Ueli Hurter
Die Landwirtschaft als lebendige Ganzheit zu erfassen und zu gestalten gehört zu den wichtigsten Prinzipien des biodynamischen Impulses. Im Speziellen führt Rudolf Steiner drei Begriffe ein, er spricht vom landwirtschaftlichen Organismus, von der Landwirtschaft als Individualität und im 8. Vortrag von der Ich-Anlage. Diese Begriffe können Inspirationsquellen sein, um immer wieder einen Schritt weiter zu kommen im Verständnis, in der Beobachtung und in der Ausgestaltung unserer Landwirtschaften.
Fasst man die Landwirtschaft als Organismus auf – sei es als Betrieb, als Dorf oder als Talschaft – dann spricht man von einem durch Kultivierung aus der zu Grunde liegenden Natur herausgebildeten Organismus. Das Modell oder Vorbild kann in natürlichen Organismen, wie sie insbesondere in den Säugetieren ausgestaltet sind, gesehen werden. Bei diesem stehen die einzelnen Organe ganz im Dienst der Ganzheit. Entsprechend werden im landwirtschaftlichen Organismus die einzelnen Betriebszweige zu Organen des Betriebsorganismus. Dies eröffnet eine ganz neue Sicht auf jeden Teil, der jetzt als Organ gesehen wird, d.h. im Dienste des Ganzen steht und aus diesem Ganzen einen grossen Teil seiner Aufgabe erhält. Der Organismus ist geschlossen, das ist sein Prinzip. Dies ist möglich durch eine grosse innere Diversität einerseits und andererseits durch einen geschlossenen Substanzkreislauf über Dünger – Boden – Futter.
Steiner führt mit dem Begriff „landwirtschaftliche Individualität“ einen Kulturbegriff in die Landwirtschaft ein, er sprengt damit den Rahmen der klassischen Agronomie. Der Mensch als Individualität wird Modell für die landwirtschaftliche Ganzheit. Damit wird sie über den Begriff des Organismus hinausgeführt.
Ein im Sinne einer Ganzheit entwickelter und über die Jahre gepflegter Ort – Hof, Garten, Park, Talschaft – bildet in sich wieder alle Elemente aus, die die umfassende Natur hervorgebracht hat. In diesem Spannungsverhältnis von Speziell und Universell gründet die Identität eines Betriebes.
Pierre Masson
In den acht Vorträgen zur Landwirtschaft die Rudolf Steiner Juni 1924 in Koberwitz gehalten hat, nehmen die biologisch-dynamischen-Präparate einen zentralen Platz im vierten und fünften Vortrag ein. 90 Jahre danach kann man feststellen, dass in der Praxis einer biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die sich auf einer spirituellen Auffassung der Beziehungen zwischen dem Mensch, der Erde und dem Kosmos gründet, und die sich auf die Schaffung individualisierter, geschlossener landwirtschaftlicher Organismen stützt, die Erzeugung und Anwendung der acht Präparate, die aus der geisteswissenschaftlichen Forschung Rudolf Steiners hervorgegangen sind, im Mittelpunkt stehen.
Zwei sich ergänzende Spritzpräparate:
Das erste, das Hornmistpräparat, auch 500 genannt (nachdem Ehrenfried Pfeiffer 500 Millionen aerobe Bakterien pro Gramm im fertigen Präparat festgestellt hatte), wird aus Kuhmist hergestellt. Der Kuhmist wird in ein Kuhhorn gefüllt und während sechs Monaten in einem fruchtbaren Boden überwintert. Das Präparat richtet sich vor allem auf die Kräftigung des Bodens und des Wurzelsystems, wobei es die Pflanze „von unten herauf stösst.“
Das zweite, das Hornkieselpräparat, auch 501 genannt, wird aus fein zerkleinertem Quarz hergestellt, dass in ein Kuhhorn eingefüllt und vergraben wird, um sechs Monate den Sommer-Kräften der Erde ausgesetzt zu sein. Es ist wie ein "Versprühen von Licht", und wirkt auf die oberirdischen Pflanzenorgane indem es die Pflanzen „von oben zieht.“
Sechs Präparate, die üblicherweise dem Stallmist und dem Kompost zugegeben werden
Vier der sechs Kompostpräparate machen in einer tierischen Hülle die im Boden eingegraben wird einen Fermentationsprozess während des Winters durch. Dies nachdem sie vorher teilweise aufgehängt den Kräften des Sommers ausgesetzt wurden. Für die Schafgarben Blüten (502) wird als Hülle eine Hirschblase benutzt, für die Kamille (503) ein Rinder Dünndarm, der Schädel eines Haustieres für die Eichenrinde (505) und das Gekröse (Mesenterium) einer Kuh für den Löwenzahn (506).
Zwei weitere Präparate benötigen keine Umhüllung. Es handelt sich um das Brenneselpräparat, das sich direkt in der Erde vergraben während eines ganzen Jahres entwickelt (504), und um den flüssigen Auszug aus den Blüten des Baldrians (507).
Die Verwandlung der lebendigen Materie (Boden, Pflanzen, Tiere und Lebensmittel), die sich aus der Anwendung kleinster Quantitäten von alchimistisch metamorphosierten Substanzen in den Präparaten ergibt, stellt einen einzigartigen Impuls dar, der die biologisch-dynamische Landwirtschaft charakterisiert.
Jean-Michel Florin
In der Praxis der biodynamischen Landwirtschaft wurde und wird der Aspekt der Wirkung der kosmischen Rhythmen unter den Produzenten sehr unterschiedlich berücksichtigt. Die Spannbreite erstreckt sich von Menschen, die meinen der Himmel wirke heute nicht mehr, bis zu denjenigen, welche die astronomischen Rhythmen so genau wie möglich berücksichtigen. Die direkte Verbindung zwischen kosmischen Rhythmen (besonders über den siderischen Rhythmus und die 4 Elemente-Wirkungen) und Pflanzen, wie sie die Gartenkalender herausarbeiten, trifft die Sehnsucht sehr vieler Menschen nach einer neuen Verbindung mit der Natur und mit den Sternen.
