Seeverkehr: ein strategischer Ansatz
Die EU-Bestimmungen zum Seeverkehr beziehen sich hauptsächlich auf die Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs sowie auf die ordnungsgemäße Anwendung von Wettbewerbsregeln bei gleichzeitiger Sicherstellung eines hohen Sicherheitsniveaus, guten Arbeitsbedingungen und sinnvollen Umweltstandards.
Rechtsgrundlage und Ziele
Als Rechtsgrundlage dient Artikel 100 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), ergänzt durch die allgemeinen Bestimmungen des Vertrags über Wettbewerb und Dienstleistungsfreiheit (siehe Kurzdarstellung 2.1.4). Das Ziel besteht darin, den im Vertrag verankerten Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit auf den Seeverkehr in der EU anzuwenden und die Einhaltung der Wettbewerbsregeln sicherzustellen. Der Seeverkehr ist auch ein wesentlicher Teil der integrierten Meerespolitik (siehe Kurzdarstellung 3.3.8). Die EU-Politik für die Seeverkehrssicherheit wird in einem gesonderten Kapitel behandelt (siehe Kurzdarstellung 3.4.11).
Ergebnisse
A. Allgemeine Ausrichtung
Der Seeverkehr war Gegenstand eines 1985 vorgelegten Memorandums der Kommission mit dem Titel „Fortschritte auf dem Wege zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik – Seeverkehr“ und einer 1996 vorgelegten Mitteilung mit dem Titel „Auf dem Wege zu einer neuen Seeverkehrsstrategie“. Das Grünbuch der Kommission über Seehäfen und Seeverkehrsinfrastruktur (KOM(1997)0678) enthält einen Überblick über den Industriezweig und berücksichtigt dabei in besonderer Weise die Probleme im Zusammenhang mit Hafengebühren und der Organisation des Marktes, einschließlich der Integration der Häfen in die transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V).
Im Januar 2009 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung über die strategischen Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018 (KOM(2009)0008). Darin wurde eine breite Palette von anstehenden Herausforderungen in den Bereichen globaler Wettbewerb, Personalausstattung, Abfälle und Emissionen, Kurzstreckenseeverkehr sowie Forschung und Innovation aufgezeigt.
B. Marktzugang
Das erste Paket mit Legislativmaßnahmen im Bereich des Seeverkehrs stammt vom 22. Dezember 1986 und umfasst folgende Verordnungen: die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86, durch die Beschränkungen für die Reeder der EU aufgehoben wurden, die Verordnung (EWG) Nr. 4057/86 über unlautere Preisbildungspraktiken in der Seeschifffahrt und die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86, die es der Gemeinschaft ermöglichte, gegen „protektionistische“ Maßnahmen von Drittstaaten vorzugehen.
Der Rat verabschiedete 1992 ein zweites Paket mit Maßnahmen für die Seefahrt zur schrittweisen Liberalisierung der nationalen Seekabotage (d. h. des Zugangs von in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht ansässigen Verkehrsunternehmern zum Seeverkehrsmarkt zwischen den Häfen dieses Mitgliedstaats) und insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 vom 7. Dezember 1992.
C. Wettbewerbsregeln
Die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1419/2006 aufgehoben, durch die der Anwendungsbereich ausgeweitet wurde, sodass auch Seekabotage und die internationalen Trampdienste einbezogen wurden.
Am 1. Juli 2008 nahm die Kommission Leitlinien über die Anwendung von Artikel 81 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ersetzt durch Artikel 101 AEUV) auf die Dienstleistungen im Bereich der Seeschifffahrt an. Was die staatlichen Beihilfen betrifft, so hatte die Kommission bereits im Jahr 1997 einen Rechtsrahmen verabschiedet, der den Mitgliedstaaten die Umsetzung von Systemen staatlicher Beihilfen im Bereich des Seeverkehrs ermöglichte. 2004 bestätigte die Kommission diesen Rahmen durch überarbeitete Leitlinien (Mitteilung C(2004) 43 der Kommission).
