Gewerkschaft setzt auf Regierung - In Brandenburg bröckeln die Polizeistationen weg

Mi 15.01.25 | 21:19 Uhr | Von Birgit Raddatz, Markus Woller, Torsten Sydow
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Marode Decke einer Polizeistation in Brandenburg. (Quelle: rbb)
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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 15.01.2025 | M. Woller | M. Lietz | Bild: rbb

Bei der Brandenburger Polizei fehlen fast 1.000 Beamtinnen und Beamte. Marode Gebäude und mangelhafte IT-Ausstattung machen den Beruf aus Sicht der Polizeigewerkschaft nicht attraktiver. Sie fordern mehr Investitionen. Von Birgit Raddatz, Markus Woller und Torsten Sydow

Der Holzwurm hat ganze Arbeit geleistet. Aus einer Wand in der Polizeiwache Kyritz (Ostprignitz-Ruppin) ragt ein zerfressener Holzbalken, ein Stromkabel liegt frei. Im Flur und in der Küche zeigt sich ein ähnliches Bild. In der Cottbuser Polizeiwache am Bonnaskenplatz hatte man sich zwar an eine mit dem Brandschutz konforme Deckenkonstruktion gewagt. Allerdings hängen seitdem die Kabel nackt von der Decke. Die Bilder wurden rbb|24 zugespielt. Das zuständige Innenministerium schreibt, man schließe die Bauarbeiten bald ab. "Außerdem wird für das laufende Jahr eine Fertigstellung des Neubaus der Polizeiinspektion Flughafen angestrebt", schreibt ein Sprecher.

Es sind nur einige Beispiele von maroden Gebäuden der Brandenburger Polizei. Auch auf dem Gelände in Seelow (Märkisch-Oderland) seien einige Gebäude nicht mehr begehbar, sagt der zuständige Bauamtsleiter Jörg Krüger. "Die letzte Sanierung des Polizeigebäudes war vielleicht vor 25 Jahren, und das nur von außen." Laut Krüger kommt hier nur der Umzug in ein anderes Gebäude in Frage.

Fast 130 Millionen Euro sind im aktuellen Doppelhaushalt 2025/2026 für Investitionen in die Ausstattung und Ausrüstung angemeldet, schreibt ein Sprecher des Innenministeriums auf rbb-Anfrage. Bisher war der Gewerkschaft der Polizei (GdP) das Geld zu wenig.

Nun gibt es eine neue Landesregierung: Katrin Lange (SPD) wechselte als Ministerin vom Finanz- zum Innenministerium. Den Brandenburger Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB), der für die Vergabe von Aufträgen für Sanierungen von landeseigenen Gebäuden zuständig ist, nahm sie gleich mit. Bei rbb|24 Brandenburg Aktuell sagte Lange am Mittwochabend: "Es liegt nicht nur allein am Geld, sondern oftmals auch an den Rahmenbedingungen, die wir auf dem Bau haben."

Brandenburger Polizeigewerkschaft fordert mehr Geld

Die GdP richtet ihre Forderungen deshalb nun noch einmal dezidiert an die Innenministerin. Man wolle vor allem mehr Geld. Die Gewerkschaft bemängelt zum Beispiel, dass aktuell nur 90 bis 100 Streifenwagen der Brandenburger Polizei rund um die Uhr bereit stünden - weil Personal und geeignete Fahrzeuge fehlen. Das sei im Flächenland Brandenburg "völlig inakzeptabel", kritisiert die Führung der Polizeigewerkschaft. Vor Jahren seien noch 120 Streifenwagen unterwegs gewesen.

Doch nicht nur den Zustand der Gebäude und die technische Ausstattung bemängelt die Gewerkschaft, allen voran brauche man neue Kräfte - ausgebildet oder angeworben. "Wir müssen die Möglichkeit schaffen, auch Seiteneinsteiger, Experten und Tarifangestellte anzuwerben, die uns bei der polizeilichen Sachbearbeitung unterstützen", sagt Anita Kirsten, Chefin der GdP Brandenburg. Dafür müsste das sogenannte Laufbahnrecht geändert werden.

Mehr Unterrichtsräume für den Nachwuchs

Außerdem müsse die Polizeihochschule ausgebaut werden, um mehr Personal auszubilden, so Kirsten. Derzeit lernen in Brandenburg 440 Polizeianwärterinnen und -anwärter jedes Jahr am Campus in Oranienburg (Oberhavel). Man sei räumlich voll ausgelastet, sagt der stellvertretende GdP-Landesbezirksvorsitzende für den Bereich Hochschule der Polizei, Mathias Ziolkowski. "Wir federn das Platzproblem derzeit verstärkt über Onlineunterricht ab, aber der Beruf hat ja vor allem etwas mit Teamwork zu tun."