Die Landwirtschaft arbeitet mit einem Zusammenspiel von sehr vielen verschiedenen Faktoren, die in der Praxis untrennbar sind. Jedes Feld ist ein total offenes System. Die äusseren Einflüsse analytisch zu trennen ist beinahe unmöglich. So wirken die meteorologischen Bedingungen, das lokale Klima, der Boden, die Art der Düngung und vieles andere zusammen. All diese Bedingungen können auf die Empfänglichkeit der Pflanze für kosmische Rhythmen einen Einfluss haben. Ein weiterer, oft vergessener Aspekt, der einen wesentlichen Einfluss hat, wann immer man Versuche mit dem Lebendigen macht, ist der Mensch selbst. Für die Kulturpflanze ist der Landwirt ein sehr wichtiger Teil ihrer Umgebung: er kann durch seine Aufmerksamkeit, Begeisterung und Empfindlichkeit bestimmte Wirkungen verstärken oder vermindern. Es ist interessant, verschiedenen Menschen auf ihren Höfen oder auf ihren Versuchsfeldern zuzusehen. Warum? Dabei kann man die Grenzen der statistischen Forschung erleben welche die natürliche Variabilität und den Einfluss des handelnden Menschen durch die statistische Auswertung eliminiert. So kann man Landwirte antreffen, die sehr effektiv mit den kosmischen Rhythmen arbeiten.
Peter Kunz
Die Pflanzen sind vom Wesen her viel mehr als das, was die heutige Wissenschaft in ihnen sieht. Das reduktionistische Denken sieht sie als komplizierte biologische Mechanismen. Pflanzen sind Lebewesen, die aus dem Bezug zu anderen Elementen in ihrer Umwelt leben, Substanz bilden und sich diesen Beziehungen entsprechend ausgestalten. So werden sie zum qualitativen Bild ihrer Umwelt. Es gehört zu den wichtigen biodynamischen Zuchtzielen, diese Anpassung der Pflanzen an die spezifischen Standortbedingungen der Höfe zu ermöglichen.
Saatgut ist ein essenzielles Gut. Ohne Saatgut wächst keine Ernte heran. Alle Landwirte und Gärtner benötigen es für die Erzeugung der verschiedensten Produkte. In den Industrieländern ist es längst zur Regel geworden, dass es als Produktionsmittel zugekauft wird; nur noch selten und auch nur bei den einfach vermehrbaren Arten wird das Saatgut von den Landwirten selbst erzeugt.
Die Sorten die durch die konventionelle Züchtung entstanden, halten ihre Versprechungen oft nur innerhalb des Gesamtsystems einer industriellen Landwirtschaft mit allen verwendeten Hilfsmitteln (Düngung, Unkrautbekämpfung, Pflanzenschutz, Wachstumsregulatoren usw.). Die Landwirtschaft musste sich oft an die neuen Industriesorten anpassen. Jede ökologische Landwirtschaft, die auf diese Hilfsmittel bewusst verzichtet, braucht demgegenüber Pflanzensorten, die unter den meistens nicht optimalen Anbaubedingungen gut gedeihen, gegenüber Schädlingen und Krankheiten widerstandsfähig sind und dennoch gute Erträge und die gewünschte hohe Nahrungsqualität bilden.
Dr. Anet Spengler Neff
Die Methode, die Rudolf Steiner im Landwirtschaftlichen Kurs anwendet und anregt, ist das Sich-Hineinversetzen in das Tier: sein Leben ist der Ausgangspunkt, um es zu verstehen. Wer so vorgeht, kann gar nicht anders als die Bedingungen für die Tiere so zu gestalten, dass sie ihr Wesen zeigen und leben können und so ihren bestmöglichen Beitrag zur Landwirtschaft leisten. Diese Methode greift, wenn viele einzelne Personen sie anwenden und weitergeben und die Ergebnisse umsetzen. Dann wird sich die Landwirtschaft verändern und die Tierhaltung wird bodenständig und artgerecht, an immer mehr Orten. Die Nutztierhaltung trägt dann immer zur intakten Umwelt und zu einer vielgestaltigen, kreativen Seelenwelt bei. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Tiere richtig verstehen.
Eine gute Mensch-Tier-Beziehung ermöglicht die Entwicklung neuer Fähigkeiten bei Tieren und Menschen. Ein Teil des Sinns unserer Haus-und Nutztierhaltung liegt wahrscheinlich in dieser gemeinsamen Entwicklung - es ist eine Entwicklung des Seelischen - und nicht nur der ökologischen, ethischen und ernährungsökonomischen Aspekte.
Renate Lendle
Geradezu revolutionär entwickelt Rudolf Steiner in seiner Einführung in den Landwirtschaftlichen Kurs eine Erweiterung der vorherrschenden naturwissenschaftlichen Sichtweise über die Ernährung. Die gängige Vorstellung der Wissenschaft ist: wir bauen unseren Körper aus unseren irdischen Nahrungsbestandteilen auf. Das gilt laut Rudolf Steiner nur für den Kopf, d. h. für das Nerven-Sinnes-System. Die stoffliche Nahrung wird hauptsächlich zur Gewinnung von Energie für unsere Muskelbewegungen und die Versorgung der inneren Organe verwendet. Substanzaufbau des Körpers erfolgt durch die Aufnahme von Stoffen über unsere Sinnesorgane, die Augen, die Haut, die Atmung, also aus dem Kosmos. Sich dieses vorzustellen ist nicht einfach. Eine Hilfe dabei ist die quantitative Betrachtung der Substanzen, die bei einer zyklischen Erneuerung des menschlichen Körpers zu ersetzen wären. Diese Mengen sind sehr gering. Über die tägliche Nahrung nehmen wir ein Vielfaches davon auf. Bei der Verdauung werden vor allem die Kräfte, die darin stecken frei und dienen dem Körper als Anregung und sozusagen als „Vorbild“. Daher ist es wichtig dass die Nahrungsmittel selbst möglichst gesund und vital sind, so dass wir ihre Kräfte für uns erschliessen können. Von den Kräften die wir über die Nahrungsmittel bekommen, hängt es letztendlich in einem grossen Masse ab ob wir unseren Willen in der Welt umsetzen können. Biodynamische Landwirtschaft produziert Lebensmittel die Körper, Seele und Geist nähren.
Änder Schanck
Man kann eine ökologische oder biologisch-dynamische Landwirtschaft, nur dann einigermaßen mit Erfolg im größeren Maßstab umsetzen kann, wenn gleichzeitig die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in die die Landwirtschaft insgesamt eingebunden ist, in den Blick genommen werden und versucht wird, zumindest ansatzweise mitzugestalten. Die biologisch-dynamische Bewegung hat schon sehr früh im letzten Jahrhundert versucht, mit Richtlinien und einer Demeter-Kennzeichnung der Produkte die rechtliche Basis zu schaffen, damit auf diesem Wege erzeugte Lebensmittel zu den Kunden finden.
