Geothermie - Neuruppin heizt künftig mit Thermalwasser

Fr 10.01.25 | 14:00 Uhr | Von Philipp Rother
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Symbolbild:Ein weiteres Bohrgestänge wird auf der Baustelle für die Erweiterung der Geothermie-Anlage auf dem Bohrturm montiert.(Quelle:picture alliance/dpa/J.Büttner)
Bild: picture alliance/dpa/J.Büttner

Tief unter Neuruppin schlummern enorme Wärmevorkommen, die zum Heizen genutzt werden sollen. Um das Thermalwasser an die Oberfläche zu befördern sind zwei tiefe Bohrungen nötig. Das ist nicht billig. Von Philipp Rother

Erdwärme wird vor allem in Vulkanregionen für die Energiegewinnung genutzt - zum Beispiel in Island. Dort ist über 200 Grad heißes Wasser in nur 1.000 bis 2.000 Metern Tiefe zu finden.

Der Norden Brandenburgs ist nicht als Vulkanregion bekannt. Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) setzt trotzdem auf Erdwärme, auch Geothermie genannt. Denn unter der Stadt ist heißes Thermalwasser. Die ortsansässige Therme nutzt das bereits seit Jahrzehnten. Künftig soll es auch für die Wärmegewinnung genutzt werden. Auch in Berlin, Potsdam und Prenzlau (Uckermark) laufen ähnliche Projekte.

"Wir sitzen hier auf einer riesigen Blase aus heißem Wasser", sagt der Geschäftsführer der Neuruppiner Stadtwerke Thoralf Uebach. Die Wärme entstehe durch natürliche geothermische Prozesse in der Erdkruste.

Erdwärme bietet großes Potenzial

Bereits 1987/88 hatte Neuruppin erste Erkundungsbohrungen vorgenommen, wenige Jahre später wurde eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, dann aber doch auf billiges Erdgas gesetzt. Seitdem hat sich viel verändert. Daher suchten die Stadtwerke nach Alternativen und griffen auf die Erkenntnisse der früheren Bohrungen zurück.

Kurz vor Weihnachten wurden die Bohrungen auf dem Gelände der Neuruppiner Stadtwerke in der Heinrich-Rau-Straße abgeschlossen. "Die Löcher sind versiegelt und einsatzbereit", sagte Uebach.

Auf dem Weg Richtung Klimaneutralität bietet die Nutzung von Erdwärme nach Ansicht des Bundesverbandes Geothermie großes Potenzial. 40 Prozent der Wärmeversorgung Deutschlands könnten demnach aus Geothermie sichergestellt werden. Auch die Internationale Energie-Agentur (IEA) hatte zuletzt dazu aufgerufen, das Potenzial von Erdwärme stärker zu nutzen. Bislang sei die Nischentechnologie, hieß es.

Das Geothermieprojekt in Neuruppin funktioniert mit zwei Bohrungen: Durch das eine Rohr wird rund 65 Grad heißes Thermalwasser aus 1.700 bis 1.900 Metern Tiefe an die Oberfläche gepumpt. Dort wird dem Wasser die Wärme entzogen. Durch das zweite Rohr wird es dann zurückgeleitet. "Wir entnehmen nur die Wärme und injizieren das Wasser danach wieder in die Erde", erklärte Uebach. Für die sechsmonatigen Bohrungen wurden in Neuruppin zwölf Meter hohe Schallschutzwände und ein 27 Meter hoher Bohrturm aufgestellt.

Bohrturm wurde schon wieder abgebaut

Der Turm ist mittlerweile schon wieder flachgelegt worden. Jetzt muss die sogenannte Obertagetechnik gebaut werden. "Wir mussten vorher genau wissen, was die Bohrungen wirklich leisten können", sagte der Stadtwerkechef im Gespräch mit dem rbb: "Wir wissen jetzt, welche Wärmepumpen wir benötigen - die werden jetzt ausgeschrieben." Es ist also noch Geduld gefragt. Es sollen Anlagen mit sechs Wärmepumpen errichtet werden. Darin soll das Wasser dann um weitere 20 Grad erhitzt werden, um daraus Energie zu gewinnen. Diese wird dann in das Fernwärmenetz Neuruppin eingespeist.

Die Stadt im Norden Brandenburgs verfügt über ein dicht ausgebautes Fernwärmenetz, das nicht nur die Neubaugebiete, sondern auch die Altstadt versorgt. Bisher wird die Wärme mit Erdgas erzeugt.