Die Öffnung der Hafendienste für den Wettbewerb konnte allerdings noch nicht erreicht werden. Im Februar 2001 legte die Kommission eine Mitteilung über die Verbesserung der Qualität der Hafendienste zusammen mit einem Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang dieser Dienste zum Markt (erstes Paket über Hafendienstleistungen) vor (KOM(2001)0035). Der Vorschlag wurde jedoch am 20. November 2003 vom Parlament abgelehnt. Ein überarbeiteter Vorschlag (KOM(2004)0654), den die Kommission am 13. Oktober 2004 vorlegte, wurde ebenfalls vom Parlament abgelehnt. Am 23. Mai 2013 legte die Kommission ein neues Maßnahmenpaket für die Liberalisierung der Hafendienste vor: eine Mitteilung mit dem Titel „Häfen als Wachstumsmotor“ (COM(2013)0295) und einen Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für den Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen (COM(2013)0296). Diese neue EU-Strategie war Teil der überarbeiteten TEN-V-Leitlinien (siehe Kurzdarstellung 3.5.1) und umfasste 319 wichtige Seehäfen.
Am 15. Februar 2017 wurde die Verordnung (EU) 2017/352 des Europäischen Parlaments und des Rates angenommen. In der Verordnung werden Bedingungen festgelegt, unter denen die Dienstleistungsfreiheit für Hafendienste gelten soll, etwa die Mindestanforderungen, die in den Bereichen Sicherheit oder Umweltschutz auferlegt werden dürfen, und die Umstände, unter denen die Zahl der Betreiber begrenzt werden kann. Zudem werden gemeinsame Vorschriften für die Transparenz beim Einsatz öffentlicher Mittel und bei der Erhebung von Entgelten für die Hafeninfrastrukturen und -dienste eingeführt, wobei insbesondere sichergestellt wird, dass Hafennutzer konsultiert werden. Die Verordnung enthält auch neue Regelungen für die Bearbeitung von Beschwerden und Streitfällen zwischen Interessenträgern der Häfen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Schließlich wird von allen Anbietern von Hafendienstleistungen verlangt, ihren Beschäftigten eine angemessene Schulung anzubieten.
D. Arbeitsbedingungen
Mehrere Richtlinien sind für die Arbeitsbedingungen relevant. Die Richtlinie 1999/63/EG vom 21. Juni 1999 betrifft die Arbeitszeit von Seeleuten an Bord von Schiffen, die unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, während die Richtlinie 1999/95/EG vom 13. Dezember 1999 für Schiffe gilt, die unter der Flagge eines Drittstaates fahren und Gemeinschaftshäfen anlaufen. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) nahm am 23. Februar 2006 das Seearbeitsübereinkommen an, mit dem ein einziges, in sich geschlossenes Instrument geschaffen wurde, das alle für die Arbeit auf See geltenden Normen zusammenfasst: das Recht der Seeleute auf einen sicheren und gefahrlosen Arbeitsplatz entsprechend den geltenden Sicherheitsnormen, angemessene Arbeits- und Lebensbedingungen, Gesundheitsschutz, medizinische Versorgung und soziale Absicherung. Mit der Richtlinie 2009/13/EG zur Änderung der Richtlinie 1999/63/EG wurde das Seearbeitsübereinkommen umgesetzt.
