Finanzdienstleistungspolitik
Die Finanzdienstleistungen sind ein äußerst wichtiger Bereich, auf den sich viele Maßnahmen der EU zur Vollendung des Binnenmarkts im Rahmen des freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs erstrecken. Die Fortschritte wurden in verschiedenen Phasen erzielt: 1) Beseitigung nationaler Eintrittsbarrieren (1957-1973), 2) Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften und Strategien (1973-1983), 3) Vollendung des Binnenmarkts (1983-1992), 4) Schaffung des einheitlichen Währungsraums (1993-2007) und 5) Weltfinanzkrise und Reformen nach der Krise (ab 2007).
Rechtsgrundlage
Artikel 49 (Niederlassungsfreiheit), Artikel 56 (freier Dienstleistungsverkehr), Artikel 63 (freier Kapitalverkehr) und Artikel 114 (Angleichung der Rechtsvorschriften über die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bilden die Rechtsgrundlagen.
Meilensteine auf dem Weg zu einem integrierten EU-Finanzmarkt
A. Erste Maßnahmen zur Beseitigung der Eintrittsbarrieren (1957-1973)
Die ersten Maßnahmen zur Integration der Finanzsysteme der Mitgliedstaaten beruhten auf den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs. Bei Bedarf wurden die Rechtsvorschriften und Strategien abgestimmt. Mit dem 1957 unterzeichneten Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde der Gemeinsame Markt geschaffen. Dabei wurden die Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten beseitigt. Infolgedessen nahm der Rat 1962 allgemeine Programme zur Beseitigung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit an.
B. Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften und Strategien (1973-1983)
Der Prozess der Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten begann insbesondere mit drei Richtlinien des Rates, nämlich mit der ersten Schadenversicherungsrichtlinie aus dem Jahr 1973 (Richtlinie 73/239/EWG), mit der ersten Bankenrichtlinie aus dem Jahr 1977 (Richtlinie 77/780/EWG) und mit der ersten Lebensversicherungsrichtlinie aus dem Jahr 1979 (Richtlinie 79/267/EWG).
C. Vollendung des Binnenmarkts (1983-1992)
Im Juni 1985 veröffentlichte die Kommission ein Weißbuch mit einem Programm und einem Zeitplan für die Vollendung des Binnenmarkts bis Ende 1992. Es enthielt einen eigenen Abschnitt über Finanzdienste. Die vorgeschlagene Harmonisierung stützte sich auf die Grundsätze einer „einheitlichen Bankzulassung“, der „gegenseitigen Anerkennung“ und der „Heimatkontrolle“. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1987 wurde das im Weißbuch von 1985 festgelegte Ziel in das Primärrecht der EU übernommen. Zudem wurde darin der 31. Dezember 1992 als genaue Frist für die Vollendung des Binnenmarkts festgelegt.
D. Schaffung des einheitlichen Währungsraums (1993-2007)
Mit dem Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft trat, wurde der Weg für die Schaffung einer einheitlichen europäischen Währung, des Euro (ursprünglich ECU genannt), geebnet. Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen wurde von der Kommission im Mai 1999 veröffentlicht und enthielt 42 legislative und nichtlegislative Maßnahmen, die bis 2004 vollständig umgesetzt werden sollten. Im Juli 2000 setzte der Rat den Ausschuss der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte unter der Leitung von Alexandre Lamfalussy ein. In dem Bericht des Ausschusses wurde festgestellt, dass der institutionelle Rahmen der EU „zu langsam, zu starr und zu komplex ist und dem raschen Wandel auf den weltweiten Finanzmärkten nicht gerecht wird“. Dies führte zum „Lamfalussy-Verfahren“, einem vierstufigen Rechtsetzungsverfahren, das zunächst nur im Bereich des Wertpapierrechts angewandt wurde, später jedoch auf weitere Rechtsvorschriften über Finanzdienstleistungen ausgedehnt wurde.
E. Weltfinanzkrise und Reformen nach der Krise (ab 2007)
Die Zeit vor 2007 war von der zunehmenden Integration und Interdependenz der Finanzmärkte, nicht nur innerhalb der EU, sondern weltweit, geprägt. Diese Entwicklung fand ein abruptes Ende, als es 2007-2008 zur Weltfinanzkrise kam. Dadurch wurde eine Reform des Finanzdienstleistungssektors dringend erforderlich. Die Kommission schlug über 50 legislative und nichtlegislative Maßnahmen vor. Die wichtigsten Vorschläge ergingen im Rahmen von Leitinitiativen der EU, etwa der Bankenunion oder der Kapitalmarktunion. Die Reformen nach der Krise führten zu einem gewissen Maß an Zentralisierung und einer Übertragung von Zuständigkeiten von den Mitgliedstaaten auf die Unionsebene in Bezug auf viele Aspekte der Regulierung und Aufsicht im Finanzdienstleistungsbereich. In jüngerer Zeit spiegelt die politische Agenda der EU für Finanzdienstleistungen die Anstrengungen wider, die unternommen wurden, um den Klimawandel zu bekämpfen und ein nachhaltigeres wirtschaftliches Vorgehen auszuarbeiten, und sie befasst sich mit den neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit der digitalen Transformation.
