird, dafür zu sorgen, „dass das weitere Engagement in Russland an die Zusage des Kreml geknüpft sein wird, seine interne Aggression gegen das eigene Volk zu beenden, die systematische Unterdrückung der Opposition und die Einschüchterung und die Folter politischer Gefangener zu beenden, Rechtsvorschriften, die nicht mit den internationalen Normen vereinbar sind, aufzuheben oder zu ändern, wie die gegen ausländische Agenten […], die Unterdrückung von Organisationen der Zivilgesellschaft […] zu beenden und seine externe Aggression gegen die Nachbarländer einzustellen“. Das Europäische Parlament fordert die EU auf, über klar definierte rote Linien zu ziehen und von einer Zusammenarbeit mit Russland abzusehen, die allein dazu dient, die Dialogkanäle offenzuhalten. Es fordert ferner ein Konzept und eine Strategie für die Zukunft der Beziehungen der EU zu einem freien, wohlhabenden, friedlichen und demokratischen Russland.
Vor der Krise im Jahr 2014 war das Europäische Parlament für ein neues umfassendes Abkommen mit Russland auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Interessen eingetreten. Allerdings bekundete das Europäische Parlament mehrmals erhebliche Bedenken in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und den Zustand der Demokratie in Russland, beispielsweise mit Blick auf Gesetze gegen „LGBTI-Propaganda“, die Straffreiheit bei minderschwerer häuslicher Gewalt, das massive Vorgehen gegen unabhängige nichtstaatliche Organisationen oder Organisationen, die Finanzmittel aus dem Ausland erhalten. Besonders verurteilte das Europäische Parlament, dass die Verletzungen der Menschenrechte der Bewohner der Krim und vor allem der Krimtataren ein beispielloses Ausmaß erreicht haben. 2018 forderte es die Freilassung des ukrainischen Filmregisseurs Oleh Senzow, der sich gegen die rechtswidrige Annexion der Krim ausgesprochen hatte, und verlieh ihm den Sacharow-Preis. Oleh Senzow wurde 2019 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs zwischen Russland und der Ukraine freigelassen. Das Europäische Parlament hat den Mordversuch an Alexei Nawalny im Jahr 2020 scharf verurteilt.
Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat das Europäische Parlament zahlreiche Entschließungen angenommen, in denen es die Aggression Russlands und die infolgedessen begangenen Verbrechen verurteilt und seine ungebrochene Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen zum Ausdruck gebracht hat.
Seit dem groß angelegten Einmarsch Russlands in die Ukraine hat sich das Parlament vehement für starke und wirksame EU-Sanktionen als zentrales Instrument gegen die Russische Föderation, Belarus und Verbündete der Russischen Föderation eingesetzt. Es hat gefordert, dass russländische Vermögenswerte, die von der EU eingefroren wurden, eingezogen und für den Wiederaufbau der Ukraine und die Entschädigung der Opfer der Aggression Russlands verwendet werden. Was die weltweite Zusammenarbeit bei Sanktionen betrifft, so hat das Europäische Parlament die Partner aufgefordert, sich diesen Sanktionen anzuschließen, und ist besorgt darüber, dass mehrere Drittländer mit Russland kollaborieren und das Land dabei unterstützen, die Sanktionen zu umgehen.
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 23. November 2022 Russland als einen dem Terrorismus Vorschub leistenden und sich terroristischer Mittel bedienenden Staat eingestuft, und es forderte die internationale Gemeinschaft auf, vereint vorzugehen, wenn es darum geht, die für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbrechen der Aggression Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In mehreren Entschließungen forderte es, dass Präsident Putin, andere führende Vertreter Russlands und ihre belarussischen Verbündeten für das von ihnen begangene Verbrechen der Aggression zur Verantwortung gezogen werden. In seiner Entschließung vom 19. Januar 2023 unterstützt das Europäische Parlament die Einrichtung eines internationalen Sondergerichtshofs zur strafrechtlichen Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine, das von der politischen und militärischen Führung der Russischen Föderation und ihrer Verbündeten, insbesondere Belarus, begangen wird. Es unterstützt zudem uneingeschränkt die laufenden Ermittlungen des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zur Lage in der Ukraine und zu den mutmaßlichen Kriegsverbrechen, den mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dem mutmaßlichen Völkermord. Als der IStGH im März 2023 Haftbefehle gegen Wladimir Putin und Marija Lwowa-Belowa, die für Kinderrechte zuständige Beauftragte des Präsidenten der Russischen Föderation, wegen der unrechtmäßigen Deportation ukrainischer Kinder ins Hoheitsgebiet Russlands erlassen hat, begrüßte das Europäische Parlament diesen Beschluss in einer Plenardebatte.