Ab Ende 2026 sollen 70 Prozent des Bedarfs durch die Tiefen-Geothermie abgedeckt werden. Rund 20.000 Menschen sollen dann dank Erdwärme heizen und profitieren. "Wir können damit für die Kunden die Preise langfristig stabil halten und koppeln uns weiter von fossilen Brennstoffen ab und werden unabhängiger von Eskapaden, die in der Welt passieren und die Energieversorgung unsicher machen", sagte Stadtwerkechef Uebach.

Zusätzlich soll das bestehende Holzhackschnitzel-Kraftwerk für die Wärmeerzeugung genutzt werden. Insgesamt könnten rund 30.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Nur zu Spitzenzeiten sei die Nutzung der bisherigen Gasheizanlagen notwendig.

Bund stellt Fördermittel in Höhe von 10,2 Millionen Euro bereit

Die Gesamtinvestitionen für das Geothermieprojekt liegen nach Angaben der Stadtwerke bei rund 30 Millionen Euro. Der Bund stellt Fördermittel in Höhe von 10,2 Millionen Euro bereit. "Geothermie ist in Neuruppin eine Erfolgsgeschichte - wir haben mehr Leistung als geplant", sagt Uebach. Und es gibt auch schon weitere Gedankenspiele: Es gebe die Möglichkeit, die Bohrungen nahe der Therme zu erweitern, sagt Uebach. Darüber hinaus sei eine zweite Bohrung im nördlichen Teil der Stadt denkbar. So könnte künftig das ganze Fernwärmenetz Neuruppins durch die Wärme des Thermalwassers gespeist werden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 07.01.2025, 17 Uhr

Beitrag von Philipp Rother

17 Kommentare

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  1. 17.

    Preise spielen doch in Cottbus nun wirklich keine Rolle - für die Lausitz, übernimmt doch sowieso, Vater Staat jede Rechnung - ist doch vollkommen egal, was irgend etwas kostet - Rechnung ist doch schon bezahlt, LG nach Cottbus.

  2. 16.

    Kommt also eine herkömmliche Wärmepumpe bis zu einer Vorlauftemperatur von 40 Grad Celsius auf eine Jahresarbeitszahl von 3, sorgt jedes weitere Grad, das sie zu leisten hat, für deren Absinken um rund 6 Prozent. Bei einer Hochtemperatur-Wärmepumpe, die meist 65 Grad Celsius oder mehr bereitstellen muss, liegt die JAZ bei gleicher Wärmequelle demnach bei nur um die 2.

    Strom macht dann also 50 Prozent der erzeugten Wärmeenergie aus. In Anbetracht dessen, dass Strom circa dreimal so teuer wie andere Energieträger ist, bedarf es einer möglichst hohen Jahresarbeitszahl, um den Betrieb einer Wärmepumpe wirtschaftlich zu machen.

  3. 15.

    Weil Sie von Energieerhaltungssatz reden.
    Alle Energie die wir Menschen zur Nutzung wandeln wird danach wieder an die Umwelt in Form von Wärme abgegeben.
    Den Anteil den wir in unseren Produkten oder Müll speichern können wir vernachlässigen weil wir diese größtenteils irgendwann verbrennen.
    Solare Wärme in der Atmosphäre ist die Ursache für unser Wetter. Wenn wir nun also die Energie der Sonne (Wind+PV+Wasser) abgreifen, nutzbar machen und doch wieder an die Atmosphäre abgeben, bleibt sie in Summe fürs Wetter erhalten.

  4. 14.

    Entscheidend bei der Wärmepumpe ist doch nicht die absolute Vorlauftemperatur sondern die Differenz zwischen der primären Quelle zum Verbraucherkreis. Und die 15-20K die hier erwähnt werden sind überhaupt kein Problem. Macht jeder Kühlschrank sehr effizient.
    Entscheidend ist der an die zu erwartenden Bedingungen angepasste Kältekreislauf.
    Wenn die Bedingungen konstant sind, ist das umso effizienter möglich.
    Quelltemperatur ist im vorliegenden Fall konstant nur die Wärmeabgabe schwankt, das kriegt man über entsprechende Wärmespeicher bzw. die Trägheit eines großen Fernwärmenetzes leicht in den Griff.

  5. 13.

    Alles korrekt, was Sie da schreiben. Nur, auch eine Hochtemperatur-Wärmepumpe nutzt eben auch nur den Carnot-Prozess, wie jede andere Wärmepumpe, der den Nachteil mit sich bringt, dass bei hohen Vorlauftemperaturen der Thermodynamische Hebefaktor in den Keller geht. COP-Werte von 2,5 bei Vorlauftemperaturen von 65 Grad scheinen mir sehr unrealistisch zu sein.

  6. 11.