Angesichts möglicher Ansteckungseffekte ist die Rolle der internationalen Foren bei der Festlegung von Regeln und Standards deutlich gewachsen. Daher gewannen Foren und Gremien wie die G20, der Rat für Finanzstabilität (FSB), der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basler Ausschuss), die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufseher (IAIS) und die Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) immer mehr an Bedeutung.
Wichtige geltende EU-Rechtsvorschriften über Finanzdienstleistungen
A. Bankwesen
Die Reform des Regulierungsrahmens für das Bankwesen stand im Mittelpunkt der Überarbeitung der Rechtsvorschriften im Bereich Finanzen nach der Krise. Mit der Reform wurden die Grundlagen für die Bankenunion gelegt, die allmählich im Euro-Währungsgebiet geschaffen wurde. Im Rahmen der Reform der Rechtsvorschriften über das Bankwesen wurden umfassende Maßnahmen ergriffen, mit denen Folgendes erreicht wurde: 1) strengere Aufsichtsregeln für Banken, 2) ein erweiterter Rahmen für die Bankenaufsicht und die Abwicklung von Banken, 3) Vorschriften über den Umgang mit ausfallenden Banken und 4) ein besserer Schutz der Einleger. Auf diese Initiativen wird kollektiv mit der Bezeichnung „einheitliches Regelwerk“ Bezug genommen.
1. Aufsichtsregeln für Banken
In der neuen Bankenrichtlinie (CRD – Capital Requirements Directive) (Richtlinie 2013/36/EU) sind der Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ihre Beaufsichtigung und die Leitung von Banken geregelt. In der Eigenmittelverordnung (CRR – Capital Requirements Regulation) (Verordnung (EU) Nr. 575/2013)sind Mindeststandards festgelegt, durch die die finanzielle Solidität von Banken sichergestellt werden soll (d. h. Eigenmittelanforderungen, Liquiditätspuffer und Verschuldungsquoten). Der CRD-/CRR-Rahmen wird laufend aktualisiert – hauptsächlich, um den jüngsten Ergebnissen der Arbeit des Basler Ausschusses und des FSB Rechnung zu tragen.
2. Erweiterter Rahmen für die Bankenaufsicht und die Abwicklung von Banken
Gemäß der Verordnung über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) (Verordnung (EU) Nr. 1024/2013) fungiert die EZB seit 2014 als zentrale Aufsichtsbehörde für große Banken im Euro-Währungsgebiet und in Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets, die sich für eine Teilnahme am einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) entscheiden. Der SSM wird durch die ebenfalls im Jahr 2014 verabschiedete Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Verordnung (EU) Nr. 806/2014) ergänzt, durch die der wirksame Umgang mit Ausfällen von Banken, die dem SSM angehören, sichergestellt werden soll.
3. Vorschriften über den Umgang mit ausfallenden Banken
Mit der ebenfalls im Jahr 2014 verabschiedeten Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Richtlinie 2014/59/EU) soll verhindert werden, dass ausfallende Banken mit Steuergeldern gerettet werden. Zu diesem Zweck wurde mit der Richtlinie ein Bail-in-Mechanismus eingeführt, durch den sichergestellt wird, dass Verluste zunächst von den Anteilseignern und den Gläubigern getragen werden. Durch sie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, nationale Abwicklungsfonds einzurichten.
4. Besserer Schutz der Einleger
Während der Turbulenzen der Finanzkrise bestand eine der Hauptprioritäten darin, dafür zu sorgen, dass die Bankeinlagen der Bürger angemessen geschützt werden. Als erste Reaktion wurde der Mindestbetrag, bis zu dem Bankeinlagen bei Ausfällen von Banken gesichert sind, zweimal angehoben. Darauf folgte 2014 eine umfassendere Reform des damals äußerst fragmentierten Systems nationaler Einlagensicherungssysteme mit der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme (Richtlinie 2014/49/EU). Das 2015 vorgeschlagene europäische Einlagenversicherungssystem ist bislang sowohl im Rat als auch im Parlament auf politische Hindernisse gestoßen. Im April 2023 verabschiedete die Kommission ein Paket von Rechtsvorschriften zur Reform des Rahmens für die Bewältigung von Bankenkrisen und die Einlagensicherung. Ziel ist es, die Kriseninstrumente zu verbessern, die zur Bewältigung von Ausfällen mittelgroßer und kleinerer Banken eingesetzt werden. Im Kern besteht diese Reform aus drei Legislativvorschlägen zur Änderung der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Richtlinie 2014/59/EU), der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Verordnung (EU) Nr. 806/2014) und der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme (Richtlinie 2014/49/EU). Unabhängig davon enthält das Paket auch einen vierten, nicht damit zusammenhängenden Legislativvorschlag zur Änderung der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken und der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Vorschlag zum Beteiligungsketten-Ansatz). Der Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens ist für die nächste Wahlperiode vorgesehen. Das europäische Einlagenversicherungssystem und die weiteren Fortschritte bei der Marktintegration sollen nach der Reform des Rahmens für die Bewältigung von Bankenkrisen und die Einlagensicherung neu bewertet werden.