Das Europäische Parlament forderte in seiner Empfehlung vom 8. Juni 2022 zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine Josep Borrell nachdrücklich auf, einen ganzheitlichen Ansatz gegenüber der Russischen Föderation zu verfolgen und angesichts der Gräueltaten und Kriegsverbrechen, die von russischen politischen Eliten inszeniert und von russischen Truppen, ihren Stellvertretern und Söldnern in der Ukraine und anderswo begangen werden, jegliches selektive Engagement gegenüber Moskau aufzugeben.
Das Europäische Parlament stellte in seiner Entschließung vom 16. Februar 2023 fest, dass Russlands Angriffskrieg die geopolitische Lage in Europa grundlegend verändert hat, und forderte die EU daher auf, kühne, entschlossene und umfassende politische, sicherheitspolitische und finanzielle Entscheidungen zu treffen und mit der internationalen Isolierung der Russischen Föderation fortzufahren.
Gleichzeitig ist das Europäische Parlament der Ansicht, dass die Kommission, der Europäische Auswärtige Dienst und die Mitgliedstaaten beginnen sollten, Überlegungen dazu anzustellen, wie in Zukunft eine Zusammenarbeit mit Russland gestaltet und das Land dabei unterstützt werden kann, dass ihm ein Übergang von einem autoritären Regime zu einem demokratischen Land, das dem Revisionismus und Imperialismus abschwört, gelingt, wie in der Entschließung vom 6. Oktober 2022 dargelegt.
Bereits vor Beginn des Angriffskriegs hatte das Europäische Parlament schon seit Jahren die inländischen Unterdrückungsmaßnahmen des russischen Regimes und die zunehmende Verschlechterung der Menschenrechtslage in dem Land angeprangert. Nachdem Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte, verurteilte das Europäische Parlament erneut aufs Schärfste die schwerwiegenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie des Rechts auf friedliche Versammlung und Vereinigung und das systematische und massive Vorgehen gegen Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger, unabhängige Medien, Rechtsanwälte und die politische Opposition. Das Europäische Parlament hat zudem die weitreichenden repressiven Rechtsvorschriften Russlands missbilligt, darunter die Bestimmungen zu „ausländischen Agenten“ und „unerwünschten Organisationen“, die Änderungen des Strafgesetzbuchs und das Gesetz über Massenmedien, auf die die Staatsmacht zurückgreift, um abweichende Stimmen im Land und im Ausland mit juristischen Mitteln zu schikanieren und unabhängige Medien zu schwächen. Darüber hinaus hat das Europäische Parlament die anhaltende und immer weiter verschärfte Zensur in Russland verurteilt.
Insbesondere hat das Europäische Parlament Russland wiederholt wegen der Verurteilung von Alexei Nawalny scharf kritisiert, dem 2021 der Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments verliehen wurde. Nachdem immer mehr politisch engagierte Bürger Russlands festgenommen und ins Gefängnis gesteckt werden, nahm das Europäische Parlament am 7. April 2022 und am 20. April 2023 jeweils eine Entschließung an, worin die zunehmende Repression in Russland, insbesondere die Fälle von Wladimir Kara-Mursa und Alexei Nawalny, angeprangert wurden. Im Rahmen der Kampagne zur Freilassung von Alexei Nawalny war im Juni 2023 vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel eine Nachbildung der Strafzelle, in der Alexei Nawalny seine neuneinhalbjährige Haftstrafe verbüßt, in Originalgröße aufgestellt. Mit dieser Aktion der Koordinierungsgruppe Demokratieförderung und Wahlen sollte auf die Notlage von Alexei Nawalny aufmerksam gemacht und die Öffentlichkeit über Repressionen gegen die politische Opposition in Russland informiert werden. Am 29. Februar 2024 nahm das Parlament nach dem plötzlichen Tod von Alexei Nawalny eine Entschließung an, in der sein Tod als „Mord“ eingestuft wurde, für den die russische Regierung und Wladimir Putin persönlich strafrechtlich und politisch verantwortlich sind. Das Parlament forderte die Josep Borrell und die Mitgliedstaaten auf, die politische Führung und die staatlichen Stellen Russlands zur Rechenschaft zu ziehen und Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die an den Verfahren, Urteilen, Inhaftierungen und Haftbedingungen von Alexei Nawalny beteiligt waren. Erneut verurteilte es zudem die immer weiter zunehmenden Menschenrechtsverletzungen durch das russische Regime.