In der Richtlinie 2012/35/EU vom 21. November 2012 zur Änderung der Richtlinie 2008/106/EG über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten ist vorgesehen, dass die Ausbildung und die Erteilung von Befähigungszeugnissen von Seeleuten durch das Internationale Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten („STCW-Übereinkommen“) der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) geregelt wird. Es wurde 1978 angenommen und trat 1984 in Kraft, wurde jedoch 1995 und erneut 2010 in wesentlichen Punkten geändert. Mit der Richtlinie (EU) 2019/1159 vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie 2008/106/EG über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/45/EG über die gegenseitige Anerkennung von Befähigungszeugnissen der Mitgliedstaaten für Seeleute wurden die EU-Vorschriften mit dem aktualisierten STCW-Übereinkommen in Einklang gebracht. Außerdem wurde präzisiert, welche Befähigungszeugnisse gegenseitig anerkannt werden müssen, damit Seeleute, die Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Zeugnisses sind, auf Schiffen unter der Flagge eines anderen Mitgliedstaats arbeiten dürfen. Die Richtlinie trat am 2. August 2019 in Kraft, und die Mitgliedstaaten mussten ihre nationalen Vorschriften bis zum 2. August 2021 entsprechend anpassen.
Mit der Richtlinie 2013/38/EU vom 12. August 2013 zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG über die Hafenstaatkontrolle wurde der Text stärker an das weiter oben genannte Seearbeitsübereinkommen von 2006 angepasst. In der geänderten Richtlinie wird auch auf i) das Internationale Übereinkommen über Verbots- und Beschränkungsmaßnahmen für schädliche Bewuchsschutzsysteme von Schiffen von 2001 („AFS-Übereinkommen“) und ii) das Internationale Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Bunkerölverschmutzung von 2001 Bezug genommen. Am 1. Juni 2023 nahm die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG über die Hafenstaatkontrolle an. Dieser ist Teil eines Pakets zur Modernisierung der EU-Vorschriften über die Seeverkehrssicherheit und zielt darauf ab, die Rechtsvorschriften der EU zu aktualisieren und mit den von der IAO und den in der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle festgelegten internationalen Vorschriften und Verfahren in Einklang zu bringen. Außerdem wird mit dem Vorschlag auch die Art und Weise, wie Schiffe zur Überprüfung ausgewählt werden, überarbeitet, und der Umweltleistung und den Mängeln von Schiffen wird bei der Bestimmung ihres Risikoprofils größere Bedeutung beigemessen. Zudem wird der Anwendungsbereich der Richtlinie geändert, sodass Fischereifahrzeuge mit einer Länge von mehr als 24 Metern im Rahmen der Hafenstaatkontrolle von den Mitgliedstaaten, die diese Überprüfungen durchführen möchten, überprüft werden können. Das Parlament und der Rat erzielten am 27. Februar 2024 eine vorläufige Einigung, die vom Ausschuss für Verkehr und Tourismus am 20. März 2024 und anschließend vom Plenum am 10. April 2024 bestätigt wurde. Die endgültige Annahme wird nach der Überarbeitung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen im Rahmen des Berichtigungsverfahrens in der neuen Wahlperiode erfolgen.
Mit der Richtlinie 2013/54/EU vom 20. November 2013 über bestimmte Verantwortlichkeiten der Flaggenstaaten für die Einhaltung und Durchsetzung des Seearbeitsübereinkommens wurde die zwischen dem Verband der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Transportarbeiter-Föderation erzielte Vereinbarung zu diesem Übereinkommen von 2006 umgesetzt.
Schließlich wurde mit der Richtlinie (EU) 2015/1794 vom 6. Oktober 2015 der Wortlaut von fünf Richtlinien (2008/94/EG, 2009/38/EG, 2002/14/EG, 98/59/EG und 2001/23/EG) über Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, Betriebsräte, die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, Massenentlassungen sowie den Übergang von Unternehmen geändert, damit Seeleute in allen Mitgliedstaaten in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien einbezogen werden.