B. Finanzmärkte und Marktinfrastruktur
1. Wertpapierdienstleistungen und Handelsplätze
Im Jahr 2004 wurden in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID I – Markets in Financial Instruments Directive I) (Richtlinie 2004/39/EG) einheitliche Standards für den Wertpapierhandel festgelegt, um den Wettbewerb und den Anlegerschutz zu verbessern. Im Jahr 2014 wurden eine Überarbeitung der Richtlinie (MiFID II) (Richtlinie 2014/65/EU) und eine Verordnung (MiFIR – Regulation on Markets in Financial Instruments) (Verordnung (EU) Nr. 600/2014) verabschiedet, durch die der Rechtsrahmen erheblich aktualisiert wurde. Mit dem neuen Rechtsrahmen wurden einige Bestimmungen zur Erhöhung des Verbraucherschutzes und der Markttransparenz eingeführt. Beide wurden mehrfach überarbeitet.
2. Derivatekontrakte und Clearinghäuser
Derivatekontrakte spielen in der Wirtschaft eine wichtige Rolle, sind aber auch mit bestimmten Risiken verbunden, die in der Finanzkrise zutage getreten sind. In der 2012 angenommenen Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen (EMIR – European Market Infrastructure Regulation) (Verordnung (EU) Nr. 648/2012) wurden Vorschriften über außerbörslich gehandelte Derivatekontrakte (OTC-Derivatekontrakte), zentrale Gegenparteien (CCP oder Clearinghäuser) und Transaktionsregister eingeführt. Mit der Verordnung wird angestrebt, die Finanzstabilität zu schützen, Systemrisiken zu verringern und die Transparenz im OTC-Markt zu erhöhen. Die Verordnung wird regelmäßig überprüft und aktualisiert. Zentrale Gegenparteien könnten bei einem Ausfall ein Risiko für die Finanzstabilität darstellen. Die Legislativorgane haben im Dezember 2020 die Verordnung über einen Rahmen für die Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien (Verordnung (EU) 2021/23) erlassen, um eine geordnete Abwicklung in einem Krisenszenario zu ermöglichen. Auch nach dem Brexit wird der Großteil der Geschäfte in der EU mit zentralen Gegenparteien nach wie vor in London betrieben, obwohl es Bestrebungen gab, diese Tätigkeit in die EU zu verlagern. Die Kommission hat die Gleichwertigkeit für zentrale Gegenparteien aus dem Vereinigten Königreich bis zum 30. Juni 2025 verlängert. Derzeit wird die Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen geändert, um diese Risiken zumindest teilweise zu verringern, indem zentrale Gegenparteien aus Drittstaaten verpflichtet werden, ein aktives Konto bei einer europäischen zentralen Gegenpartei zu führen und eine bestimmte Anzahl von Geschäften über dieses Konto zu clearen.
3. Zugang zu Finanzierungen an den Kapitalmärkten
Im Rahmen der Leitinitiative zur Schaffung einer Kapitalmarktunion war eine umfangreiche Überprüfung des EU-Rahmens für das öffentliche Angebot von Wertpapieren (d. h. erste öffentliche Angebote (IPO)) vorgesehen. Mit der Prospektrichtlinie von 2003 (Richtlinie 2003/71/EG), die inzwischen durch die Verordnung (EU) 2017/1129 ersetzt wurde, soll der Zugang kleinerer Unternehmen zu Finanzierungen an den Kapitalmärkten erleichtert werden. Zudem sollen dadurch die Qualität und Quantität der Informationen verbessert werden, die Anlegern – insbesondere Kleinanlegern – bereitgestellt werden müssen. Die Anstrengungen zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für kleinere Unternehmen wurden durch die Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen (Verordnung (EU) 2020/1503) ergänzt, die seit November 2021 in Kraft ist. Die Eurogruppe hält die Bemühungen um den Aufbau der Kapitalmarktunion jedoch für enttäuschend. Am 11./12. März 2024 forderte sie daher die nächste Kommission im Hinblick auf 13 spezifische Punkte auf, die Kapitalmarktunion neu zu beleben (siehe Kurzdarstellung zum freien Kapitalverkehr 2.1.3).