Rudolf Steiner weist 1922 in dem von ihm gehaltenen Nationalökonomischen Kurs darauf hin, dass die Arbeitsteilung durchaus zeitgemäß und volkswirtschaftlich dem Selbstversorgungsprinzip überlegen sei. In demselben Kurs betont er aber auch deutlich, dass die Landwirtschaft selbst eine Ausnahme in dieser Beziehung darstellt und sie sich sehr wohl, um gesund zu bleiben, in vielen Dingen selbst versorgen müsste. Er hat sich dann eindringlich dafür eingesetzt, dass man im Rahmen seiner Darstellungen und Forderungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus, dieser modernen Wirtschaftsentwicklung mit sogenannten Assoziationen begegnen müsste. Die Akteure des Wirtschaftslebens, er nennt sie in der Regel Vertreter von Produktion, Handel und Konsumtion, müssten sich zusammenfinden, um gemeinsam die sie betreffenden Dinge zu regeln. Er begründet das unter anderem damit, dass im Sozialen jedes Einzelurteil falsch sei. Er drängt immer wieder darauf, über diese Assoziationen Vernunft und Gemeinsinn in den an sich blinden Markt zu bringen.
Dr. Uli Johannes König
Bereits während des Landwirtschaftlichen Kurses forderte R. Steiner die Landwirte auf, die Angaben, die er machte, zu prüfen und in der Praxis zu erforschen. Um die Forschungsergebnisse auszutauschen, wurde ein Versuchsring anthroposophischer Landwirte noch während der Tagung in Koberwitz gegründet.
Die Themen, die R. Steiner anschnitt, waren entweder äußerst komplex (z.B. Individualisierung des Betriebsorganismus), oder sie betrafen das Grenzgebiet zwischen physisch messbaren Größen und ätherisch-geistigen Wirkungen (z.B. die Präparate oder die Unkraut- und Schädlingsregulierung durch Veraschung). Wie dies zu erforschen war, hat er nicht explizit beschrieben. Aus dem Landwirtschaftlichen Kurs geht aber hervor, dass der biologisch-dynamische Landwirt idealerweise als "Meditant", das heißt geistig Forschender gesehen wurde. Dass dies auch für die damaligen Landwirte schon ein hoher Anspruch war, braucht nicht erwähnt zu werden. R. Steiner ging mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon aus, dass man die von ihm gewonnenen Ergebnisse mit alternativen wissenschaftlichen Ansätzen, die es aber noch zu entwickeln galt, prüfen und nach außen darstellen kann. Schaut man heute auf die Entwicklung dieser alternativen wissenschaftlichen Ansätze zurück, so kann man deutliche Phasen erkennen, in denen sehr unterschiedlich gearbeitet wurde.
In den ersten Jahrzehnten (der sogenannten Pionierphase) entwickelten Einzelpersonen sehr individuelle Forschungsansätze, die aber meistens so schlecht dokumentiert wurden, dass sie heute nur noch wenig Bedeutung haben. Diese Phase lief etwa in den 70er Jahren aus.
Eine zweite Phase hatte die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Methode und den Besonderheiten der Biologisch-Dynamischen Landwirtschaft zum Inhalt. Sie begann etwa in den 60er Jahren und dauert bis heute an.
Eine dritte Phase ist dadurch charakterisiert, dass der Forscher seinen persönlichen Erkenntnisweg zusammen mit seinen Berufskollegen spiegelt und zunehmend offen über seine Erfahrungen auf dem spirituellen Weg sich auszutauschen lernt. Diese Phase beginnt relativ verborgen in den 70er Jahren und tritt Mitte der 90er Jahre deutlich in die Erscheinung.
Forschungsansätze
Bildschaffende Methoden
Aus der Frage Ehrenfried Pfeiffers (1930), wie man Lebenskräfte „sichtbar“ machen könne, entstanden in den zwanziger Jahren die so genannten „Bildschaffende Methoden“ (Kupferchlorid-Kristallisation, Steigbild, Tropfbild). Diesen Methoden gemeinsam ist, dass man ein Reagenz (Salz, Wasser) in einen solchen Zustand bringt, dass es sich selbstlos den gestaltbildenden Lebenskräften unterordnet, die von einer zu prüfenden Substanz ausgehen, um so Medium für ein „Bild“ dieser Kräfte zu werden. Dieses Bild kann dann mit einiger Fachkenntnis interpretiert werden.
Goetheanismus
Im Gegensatz zur herkömmlichen Analytik wird im Goetheanismus versucht, den zu untersuchenden Gegenstand selbst sprechen zu lassen. Anstatt ihn in seine Einzelteile zu zerlegen, wird er in seinem Umfeld ganzheitlich beschrieben. Es wird immer beim Phänomen geblieben, ohne einen analytisch-kausalen Erklärungshintergrund hinzuzuziehen. Diese Art der Betrachtung kann für einzelne Pflanzen (zum Beispiel in der Züchtung) oder auch für den ganzen Betrieb angewendet werden.
Übersinnlich-meditative Forschung oder der Mensch als Reagenz
Bis in die 80er Jahre wurde, einer alten Gepflogenheit der anthroposophischen Bewegung zufolge, nichts über übersinnlich-meditative Forschung dokumentiert. Wenn man jedoch die eine oder andere Biografie der biodynamischen Pioniere zu Hilfe nimmt, so wird man doch schnell erkennen müssen, dass auf diesem Felde einiges getan wurde.
Seit etwa einem Jahrzehnt ist die Situation eine andere. Es gibt eine ganze Reihe Initiativen, viele davon im biodynamischen Umfeld, die mithilfe der unmittelbaren übersinnlichen Wahrnehmung nach Antworten für die sie bewegenden Fragen suchen. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch ein Charakteristisches in der heutigen Zeit. Viele Menschen haben das Interesse und auch die Anlagen dazu, übersinnliche Erfahrungen selber zu machen. Je mehr sich daher diese Menschen in ihren Fähigkeiten schulen, desto besser kommen sie in die Lage, die Erfahrungen, die andere Personen gemacht haben, selber zu prüfen. Die Kluft zwischen dem Forscher, der die Erkenntnisse gewinnt und dem Anwender dieser Erkenntnisse beginnt sich zu schließen. Der Bauer, ja jeder Mensch in seiner Situation, kann als Meditant seine Urteilsfähigkeit intensivieren.