E. Umweltstandards für den Seeverkehr
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Maßnahmen im Hinblick auf den Schutz der Meeresumwelt verabschiedet. Dazu gehören insbesondere
- die Richtlinie 2000/59/EG vom 27. November 2000 über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfällen und Ladungsrückstände, mit der die Entsorgung von Öl, ölhaltigen Gemischen, Schiffsabfälle und Ladungsrückständen in den Häfen der Europäischen Union verbindlich vorgeschrieben wird und mit der die für die Durchsetzung dieser Regelungen erforderlichen Überwachungsmechanismen bereitgestellt werden. Diese Vorschriften wurden mit der Richtlinie (EU) 2019/883 vom 17. April 2019 über Hafenauffangeinrichtungen für die Entladung von Abfällen von Schiffen aktualisiert, um die Meeresumwelt durch eine Verringerung der Einleitung von Abfällen ins Meer besser zu schützen;
- die Verordnung (EG) Nr. 782/2003 vom 14. April 2003 über das Verbot zinnorganischer Verbindungen auf Schiffen. Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung wurden solche Verbindungen vor allem als bewuchshemmendes Mittel für Schiffsrümpfe verwendet, sie sind jedoch sehr umweltschädlich. Mit dieser Verordnung wurde das von der IAO am 5. Oktober 2001 verabschiedete AFS-Übereinkommen umgesetzt;
- die Richtlinie 2005/35/EG vom 7. September 2005 über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße. Diese enthält genaue Definitionen der Verstöße und sieht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende – strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche – Sanktionen vor. Sie wurde durch die Richtlinie 2009/123/EG vom 21. Oktober 2009 geändert, durch die sichergestellt wird, dass gegen Personen, die für Einleitungen von Schadstoffen verantwortlich sind, angemessene Sanktionen, unter anderem strafrechtliche (auch in minder schweren Fällen) verhängt werden können. Im Januar 2022 verabschiedete die Kommission eine Durchführungsverordnung, wonach die Mitgliedstaaten die Menge an Abfällen überwachen müssen, die von Fischereifahrzeugen und Netzen unbeabsichtigt aufgegriffen und in ihre Häfen verbracht werden, und diese Daten der Kommission übermitteln müssen. Am 1. Juni 2023 nahm die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2005/35/EG (COM(2023)0273) an, um neue Arten illegaler Einleitungen von Schiffen ins Meer aufzunehmen, die den jüngsten Änderungen auf internationaler Ebene Rechnung tragen (Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, MARPOL 73/78). Parlament und Rat erzielten am 15. Februar 2024 eine vorläufige Einigung, die vom Ausschuss für Verkehr und Tourismus im März 2024 und anschließend vom Plenum am 10. April 2024 bestätigt wurde. Die endgültige Annahme wird nach der Überarbeitung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen im Rahmen des Berichtigungsverfahrens in der neuen Wahlperiode erfolgen;
- die Richtlinie 2012/33/EU vom 21. November 2012 (die „Schwefel-Richtlinie“, jetzt Richtlinie (EU) 2016/802). Darin ist vorgesehen, dass in Seegebieten der Mitgliedstaaten verkehrende Frachtschiffe seit dem 1. Januar 2015 keine Kraftstoffe mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,1 % mehr verwenden dürfen. Diese Seegebiete sind gemäß Anhang VI des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL-Übereinkommen) zum Überwachungsgebiet für Schwefeloxidemissionen erklärt worden. Siehe auch die Richtlinie (EU) 2016/802 vom 11. Mai 2016 zur Senkung des Schwefelgehalts bestimmter Flüssigbrennstoffe.