Im Koalitionsvertrag der rot-lila Landesregierung ist die Zielmarke von 9.000 Polizistinnen und Polizisten festgeschrieben. Zum Stichtag im August waren bei der Polizei nach Angaben des Innenministeriums 8.200 Stellen besetzt. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass allein in diesem Jahr 350 Beamte in den Ruhestand gehen werden.

Technik schon bei Anschaffung wieder veraltet

Damit sich mehr Menschen für den Polizeiberuf entscheiden, müsse dieser auch attraktiv sein, findet Gewerkschaftschefin Kirsten. Das fange bei modernen Gebäuden an. Hier fehle oft ein stabiler WLAN-Zugang.

Es mangele zudem an mobiler IT-Technik. Erst vergangenes Jahr seien alle Brandenburger Polizeibeamtinnen und -beamten mit dienstlichen Smartphones und Tablets ausgestattet worden. Aber: "In dem Moment, wo wir eine Technik anschaffen, ist sie eigentlich auch schon veraltet", sagt Kirsten.

Was der Brandenburger Polizei außerdem fehle, seien flächendeckende, gesicherte Serververbindungen. Im vergangenen Jahr waren Unbekannte in das IT-System des Landeskriminalamtes eingebrochen. Ein Bürger hatte die Behörde auf das Datenleck aufmerksam gemacht. Der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende für den Bereich Kriminalpolizei, Alexander Poitz, fordert auch deshalb den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Datenauswertung. "Alles, was sich im Vorfeld online im kriminellen Milieu abspielt, darüber haben wir keine oder kaum Kenntnisse."

Cyberkriminalität gehört erst seit 2021 zum Aufgabenbereich der Brandenburger Polizei. Hier geht es vor allem um Prävention. "Und hier werden die Kollegen aber auch immer zuerst abgezogen, wenn es um andere Einsätze, etwa im Bereich des Wachschutzes, geht", bemängelt GdP-Chefin Kirsten.

Neu sind die Forderungen der Gewerkschaft nicht. Weniger dringlich scheinen sie jedoch auch in einer neuen Legislaturperiode nicht zu werden.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 15.01.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Birgit Raddatz, Markus Woller, Torsten Sydow

19 Kommentare

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  1. 19.

    Mal nachdenken. Die meisten Straftaten gehen nicht von rechten Kameradschaften aus. Das ist win breites Portfolio. Uberwiegend sind es aber Leute mit Migrationshintergrund bei Diebstählen, tätlichen Angriffen und Einbrüchen. Und das hat seit 2015 zugenommen. Das die Polizei in den letzten Jahren kaputtgespart wurde von spd und CDU, ist leider die traurige Gewissheit.

  2. 18.

    Meine Bilanz als Schöffe: 2x Angeklagter nicht gekommen, 1x anderer Schöffe nicht gekommen, 1x der Angeklagte sprach plötzlich einen anderen Dialekt der afrikanischen Regionalsprache als sein Dolmetscher.
    1x Verurteilung zur Bewährung.

  3. 17.

    Frau Lange als Innenministerin schlägt im rbb Interview den Woidketon an: Wir haben bereits...

  4. 16.

    Was stimmt damit nicht? Ist doch so, daß die rechtsextremen Kameradschaften den Mangel an Polizisten für Straftaten ausnutzen (Brandenburg). Mal nachdenken und recherchieren.

  5. 15.

    John oder Melinda - Hauptsache etwas schreiben, um die üblichen Floskeln sinnfrei zu verbinden.

    "Der Begriff "Kameradschaft" (auch "Freie Kameradschaften", "Freie Kräfte" oder "Freie Nationalisten") ist eine Selbstbezeichnung loser Personen­zusammen­schlüsse im neonazistischen Spektrum. Ziel dieser Organisations­form ist es, staatliche Verbotsversuche ins Leere laufen zu lassen." (bpb.de)

    Gibt es auch linke oder muslimische Kameradschaften? Eher wohl nicht ...

  6. 13.

    >"Vielleicht könnten die Polizei mehr draußen arbeiten statt im Büro."
    Polizeiarbeit ist nun mal auch viel Schreibarbeit. Warum? Weil Sie und wir als Bürger das verlangen! Alles muss nachgewiesen und protokolliert werden, damit wir als Bürger auch den Nachweis haben, dass die Polizisten im Dienst nicht eigenmächtig gehandelt haben. An dieser Bürokratie sind wir zum Teil mit Schuld.
    Und draußen sind sie ja. Wenn Sie im Alltag keine Polizisten sehen, kann es daran liegen, dass Sie sich in einem relativ sicheren Umfeld bewegen, in der die Polizei nicht alle paar Minuten mit ner Streife vorbei fahren muss. Das sieht in anderen Stadtteile und Regionen schon anders aus. Gehen Sie mal nach Berlin in einschlägige Viertel. Da sehen sie jeden Tag Polizisten als reine Vorbeuge-Präsenz.