Ueli Hurter
Die Organisationen, die die biodynamische Landwirtschaft in den jeweiligen Ländern vertreten machten sich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer wichtigen Aufgabe, die Biodynamik wissenschaftlich zu erfassen und zu „beweisen“. Es entstanden eigene Forschungsinstitute, z.B. in Darmstadt/Deutschland, das Forschungsinsitut für Biologisch-Dynamische Forschung im Jahr 1950, in Järna/Schweden das Institut des nordischen Forschungsringes 1956, in der Schweiz das FiBL 1973, in Holland das Louis-Bolk-Institut 1976, in den USA das Michael Fields Agricultural Research Institute 1984. Es wurde aber auch mit universitären Instanzen zusammengearbeitet. So entstanden ab 1973 an der Universität Giessen bei Eduard von Boguslawski (1905-1999) die ersten Dissertationen zu biodynamischen Themen. Eine herausragende Stellung nimmt der DOK-Versuch in der Schweiz ein, der durch politische Initiative angestossen wurde und von staatlichen Versuchsanstalten in Zusammenarbeit mit dem FiBL als Langzeitversuch seit 1977 drei Anbausysteme, Dynamisch – Organisch – Konventionell (DOK) miteinander vergleicht.
Naturwissenschaftliche Versuchsresultate
Dr. Jürgen Fritz
Die biologisch-dynamischen Präparate und die Berücksichtigung von Plantenkonstellationen im Pflanzenbau sind Kennzeichen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Beide Maßnahmen können als Versuchsvarianten klar definiert werden. Die Forschung zum biologisch-dynamischen Landbau an Universitäten hat sich deshalb sehr deutlich auf die Anwendung der biologisch-dynamischen Präparate und Systemvergleichsversuche Konventionell, Organisch, Biologisch-Dynamisch konzentriert.
In den frühen Untersuchungen von Abele (1973, 1987), Spieß (1978), Kotschi (1980) wurde vor allem geprüft ob die biologisch-dynamischen Präparate die Pflanzenentwicklung signifikant verändern. Im Wesentlichen wurden dabei die von Steiner (1924) formulierten Ziele bei der Entwicklung der biologisch-dynamischen Präparate beobachtet:
Harmonisierung und Normalisierung des Pflanzenwachstums
Pflanzenreaktionen auf Präparateapplikationen traten vor allem unter suboptimalen Wachstums und Lagerbedingungen auf. Dies zeigte sich in den dargestellten Versuchen beim Ertrag (Spieß, 1978), bei der Bruchfestigkeit von Getreidehalmen (Jost & Jost, 1983).
Förderung der Pflanzengesundheit
Der Befall von Gurkenmehltau wurde mit Hornkieselapplikationen deutlich reduziert im Vergleich zur Kontrolle (Schneider-Müller, 1991). Die Bakterienkeimzahl, die Selbstzersetzung und die Verderbnis von Möhren im Lager wurde mit den Feldspritzpräparaten verringert (Samaras, 1978).
Verbesserung der Nahrungsmittelqualität
Der Nitratgehalt von Möhren und Spinat wurde mit den biologisch-dynamischen Präparaten im Vergleich zur Kontrolle gesenkt. Mit zunehmender Lagerungdauer des Spinats nahm mit der Applikation aller Präparate der Nitritgehalt nicht zu und der Vitamin C-Gehalt nahm nur geringfügig ab im Vergleich zur Kontrolle ohne Präparatebehandlung (El Saidi, 1982).
Verlebendigung von Dünger und Erde
In den beiden Dauerdüngungsversuchen zeigte sich eine höhere microbiologische Aktivität des Bodens in der biologisch-dynamischen Variante im Vergleich zur organischen Variante (Bachinger, 1992, Mäder et al., 2002).
In aktuelleren Untersuchungen stehen Versuchsfragen zum Verständnis und zur Weiterentwicklung der Anwendung der biologisch-dynamischen Präparate stärker im Vordergrund.
Diese schulwissenschaftliche Auslotung und Begründung der Biodynamik war und ist für die gesellschaftliche Akzeptanz und für die Dialogfähigkeit in der heutigen Wissensgesellschaft von grosser Bedeutung. Für die Praxis und die Weiterentwicklung der Methode hat sie eine begleitende Funktion. Daneben haben sich die in vielen Ländern in Regionalgruppen organisierten Bauern und befreundete Menschen mit verschiedenen fachlichen Hintergründen immer als Forschungsgemeinschaft verstanden und haben gedanklich und praktisch an der Weiterentwicklung des biodynamischen Impulses gearbeitet. In einigen Regionen, wie zum Beispiel in Norddeutschland, wurde diese Art der Arbeit sehr betont und es entstanden vom Organisatorischen und vom Inhaltlichen her hochstehende Lerngemeinschaften.
Ueli Hurter
Zum Inhalt des Landwirtschaftlichen Kurses
Erster Vortrag
Rudolf Steiner führt im ersten Vortrag in den Kurs ein, indem er die wirtschaftlich schwierige Situation der Landwirtschaft erwähnt und sagt, dass es auch das Ziel sei des Kurses durch Erweiterung des fachlichen Horizontes eine Gesundung der Wirtschaft herbeizuführen. Gleich am Anfang erweitert er den landwirtschaftlich relevanten Gesichtskreises bis in den kosmischen Umkreis. Als Beispiel bringt er den Kompass: Der Grund, weshalb die Kompassnadel sich nach Nord-Süd ausrichtet liegt nicht in ihr selber, sondern in ihrem Bezug zum Magnetfeld der ganzen Erde. Entsprechend sind die Pflanzen mit dem ganzen planetarischen Umkreis verbunden. Die obersonnigen Planeten Saturn, Jupiter Mars wirken über das Kieselige auf die Nährhaftigkeit der Pflanzen und die untersonnigen Planeten Mond, Venus, Merkur über das Kalkige auf die Reprodukionskraft.
