Demokratische Opposition in Venezuela – 2017, Venezuela
Der Sacharow-Preis ging an die demokratische Opposition in Venezuela, d. h. an die Nationalversammlung (unter dem Vorsitz von Julio Borges) und an alle politischen Gefangenen, die vom Foro Penal Venezolano (Venezolanisches Forum zur Verteidigung politischer Häftlinge) aufgelistet und von Leopoldo López, Antonio Ledezma, Daniel Ceballos, Yon Goicoechea, Lorent Saleh, Alfredo Ramos und Andrea González vertreten wurden.
Venezuela befindet sich seit mehreren Jahren in einer politischen Krise. Schrittweise schränkt die herrschende Partei die Rechtsstaatlichkeit und die verfassungsmäßige Ordnung ein, und im März 2017 entzog der Oberste Gerichtshof der demokratisch gewählten Nationalversammlung die Gesetzgebungsbefugnis. Julio Borges, Präsident der Nationalversammlung, fasste die Lage in Venezuela folgendermaßen zusammen: „In Venezuela haben wir es nicht nur mit einer politischen Konfrontation zu tun. Es handelt sich um eine grundlegende, existentielle Konfrontation, in der es um konkrete Werte geht."
Vor dem Hintergrund von Hyperinflation, Chaos und Unruhen, die das Land seit mindestens einem Jahrzehnt prägen, lässt die Regierung Venezuelas Hunderte politischer Gegner verfolgen, schikanieren und verhaften. Über die Identität und den Status politischer Gefangener berichtet das Foro Penal Venezolano, eine bekannte venezolanische Menschenrechtsorganisation, die Menschen kostenlose Rechtsberatung leistet, die über geringe finanzielle Mittel verfügen und mutmaßlich bei Demonstrationen willkürlich festgenommen, gefoltert oder angegriffen wurden.
Die venezolanische Regierung ließ auch führende Oppositionspolitiker festnehmen - beispielsweise Leopoldo López, Antonio Ledezma, Daniel Ceballos, Yon Goicoechea, Lorent Saleh, Alfredo Ramos und Andrea González. Zwar kamen einige von ihnen 2018 vorläufig wieder auf freien Fuß, viele sind jedoch nach wie vor in Haft oder stehen unter Hausarrest, mitunter unter harten und unmenschlichen Bedingungen.
Der venezolanische Oppositionsführer Leopoldo López wurde Ende April 2019 während eines versuchten Staatsstreichs befreit, durfte jedoch bisher nicht auf die politische Bühne zurückkehren. Er hatte über drei Jahre in Haft und zwei Jahre unter Hausarrest verbracht. Ende April 2019 suchte er in der spanischen Botschaft in Caracas Zuflucht, und später gelang es ihm, ins Ausland zu flüchten. Ein weiterer prominenter Politiker der Opposition ist der ehemalige Bürgermeister von Caracas, Antonio Ledezma. Er stand seit 2015 unter Hausarrest. Im November 2017 gelang es ihm, aus dem Land zu fliehen. Zwei weitere ehemalige Bürgermeister, Alfredo Ramos aus Iribarren und Daniel Ceballos aus San Cristóbal, waren ebenfalls für längere Zeit inhaftiert. Beide sind inzwischen freigelassen worden.
Im Nachgang der Präsidentschaftswahl im Mai 2018, die von der Opposition boykottiert wurde und deren Ergebnis von den meisten internationalen Akteuren, darunter auch von der Europäischen Union, nicht anerkannt wurde, versuchte die venezolanische Regierung, ihr Image durch die Freilassung einzelner politischer Gefangener zu verbessern. Im Oktober 2018 wurde der studentische Anführer und Aktivist der Demokratiebewegung Lorent Saleh, der ebenfalls mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet worden war, freigelassen und nach Spanien ausgewiesen, nachdem er über vier Jahre unter unmenschlichen Bedingungen in den Gefängnissen La Tumba und Helicoide in Caracas verbracht hatte.
Im Januar 2020 umstellten regierungsnahe Milizen die Gebäude der Nationalversammlung und schikanierten Abgeordnete, die versuchten, in das Gebäude zu gelangen, indem sie sie schlugen und auf ihre Autos schossen. Die Lage ist nach wie vor angespannt, da neben der Nationalversammlung, die von der internationalen Gemeinschaft als legitimes Parlament Venezuelas anerkannt wird, auch die verfassungsgebende Versammlung tätig ist, die das Regime von Nicolas Maduro stützt.
Am 6. Dezember 2020 wurde in einer Parlamentswahl, die von der internationalen Gemeinschaft als weder frei noch fair angesehen wird, eine neue vom Regime kontrollierte Nationalversammlung gewählt. Die demokratische Opposition in Venezuela ist nach wie vor darum bemüht, freie und faire Wahlen einzufordern. Die wichtigste Kandidatin der Opposition, Maria Corina Machado, wurde durch das vom Regime kontrollierte Oberste Gericht rechtlich daran gehindert, zur Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 anzutreten, was vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 8. Februar 2024 verurteilt wurde.