Am 14. Juli 2021 nahm die Kommission im Rahmen des europäischen Grünen Deals ein Paket von Vorschlägen an (das Paket „Fit für 55“), mit dem die Klima-, Energie-, Landnutzungs-, Verkehrs- und Steuerpolitik der EU darauf vorbereitet werden soll, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber dem Niveau von 1990 um mindestens 55 % zu verringern. Einige der Vorschläge beziehen sich ganz oder teilweise auf den Seeverkehr, darunter
- ein Vorschlag zur erstmaligen Aufnahme der Emissionen aus der Schifffahrt in das Emissionshandelssystem der EU. Das Plenum des Parlaments billigte die neuen Vorschriften und die endgültigen Rechtsakte (die Richtlinie (EU) 2023/959 und die Verordnung (EU) 2023/957), die im Mai 2023 angenommen wurden;
- ein Vorschlag für eine überarbeitete Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, in der insbesondere vorgeschrieben ist, das Schiffe an großen Häfen Zugang zu sauberem Strom haben müssen. Das Plenum des Parlaments billigte die neuen Vorschriften, und der endgültige Rechtsakt (die Verordnung (EU) 2023/1804) wurde am 13. September 2023 angenommen;
- ein Vorschlag über die Nutzung erneuerbarer und kohlenstoffarmer Kraftstoffe im Seeverkehr (Initiative „FuelEU Maritime“) und zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG. Das Plenum des Parlaments billigte die neue Vorschrift im Juli 2023. Am 13. September 2023 wurde der endgültige Rechtsakt (die Verordnung (EU) 2023/1805) angenommen. Die Überarbeitung umfasst Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass die Treibhausgasintensität der vom Schifffahrtssektor verwendeten Kraftstoffe im Laufe der Zeit schrittweise verringert wird – um 2 % im Jahr 2025 und schließlich um 80 % bis 2050.
F. Reaktion auf die COVID-19-Krise
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden mehrere Maßnahmen angenommen, um auf die im Seeverkehr auftretenden Schwierigkeiten zu reagieren, namentlich
- am 8. April 2020 die Leitlinien der Kommission zum Schutz der Gesundheit, zur Rückkehr und zur Regelung der Reise von Seeleuten, Fahrgästen und anderen Personen an Bord von Schiffen, mit denen die Mitgliedstaaten aufgefordert wurden, ein Netz von Häfen einzurichten, in denen Besatzungswechsel ohne Verzögerungen stattfinden können;
- die Verordnung (EU) 2020/698 vom 25. Mai 2020 zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf den COVID-19-Ausbruch hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen und der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts. Angesichts der Gesundheitslage wurde diese Verordnung im Februar 2021 erneut geändert (Verordnung (EU) 2021/267);
- die Verordnung (EU) 2020/697 vom 25. Mai 2020 zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/352 in Bezug auf die Möglichkeit einer flexibleren Handhabung der Erhebung von Hafeninfrastrukturentgelten durch das Leitungsorgan eines Hafens oder eine zuständige Behörde vor dem Hintergrund des COVID-19-Ausbruchs.
Um etwas gegen die Gefahr eines starken Konjunkturrückgangs zu unternehmen, hat die Kommission einen Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen vorgelegt, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Unternehmen über die Möglichkeiten im Rahmen der geltenden Beihilfevorschriften hinaus zu unterstützen.
G. Maßnahmenpaket zur Seeverkehrssicherheit
Am 1. Juni 2023 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung mit dem Titel „Sicherheit im Seeverkehr: im Zentrum einer sauberen und modernen Schifffahrt“. Gleichzeitig wurden Vorschläge zur Überarbeitung von fünf einschlägigen Rechtsakten vorgelegt, um die EU-Vorschriften zur Seeverkehrssicherheit zu modernisieren und die Wasserverschmutzung durch Schiffe zu verhindern:
- Richtlinie 2009/21/EG über die Erfüllung der Flaggenstaatpflichten. Dieser Vorschlag sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, an denen die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und die nationalen Behörden beteiligt sind und mit denen die Zusammenarbeit und die Standards für Sicherheits- und Umweltkontrollen verbessert werden sollen.
- Richtlinie 2009/16/EG über die Hafenstaatkontrolle. Mit diesem Vorschlag wird das Ziel verfolgt, die geltenden Rechtsvorschriften zu aktualisieren, um zusätzliche internationale Vorschriften zu berücksichtigen und die Art und Weise, wie Schiffe zur Überprüfung ausgewählt werden, zu überarbeiten, um neuen Anforderungen Rechnung zu tragen.