Zweiter Vortrag
Im zweiten Vortrag werden die Begriffe des landwirtschaftlichen Organismus und der landwirtschaftlichen Individualität eingeführt. Im Vergleich mit dem Menschen steht die landwirtschaftliche Individualität auf dem Kopf, der Boden wird mit dem Zwerchfell verglichen. Kiesel, Kalk, Ton und Humus werden in ihrer Funktion geschildert. Die Pflanzen stehen vielfältig und differenziert in den Rhythmen des kosmischen Lebensgeschehens darinnen. Die Tiere sind teilweise, die Menschen weitgehend von diesen Einflüssen emanzipiert. Die Tiere liefern den unverzichtbaren Mist, um die Fruchtbarkeit des Standortes zu entwickeln. Im Grossen entsteht das Bild, dass in die Polarität von oben und unten, von Sonne und Erde, von kosmisch und irdisch das landwirtschaftliche Tun mit Boden, Pflanzen und Tieren eingebettet ist. Das grosse planetarische Lebensgefüge findet seine Entsprechung im kleinen Lebensgefüge des landwirtschaftlichen Organismus und der landwirtschaftlichen Individualität. Wie das eine mit dem anderen korrespondiert wird an Beispielen, u.a. der Samenbildung bei der Pflanze, aufgezeigt.
Dritter Vortrag
Im dritten Vortrag bespricht Rudolf Steiner die Stoffe, die das Eiweiss als Trägersubstanz des Lebens auf der Erde, bilden: Schwefel, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff. Sie sind als Stoffe die Träger oder substanziellen Ausgestaltungen von geistigen Wirkprinzipien, die folgendermassen geschildert werden. Der Schwefel ist Ausdruck der geistigen Kräfte, die eine Verstofflichung ermöglichen, der Kohlenstoff ist Träger der Gestaltungskräfte, der Sauerstoff Träger der Lebenskräfte, der Stickstoff der Empfindungskräfte und der Wasserstoff hat die Aufgabe, aus dem Stofflichen wieder ins Geistige zu führen. Diese „fünf Geschwister“ werden begleitet vom Kalk (dem Begierdenkerl) und dem Kiesel (dem vornehemen Herrn). Durch diese Schilderung wird ahnbar, wie im Stoffesgeschehen, mit der es die Landwirtschaft zu tun hat, geistiges, seelisches und lebendiges Wirken anwesend ist und einen Ausdruck findet.
Vierter Vortrag
Der vierte Vortrag bringt den Übergang von den grundlegenden Betrachtungen zu den praktischen Angaben. Das Zusammenwirken von Kräften und Substanzen wird an einem weiteren Beispiel, der Ernährung dargestellt. Die Bäume als Dauerpflanzen werden charakterisiert, und von da aus der Kompost und die Humusbildung betrachtet. Die Kompostpflege wird praktisch behandelt. Es wird ganz konkret besprochen, wie man das Material schichten soll, wie man mit Kalk helfen kann, wie man für eine Abdeckung sorgen soll usw. Die Zuhörer werden aufgefordert, sich mit der Nase ein persönliches Urteil über den richtigen Verlauf des Kompostprozesses zu bilden. Dann wird eine Erweiterung der Düngung gefordert. Als Antwort folgt die Schilderung der Herstellung und Anwendung des Hornmistpräparates. In absoluter Schlichtheit wird hier eine epochale Innovation eingeführt. Dann folgt in äussester Knappheit das Kieselpräparat. Beide ergänzen sich „das eine stösst von unten, das andere zieht von oben.“ Das Hornmistpräparat fördert einen gesunden Boden und eine kräftige Wurzel, das Hornkieselpräparat fördert die Qualität in Blatt-, Blüten- und Fruchtbildung.
Fünfter Vortrag
Im fünften Vortrag werden die Kompostpräparate entwickelt. Als Einleitung wird nochmals Grundsätzliches über die Düngung gesagt. Leichtlösliche Mineraldüngersalze können das Leben nicht fördern, die traditionellen Hofdünger sollen in bestmöglicher Weise gepflegt und verwendet werden. Trotzdem bleibt eine Unterbilanz für den Hof, es gehen mit der Ernte mehr Kräfte vom Hof weg, als aus dem rein organisch-natürlichen Prozess ersetzt werden können – mit dynamischen Massnahmen, den Präparaten, kann man dies ausgleichen.
Als erstes wird das Schafgarbenpräparat entwickelt: Schafgarbenblüten (Achilea millefolium) werden gesammelt, angfeuchtet und in die Blase eines Hirsches gefüllt. Die so gefüllte Hirschblase wird über den Sommer an der Sonne aufgehängt und im Herbst vergraben. Sie überwintert in der Erde und im Frühjahr findet man beim Ausgraben eine humose Substanz, die man sorgfältig aufbewahrt, bis man damit den Mist, die Jauche oder den Kompost impft. Man braucht dazu nur homöopathische Mengen. Dieses Präparat unterstützt die Kalium-Prozesse.
Für das zweite Präparat, das Kamillenpräparat sammelt und trocknet man Blüten der Comomilla officinalis. Im Herbst füllt man die Blüten in den Dünndarm einer geschlachteten Kuh. Diese Kamillenwürste werden auch den Winter über vergraben und im Frühjahr ausgegraben. Die Anwendung unterstützt die Kalzium-Prozesse.
Als drittes folgt das Brennnesselpräparat. Man schneidet die Brennessel (Urtica dioica) vor der Blüte, welkt sie an und vergräbt sie ohne tierische Hülle; sie bleibt ein ganzes Jahr im Boden. Dieses Präparat hilft, den Boden vernünftig zu machen, d.h. die Stickstoff-Prozesse richtig zu führen.
Als Nächstes folgt das Eichenrindenpräparat. Frische Eichenrinde, nach Möglichkeit von der Stieleiche (Querqus robur) wird fein geraspelt und in den Schädel eines Haustieres gefüllt. Für das Vergraben über den Winter wählt man eine matschige Stelle. Dieses Präparat unterstützt die Gesundheit der Pflanzen.
Als fünftes Präparat wird das Löwenzahnpräparat entwickelt. Blüten von Löwenzahn (Taraxacum officinale) werden im Frühjahr gesammelt und getrocknet. Im Herbst wird von der geschlachteten Kuh das Gekröse verwendet und damit die angefeuchteten Blüten umschlossen. Auch hier folgt die Vergrabung über den Winter. In der Anwendung unterstützt es die Kieselprozesse.
