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AboInauguration von Donald Trump
Die Hand auf der Bibel braucht er nicht mehr

Person hält Trump-Merchandise um den Hals, darunter goldene Figuren mit roten Mützen ’Make America Great Again’, nahe dem Capitol One Arena am Tag der Amtseinführung von Donald Trump als 47. US-Präsident.
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In Kürze:
  • Donald Trump verspricht den Beginn eines «goldenen Zeitalters» in den USA.
  • Seine erste Rede als Präsident hielt er wie eine Wahlkampfrede.
  • Trump bezeichnete sich als «Friedensstifter».
  • Aber er will den Golf von Mexiko zum Golf von Amerika umbenennen und die Kontrolle über den Panamakanal zurückholen.

Der Tag, an dem Donald Trump ins Weisse Haus zurückkehrt, beginnt mit einer Textnachricht von Donald Trump. «Ein schöner Tag, um Amerika zu retten», schreibt der neue US-Präsident am Montagmorgen um kurz nach acht an alle, die sich bei seinem Wahlkampfteam registriert hatten. Angehängt ist ein Hinweis auf seine überstandenen Prozesse und Mordversuche sowie ein Spendenaufruf. Es kann losgehen bei minus fünf Grad in Washington, DC.

Nach einer Messe im kleinen Kreis, begleitet unter anderem von Milliardären wie Marc Zuckerberg und Jeff Bezos, fährt Trump mit seiner Frau Melania (mit Hut) dann an dem Gebäude vor, das er vier Jahre zuvor grusslos und voller Wut verlassen hatte. Joe und Jill Biden empfangen das Ehepaar kurz vor ihrem Auszug aus dem Weissen Haus zu Kaffee und Tee. Das Vizepaar JD und Usha Vance wird von Kamala Harris und Doug Emhoff begrüsst. Demokratische Routine, eigentlich, und trotzdem eine bedeutungsschwere Rückkehr zu alten Gewohnheiten.

Biden begnadigt in letzter Minute Trumps Erzfeinde

Vor dem letzten Machtwechsel rief der damalige US-Präsident seine Anhänger am 6. Januar 2021 zum Marsch auf das Capitol auf, Hunderte von ihnen stürmten das Zentrum der amerikanischen Demokratie. Jetzt dagegen fahren Biden und Trump gemeinsam zur Zeremonie in ebendieses Capitol. Es ist Bidens letzte Reise in der Karawane des Staatschefs. Er hatte Trump 2020 bezwungen, jetzt ist Trump sein Nachfolger, ein tragischer Abschied. In letzter Minute hat Biden vorsorglich noch Landsleute begnadigt, die Trumps Rache zu spüren bekommen könnten. Darunter sind seine Familienmitglieder, die republikanische Trump-Kritikerin Liz Cheney, General a.D. Mark Milley und der Mediziner Anthony Fauci.

President Donald Trump delivers remarks after being sworn in as the 47th President of the United States during the 60th Presidential Inauguration in the Rotunda of the U.S. Capitol in Washington, Monday, Jan. 20, 2025. (Shawn Thew/Pool photo via AP)

Kurz vor Mittag teilt sich in der Rotunda des Capitols ein dunkelblauer Vorhang, er gibt den Blick frei auf eine riesige USA-Flagge, die Silhouette von Donald Trump erscheint. Die ehrwürdige Halle, in der vier Jahre zuvor seine Horden gewütet hatten, betritt Trump zwischen zwei Präsidenten, die das Land nicht gespalten, sondern zusammengehalten hatten: Abraham Lincoln zu seiner Linken, zu seiner Rechten Ulysses Grant, der General der Union, der die Konföderierten besiegte.

Die Rotunda ist gebaut als Tempel der amerikanischen Demokratie und ihrer Geschichte. Senatorin Amy Klobuchar greift es in einer kurzen Begrüssung auf, sie erinnert an die Bedeutung der Gewaltenteilung, warnt vor Konzentration von Macht. Die Stimmberechtigten seien der Souverän in den USA, sagt sie, nicht der Präsident. Es klingt wie eine Warnung.

