Velotour in der WüsteMit dem E-Bike durch Oman
Eine aktive Gruppenreise durch die Wüstenlandschaft des Sultanats Oman: Braucht es das? Unsere Autorin wäre nie im Traum auf die Idee gekommen – und hat sich gerade deshalb drauf eingelassen.
- Oman bietet einmalige Landschaften und ein vielseitiges kulturelles Erbe.
- Eine geführte E-Velo-Tour ermöglicht einen entschleunigten Zugang zu Land und Leuten.
- Wo die Distanzen fürs Velo zu gross sind, kommen auch mal Jeeps zum Einsatz.
- Die Strassen sind meist asphaltiert und in erstklassigem Zustand, bisweilen ist man auch auf Naturstrassen unterwegs.
Die Abendsonne taucht die schroffen Felsen in warmes Licht. Es ist nicht klar auszumachen, wer fragender schaut: die Kinder in ihren langen Gewändern, die vor einem weiss getünchten Haus stehen, oder die Ziegen auf dem Mauervorsprung daneben.
Wir scheinen ein höchst rätselhaftes Bild abzugeben. Allerdings: Fragen haben auch wir, die wir mit Velohelmen ausgerüstet mitten in einem Wadi – einem Flussbett, das nur zeitweise Wasser führt – stehen und versuchen, dem steinigen Untergrund mit unseren E-Bikes beizukommen. Mehr schlitternd als fahrend.
Es dauert einen Moment, bis sich Menschen und Bikes aneinander gewöhnt haben. Bald aber rollen wir fast schon souverän über das hügelige Gelände, vorbei an Felsen und Palmen bis hinunter zum Fluss und durch ihn hindurch, auf die andere Seite.
Wer fährt in der Wüste schon E-Velo?
Über die staubigen Strassen hier – gut 130 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Muscat – sind bisher kaum je Zweiräder, geschweige denn E-Bikes, gefahren. Velofahren ist im Sultanat weder hier noch auf asphaltierten Strassen verbreitet.
Was also tun wir hier eigentlich? Unser siebenköpfiges Grüppchen wurde eingeladen, eine der ersten geführten E-Velo-Touren durch Oman zu testen: Eine Mischung aus Sport, Sightseeing und Roadtrip solls werden.
Individualreisen dieser Art gibt es längst, das Internet ist voll davon, unternommen gemeinhin eher von denen, die seit jeher abenteuerlustig die Welt erkunden. Was aber bringt eine solche Reise einer neugierigen, aber in Sachen Outdoorsport mässig ambitionierten Journalistin, die nie im Traum auf die Idee gekommen wäre, zwischen Muscat, Sur und Nizwa Velo zu fahren? So viel sei hier verraten: überraschende Begegnungen – und eine neue Liebe.
Aber zurück ins Wadi Al Arbeieen: Nach einer Übernachtung in einem einfachen Resort bringen uns tags darauf drei Pick-ups bis zur Hauptstrasse in die Nähe von Dibab. Dort satteln wir wieder auf die Velos um. Unser Ziel heute ist die Dhow-Werft in Sur, ein Touristenmagnet zwar, aber ein durchaus sehenswerter. Hier werden heute noch wie anno dazumal die traditionellen Holzschiffe der Omaner gebaut.
Wir radeln über asphaltierte Strassen – links der Golf von Oman, rechts karge Landschaften, in denen Ziegen und Esel der Hitze trotzen. Es ist Anfang November. Eigentlich eine gute Reisezeit für Oman, doch statt der durchschnittlichen 29 zeigt das Thermometer über 35 Grad an. Man tut also auch zu dieser Jahreszeit gut daran, sich – besonders auf dem Velo – gegen die Sonne zu schützen, zumal Schatten im Wüstenstaat rar ist.
Gut, haben unsere Guides immer wieder eine Abkühlung parat: Ein Bad im Bimmah Sinkhole, einem riesigen Wasserloch mit smaragdgrünem Wasser, ist trotz seiner 30 Grad Wassertemperatur fast schon erfrischend. Haare und Kleidung – die, aus Respekt der gemässigten islamischen Etikette gegenüber, Oberarme und mindestens die Knie bedeckt – sind auf dem Velo schnell wieder trocken. Zu schnell.
Doch bevor man sich darin bestätigt fühlt, dass es durchaus gute Gründe dafür gibt, bisher nicht mit dem Velo durch die Wüste geradelt zu sein, stehen plötzlich ein paar Kamele auf der Strasse und zwingen einen, abzusteigen. Sie betrachten uns neugierig, lassen sich ihrerseits willig fotografieren, bevor sie gemächlichen Schrittes wieder von dannen ziehen. Es ist einer dieser Momente, die genau so vielleicht doch nur mit dem Velo möglich sind.