Als Letztes kommt das Baldrianpräparat. Blüten von Baldrian (Valeriana officinalis) werden gesammelt und frisch ausgepresst. In Flaschen an der Sonne gelagert, wird der Saft haltbar, er wird wie die anderen Präparate in kleinsten Mengen den organischen Hofdüngern zugesetzt. Dieses Präparat unterstützt die Phosphorprozesse.
Sechster Vortrag
Der sechste Vortrag behandelt die Fragen des Unkrautes, der Schädlinge und der Pflanzenkrankheiten. Um bei diesen Fragen etwas zu erreichen, wird konsequent der grosse makrokosmische Blick wie er in den ersten beiden Vorträgen eingeführt worden ist, angewendet. Die einjährigen Unkräuter zeichnen sich insbesondere durch eine starke Reproduktionskraft aus. Diese kommt von den untersonnigen Planeten, insbesondere vom Mond. Wie kann man seine Felder und die Unkräuter so behandeln, dass ein massives Auftreten dieser Pflanzen gehemmt wird? Man kann Samen dieser Unkräuter sammeln und diese verbrennen. Die angefallene Asche streut man auf die Felder. Dadurch tritt für diese Pflanzen nach ein bis vier Jahren eine Hemmung ein, an diesem Ort zu wachsen. Bei tierischen Schädlingen ist das Prinzip dasselbe, die Praxis wird etwas komplexer. Als Beispiel wird die Feldmaus angeführt, man verbrennt die Haut der Feldmaus, wenn die Venus im Skorpion steht. Bei Insekten – als Beispiel wird die Rübennemathode genommen – erfolgt die Veraschung, wenn die Sonne im Stier steht. Schliesslich werden noch die Pflanzenkrankheiten behandelt. Es geht darum, die überschüssigen Mondenkräfte, die insbesondere über das Wasser wirken, abzuleiten. Dies wird dadurch erreicht, indem mit einem Tee von Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense) die gefährdeten Kulturen behandelt werden.
Siebenter Vortrag
Der siebente Vortrag handelt von den Prinzipien und der Praxis der Landschaftsgestaltung durch die Landwirtschaft. Der Baum wird in seiner umgebunsgestaltenden Funktion geschildert: In der Krone sind die fruchtbildenden Kräfte konzentriert, das Kambium ist eigentlicher Lebensträger und der Wurzelbereich wird entsprechend ärmer an Lebenskräften. Die Insekten sind ganz intim mit dieser Strukturierung verbunden. Besondere Erwähnung finden die Regenwürmer, „diese goldigen Tiere“. Im Weiteren leben die Vögel mit den Bäumen zusammen, über sie entsteht auch eine Verbindung zum Wald und zum weiteren Luftumkreis. Die Schmetterlinge umschweben die Blüten der krautigen Pflanzen. Der Einfluss des Waldes und die Funktion von Feuchtbiotopen zur Absorption von Parasiten und Krankheitserregern wird geschildert. Eine Verminderung von landwirtschaftlicher Nutzfläche zu Gunsten von ökologischer Ausgleichsfläche kann im Ganzen eine positive Bilanz für den Hof bringen. Dies sagt Steiner 1924 – es könnte in einer aktuellen Verordnung zur Landwirtschaftspolitik stehen! Die Hecken werden erwähnt und ihre Möglichkeit, Gesundfutter für die Säugetiere zu liefern. Am Schluss wird nochmals im Grossen auf das Geben und Nehmen in der Natur hingewiesen. „Die Pflanze gibt, das Tier nimmt im Haushalt der Natur.“
Achter Vortrag
Der achte Vortrag behandelt die Fütterung. Grundlegend wird einführend nochmals die Natur des Tieres, der Pflanze und ihr Zusammenwirken geschildert. Das Tier hat einen deutlich ausgeprägten Nerven-Sinnes-Pol und einen Stoffwechsel-Gliedmassen-Pol. Im Kopf sind irdische Materie und kosmische Kräfte, im Bauch ist kosmische Stofflichkeit und irdische Kräfte. Die so geschilderten Verhältnisse im Kopf werden anschaulich für den Menschen: Das Gehirn ist irdische Materie, die Gedanken sind kosmische Kräfte. Auf Grundlage des Gehirns denkt das Ich des Menschen. Das Tier nun bringt es nicht bis zu der Gedankenbildung, es bleibt bei der Ich-Anlage und zwar nicht im Gehirn, sondern im Darminhalt. Wird dieser ausgeschieden als Dung und kommt als Dünger zu den Pflanzenwurzeln, ermöglicht er aus diesen Ich-Kräften ein optimales Pflanzenwachstum. Von diesen Pflanzen fressen dann wiederum die Tiere. So wird eine Landwirtschaft zum geschlossenen Organismus und im räumlich und zeitlich erweiterten Sinne zur Individualität.
Zur Fütterung erfolgen dann wieder ganz konkrete Angaben. Die Wurzel als Nahrung wirkt vorzüglich im Kopf, und vom Kopf aus wird beim jungen Tier der übrige Organismus geformt, also ist es günstig den Kälbern Möhren zu füttern. Bei der Jungviehaufzucht wird das ergänzt durch reifes Heu und Leinsamen mit dem Ziel, den Gestaltungskräften Raum zu geben. Bei der Milchviehfütterung steht das Blatt als Pflanzenorgan im Zentrum, insbesondere die Leguminosen, d.h. Klee und Luzerne. Ergänzen kann man dies durch Blüten und Samen zur Stärkung der Muskulatur. Beispielhaft wird die Sömmerung der Tiere erwähnt oder entsprechend ein Kräuterfutter. Bei der Mast, auch bei den Schweinen „sie sind ja so himmlische Tiere“, nimmt man Pflanzen, wo die Samenbildung bis in die Öl- und Fettbildung geht. Generell wird noch auf eine gute Salzqualität aufmerksam gemacht. Diese Prinzipien müssen in der Anwendung individualisiert werden. Zum Abschluss des Kurses wird nochmals auf die Urteilskraft und auf die Verantwortung des Landwirtes gezielt: „Es ist ein grosser Unterschied, ob über diese Dinge ein Landwirt redet oder einer, der ganz ferne steht der Landwirtschaft.“
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Zum Studium des Landwirtschaftlichen Kurses
Die acht Vorträge und die Fragenbeantwortungen können in verschiedener Art gelesen und studiert werden. Man kann mehr mit dem praktischen Auge lesen, was soll wie gemacht werden? Man kann mehr agronomisch lesen, wie ist das Pflanzenwachstum, die Düngung, die Natur des Tieres zu verstehen? Man kann ganz anthroposophisch lesen, wie findet sich die ganze Evolutionslehre, das Verhältnis von Geist und Materie in dem Gesagten wieder. Jeder dieser Zugänge wurde in den letzten 90 Jahren über die Generationen gepflegt und hat seine Berechtigung.