- Richtlinie 2009/18/EG zur Festlegung der Grundsätze für die Untersuchung von Unfällen im Seeverkehr. Darin wird vorgeschlagen, den Anwendungsbereich auf kleinere Fischereifahrzeuge auszuweiten und die Digitalisierung der Untersuchung von Seeunfällen, einschließlich der Einführung elektronischer Bescheinigungen, zu fördern.
- Richtlinie 2005/35/EG über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße. Der Vorschlag der Kommission ist darauf ausgerichtet, jede Art von illegalen Einleitungen in die Gewässer Europas zu verhindern, indem die EU-Vorschriften an die internationalen Vorschriften angeglichen werden, der Anwendungsbereich auf ein breiteres Spektrum von Schadstoffen ausgedehnt wird und ein stärkerer Rechtsrahmen für Sanktionen und deren Anwendung geschaffen wird. Der Vorschlag zielt auch darauf ab, CleanSeaNet (die Datenbank der EMSA) zu optimieren, was zu einer zeitnahen Umsetzung und Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten führen soll. Über den Entwurf eines Berichts des Ausschusses für Verkehr und Tourismus des Europäischen Parlaments muss noch im Ausschuss entschieden werden.
- Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs. Mit diesem Vorschlag wird das Mandat der EMSA aktualisiert, um der zunehmenden Bedeutung der Agentur in vielen Bereichen des Seeverkehrs besser Rechnung zu tragen, darunter Sicherheit, Verhütung von Verschmutzung, Umweltschutz, Klimaschutz, Gefahrenabwehr, Überwachung und Krisenmanagement, einschließlich der neuen Aufgaben in den Bereichen Sicherheit und Nachhaltigkeit, die sich aus diesem Legislativpaket ergeben.
Die interinstitutionellen Verhandlungen über die vier Richtlinien wurden im Februar 2024 abgeschlossen, und die vereinbarten Texte wurden im März 2024 vom Ausschuss für Verkehr und Tourismus und vom Plenum im April 2024 bestätigt. Die endgültige Annahme wird nach der Überarbeitung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen im Rahmen des Berichtigungsverfahrens in der neuen Wahlperiode erfolgen. In Bezug auf die EMSA-Verordnung wurde die erste Lesung im Parlament im März 2024 abgeschlossen. Die interinstitutionellen Verhandlungen dazu werden in der neuen Wahlperiode fortsetzen.
Rolle des Europäischen Parlaments
In seiner Entschließung vom 5. Mai 2010 zu den strategischen Zielsetzungen und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018 unterstützte das Parlament grundsätzlich den Ansatz der Kommission. Es forderte auch weitere Maßnahmen gegen den Missbrauch von Billigflaggen, neue Vorschriften für staatliche Beihilfen sowie Leitlinien für Häfen, eine stärkere Berücksichtigung der Seewege innerhalb der TEN-V-Netze (insbesondere über die Meeresautobahnen), eine Verbesserung der Nachhaltigkeit des Seeverkehrs durch Verringerung der Emissionen von Schiffen und die Entwicklung einer europäischen Seeverkehrspolitik für einen gemeinsamen Meeresraum.
Am 15. Dezember 2011 nahm das Parlament eine Entschließung mit dem Titel „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Wege zu einem wettbewerbsbestimmten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ an. Dies geschah in Reaktion auf das Weißbuch der Kommission von 2011 zum gleichen Thema. In Bezug auf den Seeverkehr forderte das Parlament in seiner Entschließung
- die Vorlage eines Vorschlags hinsichtlich des „Blauen Gürtels“ bis 2013 (siehe COM(2013)0510 vom 8. Juli 2013),
- die Einführung von Maßnahmen für den Kurz- und Mittelstreckenseeverkehr auf EU-Ebene und
- die Zuweisung von zumindest 15 % der TEN-V-Mittel an Projekte zur Verbesserung nachhaltiger und multimodaler Anbindungen zwischen Seehäfen, Binnenhäfen und multimodalen Plattformen.