C. Versicherungen
Die 2009 verabschiedete Richtlinie „Solvabilität II“ (Richtlinie 2009/138/EG) diente der Harmonisierung der bislang unsystematisch geregelten Tätigkeit von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen einschließlich Lebensversicherungsunternehmen. Die Richtlinie enthält Vorschriften über die Zulassung zur Aufnahme der Tätigkeit, über Kapitalanforderungen, über das Risikomanagement und über die Beaufsichtigung von Direktversicherungs- und Rückversicherungsunternehmen. Der Solvabilität-II-Rahmen wurde mehrfach geändert.
D. Zahlungsdienste
Mit der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (Richtlinie (EU) 2015/2366) wurde der EU-Rahmen für Zahlungen aktualisiert, um ihn an die neuesten Entwicklungen in Bezug auf digitale Zahlungen anzupassen. Sie findet seit dem 13. Januar 2018 Anwendung. Mit ihr wurden die Sicherheitsanforderungen für elektronische Zahlungen und die Standards für den Schutz der Finanzdaten von Verbrauchern verstärkt. Darüber hinaus werden mit ihr der Markt für innovative Geschäftsmodelle („Open Banking“) geöffnet und Bestimmungen über die Zulassung und Beaufsichtigung von Zahlungsinstituten eingeführt.
E. Nachhaltiges Finanzwesen
Dem Finanzsystem kommt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Bemühungen um den Übergang zu einer umweltfreundlicheren, gerechteren und inklusiveren Wirtschaft und Gesellschaft zu. Der Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen vom März 2018 zielt darauf ab, Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungs-Aspekte bei Investitionsentscheidungen im Finanzsektor gebührend zu berücksichtigen. Zu den wesentlichen Elementen des aktuellen Rechtsrahmens gehören die Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852), die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Verordnung (EU) 2019/2088) und die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungen für Referenzwerte (Verordnung (EU) 2019/2089). Weitere Initiativen sind im Gange.
F. Digitales Finanzwesen
Mit dem Einsatz neuer Finanztechnologien (FinTech) ist das Versprechen eines verstärkten Wettbewerbs und neuer, effizienterer oder vorteilhafterer Produkte und Dienstleistungen verbunden. Dadurch entstehen aber auch neue Schwierigkeiten, und die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden werden dadurch vor Herausforderungen gestellt. Im September 2020 startete die Kommission die Strategie für ein digitales Finanzwesen, auf die mehrere Gesetzgebungsinitiativen folgten. Insbesondere wird mit der Verordnung über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor (DORA) (Verordnung (EU) 2022/2554) ein einheitlicher Rahmen geschaffen, um sicherzustellen, dass Finanzinstitute in der Lage sind, Cyber- und andere IKT-Risiken zu mindern und ihnen standzuhalten. Die Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) legt Normen für die Ausgabe von Kryptowerten und die Erbringung damit verbundener Dienstleistungen fest. Die Verordnung über eine Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen ((EU) 2022/858) ähnelt einem Reallabor, d. h. sie bietet ein flexibles Regulierungsumfeld.
Rolle des Europäischen Parlaments
Seit dem Abschluss des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1957 hat das Parlament bei der Beschlussfassung im Finanzdienstleistungsbereich immer mehr an Bedeutung gewonnen. Zunächst spielte es im Rahmen des Anhörungsverfahrens noch eine begrenzte Rolle, doch nun ist es mit dem Rat gleichberechtigt, da jetzt in vielen Politikbereichen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren Anwendung findet.
Gemäß dem sogenannten Lamfalussy-Verfahren für die Verabschiedung und Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften über Finanzdienstleistungen verabschiedet das Parlament gemeinsam mit dem Rat Rahmengesetze (Stufe 1) im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens (Sekundärrecht der EU). Das Parlament hat zudem eine Kontrollfunktion beim Erlass der Durchführungsbestimmungen in Stufe 2.
Das Parlament war aktiv daran beteiligt, ambitionierte Gesetzgebungsvorhaben zur Entwicklung des Regulierungsrahmens der EU im Bereich Finanzen voranzubringen. Im Parlament ist der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) im Finanzdienstleistungsbereich federführend zuständig.
In der Vergangenheit hat das Parlament im Zusammenhang mit der Weltfinanzkrise den Sonderausschuss zur Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise (CRIS) eingesetzt. Der Sonderausschuss war von Oktober 2009 bis Juli 2011 tätig und schloss seine Arbeit mit einer Entschließung des Parlaments mit einer Reihe von Empfehlungen zu den Maßnahmen und Initiativen ab, die als Reaktion auf die Krise ergriffen werden sollten.
Christian Scheinert