Ein neuer islamistischer Vormarsch und syrisch-russische Luftangriffe zwingen erneut Zehntausende Menschen im Norden Syriens zur Flucht. Unter extrem schwierigen Bedingungen leistet die medico-Partnerorganisation Kurdischer Roter Halbmond in Rojava Soforthilfe für die Vertriebenen.
Flucht aus Shehba (Bild: Heyva Sor a Kurd)«Die Lage in Aleppo und der Region Shehba ist verheerend. Tausende Familien wurden erneut vertrieben, es gibt Tote und viele Verletzte. Derzeit fliehen Zehntausende aus Nordwestsyrien nach Rojava (Nordostsyrien). Unsere Teams leisten hier Erste Hilfe mit Ambulanzen und mobilen Kliniken und bereiten Schulen und andere Gebäude für die Unterbringung von Betroffenen vor. In den kommenden Tagen erwarten wir weitere Geflüchtete. Es mangelt an medizinischen Gütern, Trinkwasser, sanitären Anlagen, Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern. Wir sind dringend auf weitere Unterstützung angewiesen,» schreibt die medico-Partnerorganisation Kurdischer Roter Halbmond.
Der Vormarsch der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) bis Aleppo und Hama kam für die meisten Beobachter*innen unerwartet. Andere islamistische Gruppen, die enge Verbindungen zur Türkei haben, ergriffen die Gelegenheit und drängten aus Afrin nach Shehba vor. Die Reaktion des syrischen Regimes fällt brutal aus: Mit russischer Unterstützung werden Luftangriffe geflogen. Die Folgen für die Zivilbevölkerung sind dramatisch. Besonders bedroht von der Machtübernahme der islamistischen Milizen im Norden Syriens sind Kurd*innen und andere Minderheiten und die Frauen stehen einmal mehr im Zentrum der Gewalt.
Tausende Familien aus Aleppos kurdischem Stadtteil Sheik Maqsood flohen. Noch dramatischer ist die Lage in Shehba, wo seit dem türkischen Angriff auf Afrin 2018 rund 200'000 Flüchtlinge leben. Bis zur aktuellen Krise unterstützte medico international schweiz dort humanitäre Projekte. Die Menschen in den Lagern litten zuletzt unter Belagerung, ohne Nahrung oder Wasser. Der Selbstverwaltung gelang es, einen humanitären Korridor zu errichten und die Zivilbevölkerung zu evakuieren. Zehntausende Flüchtende gelangten nach Tabqa und Raqqa, wo sie vom Kurdischen Roten Halbmond versorgt werden.
Eine mobile Klinik der medico-Partnerorganisation Kurdischer Roter Halbmond (Heyva Sor a Kurd) in Rojava«Ca. 38'000 Familien, also rund 190'000 Menschen, wurden aus Shehba vertrieben. Ungefähr 30'000 Familien sind bereits in Rojava angekommen. Ein grosser Teil muss in Notunterkünften untergebracht werden, andere finden bei Verwandten in Kobane oder Qamishlo Zuflucht», informiert die medico-Partnerorganisation. Die neue Fluchtbewegung bringt den Kurdischen Roten Halbmond und die Selbstverwaltung Rojavas vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig bleibt die Region türkischen Angriffen ausgesetzt, und grosse Teile der zivilen Infrastruktur sind schwer beschädigt, was die humanitäre Hilfe zusätzlich erschwert.
Wir stehen in regelmässigem Austausch mit unseren Partner*innen vor Ort, die ihre Unterstützung flexibel an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen und sicherzustellen, dass die Hilfe effektiv ankommt.
Danke für deine Solidarität mit der Zivilbevölkerung in Nordsyrien!