Es sollen noch weitere folgen: Wir werden tags darauf in einer der ältesten Töpfereien des Landes parkieren. Einheimische werden uns regelmässig freudig zuhupen und uns trotz unserer verschwitzten Outfits ausgesprochen freundlich bewirten. Wir werden irgendwo im flachen Nirgendwo an arabischen Supermärkten vorbeipedalen, durch Palmenhaine und mit Bergen im Rücken in den Sonnenuntergang fahren.
Klar ist: Auf dem Velosattel nimmt man die Welt um sich herum intensiver wahr, vielleicht ungeschönter, dafür in ihrer ganzen Vielfalt. Auch wenn unsere Gruppe zugegebenermassen nicht immer mit dem Fahrrad, sondern auch mal mit dem Auto oder zu Fuss unterwegs ist.
Oman ist Steinwüste und Meer, bietet aber auch märchenhafte Sanddünen. In den Wadis laden zu dieser Jahreszeit Flüsse und Wasserbecken zum Baden ein. In der ehemaligen Hauptstadt Nizwa mit ihrem beeindruckenden Fort riecht es in den engen Strassen der Medina nach Weihrauch; Omaner und Omanerinnen in traditionellen Gewändern machen Besorgungen auf dem Souk.
Anders in Misfah al-Abriyyin, dem pittoresken, rund 400 Jahre alten Dorf mit seinen Lehmziegelhäusern, das auf 900 Metern in einer Oase steht: Hier bekommt man neben einem Gefühl für die omanische Geschichte auch italienischen Cappuccino in einem modernen Café mit Rundumblick.
Misfah soll übrigens der Lieblingsort des 2020 verstorbenen Sultans Qabus bin Said gewesen sein. In den fast 50 Jahren seiner Amtszeit hat er Oman enorm vorwärtsgebracht. Heute verfügt das Land über ein Gratis-Bildungs- und Gesundheitswesen sowie über eine Infrastruktur mit gut ausgebauten Strassen, die auch uns Velofahrerinnen und Velofahrern zugutekommt. Blitzer und Tempolimit sorgen dafür, dass das Nebeneinander von Velos und Autos bei unserer Reise gut funktioniert.
Die Bewunderung für den Herrscher ist, egal, mit wem man spricht, auch vier Jahre nach seinem Tod enorm. Kommt die Sprache auf seinen Nachfolger, der zum Beispiel erstmals eine Mehrwertsteuer eingeführt hat, scheint man sich hier damit zu trösten, dass der jetzige Sultan, Haitham bin Tariq, immerhin vom beliebten, aber kinderlos gebliebenen Sultan Qabus für diese Aufgabe bestimmt wurde. «Also wird es schon richtig sein, was er tut», sagt Faisal, einer unserer Fahrer, während er uns mit dem Pick-up ins Gebirge bringt.
Zu Fuss am «Grand Canyon von Oman»
Der Jebel Shams ist mit knapp 3000 Metern der höchste Berg im Sultanat. Mit dem Velo ganz hochzuwollen, ist nicht zu empfehlen, ihn zu besuchen aber unbedingt. Hier im Gebirge wird besonders klar, was für ein Vorteil es ist, dass unsere Reise zwar um ausgiebige Veloetappen herum gestrickt ist, uns für gewisse Teilstrecken aber doch immer wieder Autos zur Verfügung stehen. Trotz begrenzter Aufenthaltsdauer lassen sich so entlegene Ziele ansteuern sowie grössere Distanzen zurücklegen. Und ein richtig heftiger Muskelkater bleibt aus.
Am selben Abend checken wir auf dem Berg im Jebel Shams Resort ein. Bevor es am nächsten Tag zurück nach Muscat geht, betreten wir bereits bei Sonnenaufgang den berühmten Balcony Walk. Es ist ein Wanderweg am Rand des Canyons. Er führt vorbei an zerklüfteten Gesteinsformationen und schwarz-weissen Ziegen. Die gigantische Schlucht wird nicht zufällig als «Grand Canyon von Oman» bezeichnet.
Im Licht der ersten Sonnenstrahlen finden wir uns in einer überwältigenden Kulisse wieder. Staunend und wandernd hängen alle ihren Gedanken nach. Ob ich auch zukünftig Länder mit dem E-Bike erkunden würde? Es gäbe gute Gründe, denn so zu reisen ist abwechslungsreich und für einigermassen fitte Freizeitradler gut machbar. Oman – mit oder ohne Velo – bin ich in diesem Moment jedenfalls endgültig verfallen.
Die Recherchereise für diesen Artikel wurde unterstützt von Belvelo.
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