Das Missgeschick mit der Bibel

Die Zahl der Ehrengäste wurde aus Platzgründen gekürzt, aber es ist dennoch eine illustre Runde zusammengekommen. Da sind die Ex-Präsidenten George W. Bush und Bill Clinton mit ihren First Ladies, Barack Obama ohne Michelle, ihr stiller Protest. Mitglieder von Senat und Repräsentantenhaus sind erschienen, hingegen nicht Nancy Pelosi, lange die Sprecherin. Dafür sitzt noch vor den Mandatsträgern die Tech-Elite mit Männern wie Musk, Bezos, Zuckerberg und Tim Cook.

Nach dem Schwur von Vize JD Vance leistet Trump, der 45. US-Präsident, um 12.02 Uhr Ostküstenzeit seinen Eid als 47. US-Präsident. Überraschend legt er die Hand nicht auf die zwei Bibeln, die ihm seine Frau hinhält. Die Bibel seiner Mutter und jene von Abraham Lincoln, seinen ersten Amtseid hatte er darauf geschworen. Er scheint sie jetzt nicht mehr zu brauchen, er fühlt sich ohnehin auserwählt, Amerika zu führen.

U.S. President-elect Donald Trump takes the oath of office as Melania Trump, Ivanka Trump, Donald Trump Jr. and Eric Trump look on during inauguration ceremonies in the Rotunda of the U.S. Capitol on January 20, 2025 in Washington, DC. Donald Trump takes office for his second term as the 47th president of the United States. (Photo by Chip Somodevilla / AFP)

Es folgt seine erste Rede im Amt, keine Spur von staatsmännischer Mässigung, sondern eine Art fortgesetzter Wahlkampf. «Das goldene Zeitalter Amerikas beginnt genau jetzt», sagt er. Jeder Tag seiner Regierung werde «America First» gelten. Sein Vorgänger sitzt mit versteinertem Gesicht dahinter, als Trump der Biden-Administration noch mal das grosse Versagen vorwirft. «Radikales und korruptes Establishment», sagt er, diese Regierung habe nicht mal eine einfache Krise daheim bewältigen können und sei in eine Serie von Katastrophen im Ausland gestolpert. Sie habe sich um fremde Grenzen gekümmert statt um eigene.

Trump ruft den «Tag der Befreiung aus»

Doch jetzt, das soll die Botschaft sein, kommt er, Donald Trump, und regelt alles. Mit Hunderten Dekreten und himmlischem Segen. Er sei mehr geprüft worden als jeder andere US-Präsident, «mein Leben wurde aus einem bestimmten Grund gerettet», sagt er. «Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder gross zu machen.» Man werde «zielstrebig und schnell handeln», dieser 20. Januar 2025 sei für die amerikanischen Bürger «der Tag der Befreiung».

An der Südgrenze will er den nationalen Notstand ausrufen. Illegale Einreisen würden sofort gestoppt, «und wir werden damit beginnen, Millionen und Abermillionen krimineller Ausländer dorthin zurückzuschicken, wo sie hergekommen sind». Die Praxis «Catch and release» werde beendet: Wer über die Grenze kommt, um einen Asylantrag zu stellen, darf nicht bleiben, sondern wird nach Mexiko zurückgeschafft. Er werde Truppen schicken, «um die katastrophale Invasion in unser Land abzuwehren», und Drogenkartelle als Terrororganisationen einstufen. Unter Berufung auf den Alien Enemy Act, ein Gesetz von 1798, werde er ausländische Banden und kriminelle Netzwerke beseitigen.