Steiner selber hat seine geisteswissenschaftlichen Forschungsresultate immer als Ergänzung zum aktuellen Wissensstand eines Fachgebietes in Praxis und Lehre verstanden. Die Methodik und die Instrumente der anthroposophischen Geisteswissenschaft hat er systematisch entwickelt und in voller Transparenz dargestellt. Für die Teilnehmer am Landwirtschaftlichen Kurs waren Grundkenntnisse der Anthroposophie Voraussetzung.
Das Zeitbedingte, das sich auf die landwirtschaftlichen, sozialen und wissenschaftlichen Verhältnisse der 1920er Jahre des letzten Jahrhunderts bezieht und das es in den Ausführungen von Steiner selbstverständlich gibt, weil er immer stark von den konkreten Lebensverhältnisse ausgegangen ist, können wir aus der historischen Distanz immer deutlicher von den prinzipiellen Gesichtspunkten unterscheiden. Bei diesen allerdings ist uns heute nach 90 Jahren klar, dass wir sie noch längst nicht ausgelotet haben in all ihren Dimensionen. Viele erlebten und erleben den Landwirtschaftlichen Kurs als Inspirationsquelle für ihr Engagement in Feld und Stall, im Labor, in der Küche, im Laden oder im Büro – und wir können heute ahnen, dass das noch für eine längere Zeit so bleiben wird.
Die Stellung des Kurses in der Welt
Der Landwirtschaftliche Kurs war am Anfang nur in nummerierten Exemplaren und im Sinne einer Leihgabe für wenige Menschen erhältlich. In den 1950er Jahren erfolgte dann die Veröffentlichung im Rahmen der Gesamtausgabe der Werke Rudolf Steiners als Buch. Inzwischen ist die 8. Auflage im Verkauf, es wurden einige Zehntausend Exemplare gedruckt. Es gibt Übersetzungen in schätzungsweise 25 Sprachen. Der Kurs findet also eine immer weitere Verbreitung. Dazu kommt, dass der Gedanken- und Ideengehalt dieser Vorträge vielfältig in der ganzen Bio- und Ökolandwirtschaft wirkt. Zum Beispiel wurde Rachel Carlson über ihre Freundin Marjorie Spock die biodynamische Gärtnerin war auch durch den Landwirtschaftlichen Kurs zu ihrem Buch „Silent spring“ (1962) angeregt. Es ist bezeichnend, dass der Weltagrarbericht (2008) in der grossen Linie und auch in vielen Einzelheiten in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft zu Schlussfolgerungen kommt, die im Landwirtschaftlichen Kurs in einer anderen Sprache schon formuliert sind. Auch für die wirtschaftlichen Fragen, die heute im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft brennend aktuell sind, sind in den Vorträgen aus dem Jahre 1924 schon einige Prinzipien deutlich ausgesprochen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Erschliessung des Kurses noch nicht abgeschlossen ist und dass die Wirkensgeschichte dieses Werkes vielleicht sogar erst am Anfang steht. Wir möchten der Hoffnung Ausdruck geben, dass es weiterhin möglich ist, die Prinzipien und praktischen Angaben des Landwirtschaftlichen Kurses von Rudolf Steiner so in der interessierten Öffentlichkeit zu bearbeiten, dass daraus ein essenzieller Beitrag zu einer den Anforderungen der Zukunft gewachsenen Agrikultur erfliessen kann.
Afrikaans
Steiner, R. (2009). Lewenskragtige Boerdery. Die basiese Landboukursus van 1924. Biosinamiese Lanbouvereingiging van Suider-Afrika, Stellenbosch. ISBN: 978-0-620-44394-4
Chinesisch
Deutsch
Steiner, R. (1999). Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft - Acht Vorträge, gehalten in Koberwitz bei Breslau vom 7. bis 16. Juni 1924. Rudolf Steiner Verlag, Dornach.
Englisch (USA)
Steiner, R. (1993). Agriculture. Spiritual Foundations for the Renewal of Agriuclture. Bio-dynamic farming and gardening Association, Inc. Kimberton, Pennsylvania. ISBN: 0-938-250-37-1
Englisch (UK)
Steiner, R. (1974). Agriculture. Bio.dynamic Agricultural Association, London. ISBN: 0-9503780-4-6
Finnisch
Steiner, R. (2004). Maatalouskurssi. Biodynaaminen Yhdistys ry, Tampere. ISBN: 951-9442-35-9
Französisch
Steiner, R. (1993). Agriculture. Fondements Spirituels de la méthode bio-dynamique. Editions Anthroposophiques Romandes, Genève. ISBN: 2-88189-058-X
Georgisch
Hebräisch
רודוף שטיינר (1998). חקלאות ביו-דינאמית. הדרך הטבעית לחיים בריאים וטובים יותר. הוצאת אסטרולוג, הוד השרון, ישראל
Italienisch
Steiner, R. (2003). Impulsi scientifico-spirituali per il progresso dell' Agrigultura. Editrice Antroposofica, Milano.
Japanisch
ISBN978-4-7565-0087-8 C0061
Lettisch
Steiner, R. (1995). Garigo zin?t?u pamati lauksaimniecibas uzplaukuma sekm?šanai. Riga.
Polnisch
Steiner, R. (2003). Kurs rolniczy. Podstawy myslenia ca?osciowego w rolnictwie ekologicznym. Bielsko-Bia?a.
Portugiesisch
Steiner, R. (2000). Fundamentos da agricultura biodinâmica. Vida nova para a Terra. Editora Antroposófica, São Paulo, Brasil.