Das Europäische Parlament äußerte in seiner Entschließung vom 5. Oktober 2023 seine Sorge um Sarema Mussajewa, eine Menschenrechtsverteidigerin aus Tschetschenien. Das Parlament hat auch Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien immer wieder scharf verurteilt.
Das Europäische Parlament hat seine Solidarität mit und Unterstützung für die Menschen in Russland und Belarus zum Ausdruck gebracht, die gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine protestiert haben, und es hat gefordert, dass die Mitgliedstaaten Russen und Belarussen, die verfolgt werden, weil sie sich gegen den Krieg ausgesprochen haben, sowie Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Russland und Belarus aus Gewissensgründen Schutz und Asyl gewähren. Ferner hat es die EU-Organe aufgefordert, mit demokratisch gesinnten Wortführern und der Zivilgesellschaft in Russland zusammenzuarbeiten, und es unterstützt zudem die Einrichtung eines bei ihm angesiedelten Demokratiezentrums für Russland. Die Präsidentin des Europäischen Parlaments traf 2022 mit Vertretern der Opposition Russlands zusammen, und der Unterausschuss Menschenrechte führt mit unabhängigen Journalisten, Vertretern der Zivilgesellschaft und Oppositionellen aus Russland einen regelmäßigen Meinungsaustausch. Außerdem veranstalteten mehrere MdEP am 5. und 6. Juni 2023 ein Podiumsgespräch zur Zukunft eines demokratischen Russlands, an dem Vertreter der EU-Organe, MdEP und prominente Vertreter der freien Medien und der politischen Opposition Russlands unterschiedlicher Couleur teilnahmen.
Am 25. April 2024 führte das Parlament vor seiner Sitzungspause eine wichtige Abstimmung durch, in der es zu dem Schluss kam, dass die sogenannten Präsidentschaftswahl in Russland vom 15. bis 17. März unrechtmäßig und undemokratisch waren, und verurteilte unmissverständlich die rechtswidrigen sogenannten Wahlen, die in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine abgehalten wurden. Das Parlament fordert die EU-Mitgliedstaaten und die internationale Staatengemeinschaft ferner nachdrücklich auf, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht als legitim anzuerkennen, da sie weder frei noch fair war und die grundlegenden internationalen Wahlstandards nicht erfüllte, sodass es ihr an demokratischer Legitimität fehlte.
Am 14. Februar 2024 richteten die Koordinierungsgruppe Demokratieförderung und Wahlen und die Delegation des EP für die Beziehungen zu Russland gemeinsam eine Konferenz aus, zu der Vertreter der russischen Opposition und Menschenrechtsanwälte eingeladen wurden, um die Bedeutung dieser Präsidentschaftswahl zu erörtern.
Die Beziehungen zu den Gesetzgebern Russlands wurden überwiegend im Ausschuss für parlamentarische Kooperation (APK), einem im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und Russland eingerichteten interparlamentarischen Gremium, weiterentwickelt. Der APK bot von 1997 bis 2014 eine stabile Plattform für die Entwicklung der Zusammenarbeit und des Dialogs zwischen den Delegationen des Europäischen Parlaments und der Föderationsversammlung von Russland. Seit März 2014 sind diese interparlamentarischen Treffen allerdings im Einklang mit den restriktiven Maßnahmen der EU, mit denen auf die Ukraine-Krise reagiert wurde, unterbrochen. Dennoch tritt die Delegation des Europäischen Parlaments im APK EU-Russland weiterhin regelmäßig zusammen, um die Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine für die Welt und die EU und insbesondere das immer massivere Vorgehen der Staatsorgane Russlands gegen die Zivilgesellschaft des Landes zu analysieren und zu erörtern. Zu diesem Zweck führt die Delegation einen regelmäßigen Meinungsaustausch mit Vertretern der Opposition, Menschenrechtsverteidigern, der Zivilgesellschaft, nichtstaatlichen Organisationen und unabhängigen Journalisten aus Russland sowie mit Sachverständigen aus der ganzen Welt.
Seit 1999 hat Russland das Europäische Parlament nicht mehr zur Beobachtung von Wahlen eingeladen.
Vanessa Cuevas Herman