Zwar ist die Kriminalität in den USA zurückgegangen, und die Wirtschaft brummt, doch für Trump braucht es eine Radikalkur. Keine Gender-Politik, keine linken Ideen, «wir werden eine Gesellschaft schaffen, die farbenblind und leistungsorientiert ist». Er werde auch den nationalen Energienotstand ausrufen, Bidens Green New Deal beerdigen, Trump ruft «Drill, baby, drill» aus. Bohren, bohren, bohren nach Öl und Gas. «Flüssiges Gold», sagt Trump.

Der Friedensstifter, der nach dem Panamakanal greift

Er verspricht Strafzölle für Importe, um die Amerikaner reicher zu machen. Er verspricht sogar «eine faire und unparteiische Justiz», was seine Gegner für einen Moment aufatmen lässt. Aber später, vor seinen Fans, poltert er gleich wieder gegen seine Widersacher wie Cheney und Milley, die Biden wohlweislich begnadigt hat. Später wiederholt er seine Dauerlüge, dass ihm 2020 die Wahl gestohlen worden sei, später kündigt er die Begnadigung von rechtskräftig verurteilten Straftätern des Sturms auf das Capitol an, «Geiseln» nennt er sie.

Aber in seinem institutionellen Vortrag, seinem ersten als wieder gewählter Präsident, nennt er sich einen «Friedensstifter und Einiger». Er wolle nicht nur die US Army stärker machen, sondern auch Kriege vermeiden. Trump schreibt sich den Geisel-Deal und Waffenstillstand in Gaza auf seine Fahnen. Es folgen Hinweise, die nicht so gut zum selbst ernannten Friedensfürsten passen. Er will den Golf von Mexiko zum Golf von Amerika umbenennen und droht damit, wieder die Kontrolle über den Panamakanal zu übernehmen, 25 Jahre nach der Rückgabe.

Er sagt das ausgerechnet hier unter der Kuppel des Capitols, wo kürzlich der Sarg des verstorbenen Jimmy Carter stand, Carter hatte den Vertrag mit Panama einst ausgehandelt. Dann gibt er bekannt, die Stars and Stripes auch auf den Mars zu setzen, Elon Musk ist begeistert. So klingt das an diesem Feiertag zu Ehren des Bürgerrechtlers Martin Luther King, der diesmal Trumps Tag ist. «Viele Leute hielten es für unmöglich, dass ich ein solch historisches politisches Comeback feiern könnte», sagt er. «Aber wie Sie heute sehen, hat das amerikanische Volk gesprochen.» Man stehe «an der Schwelle zu den vier grössten Jahren in der Geschichte Amerikas».

Das Amerika des Überflusses – und seine kalte Realität

Doch während Donald Trump im Capitol ein Amerika des Überflusses für alle verspricht, zeigt sich draussen die kalte Realität des amerikanischen Traums. Drinnen sitzt die reiche Elite an der Wärme, «22 Grad, perfekt», sagt Trump, unten in der abgesperrten Stadt stehen sich seine Verehrer schon frühmorgens bei eisigen Temperaturen die Beine in den Bauch.

Hunderttausende sind aus allen Ecken des Landes angereist, um Trumps Triumphfeier vor dem Capitol mitzuverfolgen, aber als die Zeremonie wegen des Winterwetters ins Innere verlegt wird, stehen nur noch 20’000 Plätze im Basketball- und Eishockeystadion zur Verfügung. Die Warteschlange zieht sich um mehrere Strassenblocks, Souvenirverkäufer bieten Donald-Duck-Plüschpuppen und 24-Karat-Falschgold-Amulette feil.

In der Halle springen die Leute mit ihren roten Maga-Hüten jedes Mal jubelnd auf, wenn Trump einen weiteren Wahlkampfklassiker aufzählt. Soldaten an die Grenze. Recht und Ordnung. Es gibt nur zwei Geschlechter für die US-Regierung, Mann und Frau. Er wird ein Präsident des Friedens. Sie johlen auch, als er den Golf von Mexiko zum Golf von Amerika erklärt und berichtet, die USA würden sich den Panamakanal zurückholen. Sie feiern diesen schönen Tag, um Trumps Amerika zu retten.

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