Russisch
ISBN: 5-88000-037-0 URL: bdn-steiner.ru/cat/Ga_Rus/327.doc
Serbisch/Koratisch
Štajner, R. (2010). Poljoprivredni Kurs. Duhovnonaucne osnove za napredak poljoprivrede. Jezgro, Vršac. ISBN: 978-86-88527-01-9
Slowenisch
Steiner, R. (2011). Temelji uspešnega kmetovanja v o?eh duhovne znanosti. Kmetijski te?aj. AJDA Vrzdenec, Lubljana. ISBN: 978-961-92468-5-6
Spanisch
(ES) Steiner, R. (2009). Curso sobre agricultura biologico dinamica. Editorial Rudolf Steiner, Madrid.
Tschechisch
Steiner, R. (1996). Zem?d?lský kurz . Kosmické a terestrické podmínky zdravého zem?d?lství. Pro-Bio Šumperk, Šumperk.
Ukrainisch / Russisch
Ungarisch
Steiner, R. (1963). A mezögazdálkodäs gyarapodásának szellemtudományos alapjai. Elöadások a biodinamikus gazdálkodásról. Genius.
Die biodynamische Landwirtschaft ist nicht allmählich entstanden, sondern sie hat einen ganz klaren Anfangspunkt: Den landwirtschaftlichen Kurs der an Pfingsten 1924 in Koberwitz von Rudolf Steiner gehalten wurde. Während 10 Tagen wurde aus dem Arbeitsstrom der Anthroposophie heraus ein Fachkurs für Landwirtschaft gehalten. Im Wesentlichen handelt es sich um acht Vorträge, die mitstenographiert und nach dem Kurs schrittweise als Buch veröffentlicht wurden. Dieses Buch nennen wir heute neben dem historischen Anlass auch den „Landwirtschaftlichen Kurs“.
Für Aussenstehende ist es sicher erstaunlich, dass dieser Landwirtschaftliche Kurs als historischer Moment, wie auch heute als Text, so ausgesprochen die Quelle sein kann für viele Tausende von Menschen und für die ganze biodynamische Bewegung. Und es ist auch erstaunlich, dass Steiner als Nicht-Landwirt diese Menschen und dieses Gebiet so tief und nachhaltig impulsieren konnte.
Rudolf Steiner wurde von Landwirten aus seinem Umfeld gebeten den Kurs zur Landwirtschaft zu halten. Diese Landwirte spürten die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Erneuerung dieses Lebens- und Arbeitsgebietes. Steiner ist auf die Fragen der Landwirte eingegangen, und so ist an manchen Stellen in den Vorträgen direkt Bezug genommen auf die traditionellen und auch modernistischen Verhältnisse in denen die Teilnehmer standen. Auf der anderen Seite hat Steiner als Geistesforscher vieles in prinzipieller Art behandelt und über die produktiven Beziehungsverhältnisse von Boden, Pflanze und Tier in der Landwirtschaft tiefe Gesichtspunkte und weite Perspektiven aufgezeigt. Ausserdem hat Steiner ganz neue praktische Massnahmen eingeführt, allen voran die Präparate.
Schon in Koberwitz wurde der Versuchsring anthroposophischer Landwirte begründet. Dieser Verein hat dann die praktischen Versuchsarbeiten in den verschiedenen Regionen koordiniert, die Herstellung und Verteilung der Präparate an die Hand genommen, die Forschungsarbeiten angeregt, Tagungen veranstaltet, eine Zeitschrift wurde begründet, etc. Nach diesem Vorbild sind bis auf den heutigen Tag in vielen Ländern Vereine zur Pflege des biodynamischen Impulses entstanden und sie sind nach wie vor das organisatorische Rückgrat der Bewegung.
Der Name „biologisch-dynamisch“ stammt nicht von Rudolf Steiner, sondern er wurde in den ersten Jahren nach dem Kurs eingeführt. Es wird berichtet, dass die eine Gruppe mehr das Biologische oder Lebensgesetzliche betont hat und die andere Gruppe mehr das Arbeiten mit den Kräften oder das Dynamische. Als eine Synthese ist dann der Begriff biologisch-dynamisch entstanden. Demeter als Wort und als Marke wurde in den frühen 30er Jahren eingeführt, als Kennzeichnung und Gütesiegel für die Produkte. Im Jahr 1997 wurde Demeter International gegründet, um in föderativer Art die Markenpolitik zu koordinieren.
Die Naturwissenschaftliche Sektion am Goetheanum war der wichtigste Ansprechpartner für die Menschen und die Arbeit auf den Höfen. Am Goetheanum wurde schon im ersten Winter nach dem Landwirtschaftlichen Kurs, 1925, die erste Landwirtschaftliche Tagung durchgeführt. Bis heute hat seither jedes Jahr eine solche Tagung stattgefunden. Diese Tagung ist im Jahreslauf und auch in der geschichtlichen Perspektive betrachtet ein wichtiges Ereignis für die Menschen, die mit dem biodynamischen Impuls verbunden sind. Sie hat jedes Jahr eine aktuelle thematische Ausrichtung und ist komponiert aus Erfahrungsberichten, Forschungsberichten, anthroposophischem Grundlagenstudium und künstlerischen Beiträgen. Aus bescheidenen Anfängen hat sie sich zu einer Veranstaltung entwickelt, die heute um die 700 Personen aus 30 Ländern versammelt.
In der biodynamischen Bewegung lebt das Bewusstsein, dass die Prinzipien und Grundangaben des Landwirtschaftlichen Kurses für einen grösseren Zeitraum relevant sind. Deren Verständnis und die Umsetzung ins Leben muss von jeder Generation neu errungen werden. Die Frage nach dem aktuellen Entwicklungspotential der biodynamischen Bewegung hängt im Kern von den Möglichkeiten des Einzelnen heute und seiner Fähigkeit zur Zusammenarbeit ab.
Ergänzend dazu steht die Erkenntnis und der Wille vermehrt in Allianzen zusammenzuarbeiten. Dies gilt für die Zusammenarbeit innerhalb der biodynamischen Bewegung wie auch für die Zusammenarbeit mit der Biobewegung und mit der weltweiten Zivilgesellschaft. Der Weltagrarbericht der im April 2008 veröffentlicht wurde hat deutlich aufgezeigt, dass eine ökologische, regionale, mulitfunktionelle und auf Erfahrungswissen basierte Landwirtschaft, die Herausforderungen der Zukunft am besten meistern kann. Die biodynamische Bewegung als eine Pionierbewegung des ökologischen Landbaus, und als einer ihrer nach wie vor innovativsten Kreise, will und kann ihren Beitrag zu dieser grossen Herausforderung leisten.