    Wenn das Schule macht sehe ich in einigen Jahrzehnten den Erdkern abkühlen, dadurch das Magnetfeld zusammenbrechen usw. Wie die Windkraft Gigawattweise Energie aus den Luftströmungen zieht was denen fürs Wetter fehlt. Und dann ist der Klimawandel Schuld. Physik kann man nicht betrügen. Lernt man heute noch Energieerhaltungssatz? Oder nennt man das heute Perpetuum Mobile?

  7. 10.

    Da Sie in Cottbus wohnen, wird die Anlage in Neuruppin keinen Einfluss auf Ihr thermisches Befinden haben.
    Das Sie mit Ihrer Ursprungsfrage nach dem Wirkungsgrad keine Antwort zu den für Sie eigentlich hinterfragten Endverbraucherpreisen bekommen, dürfte klar sein.
    Da so eine Anlage immer eine Sepzialanfertigung ist, werden Sie sowieso keine Antwort dazu bekommen, es sei denn jemand der Stadtwerke Neuruppin hätte Interesse daran es Ihnen mitzuteilen. Warum auch immer jemand das machen sollte.

  8. 9.

    Die Investitionskosten werden sich rechnen müssen, auch bei einem Stadtwerk. Eine gutes, leistungsfähiges Gerät, nur das Gerät, ist ab etwa 10000 Euro für ein EFH zu haben. Die Dimension in Neuruppin dürfte technisch und finanziell um einiges höher liegen - da bin ich raus. Also mal in die Glaskugel gucken. Inwieweit das Holzhackschnitzel-Kraftwerk mit am Start ist kann ich auch nicht sagen. Strom wird auch benötigt - ohne weitere Komponenten (Kraftwerk s.o.) könnten 35 - 45 % der Gesamtleistung aus Strom gedeckt werden müssen - somit also 55 - 65% aus natürlichen (kostenlosen) Wärmeenergie. Kostenseitig würden steigende Preise bei fossilen Brennstoffen und die steigende CO2-Abgabe evtl. auch Förderungen auf der Habenseite stehen. Billiger wirds wahrscheinlich nicht, aber die Alternativen gehen langsam aus. Je früher angefangen wird, desto besser.

  9. 7.

    Ja das klingt alles sehr gut und 30 Mio. Investitionen für die Wärmegewinnung für 20.000 EW klingt nach wirtschaftlich lukrativ, da ja das Wärmenetz schon vorhanden ist.
    Wärmespeicher für mehr Flexibilität sind ja inzwischen Standard in neuen Heizwerken. Würde ich hier auch vermuten um die Schwankungen am Strommarkt für die Beschaffung der Hilfsenergie ausnutzen zu können.
    Ein Gasheizkraftwerk in der Größe dürfte kaum billiger zu bauen sein.

  10. 6.

    Suchen sie mal nach "Hochtemperatur-Wärmepumpen". Im Zusammenspiel mit Scrollverdichtern gehen Temperaturen von 80 bis 100 Grad. COP-Werte von 2,5 sind machbar. Eine hochinteressante aber nicht ganz billige Technik. Da die geologischen Voraussetzungen in Neuruppin wohl recht gut sind, kann man nur gutes Gelingen wünschen.

  11. 5.

    Naheliegend wäre eine Sole-Wasser Wärmepumpe. In der Leistungsklasse wird alles inclusive dem Kältemittel speziell und exakt auf die Bedingungen und den Bedarf angepasst. Also nix aus dem Regal/Katalog eines Herstellers.
    Wasser-Wasser wäre auch möglich, würde aber einen zusätzlichen Wärmetauscher benötigen also etwas weniger effizient aber sicherer was die Risiken bei Leckage im System verringert weil dann nur Wasser in den Erdwärmekreis gelangen kann.

  12. 4.

    Oh Gott.....ich will nur wissen, um wieviel teurer es wird, meinen Arsch warm zu kriegen!

  13. 3.

    Ziemlich zweckfreier Vergleich wenn man fossile Energiequellen ablösen möchte.
    Energetisch relevant wäre nur der Vergleich an Hilfsenergie der zugeführt werden muss und die entsprechenden Kosten inklusive der Prognose der zukünftigen CO2 Kosten.
    Die Klima- und Schadstoffbilanz ist definitiv besser bei der Erdwärme.

  14. 2.

    "Wir wissen jetzt, welche Wärmepumpen wir benötigen - die werden jetzt ausgeschrieben." Die müssten dann mit einer Vorlauftemperatur von 65 Grad das Wasser auf 80 Grad erhöhen. Welche Wärmepumpe arbeitet bei diesen hohen Vorlauftemperaturen in einem wirtschaftlichen Bereich?

  15. 1.

    Wie ist der Wirkungsgrad gegenüber Erdgas?

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