AboTV-Kritik «Tatort»Wer ist hier eigentlich Täter, wer ist Opfer?
Im Kölner «Tatort» verschwindet ein besonders fieser Mitarbeiter eines Inkasso-Unternehmens. Die Verdächtigen haben eines gemeinsam: Schulden.
In diesem «Tatort» freut sich ein nicht sehr sympathischer Mann gerade über eine unanständig fette Prämie, als sein Auto gestoppt wird. Danach bleibt von Fabian Pavlou nur eine sehr grosse Menge Blut auf der Strasse, offenbar wurde er verschleppt. Die Ermittler Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) wissen, dass der Verschwundene lebensgefährlich verletzt ist, sie arbeiten also gegen die Zeit.
Mit diesem Zeitdruck auf Leben und Tod ist ein Ton gesetzt, der die Episode «Restschuld» von Claudia Garde (Regie) und Karlotta Ehrenberg (Drehbuch) spannend macht und die Geschichte unberechenbar hält. Der atmosphärisch völlig andere Erzählstrang handelt, wie schon öfter bei den Kölnern, von Geld und vom sozialen Gefüge, das nicht mehr, ganz dramatisch nicht mehr stimmt.
Wenn hier jemand Geld hat, ist das kein gutes Zeichen
Der verschwundene Erfolgsmensch ist nämlich Mitarbeiter eines Inkasso-Unternehmens, einer der ehrgeizigsten, wenn es darum geht, Schuldner Tag und Nacht unter Druck zu setzen. Offenbar gehört es zum Geschäft, ihnen dann als falschen Ausweg Abgeltungsmodelle aufzuschwatzen, bei denen für die Firma möglichst viel herausspringt. In die Leben der Kunden von Pavlou schaut der Film hinein, was nicht fröhlich ist. Das berufsunfähig gewordene Akademikerehepaar Lehnen kann sein Haus kaum noch halten, geschweige denn heizen.
Die Steuerfachfrau Stefanie Schreiter bürgte und zahlt deshalb immer noch für den Kredit ihres Ex-Mannes. Alle hier leben in notdürftig aufrechterhaltenen Konturen eines Lebens, das es nicht mehr gibt, und schämen sich dafür. Ballauf, Schenk und Jütte (Roland Riebeling) finden überall Lügen. Aber Lüge kann ein Versteck für Armut sein, und wenn einer plötzlich wieder etwas Geld hat, ist das gar kein gutes Zeichen.
Jeder hätte also Grund zur Aggression gegen Fabian Pavlou, der unauffindbar bleibt. Wer ist hier eigentlich Täter, wer ist Opfer? Während Pavlous Mann Ängste aussteht, redet sich Jost Lehnen ein, dass ein Zwieback-Frühstück eigentlich doch wie in Italien ist; gibt sich seine Frau als Helferin bei der Kölner Tafel aus und klaut dort Lebensmittel; kauft Stefanie Schreiter Anzüge für ihre Söhne für viel teurer verdiente sechshundert Euro, so wie im Märchen das Mädchen mit den Schwefelhölzern sich noch einmal Wärme und Licht vormacht. «Restschuld» handelt vom Geschäft mit der Not und von denen, die dafür bezahlen.
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