  7. 12.

    Gerechte Bezahlung ist eine Möglichkeit. Was nach wie vor fehlt ist die politische sowie auch judijative unterstützung.
    Welche Motivation sollte bei der Polizei hochkommen, wenn der von der Executive festgenommene Straftäter vom Gericht sogleich wieder freigelassen wird, wenn es überhaupt zu einer Verhandlung kommt.
    Es ist doch immer wieder zu erfahren, dass Täter, welche mehrfach bekannt sind im Grunde wenig zu befürchten haben.
    Jedoch ist mir schon vor Jahren aufgefallen das immer weniger Polizei zu sehen ist. Man fährt den ganzen Tag durch Berlin und benötigt nicht mal eine Hand um sichtbare Polizei abzuzählen. Vielleicht ist es auch weniger interessant sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, wenn so gut wie kein Respekt vor dem Amt aufgebracht wird. Das die Polizei mit mehr oder bessere IT auszustatten ist, würde jedoch nur bei einer Vernetzung mit allen wichtigen Behörden und Ämtern Sinn machen. Leider lässt sich weiterhin niemand in die Karten schauen.

  8. 11.

    Am Besten die Wiedereinführung eines Abschnittsbevollmächtigten, aber nicht von der sogenannten ,,AfD''!

  9. 10.

    Und vor allem braucht man den direkten Kontakt zum Bürger. Wenn einmal in der Woche der Streifenwagen durchs Wohngebiet fährt, ist das kein Kontakt. Es muss die gut erreichbare Wache geben, wo man im Gespräch Dinge klären kann -nicht erst mühselig Mailadresse oder Telefonnummer des zuständigen Beamten heraussuchen müssen, diesen dann auch noch erreichen oder auf Rückmeldung warten. Und dann ist noch fraglich, in wieweit überhaupt dem Anliegen nachgekommen werden kann -oder ob man überhaupt will.

  10. 9.

    Vielleicht könnten die Polizei mehr draußen arbeiten statt im Büro.

    Am besten wäre es, ernsthaft zu versuchen die Kraftfahrzeugführer zum Einhaltung der Regeln zu zwingen.

  11. 8.

    Da muss zweifelsfrei viel getan werden - aber der IT-Wahn macht es insbesondere ahnungslosen Planern und Politikern oft zu einfach. Eine Institution wie eine Schule oder ein Polizeirevier rettet man nicht, indem man 1 Mio. Euro in Form von Tablets draufschmeißt. Ich kenne Schulen, in denen die teuren angeschafften Pads nun im Schulschrank versauern. Hauptsache, irgendwas Digitales war mal angeschafft worden. Gute Polizeiarbeit im Regionalen braucht keine Quantencomputer, sondern:
    - angemessene Vergütung (da sollte das Geld hin)
    - genügend Erholungszeit (Urlaub, Überstundenabbau)
    - ein demokratisches, weltoffenes und tolerantes / freundliches, respektvolles Arbeitsklima

  12. 7.

    Wenn wir eines nicht brauchen, dann noch mehr Geld für die Polizei. Überall fehlt das Geld. Brandenburg ist mehr als sicher. Das Geld wird woanders viel dringender gebraucht.

  13. 6.

    Vielleicht mal die Hauptausgabeblöcke sich anschauen.

  14. 5.

    Genau das nutzen die vielen von der Rechtsextremen unterwanderten Kameradschaften aus.

  15. 4.

    Die Polizei sollte im In- und Ausland nach Spendern suchen: Seit 2023 flossen allein über 600 Millionen Euro an Projekte der Bill und Melinda Gates Stiftung, oder an Projekte der Grünen-nahe Stiftung Zentrum Liberale Moderne (LibMod). mit Laufzeit bis 2025 gingen Bundesmittel in Höhe von über 2,5 Millionen Euro. (siehe Antwort der Bundesregierung / Drucksache 20/14424) ....

  16. 3.
    Antwort auf [Steppenwolf] vom 15.01.2025 um 19:37

    Nur weil „X“ oder Facebook“ Fakenews nicht löschen, finde ich nicht, dass der rbb dies nicht tun sollte. Die Zahl ist schlicht falsch… Richtig ist einzig das Unverständnis, dass die Politik allgemein die Infrastruktur so runterwirtschaftet. Als Geld ohne gab wurde nichts getan und nun soll ja schließlich gespart werden. Wertschätzung sieht anders aus!

  17. 2.

    Die Polizei in Eberswalde hat noch nicht mal eine feste Wache. Die arbeiten auf gepackten Koffern und die Polizei im Barnim haben kaum noch fahrende Fahrzeuge.

  18. 1.

    Genau das nutzen die vielen von der Rechtsextremen unterwanderten Kameradschaften und Reichsbürger ja aus. Wehret den Anfängen.

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