Am 2. Juli 2013 verabschiedete das Parlament eine Entschließung mit dem Titel „Blaues Wachstum – Förderung des nachhaltigen Wachstums in der Schifffahrt, im Seeverkehr und im Tourismus in der EU“, in der es seinen Fahrplan zur weiteren Förderung des Bereichs darlegte und Möglichkeiten zur Belebung der integrierten Meerespolitik aufzeigte. Das Parlament empfahl die Einrichtung von Systemen für maritime Raumplanung, den Ausbau der Infrastruktur und den Zugang zu beruflichen Qualifikationen. Entscheidend ist, dass das Europäische Parlament auch die immense Bedeutung von maritimen Kompetenzen und Beschäftigung, Forschung und Innovation sowie dem Anteil der EU an Schifffahrt und Schiffbau bekräftigte.
Am 28. April 2015 nahm das Parlament eine legislative Entschließung an, durch die es dem Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2015/757 vom 29. April 2015 über die Überwachung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr, die Berichterstattung darüber und die Prüfung dieser Emissionen und zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG in erster Lesung ohne Änderungen zustimmte.
Am 22. November 2016 nahm das Parlament eine Entschließung zur Freisetzung des Potenzials der Personenbeförderung auf dem Wasserweg an. Deren Ziel bestand darin, die Nutzung verfügbarer Überkapazitäten bei Infrastruktur und Schiffen in den Bereichen Küstenschifffahrt (Kurzstreckenseeverkehr), Fähren für den Binnen- und den Seeverkehr, städtische Mobilität und Mobilität in Randgebieten, Kreuzfahrten und Tourismus zu fördern.
Im Jahr 2020 nahm das Parlament eine Entschließung zu dem Thema „Der europäische Grüne Deal“ an. Es forderte die Kommission auf, sich von Schweröl in der Schifffahrt abzuwenden, in die Erforschung neuer Technologien für die Dekarbonisierung der Schifffahrt zu investieren und den Weg für die Entwicklung emissionsfreier Schiffe zu ebnen.
Am 27. April 2021 nahm das Parlament eine Entschließung zu technischen und operativen Maßnahmen für einen effizienteren und saubereren Seeverkehr an. Darin wird insbesondere darauf hingewiesen, dass der Seeverkehr zu den Anstrengungen der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen sollte, wobei gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors sicherzustellen ist. Außerdem wird betont, dass die Kraftstoffemissionen von Schiffen wirksam zu regeln sind und dass von der Verwendung von Schweröl in der Schifffahrt schrittweise abzusehen ist, und die Kommission wird aufgefordert, Projekte zur Dekarbonisierung des Seeverkehrs und zur Verringerung der Schadstoffemissionen zu entwickeln.
Was die kürzlich abgeschlossenen Verordnungen AFIR und FuelEU Maritime betrifft, so ist es dem Europäischen Parlament gelungen, die Anforderungen erheblich zu stärken und die Ambitionen zu erhöhen, insbesondere in Bezug auf die Bereitstellung von Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, die Grenzwerte für die Treibhausgasintensität der an Bord verwendeten Energie, die Verwendung erneuerbarer Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs und die Verpflichtung zur Anbindung an die landseitige Stromversorgung.
Im März und April 2024 schloss das Parlament die interinstitutionellen Verhandlungen über vier Vorschläge förmlich ab. Sie sind Teil des Maßnahmenpaket für die Seeverkehrssicherheit, mit dem die Sicherheitsstandards der EU im Seeverkehr verbessert und die Umweltauswirkungen des Seeverkehrs verringert werden sollen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Website des Ausschusses für Verkehr und Tourismus.
Ariane Debyser / Olena Kuzhym